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VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juni 2014 - VfGBbg 60/13 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 10; LV, Art. 11; LV, Art. 41
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 1; VerfGGBbg, § 46
- StrRehaG, § 16 Abs. 2, StrRehaG, § 17; StrRehaG, § 17a
Schlagworte: - Datenschutz
- allgemeines Persönlichkeitsrecht
- Eigentum
- allgemeine Handlungsfreiheit
- Strafrechtliche Rehabilitierung
- Haftentschädigung
- Opferpension
- Beschwerdebefugnis
- Begründungserfordernis
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juni 2014 - VfGBbg 60/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 60/13




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

     R.,

 

Beschwerdeführer,

 

 

 

wegen der Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. September 2013 - 1 Ws (Reha) 5/13 – und vom 23. März 2010 – 2 Ws (Reha 46/09) -, der Beschlüsse des Landgerichts Pots­­dam vom 8. Mai 2013 – BRH (OP) 23/11 - und vom 28. August 2009 - BRH (OP) 20/09 - sowie der Bescheide des Präsidenten des Landgerichts Potsdam vom 17. August 2011 – 4220 E-1110 (OP) – und vom 11. März 2009 - 4220E-1110 (OP), 44 BRH 6712/93 -

 

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

 

 

 

am 20. Juni 2014

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

     Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

 

G r ü n d e :

                  

A.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Entscheidungen zur Rücknahme von Bescheiden über Entschädigungs­lei­st­un­gen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG).

 

I.

1. Der Beschwerdeführer befand sich aufgrund von Urteilen des Kreis­gerichts Zossen vom 18. Mai 1966 und des Kreisgerichts Königs Wusterhausen vom 24. Juli 1973 in Haft. Mit Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 5. Juli 1995 wurden Teile dieser Urteile nach den Vorschriften des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes für rechtstaatswidrig erklärt und aufgehoben sowie festgestellt, dass der Beschwerdeführer sich in der Zeit vom 20. Oktober 1965 bis zum 19. Juni 1968 für die Dauer von zwei Jahren und zwei Monaten sowie vom 16. Juli 1973 bis zum 29. April 1975 zu Unrecht in Haft befunden hatte. Auf der Grundlage dieser Entscheidung beantragte der Beschwerdeführer unter dem 3. August 1995 eine Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG sowie unter dem 30. August 2007 die Gewährung einer besonderen Zuwendung für Haftopfer nach § 17a StrRehaG. Die Antragsformulare enthielten u. a. folgende Hinweise:

     „5. Nach § 16 Absatz 2 StrRehaG werden soziale Aus- gleichsleistungen (z.B. Haftentschädigungen) nicht ge-  währt, wenn der Berechtigte oder derjenige, von dem sich     die Berechtigung ableitet, gegen die Grundsätze der     Mensch­­lichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in   schwer­­wiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer mißbraucht hat“.

Ferner waren im Antragsformular folgende Erklärungen vorformuliert, die sich der Beschwerdeführer durch Unterzeichnung zu Eigen gemacht hat:

     Umstände, die einen Ausschluß der Leistungen gemäß der vorgenannten Vorschrift rechtfertigen, sind mir nicht be-   kannt.“ (Antrag vom 3. August 1995)

sowie

 

     „ 6.3. Ausschließungsgründe

Ich versichere nach bestem Wissen und Gewissen, dass ich     nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder   Rechts­staatlichkeit verstoßen, dem damaligen herrschenden     System keinen erheblichen Vorschub geleistet oder meine    Stel­lung nicht in schwerwiegendem Maße zum eigenen Vorteil     oder zum Nachteil anderer missbraucht habe. Außerdem er   kläre ich, dass ich mich weder mündlich noch schriftlich      gegen­über dem ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit,   dem Arbeitsgebiet 1 der Kriminalpolizei der Volkspolizei    oder ähnlichen Organisationen zur Mitarbeit verpflichtet habe und zu keiner Zeit für eine dieser Organisationen tä-   tig gewesen bin. In den Jahren der SED-Herrschaft gehörte      ich nicht dem ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit   als inoffizielle(r), offizielle(r) oder andere(r) Mitar-     beiter(in) an. ...

 

Hinweis: Der Bescheid über die Bewilligung der besonderen    Zuwendung kann zurückgenommen und die gewährten Leistungen    zurückgefordert werden, wenn Sie unrichtige oder unvoll- ständige Angaben gemacht haben. Eine Berufung auf Vertrau-   ensschutz ist in diesem Fall nicht möglich.“ (Antrag vom   30. August 2007)

                                                                           

Nach Einholung einer Auskunft bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), aus der sich keine Hin­weise auf das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 16 Abs. 2 StrRehaG ergaben, bewilligte der Präsident des Landgerichts Potsdam dem Beschwerdeführer mit Bescheiden vom 25. Sep­­­­­tem­ber 1995 und vom 23. März 2001 für 48 Monate Freiheitsentziehung eine Kapitalentschädigung in Höhe von insgesamt 28.800,00 DM sowie mit Bescheid vom 7. Januar 2008 eine besondere Zuwendung für Haftopfer in Höhe von monatlich 250,00 €.

2. Nachdem der Präsident des Landgerichts Potsdam durch Schrei­­­ben der BStU vom 30. April 2008 Kenntnis von neu erschlossenen Unterlagen erlangt hatte, teilte er dem Beschwerde­führer mit, es bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass dieser ent­­gegen seinen Angaben in den Anträgen auf Entschä­­­digungslei­st­un­gen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaat­lichkeit verstoßen habe. Aus einem Treffbericht vom 8. Janu­ar 1969 folge, dass er anlässlich eines Kontaktgesprächs mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) am 7. Janu­ar 1969 mündlich über die beabsichtigte Republik­flucht eines Jugend­lichen berichtet habe. Dabei habe es sich um eine poli­tisch erhebliche Tatsache gehandelt, die geeig­net gewesen sei, diesen Dritten einer Verfolgung durch das MfS auszusetzen. Es kämen daher die Rücknahme der Bewilligungsbescheide und die Rückforderung der ausgezahlten Leistungen in Betracht.

 

Mit Bescheid vom 11. März 2009 - 4220E-1110 (OP), 44 BRH 6712/93 - hob der Präsident des Landgerichts Potsdam die Bewilligungsbescheide vom 25. September 1995, 23. März 2001 sowie vom 7. Januar 2008 jeweils rückwirkend auf den Zeitpunkt ihres Erlasses auf und forderte die gezahlten Beträge zurück.  Die Bewilligungen seien rechtswidrig. Die Rücknahme der Bescheide und die Rückfor­derung seien auch unter Berücksich­tigung der erlittenen Haftzeit gerechtfertigt, da die Infor­mationen nach der ersten eigenen Haftzeit weitergegeben worden seien. Ein schutzwürdiges Vertrauen am Bestand der Bescheide liege wegen seiner Angaben in den Anträgen nicht vor. Der Beschwerdeführer habe das Vorliegen eines Ausschlussgrundes und damit die Rechtswidrigkeit der Bescheide aufgrund seiner Zusammenarbeit mit dem MfS kennen müssen.

 

Den dagegen gerichteten Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung wies das Landgericht Potsdam mit Beschluss vom 28. August 2009 - BRH (OP) 20/09 - als unbegründet zurück und führte u. a. aus, die Zusammenarbeit des Beschwerdeführers mit dem MfS habe ein Ausmaß an Verwerflichkeit erreicht, das seine durch die rechtsstaatswidrige Haft von zwei Jahren und zwei Monaten erlittenen eigenen Schäden überwiege. Das Brandenburgische Oberlandesgericht zog im anschließenden Beschwerdeverfahren zur Identitätsklärung der im Treffbericht bezeichneten Personen die ungeschwärzte Fassung der BStU-Unter­lagen bei und verwarf sodann die Beschwerde mit Beschluss vom 23. März 2010 - 2 Ws (Reha) 46/09 -. Der Beschluss nahm im Wesent­lichen Bezug auf die Gründe der ange­fochtenen Entscheidung.

 

3. Gegen den Rücknahmebescheid und die gerichtlichen Entschei­dungen erhob der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde. Er rügte eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 10 Lan­des­ver­fas­sung – LV -), der Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 11 Abs. 1 LV) und Gleichheit vor dem Gericht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV) sowie der Eigentumsgarantie (Art. 41 Abs. 1 LV). Mit Beschluss vom 21. Januar 2011 verwarf das Verfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde (VfGBbg 28/10). Sie sei mit Rücksicht auf den Subsidiaritätsgrundsatz unzu­­­lässig. Der Beschwerdeführer habe es ver­­säumt, einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens durch den Präsidenten des Land­gerichts nach § 51 Abs. 5 Verwal­­­­tungsver­­fahrensgesetz (VwVfG) zu stellen. Das nach dieser Vor­schrift bestehende behördliche Ermessen sei zugunsten des Beschwer­­deführers eingeschränkt, wenn der Rücknah­me­­­bescheid verfassungswi­drig sein sollte; die diesbezüg­lichen, erstmals mit der Verfas­sungs­be­schwerde vorgetragenen Argu­­mente des Beschwerdeführers habe der Präsident des Land­gerichts bisher nicht berücksichtigen kön­­nen. Bei einer erneuten Sachentscheidung sei in die Abwägung zwischen dem verwerflichen Handeln des Beschwerdeführers und des ihm zugefügten Unrechts eine Haftzeit von 3 Jah­ren und 11 Monaten einzustel­len und nicht ledig­lich von 2 Jah­ren und 2 Mona­ten, wie dies das Landgericht ange­nommen habe.

 

Im Folgenden beantragte der Beschwerdeführer das Wiederaufgreifen des Verfahrens. Der Präsident des Landgerichts lehnte dies mit Bescheid vom 17. August 2011 ab - 4220 E-1110 (OP) -. Der Rückforderungsbe­­scheid vom 11. März 2009 sei mit der Landesverfassung verein­­­bar. Verstöße gegen Art. 10, Art. 11 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 3 LV lägen jedenfalls mit Blick darauf nicht vor, dass der Beschwer­deführer sich anlässlich der Beantragung der beson­deren Zuwen­dung nach § 17a StrRehaG ausdrücklich mit der Ein­­holung von Auskünften der BStU einverstanden erklärt habe und die Ver­­­wendung sich hieraus ergebender personenbezogener Infor­­­mati­­onen im Rahmen von Rehabilitierungsentscheidungen nach dem Sta­­­siunterlagengesetz zulässig sei. Mit der Rückforde­rung sei auch kein Eingriff in das Eigentum des Beschwerdefüh­rers verbunden, weil diesem nach § 16 Abs. 2 StrRehaG Entschä­­­digungsan­sprüche nicht zustünden. Den gegen diesen Bescheid am 16. Sep­­­­­­tem­ber 2011 angebrachten Antrag auf gerichtliche Entschei­dung wies das Landgericht mit Beschluss vom 8. Mai 2013 zurück - BRH (OP) 23/11 -. Nach neue­rer Recht­spre­ch­ung des Oberlan­des­ge­richts erfolge keine Abwägung zwischen dem als verwerflich angesehenen Han­deln des Rehabilitier­ten und dem Ausmaß des ihm zuge­fügten Unrechts; auf die Dauer der Inhaf­tierung des Beschwerdeführers komme es für den Lei­st­ungs­aus­schluss nach § 16 Abs. 2 StrRehaG daher nicht an. Die Beschwerde hiergegen verwarf das Oberlandes­gericht mit Beschluss vom 23. September 2013 als unbegründet - 1 Ws (Reha) 5/13 -.

 

II.

Mit der am 18. November 2013 erhobenen Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer – wie bereits im Verfahren VfGBbg 28/10 - geltend, die angegriffenen Entscheidungen ver­stießen gegen Art. 10 LV, weil Fragen nach einer vor dem Jahr 1970 abge­­schlossenen Tätig­keit für das Ministerium für Staats­si­cher­heit der ehemaligen DDR (MfS) der Rechtsprechung des Bundesver­fassungsgerichts zufolge wegen Verstoßes gegen das allgemeine Per­­sönlichkeitsrecht unzulässig seien und etwaige Antwor­­ten daher nicht verwertet werden dürften. Dieser Grund­satz gelte nicht nur bezogen auf die Sonderkündigungstatbestände des Eini­­gungsver­trages, sondern auch im Bereich der straf­­recht­lichen Reha­­­bilitierung. Behörde und Gerichte hätten daher berück­sichti­gen müssen, dass der ihm ange­lastete Vorgang im Jahr 1969 beendet gewesen sei. Zudem habe das – bestrit­tene – Gesche­hen kein Ausmaß erreicht, das ein Zurücktreten seines all­gemeinen Persönlichkeitsrechts recht­fertigen würde. Gegen Art. 10 LV (allgemeine Handlungsfreiheit) verstießen die Entschei­dungen auch deswegen, weil sie auf­­grund sei­ner wirtschaft­lichen Verhältnisse für ihn eine unzu­mut­bare Härte darstell­ten. Wegen der Missachtung der aufgezeigten Recht­sprech­ung des Bundesverfassungsgerichts sei zugleich Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV verletzt. Die Entscheidungen seien unverständlich, da selbst im Jahr 1969 begangene schwere Ver­­brechen inzwischen strafrechtlich verjährt seien. Auch verletzten sie Art. 11 LV, weil sie auf der – vermeintlich - wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS beruhten, für die es an der nach Art. 11 Abs. 2 LV erforderlichen gesetz­lichen Grundlage fehle. Da der Beschwerdeführer Anspruch auf die gewährten Leistungen habe und diese somit dem verfassungs­rechtlichen Eigentumsschutz unterlägen, griffen die rechts­widrigen Hoheitsakte in sein Eigen­tumsrecht ein. Mit Schrei­ben vom 28. Februar 2014 weist der Beschwerdeführer schließlich darauf hin, in den gerichtlichen Verfahren nicht persönlich angehört worden zu sein.

 

III.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht, das Landgericht Potsdam sowie der Präsident des Landgerichts Potsdam hatten Gelegen­heit zur Stellungnahme. Der Verwaltungsvorgang sowie die Ver­­­­­­­fah­rensakten wurden beigezogen.

 

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichts­gesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu verwerfen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie im Hinblick auf den Bescheid vom 11. März 2009 und die gerichtlichen Entscheidungen vom 28. August 2009 und 23. März 2010 fristgemäß eingelegt wurde, obwohl der Beschwerdeführer insoweit - nach letztin­­stanzlich erfolglosem Versuch, ein Wiederaufgreifen des Ver­fah­­­rens zu erreichen - eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 47 Abs. 2 VerfGGBbg nicht bean­tragt bzw. nicht im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 4 VerfGGBbg die versäumte Rechtshandlung (Erhebung der Verfassungsbeschwerde) innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 47 Abs. 2 Satz 2 nachgeholt hat. Die Ver­­fas­­sungsbeschwerde genügt jedenfalls nicht den Begründungs­an­­for­­derungen aus § 20 Abs. 1 Satz, § 46 VerfGGBbg; der Beschwer­­deführer zeigt mit ihr seine Beschwerdebefugnis im Sinne der Möglichkeit, in Grundrechten verletzt zu sein, nicht auf.

 

I.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die behördliche Ableh­nung, das Verfahren wiederaufzugreifen, und deren gericht­liche Bestäti­gung richtet, fehlt es ihr an einer Begründung überhaupt. Der Beschwerdeführer bezeichnet zwar den Bescheid des Landgerichts sowie die gerichtlichen Entscheidungen als Gegenstand der Verfassungsbeschwerde. Die Beschwerdeschrift erschöpft sich anschließend aber in der – weitestgehend wort­gleichen - Wiederholung der im Verfahren VfGBbg 28/10 gegen die Entscheidungen über die Rück­nahme der Bewil­li­gungs­be­­scheide vorgebrachten Argumente und enthält keine Ausführungen zu dem das Begehren auf Wiederauf­greifen des Ver­­fahrens zurück­weisenden Bescheid und den hier­­zu ergangenen Beschlüssen.

 

Die Begründungsanforderungen waren nicht mit Rücksicht auf den Beschluss vom 21. Januar 2011 im Verfahren VfGBbg 28/10 herabgesetzt. In dieser Entscheidung hat das Verfassungsgericht den Beschwerdeführer unter dem Gesichts­punkt der Sub­­sidiarität der Verfassungsbeschwerde darauf hin­ge­­wiesen, dass er mit dem Wieder­aufgreifensantrag über eine nicht von vornherein aussichtslose ver­waltungs­ver­fah­rens­recht­­­­­­­­li­che Rechts­schutzmöglichkeit ver­­fügt, die auch zur Besei­­­ti­gung der im Beschluss des Landgerichts zu Tage getretenen Fehlannahme über die – seiner­­zeit nach übereinstimmender behördlicher und fach­­ge­richt­li­cher Rechts­­auffassung relevante - Dauer der vom Beschwer­­deführer erlit­­­tenen Haftzeit geeignet ist. Aus der behörd­li­chen Prüfung des Rücknahmebescheides auf seine Vereinbar­keit mit der Landes­­verfassung unter Berücksichtigung der im Ver­­­wal­t­­ungs­ver­fah­ren nicht vorgebrachten verfassungsrecht­­­­li­chen Erwä­­gungen des Beschwer­deführers könnten sich die Ver­pflich­­­tung zum Wiederauf­greifen des Ver­­fahrens und – in Folge einer erneu­ten Sachent­scheidung - die Korrektur der behaup­teten Grundrechts­ver­stöße ergeben. Das Ergebnis dieser Prü­­fung hat das Ver­fas­sungs­gericht mit seinem Beschluss vom 21. Januar 2011 nicht vor­­weggenommen.

 

II.

Die behördlichen und gerichtlichen Rücknahmeentscheidungen greift der Beschwerdeführer zwar mit einer verfassungsrechtlichen Begründung an, vermag hiermit jedoch seine Beschwerdebefug­­nis nicht aufzuzeigen.

 

1. Das von ihm als verletzt gerügte Grundrecht auf Datenschutz bzw. informationelle Selbstbestim­­mung aus Art. 11 Abs. 1 LV ist inhaltsgleich mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches das Bundesverfas­sungsgericht aus dem in Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet hat (vgl. Beschluss vom 21. April 2005 – VfGBbg 56/04 -, www.verfassungs­ge­richt.brandenburg.de). Es umfasst die Befugnis des Einzelnen, selbst darüber zu entscheiden, wann und inwieweit er einen per­­sönlichen Lebenssachverhalt offenbart und wie mit seinen per­sonenbezogenen Daten verfahren wird (Urteil vom 30. Juni 1999 – VfGBbg 3/98 -, LVerfGE 10, 157, 161 f unter Bezugnahme auf BVerfGE 65, 1, 42 ff). In seinem Anwendungsbe­reich ist Art. 11 LV die speziellere Regelung gegenüber Art. 10 Abs. 1 LV, der auf Landesebene das allgemeine Persönlich­keitsrecht verbürgt (vgl. Iwers, in: Lieber/Iwers/Ernst, Kommentar zur Landesverfassung, 2012, Art. 10 Nr. 3).

 

a. Die auf den Antragsformularen für die sozialen Ausgleichsleistungen nach § 17, § 17a StrRehaG vorformulierten Negativ-Erklärungen über die Kenntnis von einen Leistungsausschluss nach § 16 Abs. 2 StrRehaG rechtfertigenden Umständen bzw. eine Tätigkeit für das MfS begründen keinen unmittelbaren Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbst­bestimmung. Sie beziehen sich zwar auf einen von Art. 11 Abs. 1 LV erfassten persönlichen Lebenssach­­verhalt. Den Beschwer­­­­­­­­­deführer traf insoweit jedoch keine durchsetzbare Rechts­­­­­­­­­­­­pflicht, zutreffende Angaben zu machen, die einer speziel­­­­len gesetzlichen Ermächtigung bedurft hätte. Vielmehr wurde er mit den vorformulierten Erklärungen allenfalls aufgefordert, seiner allgemeinen Mit­­­wir­kungslast nach § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG zu entsprechen und im Rahmen der behördlichen Prü­­­­­­­­­fung seiner Anträge auf Bewilligung der sozialen Ausgleichs­­­­­­lei­st­un­gen ihm bekann­te Tatsachen mitzutei­len, die für die Bescheidung dieser Anträge relevant waren. Das Unter­lassen dieser Mitwirkung gemäß § 26 Abs. 2 VwVfG hat ledi­glich mit­telbar nachtei­lige Folgen; so kann es sich etwa zu Lasten des Antragstellers auf die Beweiswürdigung oder – wie hier - auf die Beur­teilung seiner Vertrauensschutzwür­digkeit bei der Rück­­nahme rechts­widriger Verwaltungsakte nach § 48 VwVfG auswir­ken, wenn fehlende Angaben zu einer - für die Fest­stel­­lung der Rechts­wi­drig­keit erheb­lichen - unvollständigen oder fehler­­­haf­ten Sachverhaltsermitt­lung geführt haben (vgl. Kal­­­lerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 8. Aufl. 2014,  § 26 Rn. 47, 52, 55). Die grundsätzliche Ver­fas­sungs­­­mäßigkeit derar­tiger durch das Erfordernis umfassen­der Sach­aufklärung beding­ter mittel­­­barer Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung steht mit Blick auf den legitimen Zweck des § 16 Abs. 2 StrRehaG außer Frage. Aus­­s­chließlich zu DDR-Zeiten poli­tisch Inhaftierte, die nicht ihrer­­­­seits gegen die Grundsät­ze der Menschlichkeit oder Rechts­­­­­­staat­lichkeit ver­­­stoßen und sich damit einer öffentlich-recht­lichen Entschädigung würdig erwiesen haben, sollen die (vom Staat freiwillig gewährten) Aus­gleichs­­lei­st­un­gen nach    § 17, § 17a StrRehaG erhalten (vgl. Gesetzesbegründung zu § 16 Abs. 2 StrRehaG, BT-Ds. 12/1608, S. 23 f: „… Derjenige, der sich gemeinschaftsschädlich verhal­ten hat, verwirkt seine Wiedergutmachungs- oder Entschädigungsansprüche. In den Genuß der Entschädigung für die Opfer der Gewaltherrschaft sollen nicht auch die Täter kommen …“; zur Unbedenklichkeit von Unwür­­dig­keits­­­tatbeständen vgl. BVerfGE 13, 46, 49 f zu § 6 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz; vgl. auch Beschluss vom 19. Juni 2013 – VfGBbg 13/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

b. Im Rahmen seiner Mitwirkungslast die festgestellte Tätigkeit zugunsten des MfS mitzuteilen war für den Beschwerdeführer vorliegend auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichts­­­punkten zu­mutbar, soweit es um Geschehen ging, die sich vor dem Jahr 1970 abgespielt haben. Der Präsident des Landgerichts und die Gerichte haben daher Bedeutung und Reichweite des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht verkannt, indem sie in den ange­griffenen Rücknahmeentscheidungen die Nichtangabe der Spitzel­tätigkeit bei Beantragung der sozialen Ausgleichsleistungen zu Lasten des Beschwerdeführers berücksichtigt haben.

 

Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht das vom Beschwer­­deführer angeführte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1997 (1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95, BVerfGE 96, 171). Hierin hat das Bundes­verfassungsgericht zu den im Einigungsvertrag geregelten Tat­beständen der Kündigung von aus dem öffentlichen Dienst der DDR in die öffentliche Verwaltung der Bundesrepublik übernommenen Arbeitnehmern entschieden, dass Fragen des Arbeitgebers nach einer Tätigkeit für das MfS, die bereits vor dem Jahre 1970 abgeschlossen war, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des befrag­ten Arbeitnehmers unverhältnismäßig einschränkten; da die Angabe einer solchen Tätigkeit danach unzumutbar sei, dürften aus deren Verschweigen keine arbeitsrechtlichen Konsequen­zen gezogen werden. Zur Begründung führt das Gericht aus, eine so weit zurückliegende Tätigkeit lasse einen verlässlichen Schluss auf die heutige Einstellung des Betroffenen zur freiheitlichen und demokratischen Verfassung des Grundgesetzes nicht zu; eine entsprechende Frage sei daher von dem an sich legitimen Ziel der nachträglichen Eignungsüberprüfung nicht gedeckt (BVerfGE 96, 171, 187 – 189). Diese Wertung kann indes auf behördlicherseits erwartete Erklärungen zu Umständen, die - wie eine Tätigkeit für das MfS - den Ausschlusstatbestand des § 16 Abs. 2 StrRehaG erfüllen, bereits im Ansatz nicht übertragen werden. Denn ob einem zu DDR-Zeiten aus poli­­tischen Gründen Inhaf­­tierten nach dieser Norm Entschädigungsleistungen nicht zustehen, weil er gegen die Grundsätze der Menschlich­keit oder Recht­s­staat­lichkeit verstoßen hat, steht in keinem Zusammenhang mit sei­ner aktuellen Ein­­stellung zur freiheitlichen Grund­ordnung der Bun­­­des­republik.

 

2. Schon deshalb ist den Gerichten auch nicht ein Verstoß gegen das Gleichheitsgrundrecht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1, Art. 11 Abs. 1 LV) in seiner Ausprägung als Willkürverbot vorzuwerfen; dasselbe gilt mit Blick auf die Berücksichtigung der Tätigkeit des Beschwerdeführers für das MfS als solche im Rahmen der Prüfung, ob der Ausschlusstatbestand des § 16 Abs. 2 StrRehaG erfüllt ist. Die Annahme, wegen dieser Tätigkeit lägen die Voraussetzungen von § 16 Abs. 2 StrRehaG vor, ist auch nicht vor dem Hintergrund unverständlich, dass im Jahre 1969 began­­gene schwere Verbrechen im Zeitpunkt der angefoch­­tenen Rücknahmeent­scheidung verjährt gewesen wären; die Rück­­­for­de­rung sozialer Ausgleichsleistungen nach dem Straf­­­recht­­­lichen Reha­­bi­li­tie­rungsgesetz ist von grundsätzlich ande­­­r­er Natur als die staat­liche Ver­folgung von Straftaten.

 

3. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer ferner nicht in seinem Eigentumsgrundrecht aus Art. 41 Abs. 1 LV und in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 10 LV). Die Rückforderung sozialer Ausgleichsleistungen nach     § 17, § 17a StrRehaG greift bereits nicht in eine verfassungsrecht­lich geschützte Eigentumsposition ein. Zudem enthält das Straf­rechtliche Rehabilitierungsgesetz den Ausschlusstatbestand des § 16 Abs. 2 StrRehaG seit seinem Erlass. Ausgleichslei­­­stungen sind von vornherein mit der Möglich­keit der Rück­­­­for­derung versehen, wenn nachträg­lich ein Verstoß des Rehabilitierten gegen die Grundsätze der Menschlich­keit oder Rechts­staatlichkeit festgestellt wird. Mit einer hierauf beruhenden Rück­forderung realisiert sich danach lediglich eine den Aus­­­­gleichs­­­leistungen von Anbeginn innewohnende Beschränkung, nicht ein Zugriff auf sie. Wirtschaftliche Verhältnisse schützen unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Handlungsfreiheit nicht vor der Rücknahme von rechts­­widrigen Lei­st­­ungs­be­schei­den; sie ersetzen nicht die feh­­­­­­­­lenden Voraussetzungen für deren Erlass. Ihnen ist zur Vermei­dung unbilliger Härten bei der Lei­stungserstattung (§ 49a VwVfG) im Rahmen der Vollstreckung Rech­­nung zu tragen. Im Übrigen können die Erstattungsansprüche nach § 59 Landeshaushaltsordnung gestun­det, niedergeschlagen oder erlassen werden; so hat im Oktober 2013 der Präsident des Landgerichts deren Niederschlagung zunächst für die Dauer von drei Jahren angeordnet.

 

 

4. Unerheblich ist schließlich der mit Schriftsatz vom      28. Feb­ruar 2014 erstmals erfolgte Hinweis des Beschwerdeführers, er sei im Ausgangsverfahren nicht mündlich oder persönlich angehört worden. Ungeachtet dessen, dass er im fachgericht­lichen Ver­fahren zu keinem Zeitpunkt eine Anhörung beantragt und auch keine Anhörungsrüge erhoben hat, ist mit der Ver­­fassungsbeschwerde vom 18. November 2013 eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV (vgl. hierzu Urteil vom 24. Januar 2014 – VfGBbg 2/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de) nicht gerügt worden. Bei Eingang des Schriftsatzes vom 28. Februar 2014 am 4. März 2014 war die Zwei-Monats-Frist des § 47 Abs. 1 VerfGGBbg zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde - im Sinne ihrer Erstreckung auf das Gehörsgrundrecht - bereits abgelaufen.

 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Partikel Schmidt