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VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 175/17 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 47 Abs. 1 Satz 1
- BRAO, § 156 Abs. 2
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Beschwerdefrist
- Anhörungsrüge
- fehlendes Rechtsschutzinteresse
- Zurückweisung des Verfahrensbevollmächtigten
- Aufhebung des zurückweisenden Beschlusses
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 175/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 175/17




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

T.

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt L.

wegen           

Beschlüsse des Sozialgerichts Cottbus vom 21. März 2017 (S 30 SF 3882/17 E RG) und 29. Juli 2016 (S 30 SF 1579/16 E)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 20. Juli 2018

durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dresen, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Entscheidungen des Sozialgerichts Cottbus über eine Erinnerung und eine Anhörungsrüge im Verfahren zur Festsetzung seiner erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten.

I.

Der Beschwerdeführer führte beim Sozialgericht Cottbus ein Untätigkeitsklageverfahren (S 23 AS 2015/12) gegen das Jobcenter Oberspreewald Lausitz (im Folgenden: Beklagter). Der Rechtsstreit endete durch übereinstimmende Erledigungserklärung, der Beklagte gab ein Kostengrundanerkenntnis ab. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers beantragte am 10. Juli 2012 die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens in Höhe von insgesamt 285,60 Euro. Der Beklagte nahm zum Kostenfestsetzungsantrag in der Weise Stellung, dass insgesamt nur eine Summe von 57,12 Euro zu erstatten sei.

Mit Beschluss vom 9. Oktober 2015 setzte der Urkundsbeamte des Sozialgerichts die Kosten auf insgesamt 57,12 Euro fest. Die Bestimmung der Gebühren durch den Bevollmächtigten sei unbillig. Eine Verfahrensgebühr sei in Höhe von 40,00 Euro gerechtfertigt, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien unterdurchschnittlich gewesen. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer sei ebenso unterdurchschnittlich, ein besonderes Haftungsrisiko des Bevollmächtigten nicht erkennbar. Eine Terminsgebühr sei nicht angefallen.

Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer am 25. Mai 2016 Erinnerung ein und führte aus, der Urkundsbeamte haben die für § 14 RVG maßgeblichen Kriterien unzutreffend gewichtet. Zugleich lehnte er den für die Erinnerungsentscheidung zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Hierzu machte er geltend, dass der Richter vom Beklagten im Rahmen einer gewerblichen Nebentätigkeit für sog. Inhouse-Seminare zum Gebührenrecht bezahlt werde. Er sei somit nicht in der Lage, in Kostensachen unvoreingenommen zu entscheiden, weil er damit rechnen müsse, bei Entscheidungen gegen die Behörde von dieser keine Aufträge mehr zu erhalten. Zudem habe das Landessozialgericht in einem anderen Verfahren klargestellt, dass der abgelehnte Richter seine richterliche Unabhängigkeit offenbar mit blanker Willkür verwechsle und das geltende Prozessrecht wissentlich beuge.

Mit Beschluss des abgelehnten Richters vom 29. Juli 2017 (S 30 SF 1579/16 E) verwarf das Sozialgericht Cottbus das Ablehnungsgesuch als unzulässig, denn es sei rechtsmissbräuchlich. Das Gesuch stelle auf Ablehnungsgründe ab, die wiederholt Gegenstand von Befangenheitsverfahren gewesen seien und bereits mehrfach durch verschiedene Kammern als unzureichender Grund für die Besorgnis einer Befangenheit eingestuft worden seien. Die Wiederholung gleicher Befangenheitsgründe, deren Unbeachtlichkeit bereits mehrfach festgestellt worden sei, werde nicht mehr vom Rechtsschutzbedürfnis gedeckt. Aufgrund der offensichtlichen Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs dürfe der abgelehnte Richter hierüber selbst entscheiden.

Mit Beschluss vom gleichen Tage wies das Sozialgericht Cottbus sodann die Erinnerung als unbegründet zurück. Die Gebühren seien im Ergebnis zutreffend festgesetzt worden, so dass auf die Ausführungen im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss verwiesen werden könne.

Gegen den Beschluss betreffend die Erinnerung erhob der Beschwerdeführer am 17. Oktober 2016 Anhörungsrüge. Der Richter habe offensichtlich sein Vorbringen aus dem Erinnerungsverfahren nicht zur Kenntnis genommen. Es liege nicht am Bevollmächtigen, wenn dem Richter die Grundlagen des Vergütungsrechts offensichtlich nicht bekannt seien und ihm immer wieder „vorgekaut“ werden müssten. Auf die Qualität des Vorbringens komme es wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht an.

Gegen den Beschluss betreffend die Besorgnis der Befangenheit erhob der Beschwerdeführer am gleichen Tage Beschwerde, die das Landessozialgericht mit Beschluss vom 20. November 2017 (L 18 SF 313/17 BAB) als unzulässig verwarf.

Mit Beschluss vom 21. März 2017 verwarf das Sozialgericht die Anhörungsrüge als unzulässig. Der angegriffene Beschluss sei nicht bezeichnet worden. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 17. Oktober 2017 zugestellt.

II.

Mit der am 4. Dezember 2017 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art.12 Abs. 1 Satz 2 sowie Art. 52 Abs. 1 und Abs. 4 LV.

Der Beschluss über die Verwerfung der Anhörungsrüge sei mit dem Grundrecht auf faires Verfahren (Art. 52 Abs. 4 LV) unvereinbar. Das Gericht überspanne die Anforderungen an die Bezeichnung der angegriffenen Entscheidung. Insoweit reiche die Angabe des gerichtlichen Aktenzeichens. Das Gericht verhalte sich auch in keiner Weise dazu, welche Anforderungen nicht erfüllt seien.

III.

Das Sozialgericht Cottbus erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verfahrensakten S 23 AS 2015/12, S 30 SF 1579/16 E, S 30 SF 388/17 E RG und L 18 SF 313/17 BAB wurden beigezogen.

C.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

I.

1. In Bezug auf den Beschluss des Sozialgerichts vom 29. Juli 2016 (S 30 SF 1579/16 E) ist die Verfassungsbeschwerde außerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 47 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) erhoben worden.

Die Frist konnte auch durch die Erhebung der Anhörungsrüge vom 17. Oktober 2016 nicht hinausgeschoben werden, denn diese war offensichtlich unzulässig und gehört deshalb nicht zum Rechtsweg (vgl. Beschluss vom 16. August 2013 - VfGBbg 24/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG NJW 2014, 991, 992; BVerfGK 11, 203, 205 f). Mit ihr trägt der Beschwerdeführer weder substantiiert einen Sachverhalt vor, der dem Grundrecht auf rechtliches Gehör unterfällt, denn dieses schützt den Beschwerdeführer nicht davor, dass das Gericht seine Rechtsauffassungen und rechtlichen Beurteilungen nicht teilt und zu einer abweichenden (womöglich auch unzutreffenden) Rechtsauffassung gelangt (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 2/16 - und vom 15. Dezember 2017 - VfGBbg 7/17 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. Nachw.), noch ist ersichtlich, dass die Kenntnisnahme der in der Erinnerung vorgetragenen materiellen Begründung für die Entscheidung des Sozialgerichts von entscheidender Bedeutung gewesen ist, nachdem das Gericht die Erinnerung bereits für unzulässig gehalten hat. Mit den tragenden Gründen der Entscheidung im Erinnerungsverfahren (kein eigenes Erinnerungsrecht des Bevollmächtigten) befasst sich die Anhörungsrüge nicht. Ob die Verwerfung der Erinnerung als unzulässig ihrerseits verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, bedarf daher keiner Entscheidung, denn der Beschwerdeführer hat zu einem möglichen Verstoß gegen Grundrechte durch den Beschluss im Erinnerungsverfahren nichts vorgetragen, so dass die Verfassungsbeschwerde im Hinblick darauf auch nicht den sich aus § 20 Abs. 1, § 46 VerfGGBbg ergebenden Anforderungen an die Begründung entspricht. Aus den gleichen Gründen kann offen bleiben, ob der Beschwerdeführer auch den Beschluss betreffend die Besorgnis der Befangenheit in die Verfassungsbeschwerde einbezogen hat.

2. Auch die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss im Anhörungsrügeverfahren (S 30 SF 3736/17 E RG) ist unzulässig. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, dass Anhörungsrügen zurückweisende gerichtliche Entscheidungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können, weil sie keine eigenständige Beschwer schaffen. Sie lassen allenfalls mit der Ausgangsentscheidung bereits eingetretene Verletzungen des rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer zusätzlichen verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht nicht (vgl. Beschlüsse vom 9. September 2016 - VfGBbg 24/16 -, vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 39/15 -, vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 23/14 - und vom 15. Juli 2011 - VfGBbg 10/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

Dass vorliegend ein Ausnahmefall einer eigenständigen, in der Zurückweisung der Anhörungsrüge liegenden verfassungsrechtlich erheblichen Beschwer gegeben ist (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 119, 292, 295; NJW 2008, 2635; BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 2014 - 2 BvR 683/12 -, juris Rn. 23), ist nicht ersichtlich. Es fehlt wegen der offensichtlichen Unzulässigkeit der am 17. Oktober 2016 erhobenen Anhörungsrüge bereits an einem Beruhen der Entscheidung des Sozialgerichts auf dem geltend gemachten Grundrechtsverstoß, so dass es keiner Entscheidung bedarf, ob das Sozialgericht mit der Verwerfung der Anhörungsrüge wegen einer vermeintlich unzureichenden Benennung des angegriffenen Beschlusses das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz des Beschwerdeführers verletzt hat.

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Nitsche Dr. Becker
   
Dresen Dr. Lammer
   
Partikel Schmidt