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VerfGBbg, Beschluss vom 20. Oktober 1994 - VfGBbg 12/94 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 2
- BbgIngKamG, § 17; BbgIngKamG, § 29 Abs. 2; BbgIngKamG, § 29 Abs. 3
- BbgVwVfG, § 43 Abs. 2
- EV, Art. 19
Schlagworte: - Rechtswegerschöpfung
- Subsidiarität
- Vorabentscheidung
nichtamtlicher Leitsatz: 1. Wegen der vornehmlich von der Auslegung einfachen Bundesrechts abhägigen Frage des Fortbestehens staatlicher Erlaubnisse der DDR für Sachverständige im Bereich der Grundstückswertermittlung ist zunächst der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten.

2. Auch bei allgemeiner Bedeutung der Angelegenheit kommt eine Entscheidung des Verfassungsgerichts über eine Verfassungsbeschwerde ohne vorherige Ausschöpfung des Rechtsweges nur in Ausnahmefällen in Betracht.
Fundstellen: - LKV 1996, 65
- LVerfGE 2, 193
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Oktober 1994 - VfGBbg 12/94 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 12/94



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden

des A. sowie 104 weiterer Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S.,

betreffend § 29 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die Errichtung einer Brandenburgischen Ingenieurkammer und zum Schutz der Berufsbezeichnung "Beratender Ingenieur" und Beratende Ingenieurin" vom 19.10.1993 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg, Teil I, Nr. 23 S. 462 ff.)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Prof. Dr. von Arnim, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Dr. Knippel, Prof. Dr. Mitzner, Prof. Dr. Schöneburg, Prof. Dr. Schröder und Weisberg-Schwarz

am 20. Oktober 1994

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerden werden verworfen.

G r ü n d e :

A.

Die 105 Beschwerdeführer greifen die Vorschriften des § 29 Abs. 2 und Abs. 3 des Brandenburgischen Ingenieurkammergesetzes (BbgIngkamG) vom 19. Oktober 1993 (GVBl. I S.460) an. Sie verfolgen damit das Ziel, über den in § 29 Abs. 3 BbgIngKamG genannten Zeitpunkt hinaus als amtlich zugelassene Sachverständige für Wertermittlung im Grundstücksverkehr tätig sein zu können.

I.

In der DDR galt seit Inkrafttreten des Gewerbegesetzes vom6. März 1990 (GBl. I S.138 - GewG) der in § 1 GewG niedergelegte Grundsatz der Gewerbefreiheit. In § 3 Abs. 2 GewG wurde der Ministerrat ermächtigt, die Ausübung einzelner Gewerbe von einer staatlichen Zulassung abhängig zu machen. In der Anlage zur am 8. März 1990 ergangenen Durchführungsverordnung zum GewG (GBl. I S.140) wird als erlaubnisbedürftig auch die Tätigkeit von Sachverständigen und Gutachtern bezeichnet.

Durch §§ 2 ff. der Anordnung des Ministers für Bauwesen und Wohnungswirtschaft über die Zulassung privater Architekten und Ingenieure vom 5. Februar 1990 (GBl. I S. 50) in der Fassung der Anordnung Nr. 2 vom 25. Juli 1990 (GBl. I S. 1152) wurde die Tätigkeit als Wertermittler im Grundstücksverkehr an eine förmliche Zulassung gebunden.

§ 5 Abs. 4 der Anordnung legt als Voraussetzungen für die Zulassung einer Sachverständigentätigkeit fest:

(c) für das Aufgabengebiet Wertermittlung im Grundstücksverkehr

- Nachweis einer mindestens fünfjährigen Tätigkeit als Architekt oder Bauingenieur mit Grundkenntnissen im Hoch- und Tiefbau, insbesondere auf den Gebieten:

. Bauwirtschaft,

  • Vermessungswesen,
  • Baugrundbestimmung,
  • Garten und Landschaftsanlagen,
  • Baukonstruktion, Baustatik, Bautechnologie,
  • Schutzmaßnahmen für Gebäude und bauliche Anlagen,
  • Baustoffe, ihr Verhalten und zweckentsprechender Einsatz,
  • technische Vorschriften,

- Kenntnisse der einschlägigen Rechtsvorschriften im Grundstücksverkehr und des Preisrechts,

- Nachweis des Besuches eines Lehrganges für Wertermittlung im Grundstücksverkehr mit praktischer Tätigkeit oder Vorlage einer schriftlichen Stellungnahme eines bereits zugelassenen Sachverständigen für Wertermittlung im Grundstücksverkehr, der die Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch mindestens zweijährige Zusammenarbeit bestätigen kann.

In § 7 heißt es im Hinblick auf die zu erteilende Zulassungsurkunde:

(1) Über die erteilte Zulassung ist eine Zulassungsurkunde gemäß Anlage in dreifacher Ausfertigung auszustellen und vom Vorsitzenden der Zulassungskommission zu unterzeichnen und zu siegeln. ...

Mit Beitritt der neuen Länder trat das Gewerbegesetz der DDR gem. Art. 8 Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (EV) außer Kraft. Lediglich für eine Reihe im Hinblick auf die Sachverständigentätigkeit nicht einschlägiger, insbesondere arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften wurden in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 3, Sachgebiet B Abschnitt III Nrn. 1 und 9, Sachgebiet C Abschnitt III Nr. 1 zum Einigungsvertrag Sonderregelungen getroffen. Die Gewerbeordnung (GewO) der Bundesrepublik Deutschland, die nunmehr auch für den Bereich der neuen Länder gilt, regelt in § 36 lediglich die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen. Dabei erstreckt § 36 Abs. 1 S. 2 GewO die Regelung auf bestimmte genauer bezeichnete Personengruppen, die selbst kein Gewerbe, sondern sogenannte freie Berufe ausüben. Anders als im Gewerbegesetz der DDR enthält die Gewerbeordnung keine Bestimmung, die die Sachverständigentätigkeit grundsätzlich an eine vorher ergangene Zulassung knüpft.

Die beschwerdeführenden Sachverständigen sind ihren Angaben zufolge alle aufgrund der Anordnungen vom 5. Februar und25. Juli 1990 konzessioniert worden und haben ihre Tätigkeit nach Wiederherstellung der deutschen Einheit fortgesetzt. Sie greifen § 29 Abs. 2 und Abs. 3 BbgIngkamG, das am 22. Oktober 1993 in Kraft getreten ist, mit ihren Verfassungsbeschwerden an, weil sie davon ausgehen, daß diese Vorschrift ihre Tätigkeit in zeitlicher Hinsicht beschränkt. § 29 Abs. 2 und 3 lautet:

(2) Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes treten außer Kraft:

1. Anordnung über die Zulassung privater Architekten und Ingenieure vom 5. Februar 1990 (GBl. I Nr. 8S. 50);
2. Anordnung Nr. 2 über die Zulassung privater Architekten und Ingenieure vom 25. Juli 1990 (Gbl. I Nr. 54 S. 1152).

(3) Die auf der Grundlage der unter Abs. 2 Nr. 1 und 2 erteilten Zulassungen als privater Ingenieur oder Sachverständiger für Wertermittlung im Grundstücksverkehr verlieren ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ihre Gültigkeit.

II.

Die Beschwerdeführer sind der Rechtsauffassung, daß das in § 29 Abs. 2 und Abs. 3 vorgesehene Auslaufen ihrer Berechtigung, eine Sachverständigentätigkeit auf der Grundlage der dort genannten DDR-Bestimmungen durchzuführen, mit der Verfassung des Landes Brandenburg nicht vereinbar sei. Gerügt werden Verstöße gegen die Art. 10, 42 und 49 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Weder die durch § 17 BbgIngkamG eingeräumte Möglichkeit, sich in die Liste der Beratenden Ingenieure eintragen zu lassen noch der Umstand, daß gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 BbgIngkamG die brandenburgische Ingenieurkammer Sachverständige öffentlich bestellen und vereidigen kann, stellten einen angemessenen Ersatz für den Verlust des bisherigen Status dar. Zumindest wären von vornherein wenigstens zwei Gruppen von einer öffentlichen Bestellung ausgeschlossen, nämlich die Sachverständigen im Alter bis zu dreißig Jahren und diejenigen, die das einundsechzigste Lebensjahr bereits vollendet haben. Dies ergebe sich daraus, daß die Ingenieurkammer bis zum Inkrafttreten eigener Regelungen die Sachverständigenordnung der Industrie- und Handelskammer Potsdam zur Grundlage ihres Handelns mache, in der die genannten altersmäßigen Beschränkungen vorgesehen seien. Ein großer Teil der bisherigen Sachverständigen müßten sich vor einer öffentlichen Bestellung überdies neuen Qualifikationsmaßnahmen unterziehen, um den in den Vorschriften der Industrie- und Handelskammer vorgesehenen Anforderungen gerecht zu werden. Der Status als Beratender Ingenieur stelle schon deshalb kein angemessenes Äquvalent dar, weil ein staatlich zugelassener Sachverständiger in der Öffentlichkeit über höheres Ansehen verfüge.

Die Beschwerdeführer führen weiter aus, sie würden einer Beschränkung ihrer freien Berufsausübung unterworfen, ohne daß es dafür Gründe des Allgemeinwohls gebe. Durch das Auslaufen der bisherigen Regelung würden auswärtige Fachleute bevorzugt. Einheimische Ingenieure hingegen sähen sich unnötigen Schwierigkeiten, wenn nicht gar der Arbeitslosigkeit ausgesetzt.

III.

Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Mit Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland seien das Gewerbegesetz und die dazu ergangene Durchführungsverordnung außer Kraft gesetzt worden. Damit gelte gemäß § 1 Abs. 1 GewO auch im Land Brandenburg der Grundsatz der Gewerbefreiheit. Die Beschwerdeführer könnten deshalb ohne weiteres die Bezeichnung Sachverständiger für Wertermittlung im Grundstücksverkehr führen; ein gesetzlicher Schutz dieser Bezeichnung bestehe nicht. Den nach DDR-Recht ausgesprochenen Zulassungen komme deshalb keine Bedeutung im Außenverkehr mehr zu. Die Zulassungsurkunden besäßen keine besondere Beweiskraftmehr. Andererseits führe die nach DDR-Recht verliehene Befugnis, den sogenannten Rundstempel zu führen, zu einem Verstoß gegen § 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), weil dadurch der fälschliche Eindruck erweckt werde, es handele sich um öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige im Sinne des § 36 GewO. Denn diesen sei das Führen des Rundstempels vorbehalten.

B.

Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig.

I.

Der Zulässigkeit steht bereits der Grundsatz der Subsidiarität einer Verfassungsbeschwerde entgegen, wie er in § 45 Abs. 2 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) seinen Ausdruck gefunden hat. Es entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts, den Beschwerdeführer auch dann auf den Rechtsweg zu verweisen, wenn er sich zwar unmittelbar gegen eine Gesetzesbestimmung wendet, gleichwohl jedoch durch eine Anrufung des Fachgerichts die Klärung tatsächlicher und/oder einfachrechtlicher Fragen in Betracht kommt und ihm dies auch objektiv zumutbar ist (VerfGBbg, Beschluß vom 15.9.94 - Az.: VfGBbg 5/94). Danach liegen auch im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Anrufung der zuständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit vor.

II.

1. Im Hinblick auf die angegriffene Gesetzesvorschrift des§ 29 Abs. 3 BbgIngkamG haben die Beschwerdeführer die Möglichkeit, im Wege einer Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht klären zu lassen, ob sie über den im Gesetz genannten Termin des Auslaufens ihrer Berechtigung hinaus, als "amtlich anerkannte" Sachverständige für die Wertermittlung im Grundstücksverkehr tätig sein dürfen. Der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Feststellungsklage steht auch nicht entgegen, daß deren Begründetheit im wesentlichen von der Gültigkeit einer Rechtsvorschrift - hier des § 29 Abs. 2 und Abs. 3 BbgIngkamG - abhängt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die Zulässigkeit einer solchen Feststellungsklage zu bejahen (BVerwG NJW 1984, 677). Es handelt sich jedenfalls dann nicht um ein verkapptes Normenkontrollverfahren, wenn die von der Rechtsgültigkeit einer Norm abhängenden Rechte und Pflichten der Beteiligten im Hinblick auf einen konkreten Sachverhalt zum Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemacht werden (Kopp, VwGO, 9. Auflage, Rdn. 8/14 zu § 43).

2. Die vorherige Einschaltung des Verwaltungsgerichts ist erforderlich, weil eine Reihe tatsächlicher und einfachrechtlicher Fragen zu klären ist. Damit erweist sich die Verweisung der Beschwerdeführer auf den Rechtsweg schon deshalb als angemessen, weil auf diese Weise einer sachgerechten Aufgabenverteilung zwischen Verfassungsgericht und den Fachgerichten Rechnung getragen wird. Danach obliegt es vorrangig den Fachgerichten, einfachrechtliche Vorschriften auszulegen und die zur Anwendung der Vorschriften erforderlichen Ermittlungen sowie die Würdigung des Sachverhaltes vorzunehmen (BbgVerfG, Beschluß vom 15.9.1994, a.a.O.).

Im Hinblick auf die noch nicht geklärten Tatsachenfragen bedarf es noch einer durch das Verwaltungsgericht vorzunehmenden einzelfallbezogenen Prüfung, ob jeder der 105 Beschwerdeführer tatsächlich über eine amtliche Zulassung als Sachverständiger für Wertermittlungen im Grundstücksverkehr verfügt. Selbst wenn die erforderlichen Urkunden vorgelegt werden können, müßte überdies noch geklärt werden, ob einzelne Genehmigungen - z.B. aufgrund von beigefügten Befristungen oder auflösenden Bedingungen - ihre Wirksamkeit verloren haben.

Auch im Hinblick auf eine ganze Reihe noch nicht geklärter Fragen des einfachen Rechts erweist sich die Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes als sinnvoll. Das gilt im vorliegenden Fall insbesondere deshalb, weil die Erheblichkeit einer vornehmlich am Maßstab des Verfassungsrechts des Landes Brandenburg orientierten Prüfung durch das Verfassungsgericht erst dann abschließend beurteilt werden kann, wenn mehrere bundesrechtliche Vorfragen geklärt sind. Es entspricht der Rollenverteilung innerhalb des Gesamtrechtsschutzsystems, daß das Landesverfassungsgericht sich erst dann materiell mit einer Sache befaßt, wenn geklärt ist, ob die angegriffenen Vorschriften nicht aus außerhalb der Landesverfassung liegenden Gründen (etwa wegen Unvereinbarkeit mit Bundesrecht) keine Anwendung finden können, (VerfGBbg, Beschluß vom 15.9.94, a.a.O.).

In bundesrechtlicher Hinsicht wird von den angerufenen Verwaltungsgerichte z.B. geklärt werden müssen, ob die hier in Frage stehenden Zulassungen über den Zeitpunkt des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland hinaus überhaupt Gültigkeit besitzen. In diesem Zusammenhang könnte der Umstand eine Rolle spielen, daß die bundesdeutsche Gewerbeordnung - anders als das Gewerberecht der DDR (vgl. Anlage zur Durchführungsverordnung zum GewG) - den Beruf des Sachverständigen grundsätzlich keinen staatlichen Reglementierungen unterwirft, insbesondere aber nicht von einer staatlichen Zulassung abhängig macht. Lediglich § 36 Abs. 1 GewO stellt für die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen besondere Zulassungsvoraussetzungen auf. Sollte darin auch für die im Rahmen eines freien Berufs tätig werdenden (nicht-gewerblichen) Sachverständigen (vgl. § 36 Abs. 1 S. 2 GewO), zu denen die Ingenieure gehören dürften, eine abschließende bundesrechtliche Regelung gesehen werden müssen, bliebe möglicherweise für eine aus dem DDR-Recht übernommene lediglich staatlich zugelassene Sachverständigentätigkeit rechtlich kein Raum, zumal bundesrechtliche Übergangsregelungen nicht ersichtlich sind. Dabei könnte auch eine Rolle spielen, daß die sogenannten Sachverständigen-Rundstempel, über die auch die Beschwerdeführer verfügen, nach herkömmlichem bundesdeutschen Recht jedenfalls bisher den öffentlich bestellten Sachverständigen im Sinne des § 36 GewO vorbehalten sind und ihre Benutzung durch andere Sachverständige sich in der Regel unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten (§ 3 UWG) als rechtswidrig erweisen könnte (dazu näher Tettinger/Pielow, Gewerbearchiv 1992, 1, 3).

In diesem Zusammenhang werden sich die Verwaltungsgerichte gegebenenfalls auch mit der - bundesrechtlichen - Regelung des Art. 19 EV auseinanderzusetzen haben. Sollten die Zulassungen der Beschwerdeführer als Verwaltungsakte im Sinne des Art. 19 EV anzusehen sein, stellte sich die Frage, ob der Landesgesetzgeber berechtigt war, die Wirkung der Zulassungen durch die Regelung in § 29 Abs. 3 IngkamG zeitlich zu befristen. Denkbar wäre aber auch, den Zulassungen ab Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland die Wirksamkeit gänzlich abzusprechen (vgl. § 43Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz), weil die nach DDR-Recht notwendige Genehmigungsbedürftigkeit der einfachen, ohne öffentliche Bestellung stattfindenden Sachverständigentätigkeit dem bundesdeutschen Recht fremd ist (von einer Erledigung derartiger Genehmigungen geht z.B. aus: Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, Kommentar, 4. Auflage, 1993, Nr. 165 zu § 43). Ein solches Verständnis schlösse eine Anwendung des Art. 19 EV von vornherein aus.

III.

Der Grundsatz der Subsidiarität steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden auch insoweit entgegen, als sie sich gegen § 29 Abs. 2 BbgIngkamG richten. Sollte fachgerichtlich festgestellt werden, daß die Zulassungen der Beschwerdeführer trotz der Regelung in § 29 Abs. 3 BbgIngkamG fortbestehen, entfiele schon das Rechtsschutzinteresse an einer Aufhebung des § 29 Abs. 2 BbgIngkamG. Sollten die Zulassungen nach Auffassung der Verwaltungsgerichte hingegen schon erloschen sein oder alsbald wirkungslos werden, könnte vor einer Entscheidung des Landesverfassungsgerichts die fachgerichtliche Klärung der Frage von wesentlicher Bedeutung sein, ob es im Hinblick auf die angesprochenen bundesrechtlichen Regelungen überhaupt in der Kompetenz des Landesgesetzgebers liegt, als fortbestehend angesehene Regelungen des DDR-Gewerberechts aufzuheben. Sollte diese Frage von einem der angerufenen Verwaltungsgerichte gegebenenfalls verneint werden, hätte es bei Vorliegen der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Art. 100 Abs. 1 S. 2 GG selbst die Pflicht, § 29 Abs. 2 BbgIngkamG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, um dort die Vereinbarkeit mit Bundesrecht klären zu lassen.

IV.

Die Verfassungsbeschwerden sind schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen Bedeutung der Sache i.S.d. § 45 Abs. 2 S. 2 VerfGGBbg zulässig. Selbst wenn im Hinblick auf die Vielzahl der Beschwerdeführer die allgemeine Bedeutung der Sache möglicherweise bejaht werden könnte, kommt eine Vorabentscheidung des Verfassungsgerichts nicht in Betracht. Der Wortlaut der Kann-Vorschrift des § 45 Abs. 2 S. 2 VerfGGBbg mach deutlich, daß eine solche "Durchgriffsentscheidung" auch in diesen Fällen die Ausnahme bleibt ("im Ausnahmefall"). Die "allgemeine Bedeutung" ist nur ein Aspekt unter mehreren, die im Rahmen einer Abwägung für und wider eine sofortige Sachentscheidung zu berücksichtigen sind (VerfGBbg, Beschluß vom 15.9.1994, a.a.O.). Die dargelegten teilweise schwierigen Fragen des einfachen Rechts, aber auch der Umstand, daß noch nicht alle notwendigen tatsächlichen Feststellungen getroffen sind, machen es hier notwendig, die Beschwerdeführer auch bei einer unterstellten allgemeinen Bedeutung der Sache auf den Verwaltungsrechtsweg zu verweisen.

V.

Die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Rechtsnachteile, die sie durch Auslaufen ihrer Zulassungen erleiden würden, stellen jedenfalls keinen schweren und unabwendbaren Nachteil im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 2 VerfGGBbg dar. Deshalb kann auch unter diesem Gesichtspunkt von der Verweisung auf den Rechtsweg nicht abgesehen werden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit die meisten der Beschwerdeführer voraussichtlich in der Lage sein werden, die Voraussetzungen zur Eintragung in die Liste der Beratenden Ingenieure nach § 17 BbgIngkamG nachzuweisen. Der daraus erwachsende Status, auf den auch in wettbewerbsrechtlich zulässiger Weise hingewiesen werden dürfte, hätte mit einiger Wahrscheinlichkeit die von den Beschwerdeführern erwünschte erhöhte Wertschätzung in der Öffentlichkeit zur Folge. Dies dürfte auch der eigenen Einschätzung der Ingenieure entsprechen. In weiten Kreisen der Architekten und Ingenieure gab es bereits in den zwanziger Jahren Bestrebungen, eigene Kammern einzurichten, um auf diese Weise einen Titelschutz zu erlangen (vgl. Taupitz, Die Standesordnungen der Freien Berufe, 1991, 430). Gerade auf den Druck dieser Personengruppe hin kam es vornehmlich in den sechziger und siebziger Jahren tatsächlich zur Verabschiedung entsprechender Gesetze in den meisten der alten Bundesländer. Das Land Brandenburg ist durch die Schaffung seines Ingenieurkammergesetzes dieser Tendenz gefolgt und gibt seinen Ingenieuren nunmehr die gesetzliche Möglichkeit, den angestrebten verbesserten Titelschutz zu erlangen.

Überdies haben es die Beratenden Ingenieure als Mitglieder ihrer Kammer selbst in der Hand, durch Verabschiedung einer entsprechenden Satzung die Voraussetzungen einer öffentlichen Bestellung als Sachverständige im Sinne des§ 36 GewO zu schaffen (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 BbgIngkamG). Im Rahmen der Selbstverwaltungsautonomie der brandenburgischen Ingenieurkammer kann diese bei Verabschiedung der entsprechenden Satzung Regelungen treffen, die z.B. die von den Beschwerdeführern beanstandeten ungünstigen Altersregelungen in bezug auf die öffentliche Bestellung zumindest abmildern.

VI.

Durch die Entscheidung in der Hauptsache wird der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos.

Dr. Macke Prof. Dr. von Arnim
Dr. Knippel Prof. Dr. Mitzner
Prof. Dr. Schöneburg Prof. Dr. Schröder
Weisberg-Schwarz