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VerfGBbg, Beschluss vom 21. Februar 2008 - VfGBbg 35/07 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2
- LV, Art. 52 Abs. 1 Satz 2
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1
- ZPO, § 578 Abs. 1; ZPO, § 579 Abs. 1 Nr. 1; ZPO, § 522 Abs. 2

Schlagworte: - Subsidiarität
- Nichtigkeitsklage
- gesetzlicher Richter
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. Februar 2008 - VfGBbg 35/07 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 35/07



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

Dr. L.,

Beschwerdeführer,

gegen den Beschluß des Landgerichtes Frankfurt (Oder) vom 02. Mai 2007

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel, Dr. Schöneburg und Prof. Dr. Schröder

am 21. Februar 2008

b e s c h l o s s e n :

1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit es sich mit der Rüge einer Verletzung in Art. 53 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg gegen das Urteil des Amtsgerichtes Frankfurt (Oder) vom 10. November 2006 richtete.

2. Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.

G r ü n d e :

1. Das Verfahren war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 13 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) in Verbindung mit § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung einzustellen, nachdem der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde diesbezüglich mit Schreiben vom 10. August 2007 zurückgenommen hat.

2. Die Verfassungsbeschwerde im übrigen ist nach § 21 Satz 2 VerfGGBbg zu verwerfen, nachdem der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 06. Juli 2007 - zugestellt am 23. Juli 2007 - auf Bedenken gegen die Zulässigkeit seiner Verfassungsbeschwerde hingewiesen worden ist und diese Bedenken nicht, auch nicht durch seine Schreiben vom 10. August, 21. September sowie 15. Oktober 2007, ausgeräumt hat.

Auch wenn der Beschwerdeführer nunmehr nur noch den Beschluß des Landgerichts vom 02. Mai 2007 mit der Verfassungsbeschwerde angreift und auch nur noch eine Verletzung in Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) rügt, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nach wie vor der Gesichtspunkt der Subsidiarität gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg entgegen. Ungeachtet der Frage, ob der Beschwerdeführer bereits in dem Verfahren vor dem Landgericht gehalten gewesen wäre, die gerügte Verletzung von Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV geltend zu machen, hätte er jedenfalls gemäß §§ 578 Abs. 1, 579 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozeßordnung (ZPO) eine Nichtigkeitsklage mit der Begründung erheben müssen, das Landgericht sei bei dem angegriffenen Beschluß nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 31. Juli 2001 - 1 BvR 304/01 -). Die Wiederaufnahme in Form der Nichtigkeitsklage ist im Wege analoger Anwendung der genannten Vorschriften auch gegen unanfechtbare Beschlüsse, wie etwa hier solch einen nach § 522 Abs. 2 ZPO, statthaft (Greger, in: Zöller, Zivilprozeßordnung, 26. Auflage, Vor § 578 Rn. 14 m. w. N.).

Abgesehen davon verstößt der Beschluß des Landgerichts nicht gegen den subjektiven Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV). Eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter durch eine gerichtliche Entscheidung kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz, der sich das erkennende Gericht für die Auslegung von Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV angeschlossen hat, nur für den Fall in Betracht, daß die Auslegung und Anwendung von einfachrechtlichen Zuständigkeitsnormen nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 17. Januar 2002 - VfGBbg 60/01 -; BVerfG, Beschluß vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 -, NJW 2005, 2689, 2690).

Nach diesen Maßgaben ist der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Frankfurt (Oder) in der Fassung der Präsidiumsbeschlüsse vom 19. Februar und vom 19. April 2007 weder in der Auslegung noch in der Anwendung verfassungsrechtlich zu beanstanden, soweit es hier konkret um die vom Beschwerdeführer gerügte Vertretung der urlaubsbedingt abwesenden Richterin am Landgericht W. in der 5. Zivilkammer durch die Richterin am Landgericht Dr. S. aus der 6. Zivilkammer ging. Da die 5. Zivilkammer des Landgerichts durch die 6. Zivilkammer vertreten wird (Teil B Ziffer 3 des ab 01. Januar 2007 geltenden Geschäftsverteilungsplans) und die nach dem Dienstalter jüngste Richterin aus der 6. Zivilkammer - Richterin am Landgericht S. - seit dem 10. April 2007 erkrankt war, war die Richterin am Landgericht Dr. S. zur Vertretung der urlaubsbedingt abwesenden Richterin am Landgericht W. bei der Entscheidung der 5. Zivilkammer am 02. Mai 2007 berufen.

Der Beschwerdeführer irrt, soweit er meint, die Vertretung durch die Richterin am Landgericht Dr. S. sei verfassungswidrig, weil diese Richterin nach den Eingangsendziffern gemäß dem kammerinternen Geschäftsverteilungsplan der 6. Zivilkammer nur für jene S-Sachen mit den Endziffern 2 bis 6, zuständig sei und eben nicht für die Endziffer „1“, die sein Verfahren trage. Auch wenn zu berücksichtigen ist, daß der Beschwerdeführer hier versehentlich von einem falschen Aktenzeichen ausgeht - richtigerweise lautet das auf dem Beschluß vom 02. Mai 2007 angegebene Aktenzeichen ... -, kann seine Rechtsauffassung nicht überzeugen. Denn für die (kammerübergreifende) Vertretung durch die 6. Zivilkammer in der 5. Zivilkammer ist der kammerinterne Geschäftsverteilungsplan der 6. Zivilkammer hier nicht heranzuziehen. Er gilt nur für die interne Verteilung der der 6. Zivilkammer durch den Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Frankfurt (Oder) originär, nicht vertretungshalber, zugewiesenen Verfahren. Im Rahmen der Vertretung konnte die Richterin am Landgericht Dr. S. nur die Zuständigkeit einnehmen, die sich für die urlaubsbedingt abwesende Richterin am Landgericht W. aus dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts und dem kammerinternen Geschäftsverteilungsplan der 5. Zivilkammer ergab.

Ferner verkennt der Beschwerdeführer die Bedeutung des Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV, sofern er die Ansicht vertritt, der Geschäftsverteilungsplan sei - in verfassungswidriger Weise - „unvollständig“, da ihm nicht entnommen werden könne, welche konkreten Fälle in der 3. bzw. der 6. Zivilkammer auf die Richterin am Landgericht Dr. S. entfallen, die mit jeweils der Hälfte ihrer Arbeitskraft diesen Kammern zugewiesen ist. Durch die Garantie des gesetzlichen Richters soll gerade vermieden werden, daß durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung beeinflußt werden kann (BVerfGE 48, 246, 254; 95, 322, 327). Die Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes müssen vor diesem Hintergrund im Voraus generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper und die Zuweisung der einzelnen Richter regeln, damit die einzelne Sache "blindlings" aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt ausgeschlossen wird (vgl. BVerfGE 82, 286, 298; 95, 322, 329). Dem wird die für derartige Mehrfachzuweisungen im Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts unter Teil C Ziffer 2 enthaltene Vorrangregelung - zugunsten der Kammer mit der höheren Nummer gegenüber der Kammer mit der niedrigeren Nummer - im Zusammenhang mit dem jeweiligen kammerinternen Geschäftsverteilungsplan gerecht.

Der Beschluß ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dawin
     
Prof. Dr. Harms-Ziegler Havemann
 
Dr. Jegutidse Dr. Knippel
Dr. Schöneburg Prof. Dr. Schröder