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VerfGBbg, Beschluss vom 21. Februar 2020 - VfGBbg 72/18 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2; LV, Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1
- OWiG, § 71; OWiG, § 77a Abs. 1; OWiG, § 77a Abs. 2; OWiG, § 78 Abs. 1; OWiG, § 79 Abs. 3
- StPO, § 261; StPO, § 256 Abs. 1; StPO, § 344 Abs. 2; StPO, § 349 Abs. 2; StPO, § 356a
Schlagworte: - Subsidiarität
- Rechtswegerschöpfung
- Unvollständige Anhörungsrüge
- Ordnungswidrigkeit
- Abweichende Rechtsauffassung
- Eigenständige Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. Februar 2020 - VfGBbg 72/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 72/18




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 72/18

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

P.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigte:               Rechtsanwältin C.,

beteiligt:

1.      Brandenburgisches Oberlandesgericht,
vertreten durch den Präsidenten,
Gertrud-Piter-Platz 11,
14770 Brandenburg an der Havel,

2.      Amtsgericht Nauen,
vertreten durch die Direktorin,
Paul-Jerchel-Straße 9,
14641 Nauen,

wegen

Urteil des Amtsgerichts Nauen vom 18. Juni 2018 (34 OWi 445 Js‑OWi 9077/18 (139/18)); Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 4. Oktober 2018 und vom 22. November 2018 ((1 B) 53 Ss‑OWi 522/18 (279/18))

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 21. Februar 2020

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr.

I.

Der Beschwerdeführer wurde als Führer eines Pkws von einem mobilen Geschwindigkeitsmessgerät des Typs PoliScan Speed erfasst. In der Hauptverhandlung erhob das Amtsgericht Nauen gegen den Widerspruch der Verteidigerin Beweis durch Verlesung des wesentlichen Inhalts des Messprotokolls der Geschwindigkeitsmessung. Die Verteidigerin beantragte die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass das Messgerät nicht seiner Bauartzulassung entspreche, da es Messpunkte außerhalb des zugelassenen Messbereichs von 50 bis 20 Metern vom Fahrzeug entfernt in die Berechnung einbezogen habe. Weiterhin beantragte sie die Vernehmung des zuständigen Messbeamten als Zeugen für die Tatsache, dass der Aufbau des Geschwindigkeitsmessgerätes nicht entsprechend der Bedienungsanleitung des Herstellers erfolgt, nämlich der Sensor ausweislich des Messprotokolls in einer Höhe von 0,65 Metern aufgebaut gewesen sei und damit nicht die Vorgabe der Bedienungsanleitung einer Höhe von mindestens 0,70 Metern eingehalten habe. Im Sitzungsprotokoll vom 18. Juni 2018 ist auszugsweise Folgendes protokolliert: „Bedanl. PoliScan f. Software 3.7.4 v. 11.12.2014 dort S. 34 oben verlesen: Höhe Unterkante Messeinheit über Fahrbahnoberfläche 0,6m bis 1,3m“. Beide Beweisanträge lehnte das Amtsgericht gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) ab, da dies zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei.

Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung im Straßenverkehr mit einem Pkw zu einer Geldbuße i. H. v. 140,00 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat. Das Urteil begründete es u. a. wie folgt: Das Gericht gehe von einer Messung im standardisierten Messverfahren aus, die eine Beweisaufnahme entbehrlich mache, da es keine Auffälligkeiten in der Messung gegeben habe. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt, da die Behauptung des Betroffenen, in die Messung seien unzulässige Messpunkte einbezogen worden, eine „Behauptung ins Blaue hinein“ gewesen sei, die sich generell auf Messungen dieses Gerätetyps bezogen hätten. Konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung seien nicht vorgetragen. Auch der Messbeamte sei gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht als Zeuge für die Tatsache zu vernehmen gewesen, der Aufbau habe im Hinblick auf die Höhe von 0,65 m gegen die Vorgabe der Bedienungsanleitung verstoßen. Denn aus der Bedienungsanleitung für das Gerät PoliScan für die Software 3.7.4, Stand 11. Dezember 2014, die hinzugezogen und Seite 34 verlesen worden sei, ergebe sich, dass die Unterkante der Messeinheit 0,6 - 1,3 m über der Fahrbahnoberfläche aufzubauen sei. Es gehe aus dem Beweisthema daher kein Aufbaufehler hervor; weitere konkrete Fehler im Aufbau seien nicht vorgetragen worden.

Der Beschwerdeführer legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Rechtsbeschwerde zum Brandenburgischen Oberlandesgericht ein. Zur Begründung führte er an, der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 261 Strafprozessordnung (StPO) sei verletzt. Das Messprotokoll habe nicht durch Bekanntgabe seines wesentlichen Inhalts eingeführt werden dürfen. Es handele sich um einen Fall des § 77a Abs. 1 OWiG (Urkunde über eine schriftliche Äußerung eines Zeugen), nicht aber um einen Fall des § 77a Abs. 2 OWiG (Ermittlungshandlung). Daher sei zur Verlesung die - nicht erteilte - Zustimmung des Betroffenen und seiner Verteidigung gemäß § 78 Abs. 1 OWiG erforderlich gewesen. Ferner sei der Unmittelbarkeitsgrundsatz auch verletzt, da das Amtsgericht sein Urteil auf ein nicht zur Hauptverhandlung hinzugezogenes Beweismittel, nämlich die Bedienungsanleitung gestützt habe. Zudem erhob der Beschwerdeführer die Aufklärungsrüge. Das Amtsgericht habe dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgehen müssen. Ein weitergehender als der - schon im Bußgeldverfahren umfassend - erfolgte Vortrag sei von dem Betroffenen einer Ordnungswidrigkeit nicht zu erwarten. Auch habe der Messbeamte als Zeuge vernommen werden müssen, da der Beschwerdeführer der Verlesung des Messprotokolls widersprochen habe und die Bedienungsanleitung, auf welche das Amtsgericht zur Begründung der Ablehnung des Antrags verwiesen habe, nicht als Beweismittel in das Verfahren eingeführt worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft nahm zu der Rechtsbeschwerde wie folgt Stellung: Der Unmittelbarkeitsgrundsatz sei trotz fehlender Zustimmung zur Verlesung des Messprotokolls nicht verletzt. Das Messprotokoll sei eine Erklärung einer Strafverfolgungsbehörde über Ermittlungshandlungen, die keine Vernehmung betreffe. Die Zulässigkeit der Verlesung ohne Zustimmung ergebe sich daher aus § 256 Abs. 1 Satz 5 StPO i. V. m. § 71 OWiG (Verweis auf Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 26. Juni 2014 - 111-1 RBs 105/14). § 77a Abs. 2 und Abs. 4 OWiG seien nicht anwendbar in Fällen, in denen sich die Zulässigkeit der Verlesung bereits aus § 256 StPO ergebe. Da die Verlesung keiner Zustimmung bedürfe, gelte das gleiche auch für die Bekanntgabe dem wesentlichen Inhalt nach (§ 78 Abs. 1 Satz 2 OWiG). Die Rüge der Verwendung der Bedienungsanleitung sei unzulässig, da aus dem Hauptverhandlungsprotokoll mit positiver Beweiskraft hervorgehe, dass der zitierte Abschnitt erörtert worden sei. Ein Verfahrensfehler sei diesbezüglich nicht mitgeteilt worden. Auch Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Bedienung des Geräts, die eine Vernehmung des Messbeamten als Zeugen hätten erfordern können, seien daher nicht entsprechend § 79 Abs. 3 OWiG, § 344 Abs. 2 StPO vorgetragen. Ferner sei die Rüge der Ablehnung des Beweisantrags, ein Sachverständigengutachten einzuholen, nicht zulässig begründet worden. Das Messverfahren sei als standardisiertes Messverfahren anerkannt. Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion oder Abweichungen vom Bedienungsstandard habe das Gericht nicht festgestellt. Ohne konkrete Zweifel am Messergebnis dürften Beweisanträge - wie hier erfolgt - gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt werden. Die Aufklärungspflicht sei ebenfalls nicht verletzt, da eine Beweiserhebung angesichts der plausiblen Messung im standardisierten Messverfahren nicht nahe lag. Die Behauptung des Beschwerdeführers, es seien Messpunkte außerhalb des zulässigen Messbereichs einbezogen worden, sei ohne Bezug zum konkreten Fall und „ins Blaue hinein“ erfolgt.

Der Beschwerdeführer nahm hierzu mit Schriftsatz vom 27. September 2018 Stellung und führte an, als Ermittlungshandlungen habe das von der Generalstaatsanwaltschaft zitierte Oberlandesgericht Hamm nur Daten bezüglich des Tatorts und der Geschwindigkeitsbegrenzung angesehen. Es habe der Aufklärung bedurft, ob die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens durch Einhaltung der Bedienungsanleitung überhaupt vorgelegen hätten. Im Hauptverhandlungsprotokoll sei zwar ein Zitat der Bedienungsanleitung aufgeführt, dieses aber nicht ordnungsgemäß einbezogen worden. Das Amtsgericht sei gehalten gewesen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, da weder die Bedienungsanleitung einbezogen noch der Messbeamte als Zeuge gehört worden sei. Die Generalstaatsanwaltschaft überspanne die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Beweisantrags. Der Beschwerdeführer habe im Beweisantrag hinreichend konkret ausgeführt, dass die Messwertbildung entgegen der Bauartzulassung erfolgt sei. Eine konkrete Benennung, Objektpunkte welcher Entfernungen in die Messung einbezogen worden seien, dürfe nicht erwartet werden.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht verwarf die Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 4. Oktober 2018 gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO aus den Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft, die durch das Vorbringen im Schriftsatz vom 27. September 2018 nicht entkräftet worden seien, als offensichtlich unbegründet. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 10. Oktober 2018 zugestellt.

Der Beschwerdeführer erhob hiergegen eine Gehörsrüge, in der er den Verfahrensgang, die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft und seine Ausführungen im Rechtsbeschwerdeverfahren nochmals darlegte. Er rügte, das Oberlandesgericht habe „bei Berücksichtigung dieses Vortrags […] durch eigene Überzeugungsmittel bei Sichtung des Urteils, des Sitzungsprotokolls und der Rechtsbeschwerdebegründung zu dem Ergebnis kommen müssen“, das Urteil des Amtsgerichts sei nicht rechtsfehlerfrei. Es habe das Urteil aufheben müssen.

Das Oberlandesgericht wies die Gehörsrüge mit Beschluss vom 22. November 2018 zurück, da der Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten verletzt, insbesondere ihm das rechtliche Gehör nicht versagt worden sei.

II.

Mit seiner am 28. Dezember 2018 erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 4. Oktober 2018 in Verbindung mit dem Beschluss vom 22. November 2018 sowie das Urteil des Amtsgerichts Nauen vom 18. Juni 2018. Er rügt eine Verletzung seiner Grundrechte auf ein faires Verfahren (Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 Verfassung des Landes Brandenburg - LV), auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV) und des Willkürverbots (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV).

Die Bekanntgabe des Messprotokolls seinem wesentlichen Inhalt nach gegen den Widerspruch des Beschwerdeführers begründe einen Verstoß gegen das Willkürverbot, das Recht auf rechtliches Gehör und das Recht auf ein faires Verfahren. Das Amtsgericht habe nicht von einem standardisierten Messverfahren ausgehen dürfen; weitere Beweiserhebungen seien für eine Verurteilung des Beschwerdeführers erforderlich gewesen. Sein rechtliches Gehör sei außerdem durch die unterbliebene Einholung eines Sachverständigengutachtens verletzt, das wegen umfassend begründeter Anhaltspunkte zur Fehlerhaftigkeit des Messverfahrens erforderlich gewesen sei. Das Oberlandesgericht habe die Verfahrensfehler des Amtsgerichts nicht korrigiert und die Verstöße gegen das Willkürverbot und das rechtliche Gehör dadurch vertieft. Es habe sich „trotz offensichtlichen Verstoß[es]“ nicht mit den Ausführungen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Es habe das Urteil des Amtsgerichts vielmehr aufheben müssen. Aufgrund der „Art und Weise der Begründung des Beschlusses vom 04.10.2018“ sei anzunehmen, dass das Oberlandesgericht dessen Ausführungen in der Gegendarstellung zur Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft nicht zur Kenntnis genommen habe. Diese Vorgehensweise verstoße angesichts des konkreten Vortrags des Beschwerdeführers gegen Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV und Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 LV.

Ursprünglich hat der Beschwerdeführer ferner geltend gemacht, ein Verstoß gegen das Willkürverbot und den Grundsatz des fairen Verfahrens liege auch in der Einbeziehung eines nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismittels (der Bedienungsanleitung). Diese Rüge verfolgt er angesichts des Inhalts des Hauptverhandlungsprotokolls nicht mehr weiter.

Das verhängte Fahrverbot hat der Beschwerdeführer inzwischen verbüßt.

III.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht und das Amtsgericht Nauen haben zu dem Verfahren Stellung genommen. Das Oberlandesgericht hat erklärt, das Rechtsbeschwerdevorbringen sei umfassend zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung vom 4. Oktober 2018 erwogen worden. Wegen der umfassend begründeten Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft sei eine Entscheidung gemäß § 349 Abs. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG gerechtfertigt gewesen. Mit den Schriftsätzen vom 27. September 2018 und der Anhörungsrüge habe der Beschwerdeführer keine neuen Tatsachen mitgeteilt, sondern lediglich eine abweichende Beurteilung kundgetan. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist mangels der Einhaltung des aus § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg abgeleiteten Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde unzulässig.

Ein Beschwerdeführer hat nach diesem Grundsatz vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde über die formale Erschöpfung des Rechtswegs hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten zu ergreifen, um eine etwaige Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden Verfahren zu verhindern oder zu beheben. Das ist Ausdruck der Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung zwischen den Fachgerichten und der Verfassungsgerichtsbarkeit. Nach der in der Verfassung angelegten Kompetenzverteilung obliegt es zuvörderst den Fachgerichten, die Grundrechte zu wahren, zu schützen und durchzusetzen. Zweck des Subsidiaritätsprinzips ist aber nicht allein der vorrangige individuelle Grundrechtsschutz. Durch die geforderte fachgerichtliche Vorbefassung soll sichergestellt werden, dass sich die verfassungsgerichtliche Prüfung auf möglichst umfassend geklärte Tatsachen stützen kann und auch die Rechtslage durch die Fachgerichte vorgeklärt und aufbereitet worden ist. Danach sind grundsätzlich alle Gehörsverstöße im Wege der Anhörungsrüge zur fachgerichtlichen Überprüfung zu stellen, bevor Verfassungsbeschwerde erhoben wird (st. Rspr., vgl. jüngst Beschlüsse vom 13. Dezember 2019 ‌‑ VfGBbg 68/18 -, vom 10. Mai 2019 - VfGBbg 41/18 - und vom 22. März 2019 - VfGBbg 1/18 -, https://verfassungsgericht.‌brandenburg.de, m. zahlr. N.). Die unterlassene Erhebung einer an sich statthaften Anhörungsrüge hat zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf eine etwaige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern insgesamt unzulässig ist (vgl. Beschlüsse vom 13. Dezember 2019 ‌‑ VfGBbg 68/18 - und vom 22. März 2019 ‌‑ VfGBbg 1/18 ‑, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.

Der Beschwerdeführer hat zwar gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 4. Oktober 2018 eine Anhörungsrüge gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 356a StPO erhoben. Darin rügte er allerdings nicht die nun mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachten Gehörsverletzungen; in der Sache hat er keine Gehörsrüge erhoben. Vielmehr hat er sich mit seinem Einwand, „bei Berücksichtigung dieses Vortrags“ (insbesondere der Gegenerklärung vom 27. September 2018, ferner der Rechtsbeschwerdebegründung) hätte das Oberlandesgericht zu einem anderen als dem gefundenen Ergebnis kommen müssen, lediglich im Gewand der Gehörsrüge gegen die vom Oberlandesgericht vertretene Rechtsauffassung gewandt (vgl. Beschlüsse vom 19. Mai 2017 ‌‑ VfGBbg 15/17 - und vom 9. September 2016 ‌‑ VfGBbg 24/16 -, https://verfassungs­gericht.‌branden­burg.de). Er hat dort lediglich eine abweichende rechtliche Beurteilung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen der StPO und des OWiG und deren Anwendung auf den Einzelfall für - seiner Meinung nach - einzig zutreffend erklärt. Sein Vortrag zielte darauf ab, die Entscheidung erneut in der Sache überprüfen zu lassen (vgl. zu § 356a StPO z. B. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2008 ‌‑ 3 StR 272/08 -, Rn. 2, juris). Die Anhörungsrüge dient indes nicht dazu, das Gericht unabhängig vom Vorliegen eines Gehörsverstoßes zur Überprüfung einer dem Rechtsbehelfsführer ungünstigen Rechtsauffassung zu veranlassen. Aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV ergibt sich kein Anspruch darauf, dass sich das Gericht der Bewertung eines Beteiligten anschließt, also „auf ihn hört“. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör schützt die Verfahrensbeteiligten nicht davor, dass das Gericht ihre Rechtsauffassungen und rechtlichen Beurteilungen nicht teilt und zu einer abweichenden (womöglich auch unzutreffenden) Rechtsauffassung gelangt (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 20. Juli 2018 ‌‑ VfGBbg 191/17, VfGBbg 185/17, VfGBbg 178/17, u. a. -, vom 16. März 2018 ‌‑ VfGBbg 56/16 -, m. w. N., und vom 19. Februar 2016 ‌‑ VfGBbg 87/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Dafür, dass das Oberlandesgericht den Vortrag des Beschwerdeführers in seiner Rechtsbeschwerdebegründung und seinem Schriftsatz vom 27. September 2018 nicht zur Kenntnis genommen und erwogen habe, hat der Beschwerdeführer in seiner Anhörungsrüge keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen. Insbesondere hat er dort nicht - wie im Rahmen seiner Verfassungsbeschwerde - geltend gemacht, aufgrund der „Art und Weise der Begründung des Beschlusses vom 04.10.2018“ sei anzunehmen, dass das Oberlandesgericht die Ausführungen des Beschwerdeführers in der Gegendarstellung zur Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft nicht zur Kenntnis genommen habe. Letzteres liegt freilich auch in der Sache fern, da das Oberlandesgericht den Schriftsatz vom 27. September 2018 ausdrücklich im Beschluss erwähnt hat. Es kann folglich auch offen bleiben, ob selbst die unterbliebene Erwähnung einer Gegenerklärung im Verwerfungsbeschluss überhaupt geeignet wäre, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu begründen (dazu BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2008 - 5 StR 426/08 -, NStZ-RR 2009, 119).

Dieser Bewertung steht der Umstand nicht entgegen, dass das Oberlandesgericht die Gehörsrüge mit dem Beschluss vom 22. November 2018 als unbegründet zurückgewiesen hat. Denn die Frage der Subsidiarität (wie auch damit zusammenhängend der ordnungsgemäßen Rechtswegerschöpfung) betrifft die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, deren Voraussetzungen das Verfassungsgericht selbst zu prüfen und über die es allein zu entscheiden hat (vgl. Beschluss vom 19. Mai 2017 ‌‑ VfGBbg 15/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

Die Verfassungsbeschwerde ist nach den genannten Grundsätzen auch in Bezug auf die weiteren geltend gemachten Grundrechtsverletzungen unzulässig.

B.

Die Entscheidung ist einstimmig ergangen. Sie ist unanfechtbar.

 

Möller

Dr. Becker

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Dr. Lammer

Sokoll

Dr. Strauß