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VerfGBbg, Beschluss vom 20. April 2006 - VfGBbg 23/05 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1; LV, Art. 98 Abs. 2 Satz 3
Schlagworte: - Gemeindegebietsreform
- kommunale Selbstverwaltung
- Anhörung
- Verhältnismäßigkeit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. April 2006 - VfGBbg 23/05 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 23/05



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

Gemeinde Werbig,
vertreten durch das Amt Seelow-Land,
dieser vertreten durch den Amtsdirektor,
Feldstraße 3,
15306 Seelow,
 

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.

wegen: kommunaler Neugliederung;
hier: Eingemeindung der Gemeinde Werbig (Amt Seelow-Land) in die Stadt Seelow

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Will

am 20. April 2006

b e s c h l o s s e n :

Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführerin, eine zuvor dem Amt Seelow-Land angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Auflösung durch Eingemeindung in die amtsfreie Stadt Seelow.

I.

1. Die Beschwerdeführerin liegt ungefähr 2 km nördlich der Kreisstadt Seelow im Landkreis Märkisch-Oderland. Gemeinsam mit ursprünglich weiteren 13 Gemeinden gehörte sie dem im äußeren Entwicklungsraum gelegenen Amt Seelow-Land - einem Amt nach dem sog. Amtsmodell 1 mit Verwaltungssitz in der Stadt Seelow - an. Elf dieser Gemeinden schlossen sich mit Wirkung zum Tag der nächsten landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) zu den drei amtsangehörigen Gemeinden Fichtenhöhe, Lindendorf und Vierlinden zusammen. Die größeren amtsangehörigen Gemeinden Falkenhagen (ca. 760 Einwohner im Jahr 2001) und Lietzen (ca. 860 Einwohner im Jahr 2001) blieben unverändert. Die Gemeinden des Amtes zählten bei leicht abnehmender Tendenz im Dezember 2001 ca. 6.050 Einwohner, darunter 683 (686 im Dezember 2003) auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin. Die Einwohnerdichte im Amtsgebiet betrug 29 Einwohner je Quadratkilometer. In der Stadt Seelow lebten - jeweils ohne die Einwohner der Beschwerdeführerin - im Dezember 2001 ca. 5.370 und im Dezember 2003 ca. 5.380 Einwohner. Das Amt Seelow-Land erstreckte sich im Süden halbkreisförmig um die Stadt Seelow. Diesem Großteil des Amtsgebietes lag jenseits der Stadt Seelow als eine Exklave des Amtes im Norden die Beschwerdeführerin gegenüber. Im Westen und Osten grenzten Gemeinden der Ämter Neuhardenberg und Golzow an die Stadt Seelow.

Die Kreisstadt Seelow wird als ein Grundzentrum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums angesehen. Sie verfügt über mehrere Schulen (Gymnasium, Gesamtschule, Grundschule, Oberstufenzentrum mit Internat, Landwirtschaftsschule, Förderschule), einen Hort und Kindertagesstätten, die jeweils auch von vielen Schülern des Amtes Seelow-Land besucht wurden. In der Stadt befinden sich auch ein Krankenhaus, mehrere Fachärzte, ein Altenheim, eine Sozialstation, eine Bibliothek, ein Kulturhaus, verschiedene Sportstätten sowie vielfältige Gewerbe- und Dienstleistungseinrichtungen. Seelow verfügt über einen Regionalbahnhof, ist Ausgangs- und Endpunkt mehrerer Buslinien und Kreuzungsort der Bundesstraßen 1 und 167. Die Beschwerdeführerin hat ebenfalls einen Regionalbahnhof. Innerhalb des ländlich geprägten Amtes Seelow-Land gab es keinen zentralen Ort. Die Stadt Seelow weist infolge hoher Investitionen einen hohen Schuldenstand aus. Sie verfügt über eine überdurchschnittliche Steuerkraft. Die Gemeinden des Amtes Seelow-Land einschließlich der Beschwerdeführerin waren einerseits gering verschuldet, besaßen andererseits nur eine unterdurchschnittliche Steuerkraft.

Das mit einer Fläche von ca. 252 km² über dem Landesdurchschnitt (161 km²) und einer Bevölkerungsdichte von 30 Einwohnern pro km² unter dem Landesdurchschnitt (49 Einwohner pro km² im äußeren Entwicklungsraum) liegende Amt hatte 7.630 Einwohner (Stichtag 31. Dezember 2001). Von diesen lebten ca. 5.730 in Karstädt, ca. 690 in Garlin, ca. 530 in Pröttlin, 250 in Mankmuß, ca. 230 in Boberow und ca. 220 in der Beschwerdeführerin. Der im Amt zu verzeichnende Rückgang der Einwohnerzahlen - der sich nach einer amtlichen Bevölkerungsentwicklungsprognose bis 2015 fortsetzen und zu einem Rückgang der Einwohnerzahl auf unter 7.000 im Amt führen wird - machte sich auch bei der Beschwerdeführerin bemerkbar.

2. Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Unterlagen für die Anhörung der Bevölkerung zu einer beabsichtigten Eingliederung aller Gemeinden des Amtes Seelow-Land in die Stadt Seelow an den Landrat, die in der Folge, u.a. im Amtsgebäude, für die Dauer eines Monats ausgelegt wurden.

Im September desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. § 12 des Entwurfs zum Fünften Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark (5. GemGebRefGBbg) sah nicht mehr die Eingliederung aller Gemeinden des Amtes Seelow-Land, sondern nur noch der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow vor. Eine Auslegung dieses Entwurfs zur Bevölkerungsanhörung fand nicht statt. Zur Anhörung der Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 16. Dezember 2002 wurde deren ehrenamtlicher Bürgermeister geladen. Das Gesetz wurde im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. § 12 des 5. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl I S. 82), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. § 48 des 5. GemGebRefGBbg), lautete:
 

§ 12
Verwaltungseinheit Amt Seelow-Land

Die Gemeinde Werbig wird in die Stadt Seelow eingegliedert.
 

3. An einem zwischen November 2003 und März 2004 laufenden landesweiten Volksbegehren gegen „Zwangseingemeindungen“ beteiligten sich 20 Einwohner der Stadt Seelow, darunter 13 aus dem Gebiet der Beschwerdeführerin.

4. Im Frühjahr 2004 begann der Landesgesetzgeber in der Annahme, daß im vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren Fehler unterlaufen seien, die Gemeindeneugliederung im Raum Seelow erneut zu regeln. Bereits in der Märkischen Oderzeitung - Regionalausgabe Seelow - vom 19. Februar 2004 sprach sich der Ortsbürgermeister des Ortsteils Werbig der Stadt Seelow gegen eine Teilnahme an der bevorstehenden Bevölkerungsanhörung aus. In der Märkischen Oderzeitung - Regionalausgaben Seelow, Strausberg und Bad Freienwalde (Oder) - vom 21./22. Februar 2004 machte der Landrat des Landkreises Märkisch-Oderland als Anhörungsbehörde die Auslegung der Unterlagen zu einer Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin öffentlich bekannt. Der Text dieser Bekanntmachung wurde zudem ab dem 23. Februar 2004 in den amtlichen Bekanntmachungskästen auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin ausgehängt. Demgemäß wurden vom 01. März 2004 bis 02. April 2004 die Gesetzesmaterialien zum 5. GemGebRefGBbg, insbesondere der seinerzeitige Gesetzentwurf (Landtags-Drucksache 3/5020), die Beschlußempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Inneres (Landtags-Drucksache 3/5550 nebst Anlagen) an den bekanntgemachten Orten zur Einsichtnahme ausgelegt und der Bevölkerung Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt. Es wurde keine Stellungnahme abgegeben.

Ende April 2004 brachte die Landesregierung den Entwurf für ein „Gesetz zur Bestätigung der landesweiten Gemeindegebietsreform nach weiterer Bevölkerungsanhörung“ (im folgenden: Bestätigungsgesetz) in den Landtag ein. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) dieses Gesetzes sah die Bestätigung der Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow vor. Der Landtag verwies den Gesetzentwurf nach der ersten Lesung an den Ausschuß für Inneres. Zur Anhörung der Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 26. Mai 2004 wurde deren ehrenamtlicher Bürgermeister - daneben auch in seiner Funktion als Ortsbürgermeister des Ortsteils Werbig der Stadt Seelow - geladen. Hierzu rügte er schriftlich, das Anhörungsverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, zudem sei unklar, welches Organ die Stellungnahme für die Beschwerdeführerin hätte vorbereiten sollen. Außerdem wurde der Bürgermeister der Stadt Seelow geladen.

5. Auf eine kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin (VfGBbg 45/03) entschied das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg mit Beschluß vom 24. Juni 2004, daß § 12 des 5. GemGebRefGBbg in der Fassung vom 24. März 2003 mit der Landesverfassung unvereinbar war, weil die Bevölkerung der Beschwerdeführerin nach der Änderung des Vorhabens, nicht mehr alle Gemeinden des Amtes, sondern allein die Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow einzugliedern, nicht - ein weiteres Mal - angehört worden war. Das Landesverfassungsgericht bestimmte auch, daß der Landesgesetzgeber, wenn er die Nichtigkeit der Regelung vermeiden wolle, spätestens mit Wirkung ab 1. Januar 2006 eine Neuregelung zu treffen habe.

6. Am 29. Juni 2004 verabschiedete der Landtag nach dem Bericht und der Beschlußempfehlung des Innenausschusses das Bestätigungsgesetz. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) des Bestätigungsgesetzes (GVBl 2004 I, S. 295), am 03. Juli 2004 in Kraft getreten (s. § 2 des Bestätigungsgesetzes), lautet:

§ 1

 (1) Folgende Gebietsänderungen werden bestätigt:

  1. ...,
     
  2. aus dem Fünften Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 82), das durch Gesetz vom 1. Juli 2003 (GVBl. I S. 187) geändert worden ist,

    a) die ehemalige Gemeinde Werbig bleibt gemäß § 12 in die Stadt Seelow eingegliedert und

    b) ...
     
  3. ... .

§ 1 Abs. 2 des Bestätigungsgesetzes stellt fest, daß das Vierte, Fünfte und Sechste Gemeindegebietsreformgesetz im übrigen unberührt bleiben.

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 29. März 2005 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, das Bestätigungsgesetz verstoße gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Normenklarheit, weil es nicht selbst eine Eingemeindungsregelung enthalte. Ihre Eingliederung in die Stadt Seelow sei schon deshalb verfassungswidrig, weil weder die Bevölkerung des unmittelbar betroffenen Gebietes noch sie selbst (als Gemeinde) ordnungsgemäß angehört worden seien. Dabei seien die Beschwerdeführerin sowie die zur Verwaltung und Vertretung gesetzlich zugeordneten kommunalverfassungsrechtlichen Organe als fortbestehend anzusehen gewesen. Es sei im Gesetzgebungsverfahren für das Bestätigungsgesetz nicht versucht worden, den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu ermitteln und zu bewerten. Das Bestätigungsgesetz leide an einem Ermittlungsdefizit und einem Abwägungsausfall. Auch die bestätigte Regelung des § 12 des 5. GemGebRefGBbg sei verfassungswidrig und habe die Nichtigkeit des Bestätigungsgesetzes zur Folge. Bereits begangene Fehler des ursprünglichen Gesetzgebungsverfahrens seien fortgeschleppt, nicht geheilt worden.

Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:

§ 1 Nr. 2 Buchst. a) und Nr. 2 des Gesetzes zur Bestätigung der landesweiten Gemeindegebietsreform nach weiterer Bevölkerungsanhörung vom 29.6.2004 (GVBl I S. 295) verletzt die Beschwerdeführerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten und ist nichtig.
 

hilfsweise
 

§ 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des Gesetzes zur Bestätigung der landesweiten Gemeindegebietsreform nach weiterer Bevölkerungsanhörung vom 29.6.2004 (GVBl I S. 295) und § 12 des Fünften Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landekreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark vom 24.3.2003 (GVBl I S. 82) verletzen die Beschwerdeführerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten und sind deshalb nichtig.

III.

Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Stadt Seelow hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
 

B.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

I.

Der Hauptantrag ist in begrenztem Umfang zulässig.

1. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist insofern unzulässig, als sie sich nicht allein gegen „§ 1 Nr. 2 a“ - entsprechend dem Beschwerdevorbringen genauer § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) -, sondern auch gegen „Nr. 2“ des Bestätigungsgesetzes wendet. Soweit die Beschwerdeführerin damit § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Bestätigungsgesetzes insgesamt - also auch die Neugliederung einer im Landkreis Prignitz gelegenen Gemeinde gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) des Gesetzes - beanstandet, ist für eine Beschwer weder etwas dargetan noch sonst ersichtlich. Dies gilt ebenso für den Fall, daß ein Schreibversehen vorliegt und sich die Beschwerdeführerin - wie mit dem Hilfsantrag - gegen § 1 Abs. 2 des Bestätigungsgesetzes wendet.

2. Im übrigen ist die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend.

II.

Der Hauptantrag der kommunalen Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt.

1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden.

a) Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV schreibt vor, daß vor einer Änderung des Gemeindegebietes die Bevölkerung der unmittelbar betroffenen Gebiete gehört werden muß. „Änderung des Gemeindegebietes“ in diesem Sinne ist auch die hier in Frage stehende Auflösung einer Gemeinde unter (gänzlichem) Wegfall eines eigenen Gemeindegebietes (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203, m.w.N.). Die erforderliche Anhörung der Einwohner der Beschwerdeführerin ist ordnungsgemäß erfolgt.

Die an eine Anhörung im Sinne von Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV zu stellenden Anforderungen sind aus dieser Verfassungsbestimmung heraus und unabhängig von der Rechtslage nach einfachem Recht zu bestimmen. Die Landesverfassung macht zu den Anhörungsmodalitäten keine näheren Vorgaben. Weder nimmt sie einfachrechtliche Verfahrensregelungen - anders als etwa bei Art. 9 Abs. 1 LV (Einschränkung der Freiheit der Person nur unter Beachtung der im Gesetz „vorgeschriebenen Formen“) – gleichsam in die Verfassung hinüber noch erlangen die Regelungen, die sie – in Art. 98 Abs. 5 LV - dem Gesetz vorbehält, ihrerseits Verfassungsrang. Maßgeblich bleibt vielmehr die Verfassungsregelung des Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV als solche. Sie beschränkt sich darauf, daß vor einer Änderung des Gemeindegebietes die Bevölkerung zu hören ist, und läßt damit Raum für jedwedes Anhörungsverfahren, sofern es sicherstellt, daß die Bevölkerung Gelegenheit erhält, ihre Meinung zu der Gebietsänderung zum Ausdruck zu bringen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2003, a.a.O., m.w.N.). Es genügt, wenn ihr in sachgerechter Weise die Möglichkeit eröffnet wird, sich zu der Gebietsänderung - hier: durch Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow unter Wegfall eines eigenständigen Gemeindegebietes - zu Wort zu melden und das Ergebnis dem Entscheidungsträger, im Fall der Auflösung einer Gemeinde also dem Gesetzgeber (Art. 98 Abs. 2 Satz 2 LV), zur Kenntnis gebracht wird.

Das war hier der Fall. Es bestand für die Bevölkerung die geordnete Möglichkeit, ihre Meinung zur Frage der Auflösung der Beschwerdeführerin durch Eingliederung in die Stadt Seelow kundzutun. Die Bürger waren durch Bekanntmachung in der Tageszeitung „Märkische Oderzeitung“, Regionalausgaben Seelow, Strausberg und Bad Freienwalde (Oder), vom 21./22. Februar 2004 davon unterrichtet, daß hierzu vom 01. März bis 02. April 2004 Gelegenheit zur Stellungnahme bestehe und Unterlagen über das Neugliederungsprojekt in den Räumen der Stadtverwaltung Seelow und der Kreisverwaltung in Seelow zu näher genannten Zeiten (beispielsweise im Gebäude des Amtes montags bis freitags von 9.00 bis 12.00 Uhr sowie montags, mittwochs und donnerstags von 13.00 bis 15.00 Uhr und dienstags von 13.00 bis 18.00 Uhr) auslägen. Dafür, daß die Bekanntmachung in der in der Region meistgelesenen Tageszeitung nicht sachgerecht war, ist weder etwas dargetan noch sonst ersichtlich, zumal der Bekanntmachungstext außerdem im Gebiet der Beschwerdeführerin ortsüblich ausgehängt wurde.

b) Auch die Beschwerdeführerin (als Gemeinde) hat im Gesetzgebungsverfahren in gehöriger Weise Gelegenheit zur Stellungnahme im Rahmen einer Anhörung erhalten. Eine solche Anhörung der Gemeinde ist, wenn auch nicht ausdrücklich in der Verfassung verankert, der durch Art. 97 Abs. 1 LV geschützten kommunalen Selbstverwaltung geschuldet und dient ihrer prozeduralen Absicherung. Der Gemeinde ist deshalb im Gesetzgebungsverfahren Gelegenheit zu geben, ihre Belange darzulegen und zu den Vor- und Nachteilen der Neugliederungsmaßnahme Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit bestand hier. Der Ausschuß für Inneres des Landtages hat der Beschwerdeführerin am 26. Mai 2004 Gelegenheit gegeben, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Zu dieser Anhörung ist der (frühere) ehrenamtliche Bürgermeister der Beschwerdeführerin in nicht zu beanstandender Weise geladen, insbesondere namentlich und in seiner Funktion bezeichnet worden. Dabei kommt es nicht darauf an, daß die - für das Verfahren über die Eingemeindung als fortbestehend fingierten - Organe der Beschwerdeführerin sich zunächst nicht sicher waren, ob sie noch für die Beschwerdeführerin handlungsbefugt waren und der ehrenamtliche Bürgermeister der Beschwerdeführerin sich bereits zwei Wochen vor dem Anhörungstermin auf eine schriftliche Stellungnahme und Verfahrensrüge beschränkt hat. Dies lag im Verantwortungsbereich der Beschwerdeführerin. Es genügt, daß der Gegenstand und Zweck der Anhörung sowie der Adressat der Ladung und die Absicht des Gesetzgebers, ihn als Vertreter der Beschwerdeführerin anzuhören, ersichtlich waren. Daß der Innenausschuß ferner auch - hier in Personalunion mit dem (früheren) ehrenamtlichen Bürgermeister der Beschwerdeführerin - dem Ortsbürgermeister des Ortsteils Werbig der Stadt Seelow sowie dem Bürgermeister der Stadt Seelow Gelegenheit zur Stellungnahme gab, diente einer umfassenden Sachverhaltsermittlung und ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

c) Das Ergebnis der Anhörung hat dem Landtag vorgelegen und ist damit in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. Im übrigen wird hinsichtlich der von der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin in einer Vielzahl von Verfahren im wesentlichen entsprechend vorgebrachten Einwände gegen das Anhörungsverfahren auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes (vgl. u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203, und zuletzt ausführlich Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 118/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de) Bezug genommen.

2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung.

a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe festlegen kann.

Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u.a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]).

Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Werteordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner unter gleichzeitiger Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002, a.a.O.; ständige Rechtspr., u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -, a.a.O.).

b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen.

aa)  Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt.

Die örtlichen Verhältnisse und wesentlichen Strukturdaten der Beschwerdeführerin, des Amtes Seelow-Land wie auch der Stadt Seelow sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. die Beschreibung in LT-Drucksache 3/7445, S. 23 ff. i.V.m. dem „Neugliederungssachverhalt“ in LT-Drucksache 3/5020, S. 275 ff.). Dabei ist nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber auch die bereits aus Anlaß des ersten Gesetzgebungsverfahrens ermittelten Fakten zu einer Grundlage der Abwägung für das Bestätigungsgesetz genommen hat. Denn er hat den auf dem Stand der Jahre 2001 bis 2003 ermittelten „Neugliederungssachverhalt“ nicht unkritisch übernommen, sondern in der Anhörung der Bevölkerung und der Gemeinden zur Diskussion gestellt, ist Einwänden nachgegangen und hat zusätzlich aktuelle Entwicklungen und Veränderungen in die Sachberichte und die Abwägung zum Bestätigungsgesetz aufgenommen. Es steht von Verfassungs wegen nichts dagegen, daß der Gesetzgeber ihm bereits vorliegende Tatsachenerkenntnisse und -bewertungen, soweit sie sich auch unter Berücksichtigung der Einwände aus dem Anhörungsverfahren (weiterhin) als zutreffend erweisen, im neuen Gesetzgebungsverfahren verwendet. Insbesondere erfaßte der Gesetzgeber die Einwohnerzahlen, die wirtschaftliche Lage sowie die Entfernungsverhältnisse und Verkehrsverbindungen in den Bereichen des Amtes Seelow-Land und der Stadt Seelow. Die Gemeinden des Amtes waren insbesondere im Hinblick auf die Schulen sowie die Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen maßgeblich auf die Stadt Seelow orientiert. Danach wiesen alle Gemeinden des Amtes Seelow-Land eine engere Verbindung zur Stadt Seelow auf. Eine Bevölkerungsabwanderung aus dem Zentralort in das Umland - als eine der regelmäßig für den Zentralort nachteiligen Erscheinungen einer Stadt-Umland-Problematik - war nicht festzustellen. Der Gesetzgeber ermittelte, daß entgegen der allgemeinen Entwicklung im äußeren Entwicklungsraum die Zahl der Einwohner der Stadt Seelow in den Jahren zwischen 1995 und 2000 und nach einem Rückgang im Jahr 2001 auch seither wieder geringfügig anstieg. Die Einwohnerzahl im Amtsgebiet sank hingegen stetig. Der Gesetzgeber hat auch gesehen, daß die Beschwerdeführerin durch ihre besondere Lage als Exklave gekennzeichnet war. Sie bildete einen nördlichen Gegenpol zum übrigen (ca. 90 %) südlich der Stadt Seelow gelegenen Gebiet des Amtes Seelow-Land. Der Anteil der in der Stadt Seelow beschäftigten Arbeitnehmer aus dem Gebiet der Beschwerdeführerin an der Gesamtzahl ihrer sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer lag deutlich über dem Durchschnitt der Gemeinden des Amtes Seelow-Land und erreichte mit 81 Einpendlern nach Seelow die höchste Zahl unter den ursprünglichen Gemeinden des Amtes.

Diese Sachverhaltsermittlung begegnet keinen verfassungsrelevanten Bedenken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob vom Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt worden sind. Wie verbunden die Gemeinden im Detail jetzt sind, ist bei der Prognoseentscheidung zur Gemeindegebietsneugliederung ersichtlich von untergeordneter Bedeutung. Ins Gewicht fällt vielmehr nur, ob der Gesetzgeber die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten und es möglich ist, daß bei Zugrundelegung der behaupteten abweichenden Situation die Neugliederung anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, UA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen sind indes weder von der Beschwerdeführerin vorgetragen noch sonst ersichtlich.

bb) Der Gesetzgeber gliedert aus Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV die Beschwerdeführerin neu. Er beruft sich ausweislich der Gesetzesbegründung und der Beschlußempfehlung des Innenausschusses für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow hauptsächlich auf die sich bereits im Leitbild niederschlagenden raumstrukturellen Überlegungen, nach denen es im Hinblick auf die Stadt-Umland-Problematik nicht sachgerecht sei, daß ein ausgeprägtes, die Entwicklungsmöglichkeiten des Zentralortes einengendes „Kragenamt“ fortbestehe (LT-Drucksache 3/5020, S. 281 ff. und 2. c) Satz 4 des Leitbildes, LT-Drucksache 3/5020, S. 24 f.).

(1) Daß die Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland ein Grund des öffentlichen Wohls ist, der eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermag, hat das Landesverfassungsgericht bereits in seinen Urteilen vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O. und - VfGBbg 97/03 - (in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte, s. etwa SächsVerfGH SächsVBl 1999, 236, 239; ThürVerfGH NVwZ-RR 1997, 639, 643) und insbesondere zur Problematik der sogenannten Kragenämter (u.a. Beschlüsse 26. Februar 2004 - VfGBbg 150/03 - [Schweinrich] - und vom 09. Dezember 2004 - VfGBbg 22/03 - [Beutel] - zu den Bereichen Wittstock/Dosse und Templin) entschieden. Auch im Schrifttum wird dies grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen (s. etwa Hoppe/Stüer, DVBl 1992, 641, 642 f.; v. Unruh/Thieme/Scheuner, Die Grundlagen der kommunalen Gebietsreform, 1981, S. 116, 118 f.). Das Stadt-Umland-Verhältnis wirft eine Reihe schwieriger Abklärungs- und Koordinationsfragen auf. Planung und Betrieb öffentlicher Einrichtungen - Kindergärten und -krippen, Schulen (einschließlich weiterführender Schulen), Horte, Sportstätten, Bibliotheken, Schwimmbäder, Feuerwehren, Kultureinrichtungen (etwa: Kulturhäuser, Heimatmuseen) - erfordern Abstimmung und Absprache. Auch für Infrastrukturausbau, Wirtschaftsförderung, Abfall- und Abwasserbeseitigung sowie Trinkwasserversorgung empfiehlt sich ein gemeinsames Handeln. Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - [Groß Machnow]). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen.

(2) Demgemäß ist das vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Stadt-Umland-Problematik herangezogene Ziel der Abschaffung von sogenannten Kragenämtern bzw. die Vermeidung der Bildung einer sog. Ringgemeinde verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Entscheidung für einen „institutionellen Lösungsansatz“, d.h. für einen den kommunalen Funktions- und Verwaltungsräumen besser angepaßten Zuschnitt der kommunalen Körperschaften, ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt, auf allgemeine und typisierende Erkenntnisse zurückzugreifen. Es unterliegt letztlich seiner Einschätzungsprärogative, die Kragenämter als Unterfall der Stadt-Umland-Problematik zu behandeln und konzeptionell Leitbilder und Leitlinien der Neuordnung festzulegen, die die künftigen Strukturen der Selbstverwaltungskörperschaften festlegen und die Umgestaltung in jedem Einzelfall dirigieren sollen. Es ist einleuchtend und widerspricht empirischen Untersuchungen und kommunalwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht, bei der kragenförmigen Einschließung eines zentralen Ortes einen entwicklungshemmenden Effekt für die Kernstadt und einen Reformbedarf anzunehmen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 09. Dezember 2004, a.a.O.).

Zur Bewältigung der vom Gesetzgeber benannten Strukturfragen ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der strukturellem Probleme in diesem Bereich durch die partielle Zusammenführung in einem einheitlichen Aufgaben- und Verwaltungsraum und das Aufbrechen der kragenförmigen Umfassung durch das Amt Seelow-Land um die Stadt Seelow eindeutig verfehlt würde.

dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow ist auch nicht unverhältnismäßig.

(1) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573, 574).

(2) Der Gesetzgeber hat die Vor- und Nachteile seines Neugliederungsvorhabens in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt.

Ihm war die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung gegenwärtig. Er hat die Belange der Einwohner im Blick gehabt und sich damit auseinandergesetzt, ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/7445, S. 25 ff. i.V.m. LT-Drucksache 3/5020, S. 68 ff., 85 f., 269 ff., 286 ff.), den Niederschriften über die Beratungen im Landtag und seinen Ausschüssen (Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) des Bestätigungsgesetzes, Anlage 6 zu LT-Drucksache 3/7606). Dazu gehörte auch, daß der Gesetzgeber der Bereitschaft der südlich der Stadt Seelow gelegenen Gemeinden des Amtes Seelow-Land und ihrer Einwohner, unter Auflösung zahlreicher Kleinstgemeinden ein nach der Anzahl der Gemeinden und ihrer Einwohner leitbildgerechtes Amt zu bilden, Rechnung getragen hat, und diese Gemeinden schließlich nicht in die Stadt Seelow eingegliedert hat.

Auf der anderen Seite hat er jedoch als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise im Bereich der Stadt Seelow und des Amtes Seelow-Land berücksichtigt und höher gewichtet, daß die Eingliederung bereits allein der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow die Einengung der Stadt durch ein bisheriges Kragenamt aufbricht und mit neuem Entwicklungsraum und einem Einwohnerzuwachs um mehr als 12 % zur leitbildgerechten Stärkung eines Zentralortes, der einer der kleinsten Kreisstädte Deutschlands ist, beiträgt.

Insoweit ist eine gegenüber der vom Gesetzgeber gewollten Neuordnung vorzugswürdige Alternative (vgl. dazu Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 -, a.a.O.) nicht erkennbar. Es ist angesichts der besonderen Exklavensituation der Beschwerdeführerin, die im Falle ihrer weiteren Zugehörigkeit zum Amt Seelow-Land die Stadt-Umland-Problematik in Gestalt eines Kragenamtes aufrechterhalten bzw. entscheidend verstärkt hätte, verfassungsrechtlich unbedenklich, daß der Gesetzgeber gerade die Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow eingegliedert hat. Besonderheiten, die ihren Fortbestand als eigenständige (amtsangehörige) Gemeinde gebieten, hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Solche sind auch nicht ersichtlich.

Eine Zuordnung der Beschwerdeführerin zu einer anderen Verwaltungseinheit durfte der Gesetzgeber bereits wegen der engen Beziehungen der Beschwerdeführerin zur Stadt Seelow und der weiteren Zielsetzung, mit der Eingliederung die Stadt als Zentralort zu stärken, ablehnen. Zudem hat die Beschwerdeführerin, außer einem Festhalten am bisherigen Zustand, anderweitige Präferenzen, die insoweit neue Erwägungen hätten veranlassen können, nicht geäußert.

ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen.

(1) Der Gesetzgeber hat die Problematik der Verlagerung der Finanz- und Planungshoheit gesehen und demgegenüber dem Vorteil der Bündelung der finanziellen Möglichkeiten infolge der Neugliederung im Verbund der Gesamtabwägung und mit Blick auf gestärkte Instrumente der Ortschaftsverfassung (§§ 54 - 54 e Gemeindeordnung - GO -) sowie die Pflicht einer jeden Gemeinde und Stadt, für das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Wohl aller ihrer Einwohner, für eine harmonische Gestaltung der Gemeindeentwicklung, zu sorgen (vgl. u.a. § 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 3 Abs. 2 GO), in vertretbarer Weise höheres Gewicht zuerkannt (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 89 f.). Für die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Von dieser Erwägung hat sich der Gesetzgeber bei der Ausübung seines Ermessens leiten lassen. Die Beteiligung einer Umlandgemeinde an den finanziellen Lasten des miteinander verflochtenen Gesamtraumes ist nicht unangemessen. Unabhängig davon ist die Finanzlage naturgemäß nicht von Dauer, sondern veränderlich. Die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamt-Neugliederungsgebietes ist so oder so nicht sicher einschätzbar.

(2) Die Neugliederung verstößt auch nicht gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit. Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung der Verfassungsgerichte, daß der Gesetzgeber bei der Umsetzung einer Gemeindegebietsreform sein „System“ nicht ohne hinreichende Begründung verlassen darf (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 27. November 1978 - 2 BvR 165/75 -, BVerfGE 50, 50, 51 „Raum Hannover“; ThürVerfGH, Urt. vom 18. Dezember 1996 - VerfGH 2/95 -, LVerfGE 5, 391, 422; BayVerfGH, Entsch. vom 20. April 1978 - Vf.6-VII-78 -, BayVBl 1978, 497, 503; hinsichtlich Kreisgebietsreform bereits das erkennende Gericht, Urteil vom 14. Juli 1994 – VfGBbg 4/93 – LVerfGE 2, 125, 142; vgl. auch Dreier, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 1998, Art. 28 Rn. 122; Tettinger, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz Band 2, Art. 28 Rn. 233). Im wesentlichen vergleichbare Neugliederungen müssen gleich behandelt werden. Regelungen, die ohne hinreichende Begründung das zugrundeliegende System verlassen, verstoßen gegen das öffentliche Wohl. Daß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit verstoßen worden wäre, ist aber nicht ersichtlich.

Der Gesetzgeber hat als Vergleichsfälle im äußeren Entwicklungsraum die ausgeprägten Kragenämter um die - wie Seelow bereits vor der Neugliederung - amtsfreien Städte Wittstock/Dosse und Templin gesehen. Die für diese Bereiche bestimmte Auflösung der Ämter (Wittstock-Land und Templin-Land) und Eingliederung nahezu aller Gemeinden in den Zentralort (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, zum Bereich Templin u.a. Beschluß vom 09. Dezember 2004 sowie zum Bereich Wittstock Beschlüsse vom 26. Februar 2004 und vom 27. Mai 2004, jeweils a.a.O.) läßt die Eingliederung der Beschwerdeführerin nicht systemwidrig werden. Zwar wiesen auch die südlich der Stadt Seelow gelegenen Gemeinden des Amtes Seelow-Land engere Verflechtungsbeziehungen zur Stadt Seelow auf. Dies zwang den Gesetzgeber aber nicht dazu, auch diese Gemeinden in die Stadt einzugliedern. Er durfte dem besonderen Umstand maßgebliches Gewicht zuerkennen, daß das Amt Seelow-Land - anders als die Ämter Wittstock-Land und Templin-Land - über kein zusammenhängendes Gebiet verfügte und gerade die Beschwerdeführerin eine Exklave bildete. Damit verbunden war, daß bereits die Eingliederung dieser Gemeinde in den Zentralort die kragenförmige Einengung maßgeblich aufzubrechen vermochte. Zudem hat der Gesetzgeber berücksichtigt, daß eine ähnliche Teillösung mit Verbleib eines „Restamtes“ zumindest im Fall des Amtes Templin-Land aufgrund der geringen Einwohnerzahl nicht leitbildgerecht möglich war, während nach der Ausgliederung der Beschwerdeführerin noch immer ein mit deutlich über 5.000 Einwohnern insoweit leitbildgerechtes Amt Seelow-Land erhalten bleiben konnte. Schließlich unterschied sich die Situation der Ämter auch insoweit, daß die übrigen Gemeinden im Amt Seelow-Land bereits in der Freiwilligkeitsphase vor der gesetzlichen Neugliederung im Stande waren, eine leitbildgerechte Binnenstruktur ihres Amtes zu vereinbaren, während dies in den Ämtern Wittstock-Land und Templin-Land nicht der Fall war.

III.

Der Hilfsantrag ist unzulässig. Angesichts dessen, daß das Verfassungsgericht der Sache nach bereits dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin entnommen hat, daß sie sich gegen die Regelungseinheit von Bestätigungsgesetz und bestätigtem Gesetz (§ 12 des 5. GemGebRefGBbg) wendet, besteht im Grundsatz kein vom Hauptantrag abweichendes oder über diesen hinausreichendes Beschwerdebegehren. Soweit die Beschwerdeführerin sich nach der - uneingeschränkten - Formulierung ihres Hilfsantrages auch gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) sowie § 1 Abs. 2 des Bestätigungsgesetzes wendet, ist für eine Beschwer weder etwas geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

C.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt. VerfGGBbg.
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dr. Dombert
   
Prof. Dr. Harms-Ziegler Havemann
   
Dr. Jegutidse Dr. Knippel
   
Prof. Dr. Will