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VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 113/17 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 1 Satz 2
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde wegen Zurückweisung eines Befangenheitsantrags
- Verfassungsbeschwerde unzulässig
- fehlendes Rechtsschutzinteresse
- Anschlusserinnerung
- Erinnerung zurückgenommen
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 113/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 113/17




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

R.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt L.,

 

wegen       Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 25. August 2016 (S 30 SF 1167/16 AB)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 20. Juli 2018

durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dresen, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

Gründe:

 

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Cottbus über ein Ablehnungsgesuch im Verfahren zur Festsetzung ihrer erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten.

I.

Nach Abschluss eines sozialgerichtlichen Verfahrens setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Cottbus mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. Juli 2015 (S 42 AS 6343/12), dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zugestellt am 7. September 2015, die der Beschwerdeführerin vom Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 164,22 Euro fest.

Der Beklagte legte gegen den ihm am 8. September 2015 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss am 16. September 2015 Erinnerung ein (S 30 SF 432/15 E). Dieser Erinnerung schloss sich die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 28. Februar 2016 an (Anschlusserinnerung). Zugleich lehnte sie den für die Erinnerungsentscheidung zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Mit Beschluss des abgelehnten Richters vom 25. August 2016 (S 30 SF 1167/16 AB) verwarf das Sozialgericht Cottbus das Ablehnungsgesuch als unzulässig. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 13. September 2017 zugestellt.

Mit Schreiben vom 19. September 2017 nahm der Beklagte die Erinnerung zurück.

II.

Mit der am 8. November 2017 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 sowie Art. 52 Abs. 1 und Abs. 4 Verfassung des Landes Brandenburg (LV).

Der Beschluss über die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs sei mit Art. 52 Abs. 1 LV unvereinbar. Denn über das Gesuch sei willkürlich und entgegen den einschlägi­gen verfahrensrechtlichen Vorschriften durch den abgelehnten Richter selbst ent­schieden worden. Eine offensichtliche Unzulässigkeit eines Befangenheitsgesuches lasse sich nicht mit dem bloßen Verweis auf nicht näher bezeichnete Entscheidun­gen anderer Kammern des Sozialgerichts begründen. Das Gericht habe bei einem Befangenheitsantrag stets die Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Damit sei ein Verweis auf andere Entscheidungen, die nicht ihn - die Beschwerdeführerin - beträfen, nicht zu vereinbaren. Eine Abweichung vom ausdrücklich geregelten Grundsatz, dass die Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zu erfolgen habe, könne allenfalls in krassen Ausnahmefällen in Betracht kommen.

III.

Das Sozialgericht Cottbus erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verfahrensakten S 42 AS 6343/12, S 30 SF 1167/16 AB und S 30 SF 432/15 E wurden beigezogen.

C.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg zu verwerfen. Sie ist mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.

Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass für die Aufhebung des angegriffenen Hoheitsaktes ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, das noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichts gegeben sein muss. Es muss daher festgestellt werden können, dass ein Beschwerdeführer bei einer obsiegenden Entscheidung einen Rechtsvorteil erlangt (Beschluss vom 15. Dezember 2017 - VfGBbg 7/17 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Einer Verfassungsbeschwerde gegen eine der Sachentscheidung vorangehende Zwischenentscheidung fehlt es grundsätzlich am Rechtsschutzbedürfnis, weil etwaige im Zwischenverfahren erfolgte Verfassungsverstöße mit der Anfechtung der Endentscheidung gerügt werden können. Von diesem Grundsatz wäre nur dann abzuweichen, wenn bereits die Zwischenentscheidung zu einem bleibenden rechtlichen Nachteil für den Betroffenen führt, der später nicht oder jedenfalls nicht vollständig behoben werden kann. Entscheidungen der Fachgerichte über Ablehnungsgesuche können zu solchen bleibenden rechtlichen Nachteilen führen und daher als Zwischenentscheidungen selbständig angreifbar sein. Dies gilt indes nur dann, wenn sie Bindungswirkung für das weitere Verfahren entfalten, über eine wesentliche Rechtsfrage abschließend befinden und in weiteren Instanzen nicht mehr nachgeprüft und korrigiert werden können (vgl. BVerfGE 24, 56, 60 f; BVerfG NJW-RR 2007, 409, 410; BVerfGK 15, 18, 20). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der angefochtene Ablehnungsbeschluss entfaltet keine Bindungswirkung für das weitere Erinnerungsverfahren, weil dieses bereits vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde beendet wurde.

Der Beklagte hat die von ihm erhobene Erinnerung vor dem Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung zurückgenommen. Damit wurde auch die von der Beschwerdeführerin erhobene Anschlusserinnerung wirkungslos. Die im Rahmen eines Erinnerungsverfahrens gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nicht fristgebundene Anschlusserinnerung ist unselbständig und insofern akzessorisch zur Erinnerung (vgl. Krasney in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Auflage 2016, X. Kapitel, Rn. 64 m. w. N., zur Statthaftigkeit auch Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 197 Rn. 10). Dieser für Anschlussrechtsmittel im Allgemeinen geltende Grundsatz ist zwar im Sozialgerichtsgesetz für das Erinnerungsverfahren nach § 197 Abs. 2 SGG und auch sonst im Sozialgesetzbuch nicht ausdrücklich geregelt. Er erhält aber über die Verweisungsnorm des § 202 Satz 1 SGG auf die Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechende Geltung (vgl. § 524 Abs. 4 ZPO [Anschlussberufung], § 554 Abs. 4 ZPO [Anschlussrevision], § 567 Abs. 3 Satz 2 ZPO [Anschlussbeschwerde], § 574 Abs. 4 Satz 4 ZPO [Anschlussrechtsbeschwerde]). Es handelt sich bei dem ausdrücklich als Anschlusserinnerung eingelegten Rechtsbehelf auch nicht um eine (selbständige) Erinnerung unter falscher Bezeichnung, da die Beschwerdeführerin diese erst nach Ablauf der Frist des § 197 Abs. 1 SGG erhoben hat.

Die Beschwerdeführerin kann demnach durch die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses über das Ablehnungsgesuch keinen materiellen Rechtsvorteil mehr erreichen, nachdem der mit der Erinnerung angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss infolge der Erledigung des Erinnerungsverfahrens in Rechtskraft erwachsen ist. Ein Interesse der Beschwerdeführerin an einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung über die Verwerfung ihres Ablehnungsgesuchs bestand danach schon zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht mehr.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Nitsche Dr. Becker
   
Dresen Dr. Lammer
   
Partikel Schmidt