In dem
Verfassungsbeschwerdeverfahren
Dr. J.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S.,
gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 01.
Juni 2005 ... und den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg vom 25. November 2005
hat das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dr. Dombert, Prof. Dr.
Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Will
am 20. April 2006
b e s c h l o s s e n :
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen. G r ü n d e :
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen
Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, mit dem ein Antrag auf
Zulassung der Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts
Frankfurt (Oder) zurückgewiesen wurde. Es geht um die Durchsetzung des Anschluß-
und Benutzungszwanges an die öffentliche Trinkwasserversorgung.
I.
Der Beschwerdeführer ist Grundstückseigentümer
im Gebiet des Wasser- und Abwasserzweckverbandes „Scharmützelsee-Storkow/Mark“.
Mit Bescheid vom 09. September 2004 gab der Verbandsvorsteher des Zweckverbandes
dem Beschwerdeführer auf, sein Grundstück an die öffentliche zentrale
Trinkwasserversorgungsanlage anzuschließen.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt
(Oder) und verwies insbesondere darauf, daß sich auf seinem Grundstück ein seit
dem Jahr 1913 genehmigter Brunnen mit „naturbelassenem“ und bakteriologisch
unbedenklichem Wasser befinde.
Mit Gerichtsbescheid vom 01. Juni 2005 wies das Verwaltungsgericht Frankfurt
(Oder) die Klage ab. Der Bescheid sei zu Recht auf Satzungsbestimmungen des
Wasserverbandes in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Gemeindeordnung (GO) und § 59
Brandenburgisches Wassergesetz (BbgWG) gestützt. Die Anordnung des Anschluß- und
Benutzungszwangs hinsichtlich der zentralen Trinkwasserversorgungseinrichtung
sei durch Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt. Einen Antrag auf
Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang, für den es insbesondere auf
Gesichtspunkte der Zumutbarkeit für den Beschwerdeführer ankomme, habe der
Beschwerdeführer nicht gestellt.
Mit Schreiben vom 29. August 2005 beantragte der Beschwerdeführer beim
Verbandsvorsteher des Zweckverbandes eine Befreiung vom Anschluß- und
Benutzungszwang.
Den gegen den Gerichtsbescheid eingelegten Berufungszulassungsantrag wies das
Oberverwaltungsgericht mit Beschluß vom 25. November 2005 zurück.
II.
Am 03. Februar 2006 hat der Beschwerdeführer
Verfassungsbeschwerde erhoben. Das Verwaltungsgericht und das
Oberverwaltungsgericht hätten § 15 GO fehlerhaft angewendet und ausgelegt. Art.
7 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), Art. 10 LV, Art. 12 Abs. 1 LV,
Art. 39 Abs. 2 LV, Art. 41 Abs. 1 LV, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 LV und Art. 52 Abs.
3 LV würden verletzt. Die Möglichkeit zur Einführung des Anschluß- und
Benutzungszwanges für die Trinkwasserversorgung sei angesichts der Änderungen im
Wasserrecht des Landes Brandenburg anachronistisch und mit höherrangigem Recht
nicht vereinbar. Dies ergebe sich daraus, daß seit einer Änderung des § 59 BbgWG
im Jahr 2002 die öffentliche Wasserversorgung lediglich Selbstverwaltungsaufgabe
der Gemeinde und nicht mehr pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe sei. Das
Oberverwaltungsgericht gehe fehl, wenn es in Bezug auf die Vereinbarkeit des
Anschluß- und Benutzungszwanges mit Europarecht von der Wasserversorgung als
hoheitlicher Aufgabe spreche. Kommunale Monopole seien im Marktwettbewerb
unzulässig. Die Fachgerichte hätten nicht umfassend erörtert, ob das Trinkwasser
der zentralen Wasserversorgungsanlage den gesundheitlichen Anforderungen genüge.
B.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
I.
Es kann offenbleiben, ob das erkennende
Gericht befugt ist, über Entscheidungen des gemeinsamen Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg zu befinden. Zweifel können insofern bestehen, als ein
gemeinsames Gericht der Länder Berlin und Brandenburg nicht als öffentliche
Gewalt des Landes Brandenburg (vgl. § 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz
Brandenburg) anzusehen sein könnte (vgl. Finkelnburg in Festschrift für Driehaus,
S. 458 ff.). Auch kann dahinstehen, ob und inwieweit die Verfassungsbeschwerde
unzulässig ist.
II.
Sie ist jedenfalls unbegründet.
Daß das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) und das Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg Grundrechte des Beschwerdeführers verkannt oder
unberücksichtigt gelassen haben, ist - worauf das Verfassungsgericht den
Beschwerdeführer bereits mit Schreiben vom 07. Februar 2006 hingewiesen hat -
nicht ersichtlich.
1. Das Recht auf Eigentum (Art. 41 Abs. 1 LV) ist nicht verletzt. Gegen die
Ansicht des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts, daß der
Anschluß- und Benutzungszwang für die Trinkwasserversorgung grundsätzlich,
jedenfalls aber im vorliegenden Fall, eine zulässige Inhalts- und
Schrankenbestimmung des Eigentums bedeutet (vgl. nur BVerwG, VerwRspr 27, 481),
spricht nichts Erhebliches. Das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht
haben die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einer Selbstversorgung
mit Trinkwasser mit insbesondere den öffentlichen Interessen der Volksgesundheit
und des Brandschutzes abgewogen und den letzteren das höhere Gewicht
beigemessen. Dies ist verfassungsrechtlich ebenso unbedenklich, wie die Wertung,
daß bei einer zentralen Wasserversorgung in erheblich einfacherer Weise die
hygienische Kontrolle des Wassers auf Güte und Keimfreiheit und damit eine
Vorbeugung vor gesundheitsgefährdenden Wasserverunreinigungen gewährleistet sei
als bei einer dezentralen Wasserversorgung (s. Gerichtsbescheid, S. 8 des
Entscheidungsabdrucks, m.w.N.). Auch ist die Annahme der Fachgerichte nicht zu
beanstanden, daß besonderen Ausnahmefällen, in denen die Ausübung des Anschluß-
und Benutzungszwanges zu unbilligen Härten führen würde, durch die auch in der
Wasserversorgungssatzung vorgesehene Möglichkeit der Befreiung vom Anschluß- und
Benutzungszwang hinreichend Rechnung getragen werden kann. Insoweit würde, wie
das Verwaltungsgericht bereits erkennen ließ, Gegenstand der Betrachtungen auch
sein, daß der Beschwerdeführer auf seinem Grundstück über einen Brunnen verfügt.
2. Dabei ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, daß die Fachgerichte
davon ausgehen, daß die öffentliche Wasserversorgung gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1
BbgWG i.V.m. § 15 Abs. 1 GO - auch nachdem der Gesetzgeber davon absah, die
Gemeinden generell zur Aufgabenwahrnehmung zu verpflichten - weiterhin als
Selbstverwaltungsaufgabe öffentliche und im Falle der Wahrnehmung des durch § 15
GO gewährleisteten grundsätzlichen Monopols (einschließlich der Instrumente des
Anschluß- und Benutzungszwangs, der Erhebung von Gebühren und Beiträgen sowie
des Verwaltungszwangs) hoheitliche Aufgabe ist. Insoweit ist für einen Verstoß
gegen durch die Verfassung des Landes Brandenburg gewährte Rechte des
Beschwerdeführers nichts dargetan oder sonst ersichtlich. Insbesondere ist nicht
zu beanstanden, daß die angegriffenen Gerichtsentscheidungen eine gewisse
Monopolisierung in Gestalt der öffentlichen Trinkwasserversorgung für mit dem
europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar ansehen, weil dieses in Art. 30, 46,
55 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (konsolidierte
Fassung nach dem Vertrag von Amsterdam, Amtsblatt Nr. C 325 vom 24. Dezember
2002) Ausnahmen vom Monopolverbot aus - u.a. den zuvor erwähnten - Gründen der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. der Gesundheit zulasse.
3. Der Anspruch des Beschwerdeführers auf „Waffengleichheit“ (Art. 52 Abs. 3
Alt. 1 LV i.V.m. dem durch die Landesverfassung verbürgten Rechtsstaatsprinzip)
vor Gericht wie auch der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 12 Abs. 1 LV) sind
ebenfalls nicht verletzt. Daß das Verwaltungsgericht und das
Oberverwaltungsgericht - anders als in einem früheren Verfahren anderer
Beteiligter - nicht umfassend die Qualität des Trinkwassers der zentralen
Wasserversorgungsanlage erörtert haben, ist verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden. Den Einwand des Beschwerdeführers, die Qualität des Trinkwassers
aus seinem Brunnen sei besser als die des von der zentralen Wasserversorgung
gelieferten Wassers, haben die Fachgerichte berücksichtigt, indem sie in nicht
zu beanstandender Weise davon ausgingen, daß auch eine solche Sachlage dem
Anschluß- und Benutzungszwang nicht entgegenstehe, solange die Qualität des
Trinkwassers aus der öffentlichen Versorgungsanlage dauerhaft den
Qualitätsbestimmungen genüge. Auf genauere Werte und hierfür nach Ansicht des
Beschwerdeführers zu hohe Beweislastanforderungen kam es nicht
entscheidungserheblich an, zumal er nicht geltend gemacht hatte, das aus der
öffentlichen Trinkwasseranlage zu beziehende Wasser genüge den geltenden
Qualitätsanforderungen nicht.
4. Für eine Verletzung der weiteren genannten Verfassungsnormen durch die
angegriffenen Gerichtsentscheidungen ist weder etwas Substantiiertes vorgetragen
noch ersichtlich. Soweit der Beschwerdeführer zudem mit seinem Schreiben vom 20.
März 2006 erstmals - verfristet, ohne Substantiierung und ohne zuvor die
Anhörungsrüge im fachgerichtlichen Verfahren (§ 152a Verwaltungsgerichtsordnung)
erhoben zu haben - eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend
macht, setzt er sich in Widerspruch zur Beschwerdeschrift, nach der er
ausdrücklich „nicht die Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 52 Abs. 3
Alt. 2 LV ... rügt“.
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