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VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 172/17 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 47 Abs. 1 Satz 1
- BRAO, § 156 Abs. 2
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Beschwerdefrist
- Anhörungsrüge
- fehlendes Rechtsschutzinteresse
- Zurückweisung des Verfahrensbevollmächtigten
- Aufhebung des zurückweisenden Beschlusses
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 172/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 172/17




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

E.

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt L.

 

wegen           

Beschlüsse des Sozialgerichts Cottbus vom 6. Mai 2016 (S 30 SF 280/16 E) und vom 21. März 2017 (S 30 SF 3902/17 E RG)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 20. Juli 2018

durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dresen, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

beschlossen:

 

Der Beschluss des Verfassungsgerichts vom 16. Februar 2018 über die Zurückweisung des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin wird aufgehoben.

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

Gründe:

 

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen Entscheidungen des Sozialgerichts Cottbus über eine Erinnerung und eine Anhörungsrüge im Verfahren zur Festsetzung ihrer erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten.

I.

Die Beschwerdeführerin führte vor dem Sozialgericht Cottbus gegen das Jobcenter Oberspreewald-Lausitz (im Folgenden: Beklagter) eine Klage (S 31 AS 4871/12), welche mit einem Anerkenntnis des Beklagten hinsichtlich des Klageanspruches und der Kosten endete.

Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht die Festsetzung der zu erstattenden außergerichtlichen Kosten in Höhe von 925,93 Euro. Der Beklagte hielt nur 251,48 Euro für erstattungsfähig. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. November 2015 setzte die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts die der Beschwerdeführerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 251,48 Euro fest.

Hiergegen legte die Beschwerdeführerin Erinnerung ein und lehnte zugleich den für die Erinnerungsentscheidung zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Mit Beschluss des abgelehnten Richters vom 6. Mai 2016 (S 30 SF 1228/16 AB) verwarf das Sozialgericht das Ablehnungsgesuch als unzulässig. Mit weiterem Beschluss des abgelehnten Richters vom 6. Mai 2016 (S 30 SF 280/16 E) wies das Sozialgericht sodann die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss als unbegründet zurück. Die Gebühren seien im Ergebnis rechtmäßig festgesetzt worden. Die Beschlüsse wurden dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 13. Oktober 2016 zugestellt.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. Oktober 2016 erhob die Beschwerdeführerin unter Angabe des Aktenzeichens der Klage sowie zahlreicher weiterer Aktenzeichen „[h]insichtlich der Entscheidung über die Zurückweisung der Erinnerung […] Anhörungsrüge“. Diese begründete sie im Wesentlichen damit, dass das Sozialgericht den Vortrag ihres Bevollmächtigten aus der Erinnerungsschrift nicht zur Kenntnis genommen habe. Es liege nicht am Bevollmächtigen, wenn dem Richter die Grundlagen des Vergütungsrechts offensichtlich nicht bekannt seien und ihm immer wieder „vorgekaut“ werden müssten. Auf die Qualität des Vorbringens komme es wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht an.

Das Sozialgericht wies die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 21. März 2017 (S 30 SF 3902/17 E RG) zurück. Der angegriffene Beschluss sei nicht bezeichnet worden. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 17. Oktober 2017 zugestellt.

II.

Mit der am 1. Dezember 2018 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 LV sowie Art. 52 Abs. 3 und Abs. 4 LV.

Der Beschluss über die Verwerfung der Anhörungsrüge sei mit dem Grundrecht auf ein faires Verfahren unvereinbar. Das Sozialgericht überspanne die Anforderungen an die Bezeichnung der angegriffenen Entscheidung. Insoweit reiche die Angabe des gerichtlichen Aktenzeichens. Das Gericht verhalte sich auch in keiner Weise dazu, welche Anforderungen nicht erfüllt seien.

III.

Das Sozialgericht Cottbus erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verfahrensakten S 31 AS 4871/12, S 30 SF 1228/16 AB, S 30 SF 280/16 E und S 30 SF 3902/17 E RG wurden beigezogen.

B.

Der im hiesigen Verfahren ergangene Beschluss vom 16. Februar 2018 über die Zurückweisung des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin war aufzuheben, nachdem das gegen den Rechtsanwalt geführte Verfahren zur Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft mit Urteil des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs vom 19. März 2018 (AGH II 1/18) eingestellt worden ist.

C.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

I.

1. In Bezug auf den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts über die Erinnerung der Beschwerdeführerin ist die Verfassungsbeschwerde außerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 47 Abs. 1 VerfGGBbg erhoben worden.

Die Frist verlängerte sich auch nicht durch die Erhebung der Anhörungsrüge. Denn diese war offensichtlich unzulässig und gehört deshalb nicht zum Rechtsweg (vgl. Beschluss vom 16. August 2013 - VfGBbg 24/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG NJW 2014, 991, 992; BVerfGK 11, 203, 205 f). Mit ihr trägt die Beschwerdeführerin keinen Sachverhalt substantiiert vor, der dem Grundrecht auf rechtliches Gehör unterfällt. Dieses schützt die Beschwerdeführerin nicht davor, dass das Gericht ihre Rechtsauffassungen und rechtlichen Beurteilungen nicht teilt und zu einer abweichenden (womöglich auch unzutreffenden) Rechtsauffassung gelangt (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 2/16 - und vom 15. Dezember 2017 - VfGBbg 7/17 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. Nachw.). Ob die Zurückweisung der Erinnerung als unbegründet verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, bedarf deshalb keiner Entscheidung, weil die Beschwerdeführerin zu einem möglichen Verstoß gegen Grundrechte durch den Beschluss im Erinnerungsverfahren nichts vorgetragen hat. Die Verfassungsbeschwerde entspricht im Hinblick darauf nicht den sich aus § 20 Abs. 1, § 46 VerfGGBbg ergebenden Anforderungen an die Begründung.

2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss über die Anhörungsrüge ist ebenso unzulässig. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, dass Anhörungsrügen zurückweisende gerichtliche Entscheidungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können, weil sie keine eigenständige Beschwer schaffen. Sie lassen allenfalls mit der Ausgangsentscheidung bereits eingetretene Verletzungen des rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer zusätzlichen verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht nicht (vgl. Beschlüsse vom 9. September 2016 - VfGBbg 24/16 -, vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 39/15 -, vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 23/14 - und vom 15. Juli 2011 - VfGBbg 10/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

Dass vorliegend ein Ausnahmefall einer eigenständigen, in der Zurückweisung der Anhörungsrüge liegenden verfassungsrechtlich erheblichen Beschwer gegeben ist (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 119, 292, 295; NJW 2008, 2635; BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 2014 - 2 BvR 683/12 -, juris Rn. 23), ist nicht ersichtlich. Es fehlt wegen der offensichtlichen Unzulässigkeit der am 17. Oktober 2016 erhobenen Anhörungsrüge bereits an einem Beruhen der Entscheidung des Sozialgerichts auf dem geltend gemachten Grundrechtsverstoß, so dass es keiner Entscheidung bedarf, ob das Sozialgericht mit der Verwerfung der Anhörungsrüge wegen einer vermeintlich unzureichenden Benennung des angegriffenen Beschlusses das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz der Beschwerdeführerin verletzt hat.

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Nitsche Dr. Becker
   
Dresen Dr. Lammer
   
Partikel Schmidt