VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juni 2014 - VfGBbg 60/13 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 10; LV, Art. 11; LV, Art. 41 - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 1; VerfGGBbg, § 46 - StrRehaG, § 16 Abs. 2, StrRehaG, § 17; StrRehaG, § 17a |
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Schlagworte: | - Datenschutz - allgemeines Persönlichkeitsrecht - Eigentum - allgemeine Handlungsfreiheit - Strafrechtliche Rehabilitierung - Haftentschädigung - Opferpension - Beschwerdebefugnis - Begründungserfordernis |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 20. Juni 2014 - VfGBbg 60/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 60/13
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
R.,
Beschwerdeführer,
wegen der Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. September 2013 - 1 Ws (Reha) 5/13 – und vom 23. März 2010 – 2 Ws (Reha 46/09) -, der Beschlüsse des Landgerichts Potsdam vom 8. Mai 2013 – BRH (OP) 23/11 - und vom 28. August 2009 - BRH (OP) 20/09 - sowie der Bescheide des Präsidenten des Landgerichts Potsdam vom 17. August 2011 – 4220 E-1110 (OP) – und vom 11. März 2009 - 4220E-1110 (OP), 44 BRH 6712/93 -
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt
am 20. Juni 2014
b e s c h l o s s e n :
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e :
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Entscheidungen zur Rücknahme von Bescheiden über Entschädigungsleistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG).
I.
1. Der Beschwerdeführer befand sich aufgrund von Urteilen des Kreisgerichts Zossen vom 18. Mai 1966 und des Kreisgerichts Königs Wusterhausen vom 24. Juli 1973 in Haft. Mit Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 5. Juli 1995 wurden Teile dieser Urteile nach den Vorschriften des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes für rechtstaatswidrig erklärt und aufgehoben sowie festgestellt, dass der Beschwerdeführer sich in der Zeit vom 20. Oktober 1965 bis zum 19. Juni 1968 für die Dauer von zwei Jahren und zwei Monaten sowie vom 16. Juli 1973 bis zum 29. April 1975 zu Unrecht in Haft befunden hatte. Auf der Grundlage dieser Entscheidung beantragte der Beschwerdeführer unter dem 3. August 1995 eine Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG sowie unter dem 30. August 2007 die Gewährung einer besonderen Zuwendung für Haftopfer nach § 17a StrRehaG. Die Antragsformulare enthielten u. a. folgende Hinweise:
„5. Nach § 16 Absatz 2 StrRehaG werden soziale Aus- gleichsleistungen (z.B. Haftentschädigungen) nicht ge- währt, wenn der Berechtigte oder derjenige, von dem sich die Berechtigung ableitet, gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer mißbraucht hat“.
Ferner waren im Antragsformular folgende Erklärungen vorformuliert, die sich der Beschwerdeführer durch Unterzeichnung zu Eigen gemacht hat:
Umstände, die einen Ausschluß der Leistungen gemäß der vorgenannten Vorschrift rechtfertigen, sind mir nicht be- kannt.“ (Antrag vom 3. August 1995)
sowie
„ 6.3. Ausschließungsgründe
Ich versichere nach bestem Wissen und Gewissen, dass ich nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen, dem damaligen herrschenden System keinen erheblichen Vorschub geleistet oder meine Stellung nicht in schwerwiegendem Maße zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht habe. Außerdem er kläre ich, dass ich mich weder mündlich noch schriftlich gegenüber dem ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit, dem Arbeitsgebiet 1 der Kriminalpolizei der Volkspolizei oder ähnlichen Organisationen zur Mitarbeit verpflichtet habe und zu keiner Zeit für eine dieser Organisationen tä- tig gewesen bin. In den Jahren der SED-Herrschaft gehörte ich nicht dem ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit als inoffizielle(r), offizielle(r) oder andere(r) Mitar- beiter(in) an. ...
Hinweis: Der Bescheid über die Bewilligung der besonderen Zuwendung kann zurückgenommen und die gewährten Leistungen zurückgefordert werden, wenn Sie unrichtige oder unvoll- ständige Angaben gemacht haben. Eine Berufung auf Vertrau- ensschutz ist in diesem Fall nicht möglich.“ (Antrag vom 30. August 2007)
Nach Einholung einer Auskunft bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), aus der sich keine Hinweise auf das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 16 Abs. 2 StrRehaG ergaben, bewilligte der Präsident des Landgerichts Potsdam dem Beschwerdeführer mit Bescheiden vom 25. September 1995 und vom 23. März 2001 für 48 Monate Freiheitsentziehung eine Kapitalentschädigung in Höhe von insgesamt 28.800,00 DM sowie mit Bescheid vom 7. Januar 2008 eine besondere Zuwendung für Haftopfer in Höhe von monatlich 250,00 €.
2. Nachdem der Präsident des Landgerichts Potsdam durch Schreiben der BStU vom 30. April 2008 Kenntnis von neu erschlossenen Unterlagen erlangt hatte, teilte er dem Beschwerdeführer mit, es bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass dieser entgegen seinen Angaben in den Anträgen auf Entschädigungsleistungen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen habe. Aus einem Treffbericht vom 8. Januar 1969 folge, dass er anlässlich eines Kontaktgesprächs mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) am 7. Januar 1969 mündlich über die beabsichtigte Republikflucht eines Jugendlichen berichtet habe. Dabei habe es sich um eine politisch erhebliche Tatsache gehandelt, die geeignet gewesen sei, diesen Dritten einer Verfolgung durch das MfS auszusetzen. Es kämen daher die Rücknahme der Bewilligungsbescheide und die Rückforderung der ausgezahlten Leistungen in Betracht.
Mit Bescheid vom 11. März 2009 - 4220E-1110 (OP), 44 BRH 6712/93 - hob der Präsident des Landgerichts Potsdam die Bewilligungsbescheide vom 25. September 1995, 23. März 2001 sowie vom 7. Januar 2008 jeweils rückwirkend auf den Zeitpunkt ihres Erlasses auf und forderte die gezahlten Beträge zurück. Die Bewilligungen seien rechtswidrig. Die Rücknahme der Bescheide und die Rückforderung seien auch unter Berücksichtigung der erlittenen Haftzeit gerechtfertigt, da die Informationen nach der ersten eigenen Haftzeit weitergegeben worden seien. Ein schutzwürdiges Vertrauen am Bestand der Bescheide liege wegen seiner Angaben in den Anträgen nicht vor. Der Beschwerdeführer habe das Vorliegen eines Ausschlussgrundes und damit die Rechtswidrigkeit der Bescheide aufgrund seiner Zusammenarbeit mit dem MfS kennen müssen.
Den dagegen gerichteten Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung wies das Landgericht Potsdam mit Beschluss vom 28. August 2009 - BRH (OP) 20/09 - als unbegründet zurück und führte u. a. aus, die Zusammenarbeit des Beschwerdeführers mit dem MfS habe ein Ausmaß an Verwerflichkeit erreicht, das seine durch die rechtsstaatswidrige Haft von zwei Jahren und zwei Monaten erlittenen eigenen Schäden überwiege. Das Brandenburgische Oberlandesgericht zog im anschließenden Beschwerdeverfahren zur Identitätsklärung der im Treffbericht bezeichneten Personen die ungeschwärzte Fassung der BStU-Unterlagen bei und verwarf sodann die Beschwerde mit Beschluss vom 23. März 2010 - 2 Ws (Reha) 46/09 -. Der Beschluss nahm im Wesentlichen Bezug auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
3. Gegen den Rücknahmebescheid und die gerichtlichen Entscheidungen erhob der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde. Er rügte eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 10 Landesverfassung – LV -), der Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 11 Abs. 1 LV) und Gleichheit vor dem Gericht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV) sowie der Eigentumsgarantie (Art. 41 Abs. 1 LV). Mit Beschluss vom 21. Januar 2011 verwarf das Verfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde (VfGBbg 28/10). Sie sei mit Rücksicht auf den Subsidiaritätsgrundsatz unzulässig. Der Beschwerdeführer habe es versäumt, einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens durch den Präsidenten des Landgerichts nach § 51 Abs. 5 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zu stellen. Das nach dieser Vorschrift bestehende behördliche Ermessen sei zugunsten des Beschwerdeführers eingeschränkt, wenn der Rücknahmebescheid verfassungswidrig sein sollte; die diesbezüglichen, erstmals mit der Verfassungsbeschwerde vorgetragenen Argumente des Beschwerdeführers habe der Präsident des Landgerichts bisher nicht berücksichtigen können. Bei einer erneuten Sachentscheidung sei in die Abwägung zwischen dem verwerflichen Handeln des Beschwerdeführers und des ihm zugefügten Unrechts eine Haftzeit von 3 Jahren und 11 Monaten einzustellen und nicht lediglich von 2 Jahren und 2 Monaten, wie dies das Landgericht angenommen habe.
Im Folgenden beantragte der Beschwerdeführer das Wiederaufgreifen des Verfahrens. Der Präsident des Landgerichts lehnte dies mit Bescheid vom 17. August 2011 ab - 4220 E-1110 (OP) -. Der Rückforderungsbescheid vom 11. März 2009 sei mit der Landesverfassung vereinbar. Verstöße gegen Art. 10, Art. 11 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 3 LV lägen jedenfalls mit Blick darauf nicht vor, dass der Beschwerdeführer sich anlässlich der Beantragung der besonderen Zuwendung nach § 17a StrRehaG ausdrücklich mit der Einholung von Auskünften der BStU einverstanden erklärt habe und die Verwendung sich hieraus ergebender personenbezogener Informationen im Rahmen von Rehabilitierungsentscheidungen nach dem Stasiunterlagengesetz zulässig sei. Mit der Rückforderung sei auch kein Eingriff in das Eigentum des Beschwerdeführers verbunden, weil diesem nach § 16 Abs. 2 StrRehaG Entschädigungsansprüche nicht zustünden. Den gegen diesen Bescheid am 16. September 2011 angebrachten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies das Landgericht mit Beschluss vom 8. Mai 2013 zurück - BRH (OP) 23/11 -. Nach neuerer Rechtsprechung des Oberlandesgerichts erfolge keine Abwägung zwischen dem als verwerflich angesehenen Handeln des Rehabilitierten und dem Ausmaß des ihm zugefügten Unrechts; auf die Dauer der Inhaftierung des Beschwerdeführers komme es für den Leistungsausschluss nach § 16 Abs. 2 StrRehaG daher nicht an. Die Beschwerde hiergegen verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 23. September 2013 als unbegründet - 1 Ws (Reha) 5/13 -.
II.
Mit der am 18. November 2013 erhobenen Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer – wie bereits im Verfahren VfGBbg 28/10 - geltend, die angegriffenen Entscheidungen verstießen gegen Art. 10 LV, weil Fragen nach einer vor dem Jahr 1970 abgeschlossenen Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (MfS) der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge wegen Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht unzulässig seien und etwaige Antworten daher nicht verwertet werden dürften. Dieser Grundsatz gelte nicht nur bezogen auf die Sonderkündigungstatbestände des Einigungsvertrages, sondern auch im Bereich der strafrechtlichen Rehabilitierung. Behörde und Gerichte hätten daher berücksichtigen müssen, dass der ihm angelastete Vorgang im Jahr 1969 beendet gewesen sei. Zudem habe das – bestrittene – Geschehen kein Ausmaß erreicht, das ein Zurücktreten seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtfertigen würde. Gegen Art. 10 LV (allgemeine Handlungsfreiheit) verstießen die Entscheidungen auch deswegen, weil sie aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse für ihn eine unzumutbare Härte darstellten. Wegen der Missachtung der aufgezeigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei zugleich Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV verletzt. Die Entscheidungen seien unverständlich, da selbst im Jahr 1969 begangene schwere Verbrechen inzwischen strafrechtlich verjährt seien. Auch verletzten sie Art. 11 LV, weil sie auf der – vermeintlich - wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS beruhten, für die es an der nach Art. 11 Abs. 2 LV erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehle. Da der Beschwerdeführer Anspruch auf die gewährten Leistungen habe und diese somit dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz unterlägen, griffen die rechtswidrigen Hoheitsakte in sein Eigentumsrecht ein. Mit Schreiben vom 28. Februar 2014 weist der Beschwerdeführer schließlich darauf hin, in den gerichtlichen Verfahren nicht persönlich angehört worden zu sein.
III.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht, das Landgericht Potsdam sowie der Präsident des Landgerichts Potsdam hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Verwaltungsvorgang sowie die Verfahrensakten wurden beigezogen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu verwerfen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie im Hinblick auf den Bescheid vom 11. März 2009 und die gerichtlichen Entscheidungen vom 28. August 2009 und 23. März 2010 fristgemäß eingelegt wurde, obwohl der Beschwerdeführer insoweit - nach letztinstanzlich erfolglosem Versuch, ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu erreichen - eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 47 Abs. 2 VerfGGBbg nicht beantragt bzw. nicht im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 4 VerfGGBbg die versäumte Rechtshandlung (Erhebung der Verfassungsbeschwerde) innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 47 Abs. 2 Satz 2 nachgeholt hat. Die Verfassungsbeschwerde genügt jedenfalls nicht den Begründungsanforderungen aus § 20 Abs. 1 Satz, § 46 VerfGGBbg; der Beschwerdeführer zeigt mit ihr seine Beschwerdebefugnis im Sinne der Möglichkeit, in Grundrechten verletzt zu sein, nicht auf.
I.
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die behördliche Ablehnung, das Verfahren wiederaufzugreifen, und deren gerichtliche Bestätigung richtet, fehlt es ihr an einer Begründung überhaupt. Der Beschwerdeführer bezeichnet zwar den Bescheid des Landgerichts sowie die gerichtlichen Entscheidungen als Gegenstand der Verfassungsbeschwerde. Die Beschwerdeschrift erschöpft sich anschließend aber in der – weitestgehend wortgleichen - Wiederholung der im Verfahren VfGBbg 28/10 gegen die Entscheidungen über die Rücknahme der Bewilligungsbescheide vorgebrachten Argumente und enthält keine Ausführungen zu dem das Begehren auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zurückweisenden Bescheid und den hierzu ergangenen Beschlüssen.
Die Begründungsanforderungen waren nicht mit Rücksicht auf den Beschluss vom 21. Januar 2011 im Verfahren VfGBbg 28/10 herabgesetzt. In dieser Entscheidung hat das Verfassungsgericht den Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde darauf hingewiesen, dass er mit dem Wiederaufgreifensantrag über eine nicht von vornherein aussichtslose verwaltungsverfahrensrechtliche Rechtsschutzmöglichkeit verfügt, die auch zur Beseitigung der im Beschluss des Landgerichts zu Tage getretenen Fehlannahme über die – seinerzeit nach übereinstimmender behördlicher und fachgerichtlicher Rechtsauffassung relevante - Dauer der vom Beschwerdeführer erlittenen Haftzeit geeignet ist. Aus der behördlichen Prüfung des Rücknahmebescheides auf seine Vereinbarkeit mit der Landesverfassung unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren nicht vorgebrachten verfassungsrechtlichen Erwägungen des Beschwerdeführers könnten sich die Verpflichtung zum Wiederaufgreifen des Verfahrens und – in Folge einer erneuten Sachentscheidung - die Korrektur der behaupteten Grundrechtsverstöße ergeben. Das Ergebnis dieser Prüfung hat das Verfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 21. Januar 2011 nicht vorweggenommen.
II.
Die behördlichen und gerichtlichen Rücknahmeentscheidungen greift der Beschwerdeführer zwar mit einer verfassungsrechtlichen Begründung an, vermag hiermit jedoch seine Beschwerdebefugnis nicht aufzuzeigen.
1. Das von ihm als verletzt gerügte Grundrecht auf Datenschutz bzw. informationelle Selbstbestimmung aus Art. 11 Abs. 1 LV ist inhaltsgleich mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches das Bundesverfassungsgericht aus dem in Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet hat (vgl. Beschluss vom 21. April 2005 – VfGBbg 56/04 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Es umfasst die Befugnis des Einzelnen, selbst darüber zu entscheiden, wann und inwieweit er einen persönlichen Lebenssachverhalt offenbart und wie mit seinen personenbezogenen Daten verfahren wird (Urteil vom 30. Juni 1999 – VfGBbg 3/98 -, LVerfGE 10, 157, 161 f unter Bezugnahme auf BVerfGE 65, 1, 42 ff). In seinem Anwendungsbereich ist Art. 11 LV die speziellere Regelung gegenüber Art. 10 Abs. 1 LV, der auf Landesebene das allgemeine Persönlichkeitsrecht verbürgt (vgl. Iwers, in: Lieber/Iwers/Ernst, Kommentar zur Landesverfassung, 2012, Art. 10 Nr. 3).
a. Die auf den Antragsformularen für die sozialen Ausgleichsleistungen nach § 17, § 17a StrRehaG vorformulierten Negativ-Erklärungen über die Kenntnis von einen Leistungsausschluss nach § 16 Abs. 2 StrRehaG rechtfertigenden Umständen bzw. eine Tätigkeit für das MfS begründen keinen unmittelbaren Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung. Sie beziehen sich zwar auf einen von Art. 11 Abs. 1 LV erfassten persönlichen Lebenssachverhalt. Den Beschwerdeführer traf insoweit jedoch keine durchsetzbare Rechtspflicht, zutreffende Angaben zu machen, die einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung bedurft hätte. Vielmehr wurde er mit den vorformulierten Erklärungen allenfalls aufgefordert, seiner allgemeinen Mitwirkungslast nach § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG zu entsprechen und im Rahmen der behördlichen Prüfung seiner Anträge auf Bewilligung der sozialen Ausgleichsleistungen ihm bekannte Tatsachen mitzuteilen, die für die Bescheidung dieser Anträge relevant waren. Das Unterlassen dieser Mitwirkung gemäß § 26 Abs. 2 VwVfG hat lediglich mittelbar nachteilige Folgen; so kann es sich etwa zu Lasten des Antragstellers auf die Beweiswürdigung oder – wie hier - auf die Beurteilung seiner Vertrauensschutzwürdigkeit bei der Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte nach § 48 VwVfG auswirken, wenn fehlende Angaben zu einer - für die Feststellung der Rechtswidrigkeit erheblichen - unvollständigen oder fehlerhaften Sachverhaltsermittlung geführt haben (vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 26 Rn. 47, 52, 55). Die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit derartiger durch das Erfordernis umfassender Sachaufklärung bedingter mittelbarer Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung steht mit Blick auf den legitimen Zweck des § 16 Abs. 2 StrRehaG außer Frage. Ausschließlich zu DDR-Zeiten politisch Inhaftierte, die nicht ihrerseits gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen und sich damit einer öffentlich-rechtlichen Entschädigung würdig erwiesen haben, sollen die (vom Staat freiwillig gewährten) Ausgleichsleistungen nach § 17, § 17a StrRehaG erhalten (vgl. Gesetzesbegründung zu § 16 Abs. 2 StrRehaG, BT-Ds. 12/1608, S. 23 f: „… Derjenige, der sich gemeinschaftsschädlich verhalten hat, verwirkt seine Wiedergutmachungs- oder Entschädigungsansprüche. In den Genuß der Entschädigung für die Opfer der Gewaltherrschaft sollen nicht auch die Täter kommen …“; zur Unbedenklichkeit von Unwürdigkeitstatbeständen vgl. BVerfGE 13, 46, 49 f zu § 6 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz; vgl. auch Beschluss vom 19. Juni 2013 – VfGBbg 13/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
b. Im Rahmen seiner Mitwirkungslast die festgestellte Tätigkeit zugunsten des MfS mitzuteilen war für den Beschwerdeführer vorliegend auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zumutbar, soweit es um Geschehen ging, die sich vor dem Jahr 1970 abgespielt haben. Der Präsident des Landgerichts und die Gerichte haben daher Bedeutung und Reichweite des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht verkannt, indem sie in den angegriffenen Rücknahmeentscheidungen die Nichtangabe der Spitzeltätigkeit bei Beantragung der sozialen Ausgleichsleistungen zu Lasten des Beschwerdeführers berücksichtigt haben.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht das vom Beschwerdeführer angeführte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1997 (1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95, BVerfGE 96, 171). Hierin hat das Bundesverfassungsgericht zu den im Einigungsvertrag geregelten Tatbeständen der Kündigung von aus dem öffentlichen Dienst der DDR in die öffentliche Verwaltung der Bundesrepublik übernommenen Arbeitnehmern entschieden, dass Fragen des Arbeitgebers nach einer Tätigkeit für das MfS, die bereits vor dem Jahre 1970 abgeschlossen war, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des befragten Arbeitnehmers unverhältnismäßig einschränkten; da die Angabe einer solchen Tätigkeit danach unzumutbar sei, dürften aus deren Verschweigen keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen gezogen werden. Zur Begründung führt das Gericht aus, eine so weit zurückliegende Tätigkeit lasse einen verlässlichen Schluss auf die heutige Einstellung des Betroffenen zur freiheitlichen und demokratischen Verfassung des Grundgesetzes nicht zu; eine entsprechende Frage sei daher von dem an sich legitimen Ziel der nachträglichen Eignungsüberprüfung nicht gedeckt (BVerfGE 96, 171, 187 – 189). Diese Wertung kann indes auf behördlicherseits erwartete Erklärungen zu Umständen, die - wie eine Tätigkeit für das MfS - den Ausschlusstatbestand des § 16 Abs. 2 StrRehaG erfüllen, bereits im Ansatz nicht übertragen werden. Denn ob einem zu DDR-Zeiten aus politischen Gründen Inhaftierten nach dieser Norm Entschädigungsleistungen nicht zustehen, weil er gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, steht in keinem Zusammenhang mit seiner aktuellen Einstellung zur freiheitlichen Grundordnung der Bundesrepublik.
2. Schon deshalb ist den Gerichten auch nicht ein Verstoß gegen das Gleichheitsgrundrecht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1, Art. 11 Abs. 1 LV) in seiner Ausprägung als Willkürverbot vorzuwerfen; dasselbe gilt mit Blick auf die Berücksichtigung der Tätigkeit des Beschwerdeführers für das MfS als solche im Rahmen der Prüfung, ob der Ausschlusstatbestand des § 16 Abs. 2 StrRehaG erfüllt ist. Die Annahme, wegen dieser Tätigkeit lägen die Voraussetzungen von § 16 Abs. 2 StrRehaG vor, ist auch nicht vor dem Hintergrund unverständlich, dass im Jahre 1969 begangene schwere Verbrechen im Zeitpunkt der angefochtenen Rücknahmeentscheidung verjährt gewesen wären; die Rückforderung sozialer Ausgleichsleistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz ist von grundsätzlich anderer Natur als die staatliche Verfolgung von Straftaten.
3. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer ferner nicht in seinem Eigentumsgrundrecht aus Art. 41 Abs. 1 LV und in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 10 LV). Die Rückforderung sozialer Ausgleichsleistungen nach § 17, § 17a StrRehaG greift bereits nicht in eine verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsposition ein. Zudem enthält das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz den Ausschlusstatbestand des § 16 Abs. 2 StrRehaG seit seinem Erlass. Ausgleichsleistungen sind von vornherein mit der Möglichkeit der Rückforderung versehen, wenn nachträglich ein Verstoß des Rehabilitierten gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit festgestellt wird. Mit einer hierauf beruhenden Rückforderung realisiert sich danach lediglich eine den Ausgleichsleistungen von Anbeginn innewohnende Beschränkung, nicht ein Zugriff auf sie. Wirtschaftliche Verhältnisse schützen unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Handlungsfreiheit nicht vor der Rücknahme von rechtswidrigen Leistungsbescheiden; sie ersetzen nicht die fehlenden Voraussetzungen für deren Erlass. Ihnen ist zur Vermeidung unbilliger Härten bei der Leistungserstattung (§ 49a VwVfG) im Rahmen der Vollstreckung Rechnung zu tragen. Im Übrigen können die Erstattungsansprüche nach § 59 Landeshaushaltsordnung gestundet, niedergeschlagen oder erlassen werden; so hat im Oktober 2013 der Präsident des Landgerichts deren Niederschlagung zunächst für die Dauer von drei Jahren angeordnet.
4. Unerheblich ist schließlich der mit Schriftsatz vom 28. Februar 2014 erstmals erfolgte Hinweis des Beschwerdeführers, er sei im Ausgangsverfahren nicht mündlich oder persönlich angehört worden. Ungeachtet dessen, dass er im fachgerichtlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt eine Anhörung beantragt und auch keine Anhörungsrüge erhoben hat, ist mit der Verfassungsbeschwerde vom 18. November 2013 eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV (vgl. hierzu Urteil vom 24. Januar 2014 – VfGBbg 2/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de) nicht gerügt worden. Bei Eingang des Schriftsatzes vom 28. Februar 2014 am 4. März 2014 war die Zwei-Monats-Frist des § 47 Abs. 1 VerfGGBbg zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde - im Sinne ihrer Erstreckung auf das Gehörsgrundrecht - bereits abgelaufen.
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Partikel | Schmidt |