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VerfGBbg, Beschluss vom 20. September 2019 - VfGBbg 9/19 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 13
- ZPO, § 765 a; ZPO, § 920 Abs. 2
- VwGO, § 123 Abs. 3
Schlagworte: - einstweilige Anordnung verworfen
- zum gemeinen Wohl
- dringend geboten
- private Grundstücksnutzung
- kein Vollstreckungsschutzgericht
- Ebene des Zivilrechts
- irreparabler Nachteil
- Freiheit und Unversehrtheit der Person
- elementare Menschenrechte
- Anordnungsgrund
- Darlegung
- Glaubhaftmachung
- Sachverständigengutachten mangelhaft
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. September 2019 - VfGBbg 9/19 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 9/19 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

  1. B.,

 

  1. B.,

 

Antragsteller,

 

Verfahrensbevollmächtigter               Rechtsanwalt N.,

 

wegen            Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 20. September 2019

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Heinrich-Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

                        Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

 

Gründe:

 

 

A.

Die Antragsteller begehren die vorläufige Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens.

I.

Beim Amtsgericht Neuruppin ist das Verfahren … anhängig, mit dem die Zwangsversteigerung des Erbbaurechts der Antragsteller betrieben wird.

Einen (erneuten) Antrag der Antragsteller auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung gemäß § 765 a Zivilprozessordnung (ZPO) wies das Amtsgericht Neuruppin mit Beschluss vom 25. Januar 2019 zurück. Hiergegen erhoben die Antragsteller sofortige Beschwerde mit der Begründung, dass das vom Gericht zugrunde gelegte Sachverständigengutachten, das eine gesundheitliche Gefährdung (Schlaganfall) der Antragstellerin durch die Zwangsversteigerung und die Gefahr des Suizids verneine, mangelhaft sei. Sie beantragten, einen anderen Sachverständigen mit der Erstellung eines neuen neurologisch-psychiatrischen Gutachtens zu beauftragen. Das Landgericht Neuruppin wies die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 25. Juni 2019 (…), zugestellt am 1. Juli 2019, zurück. Eine Gehörsrüge hatte keinen Erfolg.

II.

Gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 25. Juni 2019 haben die Antragsteller am Montag, den 2. September 2019 Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Der Erlass der einstweiligen Anordnung sei geboten, da den Antragstellern drohe, dass die Gerichte für die Zwangsversteigerung gutachterliche Feststellungen heranzögen, die mit erheblichen Mängeln behaftet seien und die nicht im Einklang mit Grundprinzipien der verfassungsrechtlichen Ordnung stünden. Die Verzögerung des Zwangsversteigerungsverfahrens durch den Erlass der einstweiligen Anordnung sei hinzunehmen, um sachverständig beraten darüber befinden zu können, ob der Antragstellerin durch die Zwangsversteigerung die gesundheitlichen Gefahren eines Schlaganfalls oder Suizids drohten und wie diesen begegnet werden könne. Die einstweilige Anordnung sei zudem zum gemeinen Wohl dringend geboten. Die berührten Grundrechte der Antragstellerin und der effektive Rechtsschutz seien Teil des Gemeinwohls.

Die Antragsteller beantragen,

im Wege der einstweiligen Anordnung anzuordnen, dass das Verfahren zur Zwangsvollstreckung beim Amtsgericht Neuruppin … bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde vorläufig eingestellt wird.

B.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Gemäß § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Eine einstweilige Anordnung darf dabei nur ergehen, wenn sie, und zwar im Sinne einer zusätzlichen Voraussetzung, „zum gemeinen Wohl“ und „dringend“ geboten ist. Insoweit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Beschlüsse vom 17. Juli 1997 - VfGBbg 21/97 EA - und vom 3. September 2019 - VfGBbg 8/19 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Denn der einstweiligen Anordnung darf im Ergebnis keine vom Gesetz im Einklang mit der Verfassung nicht vorgesehene aufschiebende Wirkung zukommen (vgl. Beschluss vom 20. Januar 2000 - VfGBbg 43/99 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Bei einer privaten Grundstücksnutzung ist ein Gemeinwohlbezug grundsätzlich zu verneinen (vgl. Beschluss vom 20. Januar 2000 - VfGBbg 43/99 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Das Verfassungsgericht wird nicht als eine Art Vollstreckungsschutzgericht tätig (vgl. Beschlüsse vom 17. Juli 1997 - VfGBbg 21/97 EA - und vom 20. Januar 2000 - VfGBbg 43/99 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Ein Anknüpfungspunkt für einen Gemeinwohlbezug kann in den Fällen, in denen sich - wie hier - ausschließlich Privatrechtssubjekte auf der Ebene des Zivilrechts gegenüber stehen, allenfalls dann zu bejahen sein, wenn die Gefahr eines irreparablen Nachteils für die Freiheit und Unversehrtheit der Person oder für vergleichbar elementare Menschenrechte besteht (vgl. Beschluss vom 20. Januar 2000 - VfGBbg 43/99 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Gemäß § 13 VerfGGBbg i. V. m. § 123 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind solche Gefahren als Anordnungsgrund darzulegen und glaubhaft zu machen.

2. Mit dem Vortrag, dass das Sachverständigengutachten mangelhaft sei und nicht im Einklang mit Grundprinzipien der verfassungsrechtlichen Ordnung stehe und weiterhin gesundheitliche Gefahren für die Antragstellerin geprüft werden müssten, ist bereits nicht dargelegt, dass die Gefahr eines irreparablen Nachteils für die Unversehrtheit der Antragstellerin besteht. Für den Antragsteller wurde zudem kein persönlicher Grund für eine einstweilige Anordnung geltend gemacht. Da ein Grund für eine einstweilige Anordnung nicht gegeben ist, war eine Folgenabwägung für und gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht mehr vorzunehmen.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dresen Heinrich-Reichow
   
Kirbach Dr. Lammer
   
Sokoll Dr. Strauß