Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 20. Oktober 2017 - VfGBbg 14/17 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1
- ZPO, § 114 Abs. 1 Satz 1
- SGG, § 73a Abs. 1 Satz 1
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde begründet
- Prozesskostenhilfe
- Versagung
- Willkür
- Subsidiarität
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Oktober 2017 - VfGBbg 14/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 14/17




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

H.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt
L.,

wegen            Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 29. Dezember 2016 (S 38 AS 309/16)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 20. Oktober 2017

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Lammer, Nitsche und Partikel

beschlossen: 

 

Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 29. Dezember 2016 (S 38 AS 309/16) verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Gleichheit vor Gericht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV). Der Be­schluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entschei­dung an das Sozialgericht Cottbus zurückverwiesen.

Das Land Brandenburg hat der Beschwerdeführerin ihre notwen­digen Auslagen zu erstatten.

 

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe:

 

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in einem sozialgerichtlichen Verfahren.

 

I.

Die Beschwerdeführerin hatte, anwaltlich vertreten, in einem Widerspruchsverfahren Erfolg. Daraufhin beantragte sie beim Beklagten des Ausgangsverfahrens, dem Jobcenter Oberspreewald-Lau­sitz, die Erstattung von Anwaltskosten für das Widerspruchsverfahren in Höhe von insgesamt 202,30 Euro, dieser erkannte mit Bescheid vom 1. Dezember 2015 notwendige Aufwendungen in Höhe von 71,40 Euro an. Die Beschwerdeführerin legte hiergegen Widerspruch ein mit dem Ziel, nunmehr nur noch insgesamt 114,24 Euro festzusetzen.

 

Nach Zurückweisung des Widerspruchs erhob die Beschwerdeführerin Klage beim Sozialgericht Cottbus (S 38 AS 309/16) mit dem Begehren auf Festsetzung weiterer Kosten entsprechend dem Antrag im Widerspruchsschreiben. Mit Urteil vom 30. No­vember 2016 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten zur Zahlung „weiterer 42,84 Euro“ und verpflichtete diesen zur Erstattung von drei Viertel der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin. Sie habe Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten für das Widerspruchsverfahren in Höhe von insge­samt 114,24 Euro. Abzüglich der bereits anerkannten Kosten ergebe sich ein weite­rer Anspruch in Höhe von 42,84 Euro. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung stehe der Beschwerdeführerin für das gesamte Verfahren nur die Erstattung eines Anteils von drei Viertel der angefallenen Gebühren zu, denn sie habe im Verwaltungsverfahren einen „erheblich unverhältnismäßig hohen Gebührenersatz“ gefordert, der nicht der Rechtslage zum Zeitpunkt des Verwaltungsverfahrens entsprochen habe. Der Ersatz der Gebühren sei daher im Rahmen der Gesamtabwägung des Obsiegens gegenüber dem Unterliegen auf einen Anteil von drei Viertel festzusetzen.

 

Den zuvor am 18. April 2016 gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskosten­hilfe lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 29. Dezember 2016 (S 38 AS 309/16) ab. Die Beschwerdeführerin sei nicht bedürftig. Sie habe in der Hauptsache vollständig obsiegt. Nach der Kostenentscheidung des Urteils habe sie einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von drei Viertel der Verfahrenskosten und könne damit die begründeten Kosten der Prozessführung decken. Soweit dieser Anteil beschränkt sei, habe dies seine Ursache in der Geltendmachung von Rechtsanwaltskosten in unbilliger Höhe im vorangegangenen Verwaltungs­verfahren, die in dieser Höhe im Klageverfahren dann nicht mehr geltend gemacht worden seien. Für die Durchsetzung unbillig hoher Rechtsanwaltskosten bestehe jedenfalls kein Anspruch auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 2. Januar 2017 zugestellt.

 

Den mit „Gegenvorstellung“ überschriebenen anwaltlichen Schriftsatz vom 1. Februar 2017 wertete das Sozialgericht als Anhörungsrüge und wies diese mit Beschluss vom 20. April 2017 als unzulässig zurück.

 

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 24. Februar 2017 Verfassungsbeschwerde erhoben und rügt die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 LV und Art. 2 Abs. 5 Satz 2 LV durch die ablehnende Entscheidung zu ihrem Prozesskostenhilfeantrag.

 

Der Beschluss sei mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Rechts­schutzgleichheit bei der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe nicht zu vereinba­ren. Die Klage habe zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife, worauf das Gericht auch selbst in seinem Beschluss hinweise, hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt. Es sei zwar nicht zu beanstanden, die Prozesskostenhilfe mit der Begründung abzulehnen, dass bereits ein Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner bestehe. Ein solcher habe hier jedoch nicht die vollständige Erstattung vorgesehen. Das Sozialgericht habe die Grenze zur Willkür überschritten, indem es das Verhalten der Beschwerdeführerin im Vorverfahren zum Gegenstand der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage ge­macht habe. Denn der Umstand, dass sie im Vorverfahren höhere Rechtsanwaltsge­bühren geltend gemacht habe, spiele für diese Frage keine Rolle. Sie habe aber bereits im Widerspruchsverfahren die geltend ge­machten Kosten auf die auch vom Gericht zugesprochenen 114,24 Euro reduziert. Nach § 114 ZPO seien die Erfolgsaussichten der Klage maßgeblich. Diese habe sich jedoch von vornherein auf Kosten in Höhe von 114,24 Euro be­schränkt.

 

III.

Das Sozialgericht Cottbus erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verfahrens­akte S 38 AS 309/16 wurde beigezogen.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet.

 

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

 

1. Die Beschwerdeführerin hat entsprechend § 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichts­gesetz Brandenburg (VerfGGBbg) den Rechtsweg erschöpft. Ein Rechtsmittel gegen den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Sozialgerichts stand ihr auf­grund der Bestimmung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht zur Verfügung. Da Gegenstand des dem Prozesskostenhilfeantrag zugrundeliegenden Klageverfahrens die Verpflichtung zu einer höheren Festsetzung der durch den Beklagten zu erstattenden Anwaltskosten in Höhe von 42,84 Euro war, war die Berufung gegen das Urteil vom 30. November 2016 zulassungsbedürftig und die Beschwerde gegen den die Prozesskostenhilfe betreffenden Beschluss somit ausgeschlossen.

 

2. Die Beschwerdeführerin war auch nicht gehalten, gegen den Beschluss des Sozial­gerichts Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG einzulegen. Ein Gehörsverstoß wird von ihr weder ausdrücklich noch der Sache nach geltend gemacht, die Verfassungs­beschwerde hat vielmehr ausschließlich die Verletzung des Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV zum Gegenstand (vgl. Beschlüsse vom 18. März 2010 - VfGBbg 46/09 - und vom 24. März 2017 - VfGBbg 48/16 -, www.verfassungsgericht.branden­burg.de). Dem­entsprechend ist auch der Schriftsatz vom 1. Februar 2017 nicht als Anhörungsrüge bezeichnet worden und nicht in diesem Sinne auszulegen.

Die Gegenvorstellung zählt nicht zum Rechtsweg. Sie ist kein gesetzlich geregelter Rechtsbehelf, denn mit einer Gegenvorstellung wendet sich der Betroffene vielmehr außerhalb der einschlägigen Verfahrensordnung und außerhalb förmlicher Verfahrensrechte an das Gericht mit dem Ziel der Überprüfung seiner Ent­scheidung (vgl. Beschluss vom 17. Dezember 1998 - VfGBbg 40/98 -, LVerfGE 9, 145, 148; s. auch BVerfGE 122, 190, 202; BVerfGK 14, 372, 376; 15, 160, 164).

 

3. Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde den Anforderungen der Subsidiarität. Dagegen spricht auch nicht die Überlegung, ob nicht ein Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die Kostenentscheidung des Urteils vom 30. November 2016, das trotz vollständig stattgebender Entscheidung lediglich eine anteilige Kostenerstattung vorsieht, vorrangig gewesen wäre. Dies ist nicht der Fall.

 

a. Eine Verfassungsbeschwerde ist nicht vorrangig zu erheben. Der Grundsatz der Subsidiarität hält einen Beschwerdeführer an, vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu erwirken (vgl. Beschlüsse vom 25. Februar 2011 - VfGBbg 15/10 -; vom 27. Mai 2011 - VfGBbg 20/10 -; vom 6. Juli 2012 - VfGBbg 63/11 -; vom 29. August 2014 - VfGBbg 63/13 -; vom 21. No­vember 2014 - VfGBbg 20/14 - und vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 44/15 -, www.ver­fassungsge­richt.brandenburg.de). Er ist Ausdruck der notwendigen verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung zwischen den Fachgerichten und der Verfassungsgerichtbarkeit. Denn nach der in der Landesverfassung angelegten Kompetenzverteilung obliegt es zunächst den Fachgerichten, die Grundrechte zu wahren und durchzusetzen. Durch die geforderte fachgerichtliche Vorbefassung wird zudem sichergestellt, dass sich die verfassungsgerichtliche Prüfung auf umfassend geklärte Tatsachen und die Beurteilung der Rechtslage durch die zuständigen Fachgerichte stützen kann (vgl. Beschlüsse vom 21. Dezember 2006 - VfGBbg 20/06 -; vom 20. Juni 2014 - VfGBbg 51/13 - und vom 18. September 2015 - VfGBbg 14/15 -, www.verfassungsge­richt.brandenburg.de; ferner BVerfGE 72, 39, 43 f; E 74, 69, 74 f; Henke, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 90 Rn. 148; Benda/Klein/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 573). Demgegenüber gewährt das Verfassungsgericht Rechtsschutz besonderer Art und ist die Verfassungsbeschwerde von anderer Qualität als die an die Fachgerichte adressierten Rechtsbehelfe (vgl. BVerfGE 107, 395, 413). Sie ist kein weiteres, eine höhere Instanz eröffnendes Rechtsmittel zum fachgerichtlichen Verfahren, das sich diesem ohne weiteres in gleicher Funktion anschließt. Sie ist vielmehr ein außerordentlicher Rechtsbehelf zur prozessualen Durchsetzung der Grundrechte (vgl. Beschlüsse vom 20. März 1997 - VfGBbg 48/96 -; vom 21. Oktober 2011 - VfGBbg 2/11 EA - und vom 29. August 2014 - VfGBbg 9/14 -, www.verfassungsge­richt.brandenburg.de).

 

b. Hinzu kommt, dass verfassungsrechtliche Einwände gegen die Kostenentscheidung nicht sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit durchgreifen. Solche - etwa in Gestalt eines Verstoßes gegen Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV in Form des Willkürverbots - drängen sich vor dem Hintergrund der besonderen Struktur des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG jedenfalls nicht auf. Denn die Bestimmung stellt die Entscheidung, ob und in welchem Umfang in gerichtskostenfreien Verfahren nach § 183 SGG die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten zu erstatten haben, in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles kann dies auch zu einer Verteilung von Kosten zulasten einer obsiegenden Beteiligten führen (vgl. BSG, MDR 1992, 387; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 193 Rn. 1a, 12 ff; Groß, in: Lüdtke/Berchtold, SGG, 2. Aufl. 2015, § 193 Rn. 20; s. auch BVerfGK 16, 245, 249 f). Aus diesem Grund kann es grundsätzlich einfachrechtlich durchaus vertretbar sein, vorprozessuales Verhalten eines Beteiligten bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen.

 

4. Die Beschwerdeführerin ist auch beschwerdebefugt. Sie hat hinreichend substantiiert und schlüssig einen Sachverhalt unterbreitet, der zu dem behaupteten Verstoß ge­gen das Grundrecht der Gleichheit vor Gericht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV jedenfalls in seiner Ausprägung als Willkürverbot führen kann.

 

Unschädlich ist der Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin zur Begründung auf die Gewährleistung des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 12 Abs. 1 LV bezogen hat. Maßgeblich ist nicht, welches Grundrecht der Beschwerdeführer ausdrücklich benennt, sondern welche grund­rechtliche Gewährleistung mit der Beschwerdeschrift der Sache nach ersichtlich als verletzt gerügt wird (vgl. Beschlüsse vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 21/13 -, vom 29. August 2014 - VfGBbg 1/14 - und vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 41/15 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de), und das ist vorliegend Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV.

 

5. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Be­schwerdeführerin die Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren angreift. Eine solche kann selbständiger Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn sich - wie hier - der geltend gemachte Verfassungsverstoß ausschließlich auf die Prozesskostenhilfe und nicht auch auf die Entscheidung in der Sache bezieht.

 

6. Die am 24. Februar 2017 erhobene Verfassungsbeschwerde wahrt auch die Zwei-Monats-Frist des § 47 Abs. 1 VerfGGBbg, der angegriffene Beschluss ist am 2. Januar 2017 zugestellt worden.

 

7. Schließlich steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, dass der Beschluss, gegen den sie sich richtet, auf der Grundlage von Verfahrensrecht des Bundes ergangen ist. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen sind erfüllt (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 2010 - VfGBbg 18/10 -, www.verfassungs-gericht.brandenburg.de).

 

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Cott­bus vom 29. Dezember 2016 verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Gleichheits­grundrecht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür.

 

Eine gerichtliche Entscheidung verstößt gegen das Willkürverbot, wenn sie unter kei­nem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Ausle­gungs- und Bewertungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 17. September 1998 - VfGBbg 18/98 -, LVerfGE 9, 95, 100, vom 15. März 2013 - VfGBbg 42/12 -, vom 16. Januar 2015 - VfGBbg 47/13 - und vom 17. April 2015 - VfGBbg 56/14 -, www.verfassungsge­richt.brandenburg.de). Der Beschluss vom 29. Dezember 2016 erfüllt diese Voraus­setzungen.

 

Das Sozialgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe in einer Verbindung verschiede­ner Erwägungen abgelehnt. Soweit der Beschwerdeführerin ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten nach Maßgabe der Kostenentscheidung des Urteils vom 30. November 2016 in Höhe von drei Viertel der notwendigen Auslagen zustehe, könne sie damit die Kosten der Prozessführung decken und sei damit nicht bedürftig. Soweit dieser Anteil auf nur drei Viertel der Verfahrenskosten beschränkt sei, habe dies seine Ursache darin, dass im vorangegange­nen Verwaltungsverfahren vom Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin Rechtsanwaltsgebühren in unbilliger Höhe geltend gemacht worden seien, die in dieser Höhe dann im Klageverfahren nicht mehr beansprucht worden seien. Für die Durchsetzung unbillig ho­her Rechtsanwaltsgebühren bestehe jedenfalls kein Anspruch auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

 

Soweit das Sozialgericht in der Begründung auf die vorgerichtliche Geltendmachung unbillig überhöhter Rechtsanwaltskosten abstellt, für die kein Anspruch auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bestehe, lässt sich nicht erkennen, auf welches Tatbestandsmerkmal des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG die Versagung der Prozess­kostenhilfe insoweit gestützt wird. Die in Rede stehenden Ausführungen lassen sich weder als Prüfung der Erfolgsaussichten der erhobenen Klage noch der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin oder einer etwaigen Mutwilligkeit auffassen. Ihnen fehlt jeder Bezug zu den gesetzlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe.

 

Soweit es die Frage betrifft, ob eine beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, kommt es angesichts der auch im sozialgerichtlichen Verfah­ren geltenden Dispositionsmaxime (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leithe­rer/Schmidt, SGG, vor § 60 Rn. 3; Bieresborn, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 56 Rn. 12) maßgeblich auf das vom Prozesskostenhilfeantragsteller bestimmte Begehren an, das er mit dem angestrengten oder einzuleitenden Klageverfahren verfolgt. Dies in wesentlichen Umrissen erkenn­bar zu machen, ist Aufgabe des Antragstellers im Rahmen seiner Verpflichtung zur Darstellung des Streitverhältnisses (§ 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Allein bezüglich dieses Ziels, das der Antragsteller im Hinblick auf sein Rechtsschutzbegehren für sich in Anspruch nimmt, ist eine sachliche Prüfung im Bewilligungsverfahren nach § 118 ZPO durchzuführen, ob nach dem Sachvortrag ein Erfolg in der Hauptsache hinrei­chend wahrscheinlich und die Erfolgschance nicht nur eine entfernte ist (vgl. zum Prüfungsmaßstab der Erfolgsaussichten: Beschluss vom 14. Oktober 2016 - VfGBbg 17/16 -, www.verfassungsge­richt.brandenburg.de, m. w. Nachw.).

 

Vorliegend ging das Begehren der Beschwerdeführerin aus der Klageschrift vom 11. Februar 2016 klar und zweifelsfrei hervor, da sie erklärte, dass „die Festsetzung der Kos­ten des Vorverfahrens wie zuletzt mit Widerspruch vom 21.12.2015 bean­tragt“ - d. h. 114,24 Euro - begehrt wird. Da mit dem Kostenfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. Dezember 2015 bereits notwendige Aufwendungen in Höhe von 71,40 Euro anerkannt worden waren, bezog sich die Klage demnach allein auf die Verpflichtung des Beklagten zur höheren Festsetzung der zu erstattenden not­wendigen Aufwendungen in Höhe von 42,84 Euro. Dass für diesen eingeklagten Be­trag keine hinreichende Erfolgsaussicht bestanden hätte, ist nicht erkennbar; dage­gen spricht jedenfalls der Erfolg der Beschwerdeführerin in der Hauptsache. Eine „Durchsetzung unbillig hoher Rechtsanwaltsgebühren“ war gerade nicht Gegenstand des Klageverfahrens und damit Ziel der Rechtsverfolgung der Beschwerdeführerin. Dass die Beschwerdeführerin mit ihrem ursprünglichen Kostenantrag beim Beklagten vom 20. November 2015 einen höheren Betrag geltend gemacht hatte, war für die Bestimmung des Umfangs der beabsichtigten Rechtsverfolgung, deren Erfolgsaus­sichten im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung durch das Sozialgericht zu prüfen waren, vielmehr ohne Bedeutung. Die Prozesskostenhilfebewilligung bzw. -versa­gung ist kein Instrument zur Sanktionierung wirklichen oder vermeintlichen vorprozessualen Fehlver­haltens des Rechtsschutz­suchenden oder seines Bevollmächtigten.

 

Anderes folgt auch nicht aus dem vom Sozialgericht im Urteil vom 30. November 2016 zur dortigen Kostenentscheidung angeführten Gedanken der Einheitlichkeit der Kostenerstattung. Nach diesem erfasst die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG zwar alle durch den Rechtsstreit und das gegebenenfalls vorangegangene Widerspruchsverfahren entstehenden erstattungsfähigen Kosten (vgl. BSG, NZS 1999, 264; NJOZ 2011, 1101, 1102; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leithe­rer/Schmidt, SGG, § 193 Rn. 2). Dies ändert aber nichts am sachlichen Anwendungsbereich der Prozesskostenhilfe. Diese bezieht sich schon nach dem Wortlaut des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO („Prozessführung“) nur auf die finanzielle Hilfe für die Durchführung gerichtlicher Verfahren. Die Vorschriften finden jedoch keine Anwendung auf die Kosten des sozialrechtlichen Widerspruchsverfahrens.

 

Im Übrigen kommt es bei der Entscheidung über Prozesskostenhilfe auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife an. Entscheidet ein Gericht prozessordnungswidrig erst nach Abschluss des Verfahrens, muss es auf die Sach- und Rechtslage abstellen, die zu diesem früheren Zeitpunkt gegeben war. Auch dies hat das Sozialgericht verkannt.

 

Auch das Merkmal der Mutwilligkeit bezieht sich nach dem klaren Wortlaut von § 114 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO jeweils auf die im konkreten Klageverfahren (beabsichtigte) Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung.

 

C.

Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus sind hiernach gemäß § 50 Abs. 3 VerfGGBbg aufzuheben; die Sache selbst ist an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

 

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg.

 

Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergü­tungsgesetz entsprechend der ständigen Praxis des Gerichts in erfolgreichen Verfah­ren über Individualverfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen auf 10.000,00 Euro festzusetzen.

 

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Lammer
   
Nitsche Partikel