VerfGBbg, Beschluss vom 21. Januar 2011 - VfGBbg 35/10 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - StPO, § 359 Nr. 5 - LV, Art. 10 i.V.m. Rechtsstaatsprinzip; LV, Art. 52 Abs. 4 |
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Schlagworte: | - strafrechtliches Wiederaufnahmeverfahren - Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz - Grundrecht auf faires Verfahren |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 21. Januar 2011 - VfGBbg 35/10 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 35/10
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
G.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin B.,
gegen die Beschlüsse des Landgerichts Cottbus vom 1. Oktober 2009 (Az.: 25 Ns 132/09) sowie des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. April 2010 (Az.: 2 Ws 26/10)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Prof. Dawin, Dielitz, Dr. Lammer, Möller, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 21. Januar 2011
b e s c h l o s s e n :
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e:
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Beschlüsse des Landgerichts Cottbus und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, durch die sein Antrag auf Wiederaufnahme eines strafrechtlichen Verfahrens als unzulässig verworfen worden ist.
I.
1. Der Beschwerdeführer wurde durch Berufungsurteil des Landgerichts Neuruppin vom 16. Januar 2007 (Az.: 13 Ns 341 Js 10090/05 [26/05]) wegen gemeinschaftlichen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Köperverletzung und Hausfriedensbruch in zwei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch des Raubes geblieben ist, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, nachdem er zuvor von dem Amtsgericht Perleberg freigesprochen worden war.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Beschwerdeführer am 28. Februar 2005 gemeinschaftlich mit den Mitangeklagten Ga. und Schu. gewaltsam in die Wohnung der Zeugen Ge., Schw., K. und Schm. eingedrungen und hatte unter Schlägen und Tritten Geld von ihnen verlangt. Schließlich entnahm der Mitangeklagte Ga. dem Portemonnaie des Zeugen Schm. 50,00 €. Am 11. März 2005 drangen der Beschwerdeführer sowie der Mitangeklagte Ga. und eine weitere unbekannten Person nochmals gewaltsam in die Wohnung ein und forderten von den Zeugen wiederum unter körperlicher Misshandlung Geld.
Das Landgericht schloss aus der Aussage des Zeugen Ge. auf die Täterschaft des nicht geständigen Beschwerdeführers. Der Zeuge hatte in der mündlichen Verhandlung bekundet, der Beschwerdeführer sowie der Mitangeklagte Schu. hätten am 28. Februar 2005 abends plötzlich in der Schlafstube gestanden, ihn ins Gesicht geschlagen und Geld verlangt. Er selbst sei zu diesem Zeitpunkt nicht betrunken gewesen. Der Zeuge Ge. identifizierte den Beschwerdeführer auch für den 11. März 2005 als Täter. Die Kammer folgte der Aussage des Zeugen Ge., der, wie es im Urteil hieß, konstant ausgesagt und den Beschwerdeführer bei zwei Wahllichtbildvorlagen durch die Polizei identifiziert habe. Dass die anderen Tatopfer zwar den Hergang der Überfälle im Kern wie der Zeuge Ge. schilderten, den Beschwerdeführer jedoch weder bei den polizeilichen Vernehmungen, noch bei den Lichtbildvorlagen noch in der Hauptverhandlung als Täter benannten, führte die Kammer auf die Verängstigung der Zeugen sowie deren starken Alkoholisierungsgrad zurück. Die Einlassung des Beschwerdeführers, er habe sich am 28. Februar 2005 in der Gaststätte ..., in der er sich mit den späteren Mitangeklagten getroffen hatte, so betrunken, dass er nach Hause gegangen sei, sah die Kammer durch die Aussage des Gastwirts als widerlegt an; an eine starke Alkoholisierung des Beschwerdeführers konnte dieser sich nicht erinnern. Der Aussage des Zeugen S., der in der Hauptverhandlung bekundet hatte, der Beschwerdeführer sei beim ersten Überfall nicht am Tatort und auch an der zweiten Tat nicht beteiligt gewesen, folgte das Landgericht nicht, weil diese Aussage im Widerspruch zu seiner polizeilichen Vernehmung stehe, ohne dass er diesen Widerspruch habe aufklären können. Außerdem sei der Zeuge unglaubwürdig, weil er bereits in einem anderen Verfahren zugunsten des Beschwerdeführers falsch ausgesagt und deshalb verurteilt worden sei. In der Hauptverhandlung hatte die Berufungskammer einen Beweisantrag des Beschwerdeführers abgelehnt, seinen Vater, W. G., sowie die Lebensgefährtin des Mittäters Ga., D., als Zeugen zu vernehmen. Die Behauptung, der Zeuge S. habe den beiden anlässlich der vorläufigen Festnahme des Beschwerdeführers mitgeteilt, dieser sei an den Taten nicht beteiligt gewesen, hielt es nicht für erheblich, weil sie keine Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt dieser Äußerung des Zeugen S. zuließe.
2. Gegen das Urteil legte der Beschwerdeführer Revision ein, mit der er unter anderem eine Versicherung des Zeugen Ge. an Eides statt vom 26. April 2007, abgegeben vor der Notarin L. in ... (Urkundenrolle Nummer...), vorlegte. Darin bezeichnet dieser seine Aussage vor dem Landgericht Neuruppin vom 10. Januar 2007 als falsch. Er könne sich nicht erinnern, ob er den Beschwerdeführer am 28. Februar oder am 11. März 2005 bei sich in der Wohnung gesehen habe, weil er in der Zeit täglich so viel Alkohol getrunken habe, dass er dazu nichts wahrgenommen habe. Im übrigen sei die Wohnung ohne Strom und damit ohne Licht gewesen. Seine Aussage vor dem Amtsgericht Perleberg, in der er angab, sich an den Beschwerdeführer als Täter nicht erinnern zu können, sei richtig gewesen. Ausweislich des Urteils des Amtsgerichts Perleberg hat jedoch der Zeuge Ge. den Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung als Täter benannt. Die Revision des Beschwerdeführers wurde durch Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 11. Juli 2007 (1 Ss 45/07) ohne weitere Begründung als offensichtlich unbegründet verworfen.
3. Mit Schriftsatz vom 19. September 2007 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 359 Nr. 5 StPO. Er begründete sein Gesuch mit der Versicherung an Eides statt des Zeugen Ge. Das Landgericht Cottbus wies den Wiederaufnahmeantrag mit Beschluss vom 29. November 2007 (25 Ns 217/07) zurück. Die sofortige Beschwerde zum Brandenburgischen Oberlandesgericht blieb erfolglos (Beschluss vom 8. Mai 2008 - 2 Ws 55/08).
4. Am 2. September 2009 beantragte der Beschwerdeführer erneut die Wiederaufnahme des Verfahrens. Es lägen neue Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO vor. Der als Mittäter verurteilte Ga. habe in einem Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen S. seine Aussage aus der Hauptverhandlung wiederholt, dass nicht der Beschwerdeführer, sondern der Zeuge S. an der Tat beteiligt gewesen sei. Auch der Zeuge Ge. habe bei seiner Vernehmung in diesem Ermittlungsverfahren seine den Beschwerdeführer entlastende Sachverhaltsdarstellung aus der eidesstattlichen Versicherung bestätigt, habe allerdings, nachdem er gemäß § 55 StPO belehrt worden sei, eine weitere Aussage verweigert. Die Aussagen der Zeugen W. G. und D. seien ebenfalls neue Beweismittel, die die Glaubwürdigkeit des als Mittäter verurteilten und jetzigen Zeugen Ga. stützten.
Mit hier angegriffenem Beschluss verwarf das Landgericht Cottbus diesen Antrag. Die Aussage des nunmehrigen Zeugen Ga. im Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen S. sei nicht als neues Beweismittel zu werten. Die Aussagen der übrigen Beteiligten seien konstant und damit ebenfalls nicht neu. Das Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen S. sei am 10. März 2009 eingestellt worden, nachdem der Zeuge Ge. von seinem Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch gemacht habe. Die Aussagen der Zeugen D. und G. seien zwar neu im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO, aber nicht erheblich. Sie verhielten sich nicht zum eigentlichen Tatgeschehen und seien nicht geeignet, eine Freisprechung zu erwirken.
5. Die dagegen gerichtete sofortigen Beschwerde wies das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 15. April 2010 (Az.: 2 Ws 26/10) als unbegründet zurück. Die Einlassung des (nunmehrigen) Zeugen und früheren Mitangeklagten Ga. sei im Vergleich zu seiner Aussage in der Hauptverhandlung unverändert und durch die Aussage des Zeugen Ge. widerlegt. Damit sei seine Aussage jedenfalls nicht erheblich, weil ungeeignet, eine Freisprechung des Beschwerdeführers zu erreichen. Der Zeuge Ge. habe im gesamten Ermittlungs- und Strafverfahren konstant und detailliert ausgesagt, dass der Antragsteller bei den ihm zur Last gelegten Taten beteiligt gewesen sei. Der Widerruf seiner Aussage sei nicht nachvollziehbar und der hypothetischen Beweiswürdigung nicht zugrunde zu legen. Die Aussagen der Zeugen W. G. und D. seien zwar neu, aber ebenfalls nicht erheblich. Denn die entsprechenden Beweistatsachen seien dem erkennenden Gericht im Erkenntnisverfahren bekannt gewesen und hätten – als richtig unterstellt - der Entscheidungsfindung zugrunde gelegen. Der Beschluss ist dem Beschwerdeführer am 17. Mai 2010 zugestellt worden.
II.
Am 19. Juli 2010, einem Montag, hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt die Verletzung seiner Rechte auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren. Das Gericht habe bei der Prüfung, ob die Aussagen der Zeugen G. und D. erheblich im Sinne der § 359 Nr. 5, § 368 StPO seien, die Beweiswürdigung in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise vorweggenommen. Die Aussagen der Zeugen D. und G. seien grundsätzlich geeignet, einen Freispruch des Beschwerdeführers herbeizuführen. Sie seien für die Bewertung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen Ga. von zentraler Bedeutung. Ein Beweismittel sei erheblich, sofern es geeignet sei, die den Schuldspruch tragenden Feststellungen des Urteils zu erschüttern, wofür eine genügende Wahrscheinlichkeit ausreiche. Inwieweit sich die Aussagen der Zeugen zum eigentlichen Tatgeschehen verhielten und in welchem Maße sie die Feststellungen des erkennenden Gerichts erschüttern könnten, müsse der Bewertung der Aussagen in einer Hauptverhandlung vorbehalten bleiben. Das Gericht habe dem Beschwerdeführer die Möglichkeit abgeschnitten, in dieser wesentlichen Frage auf den Prozess der Wahrheitsfindung durch das Instrumentarium der Hauptverhandlung angemessen einzuwirken. Indem es die Beweiskraft der Zeugenaussagen vorab gewürdigt habe, stelle das Gericht für den Beschwerdeführer unüberwindbare Hürden für die Wiederaufnahme seines Verfahrens auf.
III.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere steht nicht entgegen, dass mit ihr die Verletzung von Landesgrundrechten im Rahmen eines bundesrechtlich – hier: durch die Strafprozessordnung - geordneten Verfahrens gerügt wird. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen sind gegeben. Ein Bundesgericht war mit dem Wiederaufnahmeantrag nicht befasst. Eine Rechtsschutzalternative zu der Verfassungsbeschwerde steht nicht zur Verfügung. Die als verletzt in Betracht kommenden landesverfassungsrechtlich verbürgten Rechte auf ein faires Verfahren vor Gericht nach Art. 52 Abs. 4 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) und – abgeleitet aus dem allgemeinen Freiheitsgrundrecht nach Art. 10 LV in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip - auf effektiven Rechtsschutz gewährleistet das Grundgesetz inhaltsgleich (vgl. BVerfGE 53, 115, 127 und BVerfGE 66, 313, 318). Die Anwendung der Vorschriften des Grundgesetzes führte zum selben Ergebnis.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Die Beschlüsse des Landgerichts Cottbus vom 1. Oktober 2009 (Az.: 25 Ns 132/09) sowie des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. April 2010 (Az.: 2 Ws 26/10) verletzen den Beschwerdeführer weder in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 10 LV in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip noch in dem Recht auf ein faires Verfahren, Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV.
1. Das Rechtsstaatsgebot der Landesverfassung gewährleistet in Verbindung mit Art. 10 LV effektiven Rechtsschutz im Sinne eines Anspruchs der Bürger auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle in allen gesetzlich vorgesehenen Verfahrensarten (vgl. Beschluss vom 19. November 2009 – VfGBbg 17/09 – www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Das Grundrecht auf ein faires Verfahren garantiert dem Einzelnen, nicht bloßes Objekt des Verfahrens zu sein, ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis eines (Straf-)Verfahrens Einfluss zu nehmen (Beschluss vom 15. Januar 2009 – VfGBbg 63/07 – wwww.verfassungsgericht.brandenburg.de). Welche Anforderungen an die Rechtsauslegung und –anwendung sich daraus im Einzelnen für die Gerichte ergeben, ist mit Blick auf das jeweils vom Gesetzgeber verfolgte Verfahrensziel zu bestimmen. Verfahrensziel der strafrechtlichen Wiederaufnahme nach §§ 359 ff StPO ist die angemessene Lösung des Konflikts zwischen Gerechtigkeit einerseits und Rechtssicherheit andererseits durch Bereitstellen eines Verfahrens, das im Interesse der Gerechtigkeit die Durchbrechung des Prinzips der Rechtssicherheit regelt. Soweit die Strafprozessordnung bei der Wiederaufnahme wegen neuer Tatsachen und Beweismittel (§ 359 Nr. 5 StPO) eine Vorprüfung vorsieht, ob das Vorbringen geeignet ist, die Freisprechung des Angeklagten oder eine geringere Bestrafung zu begründen, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet auch der Maßstab, den die vorherrschende Ansicht in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum bei dieser Vorprüfung anwendet (Beschluss vom 19. November 2009 – VfGBbg 17/09 – www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Danach hat das Wiederaufnahmegericht - ausgehend vom
Standpunkt des erkennenden Gerichts - zu untersuchen, ob dessen Urteil bei Berücksichtigung der neuen Beweise anders ausgefallen wäre. Es hat dazu das Antragsvorbringen zu dem gesamten Akteninhalt und zu dem früheren Beweisergebnis in Beziehung zu setzen, wobei es grundsätzlich an die Beweiswürdigung und Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts gebunden ist.
Das Wiederaufnahmegericht darf dabei zwar im Wege der Eignungsprüfung weder Beweise würdigen noch Feststellungen treffen, die nach der Struktur des Strafprozesses der Hauptverhandlung vorbehalten sind. Dies betrifft die Feststellung solcher Tatsachen, die den Schuldspruch wesentlich tragen, indem sie die abgeurteilte Tat in ihren entscheidenden Merkmalen umgrenzen, oder deren Bestätigung oder Widerlegung im Verteidigungskonzept des Angeklagten eine hervorragende Rolle spielt (vgl. Beschluss vom 19. November 2009 – VfGBbg 17/09 – www.verfassungsgericht.brandenburg.de; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 7. September 1994 – 2 BvR 2093/93 -, NJW 1995, 2024 f). Im Wiederaufnahmeverfahren ist vielmehr eine hypothetische Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen, ausgehend von der Annahme, dass die in dem Antrag behaupteten Tatsachen richtig sind und die beigebrachten Beweismittel den ihnen zugedachten Erfolg haben werden. Eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung ist allerdings in gewissen Grenzen zulässig, nämlich etwa, soweit die Beweiskraft von beigebrachten Beweismitteln ohne förmliche Beweisaufnahme bewertet werden kann.
2. Danach ist die vom Beschwerdeführer angegriffene Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrags verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung einer Hauptverhandlung war im Ergebnis bereits deshalb entbehrlich, weil bereits aus dem Akteninhalt und dem Beweisergebnis des Tatgerichts die Erfolglosigkeit der Verteidigungsstrategie folgte.
Der Beschwerdeführer stützt seinen Wiederaufnahmeantrag vom 1. August 2009 vor allem auf die Aussagen des W. G. und der D., die seiner Auffassung nach die Glaubwürdigkeit des im Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Zeugen S. als Zeugen vernommenen, zuvor als Mittäter verurteilten G. stützen. Beide Zeugen waren aber bereits in der Berufungsverhandlung von der Verteidigung benannt worden. Das Gericht hatte damals ihre Vernehmung abgelehnt: Selbst wenn die Zeugen die Äußerungen des Zeugen S. bestätigten, ließe dies doch keine zwingenden Schlüsse zu, dass der Zeuge die Wahrheit gesagt habe. Das Landgericht hat demnach auf die Vernehmung der Zeugen bewusst verzichtet, nachdem es die Aussagen als richtig unterstellt hat. Es hat andere rechtliche Schlüsse daraus gezogen als die Verteidigung. Bei der Beurteilung der Eignung des neuen Beweisergebnisses zur Begründung einer anderen Entscheidung ist das Wiederaufnahmegericht allerdings an die der Verurteilung zugrundeliegende Rechtsauffassung gebunden (vgl. Frister/Deiters, in: Rudolphi u. a., Systematischer Kommentar zur StPO, Stand: 64. Ergänzungslieferung Oktober 2009, § 359 Rn. 56). Soweit möglich, hat es den Stellenwert eines neuen Beweisergebnisses für die getroffenen Tatsachenfeststellungen vom Standpunkt des angefochtenen Urteils her zu beurteilen. Verfassungsrechtlich ist dies nicht zu beanstanden (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16. Mai 2007 - 2 BvR 93/07 – BVerfGK 11, 215, 224). Die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Ausgangsgerichts kann nicht Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens sein, weil andernfalls das Wiederaufnahmeverfahren zu einer zeitlich unbefristeten Revision werden würde.
3. Das Landgericht durfte auch davon ausgehen, dass sich der Wiederaufnahmeantrag auf die Aussage des Zeugen Ga. nicht stützen lässt. Dessen Aussage ist, wie auch der Beschwerdeführer einräumt, seit den Verhandlungen vor dem Amtsgericht Perleberg und dem Landgericht Neuruppin, in denen er als Mittäter vernommen worden war, konstant geblieben und als solche der Entscheidung des Landgerichts auch zugrundegelegt worden.
4. Schließlich ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem Wiederaufnahmeantrag nicht wegen der Versicherung an Eides statt des Zeugen Ge. stattgegeben hat.
Dem Antragsteller eines strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahrens obliegt es, das neue Beweisergebnis beizubringen. Dazu gehört es, das zu verwertende Beweismittel sowie das zu erwartenden Ergebnis der Beweiserhebung zu benennen und zu begründen, aus welchem Grund die Erhebung des betreffenden Beweises das von ihm behauptete Ergebnis erwarten lässt. Das Gericht muss zu der Einschätzung kommen, dass wirklich die Möglichkeit des vom Antragsteller behaupteten Beweisergebnisses besteht (Frister/Deiters, aaO, Rn. 50 f). Benennt der Antragsteller Zeugen, die bereits ausgesagt haben, muss er deshalb zusätzlich darlegen, unter welchen Umständen und mit welcher Begründung der Zeuge seine ursprüngliche Aussage für unrichtig bzw. unvollständig erklärt hat. Von Verfassungs wegen gibt es hiergegen nichts zu erinnern (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. April 1993 – 2 BvR 525/93 -, NJW 1994, 510).
Danach gilt vorliegend: Zwar hat der Beschwerdeführer seine Behauptung, der Zeuge Ge. würde ihn nunmehr entlasten, durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung bekräftigt. Allerdings hat er selbst vorgetragen, dass der Zeuge Ge. später die Aussage verweigert hat, als er im Zuge des Ermittlungsverfahrens gegen den Zeugen Sempert vernommen werden sollte, und zwar nachdem er über sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO belehrt worden war. Unter diesen Umständen ist es vertretbar zu erwarten, dass der Zeuge Ge. angesichts der für Aussagedelikte nicht unerheblichen Strafdrohung seine entlastende Aussage nicht wiederholen wird.
C.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Postier | Prof. Dawin |
Dielitz | Dr. Lammer |
Möller | Nietsche |
Partikel | Schmidt |