VerfGBbg, Beschluss vom 21. Februar 2001 - VfGBbg 64/00 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 12 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 3; LV, Art. 41 Abs. 1 - BGB, § 285 |
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Schlagworte: | - Zivilprozeßrecht - Zivilrecht, materielles - Bundesrecht - Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts - Willkür - Prüfungsmaßstab - Eigentum |
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Fundstellen: | ||
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 21. Februar 2001 - VfGBbg 64/00 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 64/00

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren I.-GmbH, Beschwerdeführerin, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. u. a., gegen das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 23. Oktober 2000 hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 21. Februar 2001 b e s c h l o s s e n : Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Die Beschwerdeführerin ist seit 1996 Eigentümerin des Grundstücks in der Gemeinde und Gemarkung Werder, Flur ..., Flurstück ..., eingetragen im Grundbuch von Werder, Blatt ... . Als sie das Grundstück erwarb, war es in vier Parzellen aufgeteilt und an vier Nutzer verpachtet. Der Pachtzins betrug jeweils 40 DM pro Jahr. Die Beschwerdeführerin einigte sich mit zweien der Pächter auf eine vertragliche Auflösung der Nutzungsvereinbarung. Gegen den dritten Pächter erwirkte sie vor dem Amtsgericht einen Räumungstitel. Den vierten Pächter und Beklagten des Ausgangsverfahrens hatte die Beschwerdeführerin bereits im Jahr 1997 auf Räumung und Herausgabe des von ihm genutzten Grundstücksteils verklagt. Mit Urteil vom 20. März 1998 hatte das Amtsgericht diese erste Räumungsklage abgewiesen. Im Jahr 1999 kündigte die Beschwerdeführerin das Pachtverhältnis erneut außerordentlich und stützte diese Kündigung u. a. darauf, daß der Beklagte mit mindestens einer Jahrespacht im Verzug sei. Das Amtsgericht wies die auf diese Kündigung gestützte Räumungsklage mit dem angegriffenen Urteil vom 23. Oktober 2000 ab. Zur Begründung führte es aus, daß kein Zahlungsverzug und damit kein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege. In dem früheren Urteil des Amtsgerichts vom 20. März 1998 werde davon ausgegangen, daß der Beklagte ein in einem Schreiben des Prozeßbevollmächtigten der Beschwerdeführerin vom 11. Januar 1994 enthaltenes Angebot zur unentgeltlichen Nutzung des Grundstücks angenommen habe, und der Beklagte als vertragstreuer Nutzer bezeichnet. Auf dieser Grundlage habe der Beklagte annehmen dürfen, nicht zur Zahlung eines Nutzungsentgeltes verpflichtet zu sein. Verzug setze gemäß § 285 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Verschulden voraus. Verschulden sei jedoch zu verneinen, wenn dem Schuldner in einer gerichtlichen Entscheidung mitgeteilt werde, er schulde nichts. Für die Entscheidung des Rechtsstreits komme es nicht darauf an, ob den in dem neuerlichen Rechtsstreit gewechselten Schriftsätzen Einvernehmen für eine wiederum entgeltliche Nutzung zu entnehmen sei; immerhin habe der Beklagtenvertreter für den Beklagten nunmehr wieder Nutzungsentgeltzahlungen geleistet. II. Mit der am 27. Dezember 2000 bei Gericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde greift die Beschwerdeführerin das Urteil des Amtsgerichts vom 23. Oktober 2000 an. Sie rügt die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 Satz 2, Art. 52 Abs. 4 Satz 1 und Art. 41 Abs. 1 Satz 1 Verfassung des Landes Brandenburg - Landesverfassung – LV) und beantragt die Aufhebung des Urteils. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus: 1. Das Amtsgericht habe für seine Entscheidung willkürlich das Urteil vom 20. März 1998 herangezogen und darauf verzichtet, eigene Feststellungen zum Vorliegen eines Zahlungsverzugs zu treffen. Das Urteil vom 20. März 1998 sei widersprüchlich und falsch. Es sei willkürlich, daß das Amtsgericht ohne eigene Prüfung auf einzelne Passagen aus diesem früheren Urteil abgestellt habe, obwohl die Widersprüche auf der Hand gelegen hätten. Das Amtsgericht habe dem Urteil aus dem Jahr 1998 fälschlich entnommen, daß auf der Basis jenes Schreibens des damaligen Prozeßvertreters der Beschwerdeführerin vom 11. Januar 1994 Einvernehmen über eine unentgeltliche Nutzung des Grundstücksteils zustande gekommen sei. Darin liege nicht nur eine willkürliche Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts, sondern auch eine willkürliche Verwendung der Gründe des Urteils vom 20. März 1998. Bei dem Schreiben vom 11. Januar 1994 habe es sich nicht um ein rechtsverbindliches Vertragsangebot, sondern um eine unverbindliche Darstellung der Verhandlungsposition der Beschwerdeführerin gehandelt. Selbst der Beklagte sei nicht davon ausgegangen, daß das Pachtverhältnis unentgeltlich sei. Er habe nach der Kündigung im Januar 1999 den Pachtzins für die Jahre 1998 und 1999 entrichtet. Die Erwägungen in dem angegriffenen Urteil vom 23. Oktober 2000, den Beklagten treffe kein Verschulden an dem Zahlungsrückstand und er sei daher nicht in Verzug geraten, seien vor diesem Hintergrund willkürlich.2. Das Urteil des Amtsgerichts vom 23. Oktober 2000 verletze die Beschwerdeführerin ferner in ihrem Eigentumsrecht aus Art. 41 Abs. 1 Satz 1 LV. Die Entscheidung des Amtsgerichts laufe darauf hinaus, daß der Beklagte den Grundstücksteil unentgeltlich zu nutzen berechtigt sei. Dies schränke ihr Recht auf Nutzung ihres Eigentums ein. III. Das Amtsgericht und der Beklagte des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Äußerung. B. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. I. 1. Der Anrufung des Landesverfassungsgerichts steht nicht entgegen, daß die Verletzung von Landesgrundrechten im Rahmen eines bundesrechtlich - durch Zivilprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz - geordneten Verfahrens gerügt wird. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 16. April 1998 - VfGBbg 1/98 -, LVerfGE 8, 82, 84 ff. unter Bezugnahme auf BVerfGE 96, 330, 371 ff.) sind hier gegeben.2. Die Verfassungsbeschwerde ist fristgerecht binnen zwei Monaten (vgl. § 47 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg) erhoben worden. Die Zustellung des angegriffenen Urteils ist am 26. Oktober 2000 erfolgt. Da der 26. Dezember ein gesetzlicher Feiertag war, hat die am 27. Dezember 2000 eingegangene Verfassungsbeschwerde die Frist gewahrt. II. 1. Das Urteil des Amtsgerichts vom 23. Oktober 2000 verstößt nicht gegen das zufolge Art. 12 Abs. 1, Art. 52 Abs. 3 LV grundrechtsgleich gewährleistete Willkürverbot. Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung erst dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich deshalb der Schluß aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (ständige Rechtsprechung, vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 20. April 1995 – VfGBbg 11/94 – LVerfGE 3, 141, 145; Beschluß vom 20. Februar 1997 – VfGBbg 45/96 – LVerfGE 6, 96, 99; Beschluß vom 21. August 1997 – VfGBbg 21/97 – LVerfGE 7, 105, 108).Hiernach ist das Urteil des Amtsgerichts vom 23. Oktober 2000 nicht willkürlich. Das Urteil beruht auf der Erwägung, daß der Beklagte mit der Pachtzinszahlung nicht in Verzug geraten sei, weil Verzug Verschulden voraussetze (§ 285 BGB) und es dem Beklagten nicht zum Verschulden gereiche, wenn er sich vor dem Hintergrund des Urteils des Amtsgerichts Potsdam vom 20. März 1998, in welchem er als vertragstreuer Nutzer bezeichnet worden und dem ein konkludentes Einvernehmen über eine (vorerst) unentgeltliche Nutzung des Grundstücksteils zu entnehmen sei, zur Zahlung von Pachtzins jedenfalls in der hier interessierenden – nämlich der der fristlosen Kündigung vorangegangenen - Zeit nicht für verpflichtet gehalten habe. Diese Erwägungen sind, wie der Beschwerdeführerin zuzugeben ist, nicht sonderlich lebensnah, erscheinen aber nicht geradezu willkürlich. Immerhin ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, daß das zum Verzug notwendige Verschulden auch dann entfällt, wenn sich der Schuldner in einem – zurechenbaren - Rechtsirrtum befand und irrtümlich davon ausging, er sei nicht zur Zahlung verpflichtet (vgl. dazu die Nachweise bei Walchshöfer, in: Münchner Kommentar, BGB, Bd. 2 §§ 241-432, 2. Aufl. 1985, § 285 Rn. 6). Und immerhin war die Rechtsauffassung des Beklagten, keinen Pachtzins entrichten zu müssen, in dem die Räumungsklage abweisenden früheren Urteil des Amtsgerichts vom 20. März 1998 bestätigt worden; auch diese frühere Räumungsklage war – wie von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift vorgetragen – u. a. auf Zahlungsverzug gestützt. Daß das Amtsgericht Potsdam im Jahr 2000 davon ausging, daß der Beklagte mangels Verschuldens nicht in Verzug geraten war, bleibt unter diesen Umständen unterhalb der Schwelle der Willkür. Im Kern stellt das Urteil vom 23. Oktober 2000 lediglich fest, daß der Beklagte nicht schuldhaft in Zahlungsrückstand war. 2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde auf die Verletzung des Rechts auf Eigentum (Art. 41 Abs. 1 LV) stützt, ist sie unbegründet. Das Urteil vom 23. Oktober 2000 schreibt nicht etwa fest, daß die Beschwerdeführerin dem Beklagten den Grundstücksteil fortan unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen habe. Die tragende Erwägung des Urteils besteht vielmehr darin, daß sich der Beklagte jedenfalls in der Vergangenheit mangels Verschuldens nicht in Verzug befunden habe. Dagegen läßt das Urteil ausdrücklich offen, ob nicht den in dem (späteren) Rechtsstreit gewechselten Schriftsätzen Einigkeit darüber zu entnehmen sei, daß Pachtzins, wie denn auch für 1998 und 1999 bereits entrichtet, (wieder) zu zahlen sei. Der Beklagte wird sich künftig schwerlich noch mit Erfolg darauf berufen können, daß er ohne Verschulden der Ansicht gewesen sei, nicht zahlen zu müssen. | ||||||||||||||
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