Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 21. Januar 2010 - VfGBbg 49/09 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBBG, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 31 Abs. 1
Schlagworte: - Aussetzung
- Rechtswegerschöpfung
- nachträglich
amtlicher Leitsatz: Die Aussetzung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens, um zwischenzeitlich den fachgerichtlichen Rechtsweg auszuschöpfen, ist nicht statthaft.

Durch eine im Laufe des verfassungsgerichtlichen Verfahrens eintretende Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtsweges wird die Verfassungsbeschwerde nicht zulässig.
Fundstellen: - NVwZ-RR 2010, Nr. 9, 338
- NJW 2010, Nr. 27, 1947
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. Januar 2010 - VfGBbg 49/09 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 49/09



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

R.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt T.

gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 15. September 2009 (Az.: 82.4 E OWi 22/08)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Prof. Dawin, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Möller, Nitsche, Partikel und Schmidt

am 21. Januar 2010

b e s c h l o s s e n :

1. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

2. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

G r ü n d e :

I.

Der Beschwerdeführer hat am 11. November 2009 Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Neuruppin vom 15. September 2009 (Az.: 82.4E OWi 22/08) erhoben und unter anderem die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt. Mit der Eingangsverfügung ist der Beschwerdeführer darauf hingewiesen worden, dass die Verfassungsbeschwerde dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung nicht genügen dürfte, da er es unterlassen habe, gegen den angegriffenen Beschluss den Rechtsbehelf nach § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i.V.m. § 33a Strafprozessordnung (StPO) zu erheben. Darauf hat der Beschwerdeführer mitgeteilt, er habe diesen Rechtsbehelf nunmehr eingelegt, und beantragt, das Verfassungsbeschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Amtsgerichts Neuruppin über diesen Antrag auszusetzen.

II.

1. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens hat keinen Erfolg.

Gemäß § 31 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann das Verfassungsgericht das bei ihm anhängige Verfahren bis zur Erledigung eines bei einem anderen Gericht anhängigen Verfahrens aussetzen, wenn für seine Entscheidung die Feststellungen oder die Entscheidungen dieses anderen Gerichts von Bedeutung sein können. Die Formulierung „von Bedeutung sein können“ weist auf ein weites Verständnis der Relevanz der fachgerichtlichen Entscheidung für diejenige des Verfassungsgerichts hin. Die mögliche Bedeutung reicht daher von der Vorgreiflichkeit der fachgerichtlichen Entscheidung bis zur Klärung rein tatsächlicher Zweifel durch den Tatrichter beim Fachgericht. Für in diesem Sinne „bedeutsam“ hält der Beschwerdeführer die zukünftige Entscheidung des Amtsgerichts Neuruppin über den Antrag nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 33a StPO, weil dann die Verfassungsbeschwerde wegen nachträglicher Erschöpfung des Rechtsweges zulässig würde. Diese Auffassung trifft nicht zu. Eine nachträgliche Rechtswegerschöpfung hat im Verfassungsbeschwerdeverfahren keine heilende Wirkung (zur Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nach Bundesrecht vgl. BVerfGE 94, 166, 212 ff).

Der Gesetzgeber hat in § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg ausdrücklich festgelegt, dass die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtsweges erhoben werden kann. Scho9n dieser Wortlaut kennzeichnet die Verfassungsbeschwerde als einen dem fachgerichtlichen Instanzenzug nachrangigen außerordentlichen Rechtsbehelf im Sinne einer ultima ratio. Dies bedeutet, dass der fachgerichtliche Rechtsweg im Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde durchlaufen sein muss. Auch ein nur zeitweises Nebeneinander der Anhängigkeit des Rechtsschutzbegehrens im fachgerichtlichen Rechtsweg und der Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht macht die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Während die sonstigen Sachentscheidungsvoraussetzungen lediglich in der Abwesenheit von Umständen bestehen, die eine Sachentscheidung des Gerichts hindern und deshalb auch erst im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen müssen, bezweckt das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung nach § 45 Abs. 2 VerfGGBbg zu vermeiden, dass ein auf eine Grundrechtsverletzung gestützter Rechtsstreit überhaupt an das Verfassungsgericht gelangt, wenn ein Fachgericht damit noch befasst werden kann. Denn die nach dem Normzweck des § 45 Abs. 2 VerfGGBbg auch zu verhindernde Belastung des Verfassungsgerichts mit Verfahren, in denen Rechtsschutz vorrangig vor den Fachgerichten zu suchen ist, tritt bereits ein, wenn die Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht anhängig gemacht wird. Diesem Entlastungszweck würde die Möglichkeit einer nachträglichen Rechtswegerschöpfung zuwiderlaufen. Sie ist im Übrigen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie geboten. Auch die nachträgliche Rechtswegerschöpfung würde, da sie den Gegenstand der Verfassungsbeschwerde verändert, eine Anpassung von Antrag und Begründung oder gar, insoweit nicht anders als bei der Geltung des Erfordernisses vorheriger Rechtswegerschöpfung, eine erneute Erhebung erfordern.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist aufgrund der fehlenden Erschöpfung des Rechtsweges vor ihrer Erhebung unzulässig und daher nach § 21 Satz 1 VerfGGBbg zu verwerfen.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
 

Postier Prof. Dawin
       
Dielitz Dr. Fuchsloch
   
Möller Nitsche
   
Partikel Schmidt