VerfGBbg, Beschluss vom 21. Februar 2014 - VfGBbg 35/13 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 9 Abs. 1 - StGB, § 63; StGB, § 67d |
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Schlagworte: | - Maßregelvollzug - Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - Fortdauer der Unterbringung - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - Anforderungen an die Entscheidungsbegründung |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 21. Februar 2014 - VfGBbg 35/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 35/13
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IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
K.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin B.,
wegen des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 13. Dezember 2012 (20 StVK 125/12) und des Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Mai 2013 (1 Ws 60/13)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dresen,
Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt
am 21. Februar 2014
b e s c h l o s s e n:
1. Der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 13. Dezem ber 2012 (20 StVK 125/12) und der Beschluss des Bran- denburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Mai 2013 (1 Ws 60/13) verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht der Freiheit der Person aus Art. 9 Abs. 1 der Landesverfassung. Die Beschlüsse werden aufgeho ben und die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das nunmehr zuständige Landgericht Cottbus zurückver wiesen.
2. Das Land hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen gerichtliche Entscheidungen über die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
I.
1. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Potsdam vom 18. Dezember 2006 wurde der Beschwerdeführer wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung – begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit - zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Daneben ordnete das Landgericht die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 Strafgesetzbuch (StGB) an. Der Beschwerdeführer ist seit dem 7. März 2006 im Asklepios Fachklinikum Teupitz (im Folgenden: Klinik) untergebracht, zunächst aufgrund eines Unterbringungsbefehls, seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils am 27. Februar 2007 in Vollzug der Maßregel. Bereits im Jahre 2004 wurde ein gegen den Beschwerdeführer wegen Brandstiftung geführtes Ermittlungsverfahren eingestellt.
2. Unter dem 16. Juni 2011 ordnete die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts die Fortdauer der Unterbringung an. Zwar betrachteten die behandelnden Ärzte die Gefahr körperlicher Angriffe des Beschwerdeführers auf andere nicht mehr als gegeben, jedoch sei nicht auszuschließen, dass er exhibitionistische Delikte oder Brandstiftungen begehe. Die erste Begutachtung des Beschwerdeführers durch einen klinikexternen Sachverständigen erfolgte im Frühjahr des Jahres 2012. Nach dessen Gutachten vom 18. April 2012 leidet der Beschwerdeführer an einer dependenten Persönlichkeitsstörung (ängstlich-abhängig, gehemmt mit Tendenz zur Überanpassung), einer Störung der Impulskontrolle im Sinne des Brandstiftens und einem Fetischismus. Auf dem Fetischismus beruhe die Anlasstat. Bezüglich der Brandstiftung bestehe allenfalls ein geringes Rückfallrisiko. Was sexuell motivierte Delinquenz anbelange, falle eine statistische Prognose wegen Fehlens spezifischer Voruntersuchungen schwer; insoweit sei jedoch für die nächsten Jahre von einer Rückfallwahrscheinlichkeit von unter 10 % auszugehen. Insgesamt erscheine es derzeit sehr unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer zukünftig Gewaltdelikte nach Art der Anlasstat begehe.
3. In dem der Entscheidung des Landgerichts vom 13. Dezember 2012 vorangegangenen Anhörungstermin erklärte der Beschwerdeführer u.a., er habe in der zweiten Hälfte des Jahres unter einem anderen Namen bei einem Telefonsex-Anbieter angerufen. Die behandelnde Oberärztin der Klinik schilderte in dem Termin außerdem einen exhibitionistischen Vorfall. Die Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers vertrat im Rahmen der Anhörung die Ansicht, der Verurteilte sollte entlassen werden können, weil es sich bei den drohenden Straftaten nicht um erhebliche handele.
Das Landgericht ordnete in dem angegriffenen Beschluss die Fortdauer der Unterbringung an. Der Behandlungs- und Lockerungsstand rechtfertige nicht die Annahme, der Beschwerdeführer werde in Freiheit keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen, wie sie für eine Aussetzung der Maßregelvollstreckung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB erforderlich sei. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen in dem Gutachten vom 18. April 2012 sei die von dem Beschwerdeführer in Freiheit ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit weiterhin hoch; dies beziehe sich „ausdrücklich auch auf Risikotaten, die dem Anlassdelikt vergleichbar sind oder dieses im Schweregrad übertreffen“. Die behandelnde Oberärztin habe in der Anhörung deutlich gemacht, es sei nicht auszuschließen, dass die jüngsten exhibitionistischen Handlungen des Beschwerdeführers Weiterungen bis hin zu dem Anlassdelikt entsprechenden Taten erfahren würden. Die Kammer folge den Einschätzungen des Sachverständigen und der Klinikärzte. Für eine bedingte Entlassung des seinen spontanen Eingebungen und Trieben folgenden Beschwerdeführers gebe es zu viele Unwägbarkeiten. Es könne nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die von ihm zu erwartenden Straftaten nur minder schweren Grades wären. Im Hinblick auf die bei einer Rückfalltat gefährdeten Rechtsgüter sei der weitere Vollzug der Unterbringung auch noch verhältnismäßig.
Nach Zustellung dieses Beschlusses am 11. Februar 2013 legte der Beschwerdeführer unter dem 18. Februar 2013 sofortige Beschwerde ein und begründete diese. Mit dem ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 15. Mai 2013 verwarf das Brandenburgische Oberlandesgericht (Oberlandesgericht) das Rechtsmittel als unbegründet. Aus der Zusammenschau von Charakter der Anlasstat und psychischer Störung des Beschwerdeführers ergebe sich die fortbestehende Gefahr sexuell motivierter Straftaten. In Ansehung der vom Beschwerdeführer „begangenen gravierenden Straftaten“ erweise sich die „Dauer der bisherigen Unterbringung“ als verhältnismäßig. Der Beschluss ging der Verteidigerin des Beschwerdeführers am 23. Mai 2013 zu.
II.
Mit der am 23. Juli 2013 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Freiheitsgrundrechts aus Art. 9 Abs. 1 der Landesverfassung (LV).
Für die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus habe es keine Rechtfertigung gegeben. Mit der Annahme, deren Voraussetzungen lägen vor, hätten die Gerichte Bedeutung und Tragweite seines Freiheitsgrundrechts verkannt. Die angegriffenen Entscheidungen ließen eine hinreichende richterliche Sachaufklärung vermissen und hätten in tatsächlicher Hinsicht keine ausreichende Grundlage. Die behandelnden Klinikärzte und der Sachverständige schlössen aus, dass er künftig der Anlasstat vergleichbare Delikte begehen werde. Etwaige exhibitionistische Handlungen wären jedenfalls keine erheblichen Straftaten. Das Landgericht habe zudem nicht die für eine Unterbringung erforderliche Wahrscheinlichkeit künftiger Delinquenz festgestellt. Ferner sei die nunmehr sieben Jahre währende Unterbringung gemessen an den allenfalls von ihm drohenden Straftaten minderer Schwere unverhältnismäßig. Um dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Rechnung zu tragen, gebe es mildere Mittel wie Führungsaufsicht oder Bewährungsauflagen, welche die Gerichte nicht einmal in Erwägung gezogen hätten. Schließlich hätten die für die Fortdauer der Unterbringung angeführten Argumente der Klinik einer besonders gründlichen Kontrolle bedurft, weil diese ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen sei.
III.
Die Präsidenten des Landgerichts und des Oberlandesgerichts sowie die Staatsanwaltschaft Potsdam hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens und das Vollstreckungsheft wurden beigezogen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Einer Sachentscheidung des Verfassungsgerichts steht nicht entgegen, dass die Verletzung eines Landesgrundrechts im Rahmen eines bundesrechtlich geordneten Verfahrens gerügt wird. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen sind gegeben; insbesondere besteht Inhaltsgleichheit zwischen dem Freiheitsgrundrecht aus Art. 9 Abs. 1 LV einerseits und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) andererseits (vgl. Beschluss vom 18. September 2003 – VfGBbg 178/03 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 LV.
1. Das Freiheitsgrundrecht darf wegen seines hohen Rangs nur aus besonders wichtigen Gründen eingeschränkt werden. Zu diesen zählt der Schutz der Allgemeinheit, wie er durch das Straf- und das Strafverfahrensrecht bezweckt wird (vgl. zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG: Bundesverfassungsgericht – BVerfG - E 58, 208, 224 f). Entscheidungen über die Anordnung und Fortdauer einer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63, § 67d Abs. 2 StGB betreffen die Freiheitsentziehung und berühren damit das Freiheitsgrundrecht unmittelbar (Beschlüsse vom 18. September 2003, a. a. O., und vom 19. Oktober 2013 – VfGBbg 72/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Sie bedürfen daher zureichender richterlicher Sachaufklärung und einer in tatsächlicher Hinsicht genügenden Grundlage (BVerfGE 58, 208, 222, 230; Beschluss vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 2521/11 -, NStZ 2013, 116, 117 f). Hierzu gehört regelmäßig die Einholung sachverständiger, vom Gericht selbständig zu würdigender Einschätzungen, soweit in Prognoseentscheidungen – wie vorliegend hinsichtlich künftiger Straffälligkeit des Beschwerdeführers nach § 67d Abs. 2, 6 StGB – geistige oder seelische Anomalien zu beurteilen sind (BVerfGE 70, 297, 309 f; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2013 – 2 BvR 371/12 -, zitiert nach juris Rn. 42). Solche Entscheidungen müssen zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, indem sie den – mit zunehmender Dauer der Unterbringung bedeutsamer werdenden – Freiheitsanspruch des Untergebrachten und das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit, ausgedrückt durch das Maß der vom Untergebrachten ausgehenden Gefahr, gegeneinander abwägen (BVerfGE 70, 297, 311 ff). Dabei darf in die Abwägung nur die Gefahr solcher rechtswidrigen Taten eingestellt werden, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach auch die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigen können; ferner ist der Grad der Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, dass sich diese Gefahr realisiert (BVerfG, Beschlüsse vom 26. August 2013, a. a. O., zitiert nach juris Rn. 44 f und vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 2957/12 -, zitiert nach juris Rn. 26 f). Mit der Dauer der Unterbringung erhöhen sich zudem die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte und infolgedessen auch die Anforderungen, die an eine Entscheidungsbegründung zu stellen sind, mit der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Schutz der Allgemeinheit der Vorrang vor dem Freiheitsanspruch eingeräumt und die Aussetzung der Maßregelvollziehung nach § 67 d Abs. 2 StGB abgelehnt werden (BVerfGE 70, 297, 315 f). In der Anordnung der Unterbringungsfortdauer ohne eine diese Anforderungen erfüllende Begründung manifestiert sich eine Verkennung der Tragweite des Freiheitsgrundrechts und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Eine solche Anordnung rechtfertigt eine weitere Freiheitsentziehung nicht und verletzt den Untergebrachten in seinem Freiheitsgrundrecht (BVerfGE 70, 297, 314 f, 316 f; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2013, a. a. O., Rn. 48 f).
2. Die angegriffenen Entscheidungen werden den vorstehend aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht gerecht und verstoßen daher gegen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 9 Abs. 1 LV.
a. Das Landgericht hat seine für den Beschwerdeführer nachteilige Gefahrenprognose u. a. auf das externe Sachverständigengutachten vom 18. April 2012 gestützt. Aus diesem Gutachten ergibt sich aber gerade nicht, dass vom Beschwerdeführer in Freiheit die Ausübung erheblicher Straftaten zu erwarten sei. Das Risiko künftiger Brandstiftungsdelikte, mit dem das Landgericht noch im Beschluss vom 16. Juni 2011 die Unterbringungsfortdauer begründet hatte, bezeichnet der Sachverständige als allenfalls gering; die Begehung von der Anlasstat vergleichbaren Gewalthandlungen als sehr unwahrscheinlich. Zwar empfiehlt er mit Blick auf die teilweise labilen Bedingungen für die vom Beschwerdeführer erzielten Fortschritte (noch) keine Langzeitbeurlaubung, stellt dies jedoch in keinen Zusammenhang mit der Einschätzung von dessen Gefährlichkeit nach einer etwaigen Entlassung. Wohl kann das Gericht kraft seiner alleinigen Befugnis, die erforderliche Prognoseentscheidung zu treffen, von dem Sachverständigengutachten abweichen; regelmäßig muss es eine solche Abweichung jedoch sorgfältig begründen, um der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013, a. a. O., Rn. 32, 35). Dem wird die Entscheidung des Landgerichts vorliegend schon deshalb nicht in der von Verfassungs wegen gebotenen Weise gerecht, weil sie - unzutreffend - davon ausging, ihre Prognose stimme mit den sachverständigen Bewertungen überein.
Die Stellungnahme der behandelnden Oberärztin im Anhörungstermin war ebenfalls keine die Anordnung der Unterbringungsfortdauer tragende Grundlage. In deren Rahmen berichtete die Ärztin von einer exhibitionistischen Handlung des Beschwerdeführers auf dem Klinikgelände. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine dem Anlassdelikt vergleichbare oder noch schwerer wiegende Straftat, auf die das Landgericht für seine Gefahrenprognose abgestellt hat. Zudem sind exhibitionistische oder sexuelle Handlungen im Sinne von § 183, § 183a StGB nicht ohne weiteres dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen und mit einer schweren Störung des Rechtsfriedens verbunden, wie dies für das Vorliegen erheblicher Straftaten im Sinne von § 63 StGB mindestens erforderlich ist (vgl. Fischer, Kommentar zum StGB, 61. Aufl. 2014, § 63 Rn. 16, 17, 18). Dass, wie die Ärztin weiter ausgeführt hat, eine Entwicklung des von ihr beschriebenen exhibitionistischen Verhaltens bis hin zu dem Anlassdelikt entsprechenden Taten nicht ausgeschlossen werden könne, beschreibt lediglich die Möglichkeit weitergehender Delikte des Beschwerdeführers; eine solche vermag die weitere Maßregelvollstreckung indes nicht zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 70, 297, 313).
b. Das Landgericht hat darüber hinaus nicht – wie verfassungsrechtlich geboten - das Maß der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr bestimmt. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, die Art der vom Beschwerdeführer drohenden erheblichen Straftaten (den Deliktstypus) und den Grad der Wahrscheinlichkeit zu konkretisieren, dass er sie in Freiheit beginge; insoweit bedarf es zur Rechtfertigung der (Fortdauer der) Unterbringung einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013, a. a. O., Rn. 42; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09 -, NStZ-RR 2009, 306, 307). Demgegenüber hat die Kammer mit dem Abheben auf dem Anlassdelikt vergleichbare oder noch schwerere Straftaten die notwendige Klarstellung nicht getroffen, welche Straftaten genau vom Beschwerdeführer zu erwarten seien. Ferner hat sie es unterlassen, die erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades festzustellen und diese ausreichend von der – eine Unterbringungsanordnung nicht tragenden - bloßen Möglichkeit weiterer erheblicher Straftaten abzugrenzen. In ihrer Einschätzung der gutachterlichen und ärztlichen Stellungnahmen führt sie in Verkennung des verfassungsrechtlich zwingenden Ansatzes lediglich aus, es könne derzeit nicht mit ausreichender Sicherheit gesagt werden, der Beschwerdeführer werde künftig nur minder schwere Straftaten begehen.
c. Schließlich verhält sich der landgerichtliche Beschluss nicht zu der Frage, ob die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit nicht durch Maßnahmen der Führungsaufsicht (§ 68a, § 68b StGB – etwa ambulante psychotherapeutische Behandlung) gewahrt werden können, die im Falle einer Aussetzung des Maßregelvollzugs zur Bewährung kraft Gesetzes eintritt (§ 67d Abs. 2 Satz 3 StGB). Dies erscheint mit Blick auf die ärztlicherseits festgestellte geringe Gefährlichkeit des Beschwerdeführers, seine Beschäftigung in einer LKW-Waschanlage, die positive Entwicklung des Beschwerdeführers in der Unterbringung und seine im Anhörungstermin durch seine Verteidigerin signalisierte Bereitschaft, sich ambulant weiter therapieren zu lassen, jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Unterbringungsfortdauer hätte sich das Landgericht mit dieser Möglichkeit auseinandersetzen müssen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. August 2013, a. a. O., Rn. 46, 58 und vom 5. Juli 2013, a. a. O., Rn. 43).
d. Auch der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 15. Mai 2013 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht. Soweit das Oberlandesgericht zur Begründung seiner Beschwerdeentscheidung auf den Beschluss des Landgerichts Bezug nimmt, ergibt sich dies aus den vorstehenden Ausführungen. Darüber hinaus enthält auch die weitergehende Feststellung des Oberlandesgerichts, die Gefahr sexuell motivierter oder ausgelöster erheblicher Straftaten bestehe fort, nicht die verfassungsrechtlich gebotene Konkretisierung der Art der vom Beschwerdeführer drohenden Delikte und des Grades der Wahrscheinlichkeit, dass er sie in Freiheit ausüben werde. Zudem verfehlt das Oberlandesgericht die verfassungsrechtlich gebotenen Begründungsanforderungen, indem es auf die Verhältnismäßigkeit „der bisherigen Unterbringung“ abstellt statt auf deren in dem angegriffenen Beschluss des Landgerichts angeordnete Fortdauer.
C.
Danach sind die Beschlüsse vom 13. Dezember 2012 und 15. Mai 2013 aufzuheben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Cottbus zurückverwiesen. Nach § 50 Abs. 3 Halbsatz 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) verweist das Verfassungsgericht die Sache an „ein“ zuständiges Gericht zurück. Im Rahmen des hierdurch eingeräumten Ermessens hält das Verfassungsgericht eine Zurückverweisung an das Landgericht für angemessen, weil dieses am 10. Dezember 2013 bereits eine erneute Begutachtung des Beschwerdeführers angeordnet hat. Angesichts der Bedeutung des verletzten Grundrechts geht das Verfassungsgericht von einer zeitnahen Entscheidung aus.
Die Auslagenerstattung beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg. Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf 10.000,00 € festzusetzen.
D.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Nitsche | Dr. Becker |
Dresen | Dr. Fuchsloch |
Dr. Lammer | Partikel |
Schmidt | |