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VerfGBbg, Urteil vom 20. Oktober 1994 - VfGBbg 1/93 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97 Abs. 1; LV, Art. 97 Abs. 2; LV, Art. 98 Abs. 1; LV, Art. 100
- VerfGGBbg, § 51
- ElbElstG, § 2
Schlagworte: - Beschwerdebefugnis
- kommunale Selbstverwaltung
amtlicher Leitsatz: 1. Das Selbstverwaltungsrecht einer Gemeinde erstreckt sich nicht darauf, Sitz der Kreisverwaltung zu sein. Insoweit fehlt es bereits an einer Beschwerdebefugnis der Gemeinde.

2. Das Selbstverwaltungsrecht eines in einem neuen Landkreis aufgegangenen ehemaligen Landkreises wird durch die Festlegung des Kreissitzes für den neuen Landkreis nicht betroffen. Insoweit fehlt es bereits an einer Beschwerdebefugnis des ehemaligen Landkreises.
Fundstellen: - DVBl 1995, 306 (nur LS)
- LKV 1995, 222
- LVerfGE 2, 183
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Urteil vom 20. Oktober 1994 - VfGBbg 1/93 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 1/93



IM NAMEN DES VOLKES
U R T E I L

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden

1. der Stadt Finsterwalde, vertreten durch den Bürgermeister, Rathaus, 03238 Finsterwalde,

2. des Kreises Finsterwalde, vertreten durch den Landrat Diethard Haas, Uhlandstraße 2, 03238 Finsterwalde,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Prof. Dr. P.,

betreffend § 2 des Gesetzes zur Bestimmung von Verwaltungssitz und Namen des Landkreises Elbe-Elster (Elbe-Elster-Gesetz - ElbElstG) vom 22. April 1993 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg Teil I S. 151)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 1994
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Prof. Dr. von Arnim, Dr. Knippel, Prof. Dr. Mitzner, Prof. Dr. Schöneburg, Prof. Dr. Schröder und Weisberg-Schwarz

für R e c h t erkannt:

Die Verfassungsbeschwerden werden verworfen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen die durch § 2 des Gesetzes zur Bestimmung von Verwaltungssitz und Namen des Landkreises Elbe-Elster (Elbe-Elster-Gesetz - ElbElstG) vom 22. April 1993 (GVBl. I S. 151) erfolgte Bestimmung der Stadt Herzberg zum Sitz der Verwaltung des Landkreises Elbe-Elster.

I.

Die Stadt Finsterwalde (Beschwerdeführerin zu 1.) war bis zur Kreisgebietsreform im Lande Brandenburg Sitz der Verwaltung des Kreises Finsterwalde (Beschwerdeführer zu 2.). Durch die Kreisgebietsreform wurden die Kreise Bad Liebenwerda, Finsterwalde und Herzberg (ohne die Gemeinde Schöna-Kolpien) zusammengelegt und daraus ein neuer Kreis gebildet (§ 10 des Gesetzes zur Neugliederung der Kreise und kreisfreien Städte im Land Brandenburg vom 24. Dezember 1992 [Kreisneugliederungsgesetz - KNGBbg], GVBl. I S. 546).

Die Neugliederung erfolgte mit Wirkung vom 6. Dezember 1993 (§ 16 KNGBbg i.V.m. § 1 Wahldurchführungsgesetz vom 22. April 1993, GVBl. I S. 110). Das Kreisneugliederungsgesetz enthielt noch keine Bestimmung der Namen und der Sitze der Verwaltungen der Kreise, da die Entscheidungsfindung insoweit noch nicht abgeschlossen war (vgl. den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf des Kreisneugliederungsgesetzes vom 22. September 1992, LT-Drs. 1/1259 S. 4). Die Festlegung der Kreisnamen und der Kreissitze blieb vielmehr nachfolgenden Gesetzen vorbehalten.

Die Stadt Herzberg hat etwa 9.000 Einwohner und ist im nordwestlichen Teil des Kreises Elbe-Elster nahe der Landesgrenzen nach Sachsen-Anhalt und Sachsen gelegen. Sie ist im Entwurf des Landesentwicklungsplans I, der sich derzeit im Beteiligungsverfahren befindet, als Mittelzentrum vorgesehen. Die Beschwerdeführerin zu 1. ist mit etwa 23.000 Einwohnern die größte Stadt des Kreises Elbe-Elster und liegt im östlichen Teil dieses Landkreises. Sie ist als Mittelzentrum ausgewiesen (gemäß Anlage 1 des Vorschaltgesetzes zum Landesplanungsgesetz und Landesentwicklungsprogramm vom 6.12.1991, GVBl. I S. 616).

Die vom Minister des Innern des Landes Brandenburg eingesetzte Arbeitsgruppe "Kreisgebietsreform" hatte in ihrem Abschlußbericht vom November 1991 als Sitz der künftigen Kreisverwaltung die Stadt Finsterwalde empfohlen und gleichzeitig einen von dem späteren Gesetz abweichenden Kreisgebietszuschnitt aus den Kreisen Herzberg, Finsterwalde, Bad Liebenwerda und Senftenberg vorgeschlagen. Der von der Landesregierung eingebrachte Entwurf des Kreisneugliederungsgesetzes begründete den vom Bericht der Arbeitsgruppe abweichenden Zuschnitt des neuen Kreises damit, daß die drei Kreise Finsterwalde, Herzberg und Bad Liebenwerda sich übereinstimmend gegen eine Einbeziehung des Kreises Senftenberg ausgesprochen hatten (Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 1/1259, S. 48).

Der am 5. Februar 1993 von der Landesregierung eingebrachte Entwurf des Elbe-Elster-Gesetzes (LT-Drs. 1/1661) sah als Sitz der Verwaltung des Elbe-Elster-Kreises die Stadt Herzberg vor. Zur Begründung dieser Entscheidung nannte der Gesetzentwurf als "Hauptkriterien" unter anderem: Die Kreissitzbestimmung solle als Instrument der landesplanerischen Entwicklung und Strukturpolitik dienen; soweit erforderlich solle "durch Verlegung des Kreissitzes in einen entwicklungsbedürftigen Raum des Landkreises ein strukturpolitisches Zeichen" gesetzt werden. Deshalb kämen als künftige Kreissitze nur Städte in Betracht, deren zentralörtliche Bedeutung im Landesinteresse und im Interesse des neuen Landkreises eine Förderung und Aufwertung erforderten. Neben diesen "unverzichtbaren Hauptkriterien" würden für die Entscheidung über den Kreissitz "weitere Zusatzkriterien" relevant, denen in der Abwägung mit anderen Belangen maßgebliche Bedeutung zukomme. Hierzu zählten die Erreichbarkeit des Verwaltungssitzes, das Vorhandensein anderer Behörden, die ökonomische Struktur, historische Gesichtspunkte, die Akzeptanz der Kreissitzbestimmung durch die betroffenen Kreise sowie langfristig zu berechnende Kostenfragen (LT-Drs. 1/1661, S. 2-7). Die Entscheidung zugunsten der Stadt Herzberg beruhe trotz der Randlage im Kreisgebiet auf der landesplanerischen Notwendigkeit, in der strukturschwachen südwestlichen Region des Landes im sachsen-anhaltinischen und sächsischen Grenzland ein Mittelzentrum zu entwickeln. Die Entwicklung Herzbergs zum Mittelzentrum liege nicht nur im Landesinteresse, sondern auch im Interesse des Landkreises Elbe-Elster. Die Stadt Finsterwalde als Mittelzentrum erfülle zweifellos wesentliche Kriterien für einen Kreissitz. Die für Finsterwalde sprechenden Gründe müßten jedoch angesichts der für Herzberg genannten Erfordernisse zur Stärkung dieses strukturschwachen Gebietes und der besseren Voraussetzungen, den Kreissitzverlust zu kompensieren, zurücktreten (LT-Drs. 1/1661, S. 11).

Am 4. März 1993 fand im Anschluß an die erste Lesung des Gesetzentwurfes des Elbe-Elster-Gesetzes eine Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaften durch den Innenausschuß des Landtages statt. In dieser Anhörung bekräftigten die Vertreter des Beschwerdeführers zu 2. und des Kreises Herzberg die früheren Beschlüsse ihrer Kreistage, in denen diese den Verwaltungssitz des neuen Landkreises jeweils für ihre Kreisstadt beansprucht hatten (Ausschußprotokoll 1/672, S. 26 ff.).

Am 31. März 1993 beschloß der Landtag in abschließender zweiter Lesung den Gesetzentwurf (Plenarprotokoll 1/66, S 5129 f.). Ein Volksbegehren "Kreisstadt Finsterwalde" kam nicht zustande. Mit Beschluß vom 29. Juni 1994 stellte das Präsidium des Landtages fest, daß 6.125 gültige Eintragungen vorlägen. Erforderlich gewesen wären mindestens 80.000 (GVBl. I S. 264).

II.

Die Beschwerdeführer haben am 19. Juli 1993 gegen § 2 ElbElstG Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie machen geltend, die Bestimmung der Stadt Herzberg zum Sitz der Verwaltung des Landkreises Elbe-Elster verletze sie in ihrem durch die Landesverfassung verbürgten Recht auf Selbstverwaltung.

Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, ihre Verfassungsbeschwerden seien zulässig, namentlich halten sie sich für beschwerdebefugt. Die beschwerdeführende Stadt Finsterwalde werde durch den Verlust ihrer Funktion als Kreissitz in ihrem rechtlichen Status gleichermaßen betroffen wie eine ehedem kreisfreie Stadt durch den Entzug der Kreisfreiheit. Die Funktionszuweisung als Sitz der Kreisverwaltung präge eine Gemeinde wesentlich in ihrer Stellung als Selbstverwaltungskörperschaft. Auch der beschwerdeführende Landkreis Finsterwalde sei durch die Bestimmung der Stadt Herzberg zum Sitz des Landkreises Elbe-Elster in seinem Selbstverwaltungsrecht betroffen. Für den Fall, daß seine Beschwerdebefugnis darüber hinaus von einem Zusammenhang zwischen der Entscheidung über den Kreissitz und der Festlegung des Gebietszuschnitts des Elbe-Elster-Kreises abhänge, wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen den Gebietszuschnitt des Kreises Elbe-Elster, soweit sich aus ihm die Tauglichkeit gerade der Stadt Herzberg als Kreissitz ergebe.

Die Beschwerdeführer halten § 2 ElbElstG für formell und materiell verfassungswidrig. Sie seien nicht ausreichend angehört worden. Einen Anhörungsfehler sehen sie insbesondere in der kurzen Zeitspanne zwischen der Vorlage des Regierungsentwurfes des Elbe-Elster-Gesetzes am 5. Februar 1993 und der Anhörung durch den Innenausschuß am 4. März 1993. Die gesetzliche Bestimmung der Stadt Herzberg zum Kreissitz verstoße gegen Gründe des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV. Diese Entscheidung sei mit den für die Kreissitzbestimmung maßgeblichen Kriterien - landesplanerische Zentralität, ökonomische Struktur des Raumes, gute Erreichbarkeit und zentrale Verkehrslage sowie Kostenfaktor und Aufnahmefähigkeit des neuen Kreissitzes - unvereinbar. An Stelle der Stadt Herzberg erfülle die beschwerdeführende Stadt Finsterwalde die Voraussetzungen, um Sitz der Verwaltung des Kreises Elbe-Elster zu sein.

III.

Das Gericht hat dem Landtag, der Landesregierung, dem Landkreis Elbe-Elster und der Stadt Herzberg Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Der Landtag hat beschlossen, von einer Stellungnahme abzusehen.

Die Landesregierung ist der Meinung, die Verfassungsbeschwerden seien unzulässig und unbegründet. Die Verfassungsbeschwerden seien unzulässig, da die Beschwerdeführer nicht die Verletzung eigener Rechte geltend machten. Die Bestimmung des Sitzes der Verwaltung des neuen Landkreises betreffe weder bestimmte Gemeinden, die den Verwaltungssitz anstreben, noch die aufgelösten Landkreise in eigenen Rechten, sondern den neuen Landkreis. Die Verfassungsbeschwerden seien auch in der Sache unbegründet. § 2 ElbElstG sei formell wie materiell verfassungsgemäß. Die Argumentation der Beschwerdeführer sei unzutreffend. Die gesetzgeberische Entscheidung bewege sich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

Der Landkreis Elbe-Elster hat einen Beschluß seines Kreistages vom 14. März 1994 mitgeteilt, wonach der Landkreis Elbe-Elster die von dem Beschwerdeführer zu 2 erhobene Verfassungsbeschwerde aufrecht erhält. Wie der Landrat des Kreises Elbe-Elster ergänzend mitteilte, erhebe der Landkreis Elbe-Elster aber ausdrücklich keine eigene Verfassungsbeschwerde.

Auch die Stadt Herzberg hält die Verfassungsbeschwerden für unzulässig und unbegründet. Die Stadt und der Kreis Finsterwalde seien durch die Bestimmung der Stadt Herzberg zum Kreissitz nicht in ihren Selbstverwaltungsrechten betroffen. Die Kreissitzbestimmung sei weder eine Selbstverwaltungsangelegenheit des Landkreises noch der Gemeinde. § 2 ElbElstG sei verfassungsgemäß. Unter Berücksichtigung der eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte sei die Kreissitzbestimmung insbesondere wegen der mit ihr verfolgten landesplanerischen und strukturpolitischen Zielsetzung, die Stadt Herzberg in der strukturschwachen ländlichen südwestlichen Region Brandenburgs zu einem Mittelzentrum zu entwickeln, nicht zu beanstanden.

B.

Die kommunalen Verfassungsbeschwerden nach Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) der Beschwerdeführerin zu 1. (I.) und des Beschwerdeführers zu 2. (II.), die das Gericht zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat, sind unzulässig.

I.

Die Beschwerdeführerin zu 1. ist nicht beschwerdebefugt. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist, wie Art. 100 LV, § 51 Abs. 1 VerfGGBbg zu entnehmen ist, nur zulässig, wenn die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, daß die beschwerdeführende Gemeinde in ihrem eigenen Selbstverwaltungsrecht verletzt ist. Daran fehlt es. Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin kann die durch § 2 ElbElstG erfolgte Bestimmung der Stadt Herzberg zum Verwaltungssitz des Landkreises Elbe-Elster die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 97 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 LV verletzen.

Das Selbstverwaltungsrecht einer Gemeinde gemäß Art. 97 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 LV erstreckt sich nicht darauf, Sitz der Kreisverwaltung zu sein. Die Entscheidung über den Sitz der Kreisverwaltung ist als Organisationsakt Bestandteil der Neuordnung des Kreises, nicht der Gemeinde.

Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht umfaßt die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Dies sind "diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben" (BVerfGE 79, 127, 151 f.). Zu diesen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gehört die Organisationshoheit, die den Gemeinden das Recht gewährleistet, ihre eigene innere Verwaltungsorganisation nach ihrem eigenen Ermessen einzurichten (vgl. BVerfG NVwZ 1987, 123; OVG Münster OVGE 37, 94, 97 f.). Dazu gehört nicht die Frage, ob eine kreisangehörige Gemeinde Sitz der Kreisverwaltung ist oder nicht. Dies ist in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung anerkannt (vgl. BayVerfGHE 29, 1, 5; Nds. StGH, Nds. MinBl. 1979, 547, 584; SächsVerfGH, Urt. v. 23.6.1994 - Vf. 8-VIII-93 und Vf. 23-VIII-93-, AU S. 13 f.). Zwar hat die Festlegung des Kreissitzes unübersehbar Einflüsse auf das politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben der jeweiligen Gemeinde. Aber diese rein tatsächlichen - vorteilhaften oder nachteiligen - Auswirkungen betreffen die jeweilige Gemeinde lediglich reflexartig und berühren ihr gemeindliches Selbstverwaltungsrecht nicht.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin läßt sich ihre Beschwerdebefugnis auch nicht mit dem vermeintlichen Parallelfall begründen, in dem eine Stadt ihre Kreisfreiheit verliert. § 2 ElbElstG, gegen den sich die Beschwerdeführerin wendet, besagt nicht, daß sie den Kreissitz verliert, sondern betrifft die erstmalige Vergabe des Kreissitzes in dem neuen Landkreis Elbe-Elster. Der Sitz der Kreisverwaltung war der Beschwerdeführerin bereits mit der Auflösung des Beschwerdeführers zu 2. verlorengegangen. Hiervon abgesehen mag zwar der Verlust der Kreisfreiheit - sog. Einkreisung - den Status der bisher kreisfreien Stadt in verfassungsrechtlich relevanter Weise beeinflussen (vgl. VerfGH NW OVGE 30, 312, 313 ff.). Die Nichtbestimmung einer Gemeinde zum Kreissitz ist dem aber nicht gleichwertig. Sie begründet keine Einbuße der betroffenen Gemeinde in ihrem Status als kommunale Selbstverwaltungskörperschaft. Während die Einkreisung die verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsaufgaben um die kreisliche Ebene vermindert (vgl. dazu VerfGH NW a.a.O.), hängt der Bestand der gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben nicht davon ab, ob die Gemeinde gleichzeitig Kreissitz ist. Außerdem geht der Wegfall der Kreisfreiheit zwangsläufig mit einer Gebietsänderung einher, da das Gebiet der kreisfreien Gemeinde einem Landkreis einverleibt werden muß. Ist die Einkreisung mithin ein besonderer Fall der Kreisneugliederung, ist eine eigene Beschwer der eingekreisten Gemeinde schon aus diesem Grunde gegeben. Die Nichtberücksichtigung als Kreissitz läßt dagegen das Kreisgebiet als solches unberührt.

Schließlich läßt sich die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin auch nicht daraus herleiten, daß die Anhörung zu dem Entwurf des Elbe-Elster-Gesetzes vor dem Innenausschuß möglicherweise nicht den zeitlichen Anforderungen genügte, die von Verfassungs wegen an Gesetzesvorhaben zur Gebietsänderung gestellt werden (vgl. BVerfGE 86, 90, 112; VerfGBbg, Urt. v. 15. September 1994 - VfGBbg 3/93 -, zur Veröffentlichung bestimmt), wie die Beschwerdeführerin meint. Dies würde nur dann die Beschwerdebefugnis begründen, wenn es ein subjektives Recht auf Anhörung im Gesetzgebungsverfahren gäbe. Dies ist jedoch nicht der Fall; die Anhörung dient lediglich der Informationsbeschaffung und der Sachverhaltsermittlung seitens des Gesetzgebers, so daß mögliche Mängel der Anhörung eine Beschwer nicht begründen können.

II.

Der Beschwerdeführer zu 2. ist gleichfalls nicht beschwerdebefugt. Sein Vorbringen läßt nicht erkennen, daß § 2 ElbElstG sein Selbstverwaltungsrecht aus Art. 97, 98 LV verletzt haben könnte.

1.Die Möglichkeit einer Verletzung des Beschwerdeführers in einem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 97 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 LV ist bereits dadurch ausgeschlossen, daß die Bestimmung des Sitzes des Landkreises Elbe-Elster in einem Zeitpunkt wirksam wurde, in dem der Beschwerdeführer zu bestehen aufhörte. Gemäß § 16 S. 2 KNGBbg i.V.m. § 1 Wahldurchführungsgesetz wurde der Beschwerdeführer mit Wirkung vom 6. Dezember 1993 aufgelöst, gleichzeitig wurde nach § 4 ElbElstG die Festlegung des Kreissitzes rechtswirksam. Die gesetzliche Bestimmung des Verwaltungssitzes des neugebildeten Landkreises ist aber eine ausschließlich den neuen Gemeindeverband betreffende Organisationsmaßnahme. Das Selbstverwaltungsrecht des Beschwerdeführers zu 2. aus Art. 97 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 LV umfaßt gemäß Art. 97 Abs. 2 LV alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in seinem Gebiet, die nicht nach der Landesverfassung oder kraft Gesetzes anderen Stellen obliegen. Diese Garantie der kommunalen Selbstverwaltung erstreckt sich nicht auf den neugebildeten Landkreis Elbe-Elster.

2)Auch die Möglichkeit einer Verletzung des Rechtes auf Selbstverwaltung aus Art. 98 Abs. 1 LV kommt nicht in Betracht. In den Fällen, in denen die Bestimmung des Sitzes der Kreisverwaltung Auswirkungen auf die Festlegung des Kreisgebietes hat, ist eine Beeinträchtigung des Art. 98 Abs. 1 LV, der die Selbstverwaltungsgarantie für den Fall der Gebietsänderung konkretisiert, möglich (vgl. StGH BaWü ESVGH 23, 1, 20 s.; Nds. StGH Nds. MinBl. 1979, 547, 549; VerfGH RhPf AS 11, 118, 136; SächsVerfGH, Urt. v. 23.6.1994 - Vf- 8-VIII-93 -, AU S. 12).

Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, daß die Bestimmung der Stadt Herzberg zum Sitz der Kreisverwaltung Einfluß auf den Gebietszuschnitt des Elbe-Elster-Kreises gehabt haben könnte. Dagegen spricht bereits, daß der Kreissitz durch gesondertes Gesetz und zeitlich nach der Entscheidung über das Kreisgebiet bestimmt wurde. Die Grenzen des Landkreises Elbe-Elster sind durch § 10 KNGBbg verbindlich und abschließend festgelegt worden. Diese Regelung trat am 1. Januar 1993 in Kraft (Art. 4 Kreis- und Gerichtsneugliederungsgesetz [KGNGBbg] vom 24. Dezember 1992 [GVBl. I S. 546]). Die Regelung war zum Zeitpunkt der gesetzlichen Festlegung des Kreissitzes durch das Elbe-Elster-Gesetz also bereits vom Landtag beschlossen und in Kraft getreten. Da der Gebietszuschnitt zur Zeit der Entscheidung über den Sitz der Kreisverwaltung damit schon feststand, ist eine Abhängigkeit des Gebietszuschnitts von der Kreissitzbestimmung nicht anzunehmen. Auch der Beschwerdeführer hat nichts dafür vorgetragen, daß trotz der entgegenstehenden zeitlichen Abfolge ausnahmsweise doch etwas für eine Abhängigkeit der Entscheidung über das Gebiet von einer Entscheidung über den Sitz sprechen könnte.

Allerdings ist auch bei einer solchen gestuften und abgeschichteten gesetzgeberischen Vorgehensweise nicht gänzlich ausgeschlossen, daß bereits der flächenmäßige Kreiszuschnitt im Hinblick auf einen bestimmten Kreissitz vorgenommen wird. Dieser Fall liegt indessen nicht vor. Zwar wich der Gesetzgeber in § 10 KNGBbg von der früheren Empfehlung der Arbeitsgruppe "Kreisgebietsreform" ab, die den Zusammenschluß der früheren Kreise Herzberg, Finsterwalde und Bad Liebenwerda mit Senftenberg vorgeschlagen hatte. Aber diese Änderung stand in keinem Zusammenhang mit einer Vorabentscheidung über den Kreissitz. Vielmehr war sie darin begründet, daß dem Vorschlag der Arbeitsgruppe in den betroffenen Kreisen und Akzeptanz fehlte, nachdem sich die Kreistage der Kreise Bad Liebenwerda, Finsterwalde und Herzberg übereinstimmend gegen ihren Zusammenschluß mit Senftenberg ausgesprochen hatten (Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 1/1259, S. 48).

Eine mögliche Rechtsverletzung des Beschwerdeführers ergibt sich auch nicht aus einer möglicherweise unzulänglichen Anhörung zu dem Entwurf des Elbe-Elster-Gesetzes. Ein von Verfassungs wegen bestehendes Anhörungsrecht des aufzulösenden Landkreises wird zwar für den Fall eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Wahl des Kreissitzes und dem flächenmäßigen Zuschnitt des neuen Kreises anerkannt (vgl. StGH BaWü ESVGH 23, 1, 21). Da ein solcher Zusammenhang vorliegend nicht besteht, kam der Anhörung jedoch ausschließlich objektive Bedeutung zu, so daß eventuelle Mängel keine Beschwer des Beschwerdeführers zu begründen vermögen.

Dr. Macke Prof. Dr. von Arnim
Dr. Knippel Prof. Dr. Mitzner
Prof. Dr. Schöneburg Prof. Dr. Schröder
Weisberg-Schwarz