In dem kommunalen
Verfassungsbeschwerdeverfahren
Gemeinde Werbig,
vertreten durch das Amt Seelow-Land,
dieser vertreten durch den Amtsdirektor,
Feldstraße 3,
15306 Seelow,
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin
M.
wegen: |
kommunaler Neugliederung;
hier: Eingemeindung der Gemeinde Werbig (Amt Seelow-Land) in die
Stadt Seelow |
hat das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dr. Dombert, Prof. Dr.
Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Will
am 20. April 2006
b e s c h l o s s e n :
Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird
teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen.
G r ü n d e :
A.
Die Beschwerdeführerin, eine zuvor dem Amt
Seelow-Land angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Auflösung durch
Eingemeindung in die amtsfreie Stadt Seelow.
I.
1. Die Beschwerdeführerin liegt ungefähr 2
km nördlich der Kreisstadt Seelow im Landkreis Märkisch-Oderland. Gemeinsam
mit ursprünglich weiteren 13 Gemeinden gehörte sie dem im äußeren
Entwicklungsraum gelegenen Amt Seelow-Land - einem Amt nach dem sog.
Amtsmodell 1 mit Verwaltungssitz in der Stadt Seelow - an. Elf dieser
Gemeinden schlossen sich mit Wirkung zum Tag der nächsten landesweiten
Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) zu den drei amtsangehörigen Gemeinden
Fichtenhöhe, Lindendorf und Vierlinden zusammen. Die größeren
amtsangehörigen Gemeinden Falkenhagen (ca. 760 Einwohner im Jahr 2001) und
Lietzen (ca. 860 Einwohner im Jahr 2001) blieben unverändert. Die Gemeinden
des Amtes zählten bei leicht abnehmender Tendenz im Dezember 2001 ca. 6.050
Einwohner, darunter 683 (686 im Dezember 2003) auf dem Gebiet der
Beschwerdeführerin. Die Einwohnerdichte im Amtsgebiet betrug 29 Einwohner je
Quadratkilometer. In der Stadt Seelow lebten - jeweils ohne die Einwohner
der Beschwerdeführerin - im Dezember 2001 ca. 5.370 und im Dezember 2003 ca.
5.380 Einwohner. Das Amt Seelow-Land erstreckte sich im Süden
halbkreisförmig um die Stadt Seelow. Diesem Großteil des Amtsgebietes lag
jenseits der Stadt Seelow als eine Exklave des Amtes im Norden die
Beschwerdeführerin gegenüber. Im Westen und Osten grenzten Gemeinden der
Ämter Neuhardenberg und Golzow an die Stadt Seelow.
Die Kreisstadt Seelow wird als ein
Grundzentrum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums angesehen. Sie verfügt
über mehrere Schulen (Gymnasium, Gesamtschule, Grundschule,
Oberstufenzentrum mit Internat, Landwirtschaftsschule, Förderschule), einen
Hort und Kindertagesstätten, die jeweils auch von vielen Schülern des Amtes
Seelow-Land besucht wurden. In der Stadt befinden sich auch ein Krankenhaus,
mehrere Fachärzte, ein Altenheim, eine Sozialstation, eine Bibliothek, ein
Kulturhaus, verschiedene Sportstätten sowie vielfältige Gewerbe- und
Dienstleistungseinrichtungen. Seelow verfügt über einen Regionalbahnhof, ist
Ausgangs- und Endpunkt mehrerer Buslinien und Kreuzungsort der Bundesstraßen
1 und 167. Die Beschwerdeführerin hat ebenfalls einen Regionalbahnhof.
Innerhalb des ländlich geprägten Amtes Seelow-Land gab es keinen zentralen
Ort. Die Stadt Seelow weist infolge hoher Investitionen einen hohen
Schuldenstand aus. Sie verfügt über eine überdurchschnittliche Steuerkraft.
Die Gemeinden des Amtes Seelow-Land einschließlich der Beschwerdeführerin
waren einerseits gering verschuldet, besaßen andererseits nur eine
unterdurchschnittliche Steuerkraft.
Das mit einer Fläche von ca. 252 km² über
dem Landesdurchschnitt (161 km²) und einer Bevölkerungsdichte von 30
Einwohnern pro km² unter dem Landesdurchschnitt (49 Einwohner pro km² im
äußeren Entwicklungsraum) liegende Amt hatte 7.630 Einwohner (Stichtag 31.
Dezember 2001). Von diesen lebten ca. 5.730 in Karstädt, ca. 690 in Garlin,
ca. 530 in Pröttlin, 250 in Mankmuß, ca. 230 in Boberow und ca. 220 in der
Beschwerdeführerin. Der im Amt zu verzeichnende Rückgang der Einwohnerzahlen
- der sich nach einer amtlichen Bevölkerungsentwicklungsprognose bis 2015
fortsetzen und zu einem Rückgang der Einwohnerzahl auf unter 7.000 im Amt
führen wird - machte sich auch bei der Beschwerdeführerin bemerkbar.
2. Anfang Mai 2002 versandte das
Ministerium des Innern Unterlagen für die Anhörung der Bevölkerung zu einer
beabsichtigten Eingliederung aller Gemeinden des Amtes Seelow-Land in die
Stadt Seelow an den Landrat, die in der Folge, u.a. im Amtsgebäude, für die
Dauer eines Monats ausgelegt wurden.
Im September desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs
Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. §
12 des Entwurfs zum Fünften Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform
betreffend die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel,
Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark (5. GemGebRefGBbg) sah nicht mehr
die Eingliederung aller Gemeinden des Amtes Seelow-Land, sondern nur noch
der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow vor. Eine Auslegung dieses
Entwurfs zur Bevölkerungsanhörung fand nicht statt. Zur Anhörung der
Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 16. Dezember 2002 wurde deren
ehrenamtlicher Bürgermeister geladen. Das Gesetz wurde im Frühjahr 2003 vom
Landtag verabschiedet. § 12 des 5. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl I
S. 82), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft
getreten (s. § 48 des 5. GemGebRefGBbg), lautete:
§ 12
Verwaltungseinheit Amt Seelow-Land
Die Gemeinde Werbig wird in die Stadt
Seelow eingegliedert.
3. An einem zwischen November 2003 und
März 2004 laufenden landesweiten Volksbegehren gegen „Zwangseingemeindungen“
beteiligten sich 20 Einwohner der Stadt Seelow, darunter 13 aus dem Gebiet
der Beschwerdeführerin.
4. Im Frühjahr 2004 begann der Landesgesetzgeber in der Annahme, daß im
vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren Fehler unterlaufen seien, die
Gemeindeneugliederung im Raum Seelow erneut zu regeln. Bereits in der
Märkischen Oderzeitung - Regionalausgabe Seelow - vom 19. Februar 2004
sprach sich der Ortsbürgermeister des Ortsteils Werbig der Stadt Seelow
gegen eine Teilnahme an der bevorstehenden Bevölkerungsanhörung aus. In der
Märkischen Oderzeitung - Regionalausgaben Seelow, Strausberg und Bad
Freienwalde (Oder) - vom 21./22. Februar 2004 machte der Landrat des
Landkreises Märkisch-Oderland als Anhörungsbehörde die Auslegung der
Unterlagen zu einer Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin
öffentlich bekannt. Der Text dieser Bekanntmachung wurde zudem ab dem 23.
Februar 2004 in den amtlichen Bekanntmachungskästen auf dem Gebiet der
Beschwerdeführerin ausgehängt. Demgemäß wurden vom 01. März 2004 bis 02.
April 2004 die Gesetzesmaterialien zum 5. GemGebRefGBbg, insbesondere der
seinerzeitige Gesetzentwurf (Landtags-Drucksache 3/5020), die
Beschlußempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Inneres
(Landtags-Drucksache 3/5550 nebst Anlagen) an den bekanntgemachten Orten zur
Einsichtnahme ausgelegt und der Bevölkerung Gelegenheit zur schriftlichen
Stellungnahme eingeräumt. Es wurde keine Stellungnahme abgegeben.
Ende April 2004 brachte die Landesregierung den Entwurf für ein „Gesetz zur
Bestätigung der landesweiten Gemeindegebietsreform nach weiterer
Bevölkerungsanhörung“ (im folgenden: Bestätigungsgesetz) in den Landtag ein.
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) dieses Gesetzes sah die Bestätigung der
Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow vor. Der Landtag
verwies den Gesetzentwurf nach der ersten Lesung an den Ausschuß für
Inneres. Zur Anhörung der Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 26.
Mai 2004 wurde deren ehrenamtlicher Bürgermeister - daneben auch in seiner
Funktion als Ortsbürgermeister des Ortsteils Werbig der Stadt Seelow -
geladen. Hierzu rügte er schriftlich, das Anhörungsverfahren sei nicht
ordnungsgemäß durchgeführt worden, zudem sei unklar, welches Organ die
Stellungnahme für die Beschwerdeführerin hätte vorbereiten sollen. Außerdem
wurde der Bürgermeister der Stadt Seelow geladen.
5. Auf eine kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin (VfGBbg
45/03) entschied das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg mit Beschluß
vom 24. Juni 2004, daß § 12 des 5. GemGebRefGBbg in der Fassung vom 24. März
2003 mit der Landesverfassung unvereinbar war, weil die Bevölkerung der
Beschwerdeführerin nach der Änderung des Vorhabens, nicht mehr alle
Gemeinden des Amtes, sondern allein die Beschwerdeführerin in die Stadt
Seelow einzugliedern, nicht - ein weiteres Mal - angehört worden war. Das
Landesverfassungsgericht bestimmte auch, daß der Landesgesetzgeber, wenn er
die Nichtigkeit der Regelung vermeiden wolle, spätestens mit Wirkung ab 1.
Januar 2006 eine Neuregelung zu treffen habe.
6. Am 29. Juni 2004 verabschiedete der Landtag nach dem Bericht und der
Beschlußempfehlung des Innenausschusses das Bestätigungsgesetz. § 1 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a) des Bestätigungsgesetzes (GVBl 2004 I, S. 295), am 03. Juli
2004 in Kraft getreten (s. § 2 des Bestätigungsgesetzes), lautet:
§ 1
(1) Folgende Gebietsänderungen
werden bestätigt:
- ...,
- aus dem Fünften Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform
betreffend die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel,
Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark
vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 82), das durch Gesetz vom 1. Juli 2003 (GVBl.
I S. 187) geändert worden ist,
a) die ehemalige Gemeinde Werbig bleibt
gemäß § 12 in die Stadt Seelow eingegliedert und
b) ...
- ... .
§ 1 Abs. 2 des Bestätigungsgesetzes stellt fest, daß das Vierte, Fünfte
und Sechste Gemeindegebietsreformgesetz im übrigen unberührt bleiben.
II.
Die Beschwerdeführerin hat am 29. März 2005 kommunale
Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, das Bestätigungsgesetz
verstoße gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der
Normenklarheit, weil es nicht selbst eine Eingemeindungsregelung enthalte.
Ihre Eingliederung in die Stadt Seelow sei schon deshalb verfassungswidrig,
weil weder die Bevölkerung des unmittelbar betroffenen Gebietes noch sie
selbst (als Gemeinde) ordnungsgemäß angehört worden seien. Dabei seien die
Beschwerdeführerin sowie die zur Verwaltung und Vertretung gesetzlich
zugeordneten kommunalverfassungsrechtlichen Organe als fortbestehend
anzusehen gewesen. Es sei im Gesetzgebungsverfahren für das
Bestätigungsgesetz nicht versucht worden, den entscheidungserheblichen
Sachverhalt zu ermitteln und zu bewerten. Das Bestätigungsgesetz leide an
einem Ermittlungsdefizit und einem Abwägungsausfall. Auch die bestätigte
Regelung des § 12 des 5. GemGebRefGBbg sei verfassungswidrig und habe die
Nichtigkeit des Bestätigungsgesetzes zur Folge. Bereits begangene Fehler des
ursprünglichen Gesetzgebungsverfahrens seien fortgeschleppt, nicht geheilt
worden.
Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:
§ 1 Nr. 2 Buchst. a) und Nr. 2 des Gesetzes zur Bestätigung der landesweiten
Gemeindegebietsreform nach weiterer Bevölkerungsanhörung vom 29.6.2004 (GVBl
I S. 295) verletzt die Beschwerdeführerin in ihren verfassungsmäßigen
Rechten und ist nichtig.
hilfsweise
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des Gesetzes zur Bestätigung der
landesweiten Gemeindegebietsreform nach weiterer Bevölkerungsanhörung vom
29.6.2004 (GVBl I S. 295) und § 12 des Fünften Gesetzes zur landesweiten
Gemeindegebietsreform betreffend die Landekreise Barnim,
Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark vom
24.3.2003 (GVBl I S. 82) verletzen die Beschwerdeführerin in ihren
verfassungsmäßigen Rechten und sind deshalb nichtig.
III.
Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und
Gemeindebund Brandenburg und die Stadt Seelow hatten Gelegenheit zur
Stellungnahme.
B.
Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
I.
Der Hauptantrag ist in begrenztem Umfang zulässig.
1. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist insofern unzulässig, als sie sich
nicht allein gegen „§ 1 Nr. 2 a“ - entsprechend dem Beschwerdevorbringen
genauer § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) -, sondern auch gegen „Nr. 2“ des
Bestätigungsgesetzes wendet. Soweit die Beschwerdeführerin damit § 1 Abs. 1
Nr. 2 des Bestätigungsgesetzes insgesamt - also auch die Neugliederung einer
im Landkreis Prignitz gelegenen Gemeinde gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b)
des Gesetzes - beanstandet, ist für eine Beschwer weder etwas dargetan noch
sonst ersichtlich. Dies gilt ebenso für den Fall, daß ein Schreibversehen
vorliegt und sich die Beschwerdeführerin - wie mit dem Hilfsantrag - gegen §
1 Abs. 2 des Bestätigungsgesetzes wendet.
2. Im übrigen ist die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin
gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51
Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und
auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des
zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine
Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre
Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als
fortbestehend.
II.
Der Hauptantrag der kommunalen Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in
der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den
Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht
von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV
gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt.
1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind
eingehalten worden.
a) Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV schreibt vor, daß vor einer Änderung des
Gemeindegebietes die Bevölkerung der unmittelbar betroffenen Gebiete gehört
werden muß. „Änderung des Gemeindegebietes“ in diesem Sinne ist auch die
hier in Frage stehende Auflösung einer Gemeinde unter (gänzlichem) Wegfall
eines eigenen Gemeindegebietes (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg,
u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203, m.w.N.).
Die erforderliche Anhörung der Einwohner der Beschwerdeführerin ist
ordnungsgemäß erfolgt.
Die an eine Anhörung im Sinne von Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV zu stellenden
Anforderungen sind aus dieser Verfassungsbestimmung heraus und unabhängig
von der Rechtslage nach einfachem Recht zu bestimmen. Die Landesverfassung
macht zu den Anhörungsmodalitäten keine näheren Vorgaben. Weder nimmt sie
einfachrechtliche Verfahrensregelungen - anders als etwa bei Art. 9 Abs. 1
LV (Einschränkung der Freiheit der Person nur unter Beachtung der im Gesetz
„vorgeschriebenen Formen“) – gleichsam in die Verfassung hinüber noch
erlangen die Regelungen, die sie – in Art. 98 Abs. 5 LV - dem Gesetz
vorbehält, ihrerseits Verfassungsrang. Maßgeblich bleibt vielmehr die
Verfassungsregelung des Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV als solche. Sie beschränkt
sich darauf, daß vor einer Änderung des Gemeindegebietes die Bevölkerung zu
hören ist, und läßt damit Raum für jedwedes Anhörungsverfahren, sofern es
sicherstellt, daß die Bevölkerung Gelegenheit erhält, ihre Meinung zu der
Gebietsänderung zum Ausdruck zu bringen (Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2003, a.a.O., m.w.N.). Es genügt, wenn
ihr in sachgerechter Weise die Möglichkeit eröffnet wird, sich zu der
Gebietsänderung - hier: durch Eingliederung der Beschwerdeführerin in die
Stadt Seelow unter Wegfall eines eigenständigen Gemeindegebietes - zu Wort
zu melden und das Ergebnis dem Entscheidungsträger, im Fall der Auflösung
einer Gemeinde also dem Gesetzgeber (Art. 98 Abs. 2 Satz 2 LV), zur Kenntnis
gebracht wird.
Das war hier der Fall. Es bestand für die Bevölkerung die geordnete
Möglichkeit, ihre Meinung zur Frage der Auflösung der Beschwerdeführerin
durch Eingliederung in die Stadt Seelow kundzutun. Die Bürger waren durch
Bekanntmachung in der Tageszeitung „Märkische Oderzeitung“, Regionalausgaben
Seelow, Strausberg und Bad Freienwalde (Oder), vom 21./22. Februar 2004
davon unterrichtet, daß hierzu vom 01. März bis 02. April 2004 Gelegenheit
zur Stellungnahme bestehe und Unterlagen über das Neugliederungsprojekt in
den Räumen der Stadtverwaltung Seelow und der Kreisverwaltung in Seelow zu
näher genannten Zeiten (beispielsweise im Gebäude des Amtes montags bis
freitags von 9.00 bis 12.00 Uhr sowie montags, mittwochs und donnerstags von
13.00 bis 15.00 Uhr und dienstags von 13.00 bis 18.00 Uhr) auslägen. Dafür,
daß die Bekanntmachung in der in der Region meistgelesenen Tageszeitung
nicht sachgerecht war, ist weder etwas dargetan noch sonst ersichtlich,
zumal der Bekanntmachungstext außerdem im Gebiet der Beschwerdeführerin
ortsüblich ausgehängt wurde.
b) Auch die Beschwerdeführerin (als
Gemeinde) hat im Gesetzgebungsverfahren in gehöriger Weise Gelegenheit zur
Stellungnahme im Rahmen einer Anhörung erhalten. Eine solche Anhörung der
Gemeinde ist, wenn auch nicht ausdrücklich in der Verfassung verankert, der
durch Art. 97 Abs. 1 LV geschützten kommunalen Selbstverwaltung geschuldet
und dient ihrer prozeduralen Absicherung. Der Gemeinde ist deshalb im
Gesetzgebungsverfahren Gelegenheit zu geben, ihre Belange darzulegen und zu
den Vor- und Nachteilen der Neugliederungsmaßnahme Stellung zu nehmen. Diese
Gelegenheit bestand hier. Der Ausschuß für Inneres des Landtages hat der
Beschwerdeführerin am 26. Mai 2004 Gelegenheit gegeben, ihre Sicht der Dinge
darzulegen. Zu dieser Anhörung ist der (frühere) ehrenamtliche Bürgermeister
der Beschwerdeführerin in nicht zu beanstandender Weise geladen,
insbesondere namentlich und in seiner Funktion bezeichnet worden. Dabei
kommt es nicht darauf an, daß die - für das Verfahren über die Eingemeindung
als fortbestehend fingierten - Organe der Beschwerdeführerin sich zunächst
nicht sicher waren, ob sie noch für die Beschwerdeführerin handlungsbefugt
waren und der ehrenamtliche Bürgermeister der Beschwerdeführerin sich
bereits zwei Wochen vor dem Anhörungstermin auf eine schriftliche
Stellungnahme und Verfahrensrüge beschränkt hat. Dies lag im
Verantwortungsbereich der Beschwerdeführerin. Es genügt, daß der Gegenstand
und Zweck der Anhörung sowie der Adressat der Ladung und die Absicht des
Gesetzgebers, ihn als Vertreter der Beschwerdeführerin anzuhören,
ersichtlich waren. Daß der Innenausschuß ferner auch - hier in Personalunion
mit dem (früheren) ehrenamtlichen Bürgermeister der Beschwerdeführerin - dem
Ortsbürgermeister des Ortsteils Werbig der Stadt Seelow sowie dem
Bürgermeister der Stadt Seelow Gelegenheit zur Stellungnahme gab, diente
einer umfassenden Sachverhaltsermittlung und ist verfassungsrechtlich
unbedenklich.
c) Das Ergebnis der Anhörung hat dem Landtag vorgelegen und ist damit in das
Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. Im übrigen wird hinsichtlich der von
der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin in einer Vielzahl von
Verfahren im wesentlichen entsprechend vorgebrachten Einwände gegen das
Anhörungsverfahren auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes
(vgl. u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203,
und zuletzt ausführlich Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 118/03 -
www.verfassungsgericht.brandenburg.de) Bezug genommen.
2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow bleibt auch
in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung.
a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre
körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen
des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes
„öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen,
dem in dieser Hinsicht grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum und
politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele,
Leitbilder und Maßstäbe festlegen kann.
Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den
entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat.
Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt
(Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u.a.
Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; BVerfGE 50, 50, 51
[Laatzen]).
Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten
Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr
einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die
Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an
die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu
beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und
Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder
eindeutig widerlegbar sind oder der Werteordnung der Verfassung
widersprechen. Die Bevorzugung einzelner unter gleichzeitiger Hintanstellung
anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem
Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur
Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig
ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei
von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht
die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und
zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des
Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8,
97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002, a.a.O.; ständige Rechtspr., u.a.
Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -, a.a.O.).
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei
auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der
Beschwerdeführerin Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und eine
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen.
aa) Der Gesetzgeber hat sich
ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt.
Die örtlichen Verhältnisse und wesentlichen Strukturdaten der
Beschwerdeführerin, des Amtes Seelow-Land wie auch der Stadt Seelow sind in
den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. die Beschreibung in
LT-Drucksache 3/7445, S. 23 ff. i.V.m. dem „Neugliederungssachverhalt“ in
LT-Drucksache 3/5020, S. 275 ff.). Dabei ist nicht zu beanstanden, daß der
Gesetzgeber auch die bereits aus Anlaß des ersten Gesetzgebungsverfahrens
ermittelten Fakten zu einer Grundlage der Abwägung für das
Bestätigungsgesetz genommen hat. Denn er hat den auf dem Stand der Jahre
2001 bis 2003 ermittelten „Neugliederungssachverhalt“ nicht unkritisch
übernommen, sondern in der Anhörung der Bevölkerung und der Gemeinden zur
Diskussion gestellt, ist Einwänden nachgegangen und hat zusätzlich aktuelle
Entwicklungen und Veränderungen in die Sachberichte und die Abwägung zum
Bestätigungsgesetz aufgenommen. Es steht von Verfassungs wegen nichts
dagegen, daß der Gesetzgeber ihm bereits vorliegende Tatsachenerkenntnisse
und -bewertungen, soweit sie sich auch unter Berücksichtigung der Einwände
aus dem Anhörungsverfahren (weiterhin) als zutreffend erweisen, im neuen
Gesetzgebungsverfahren verwendet. Insbesondere erfaßte der Gesetzgeber die
Einwohnerzahlen, die wirtschaftliche Lage sowie die Entfernungsverhältnisse
und Verkehrsverbindungen in den Bereichen des Amtes Seelow-Land und der
Stadt Seelow. Die Gemeinden des Amtes waren insbesondere im Hinblick auf die
Schulen sowie die Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen maßgeblich
auf die Stadt Seelow orientiert. Danach wiesen alle Gemeinden des Amtes
Seelow-Land eine engere Verbindung zur Stadt Seelow auf. Eine
Bevölkerungsabwanderung aus dem Zentralort in das Umland - als eine der
regelmäßig für den Zentralort nachteiligen Erscheinungen einer
Stadt-Umland-Problematik - war nicht festzustellen. Der Gesetzgeber
ermittelte, daß entgegen der allgemeinen Entwicklung im äußeren
Entwicklungsraum die Zahl der Einwohner der Stadt Seelow in den Jahren
zwischen 1995 und 2000 und nach einem Rückgang im Jahr 2001 auch seither
wieder geringfügig anstieg. Die Einwohnerzahl im Amtsgebiet sank hingegen
stetig. Der Gesetzgeber hat auch gesehen, daß die Beschwerdeführerin durch
ihre besondere Lage als Exklave gekennzeichnet war. Sie bildete einen
nördlichen Gegenpol zum übrigen (ca. 90 %) südlich der Stadt Seelow
gelegenen Gebiet des Amtes Seelow-Land. Der Anteil der in der Stadt Seelow
beschäftigten Arbeitnehmer aus dem Gebiet der Beschwerdeführerin an der
Gesamtzahl ihrer sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer lag deutlich
über dem Durchschnitt der Gemeinden des Amtes Seelow-Land und erreichte mit
81 Einpendlern nach Seelow die höchste Zahl unter den ursprünglichen
Gemeinden des Amtes.
Diese Sachverhaltsermittlung begegnet keinen verfassungsrelevanten Bedenken.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob vom Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen
Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt worden sind. Wie
verbunden die Gemeinden im Detail jetzt sind, ist bei der
Prognoseentscheidung zur Gemeindegebietsneugliederung ersichtlich von
untergeordneter Bedeutung. Ins Gewicht fällt vielmehr nur, ob der
Gesetzgeber die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden
Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus
sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die
Entscheidung tragenden Tatsache bestritten und es möglich ist, daß bei
Zugrundelegung der behaupteten abweichenden Situation die Neugliederung
anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das
Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“;
VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, UA S. 25; StGH BW,
NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen sind indes weder von der
Beschwerdeführerin vorgetragen noch sonst ersichtlich.
bb) Der Gesetzgeber gliedert aus Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne von
Art. 98 Abs. 1 LV die Beschwerdeführerin neu. Er beruft sich ausweislich der
Gesetzesbegründung und der Beschlußempfehlung des Innenausschusses für die
Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow hauptsächlich auf
die sich bereits im Leitbild niederschlagenden raumstrukturellen
Überlegungen, nach denen es im Hinblick auf die Stadt-Umland-Problematik
nicht sachgerecht sei, daß ein ausgeprägtes, die Entwicklungsmöglichkeiten
des Zentralortes einengendes „Kragenamt“ fortbestehe (LT-Drucksache 3/5020,
S. 281 ff. und 2. c) Satz 4 des Leitbildes, LT-Drucksache 3/5020, S. 24 f.).
(1) Daß die Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland ein Grund des
öffentlichen Wohls ist, der eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen
vermag, hat das Landesverfassungsgericht bereits in seinen Urteilen vom 18.
Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O. und - VfGBbg 97/03 - (in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte, s.
etwa SächsVerfGH SächsVBl 1999, 236, 239; ThürVerfGH NVwZ-RR 1997, 639, 643)
und insbesondere zur Problematik der sogenannten Kragenämter (u.a.
Beschlüsse 26. Februar 2004 - VfGBbg 150/03 - [Schweinrich] - und vom 09.
Dezember 2004 - VfGBbg 22/03 - [Beutel] - zu den Bereichen Wittstock/Dosse
und Templin) entschieden. Auch im Schrifttum wird dies grundsätzlich nicht
in Zweifel gezogen (s. etwa Hoppe/Stüer, DVBl 1992, 641, 642 f.; v.
Unruh/Thieme/Scheuner, Die Grundlagen der kommunalen Gebietsreform, 1981, S.
116, 118 f.). Das Stadt-Umland-Verhältnis wirft eine Reihe schwieriger
Abklärungs- und Koordinationsfragen auf. Planung und Betrieb öffentlicher
Einrichtungen - Kindergärten und -krippen, Schulen (einschließlich
weiterführender Schulen), Horte, Sportstätten, Bibliotheken, Schwimmbäder,
Feuerwehren, Kultureinrichtungen (etwa: Kulturhäuser, Heimatmuseen) -
erfordern Abstimmung und Absprache. Auch für Infrastrukturausbau,
Wirtschaftsförderung, Abfall- und Abwasserbeseitigung sowie
Trinkwasserversorgung empfiehlt sich ein gemeinsames Handeln. Eine kommunale
Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen
Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende
Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere
Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen
(Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004
- VfGBbg 230/03 - [Groß Machnow]). Einer solchen Verbesserung dient hier die
Umsetzung der Leitbildbestimmungen.
(2) Demgemäß ist das vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit der
Stadt-Umland-Problematik herangezogene Ziel der Abschaffung von sogenannten
Kragenämtern bzw. die Vermeidung der Bildung einer sog. Ringgemeinde
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Entscheidung für einen
„institutionellen Lösungsansatz“, d.h. für einen den kommunalen Funktions-
und Verwaltungsräumen besser angepaßten Zuschnitt der kommunalen
Körperschaften, ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt,
auf allgemeine und typisierende Erkenntnisse zurückzugreifen. Es unterliegt
letztlich seiner Einschätzungsprärogative, die Kragenämter als Unterfall der
Stadt-Umland-Problematik zu behandeln und konzeptionell Leitbilder und
Leitlinien der Neuordnung festzulegen, die die künftigen Strukturen der
Selbstverwaltungskörperschaften festlegen und die Umgestaltung in jedem
Einzelfall dirigieren sollen. Es ist einleuchtend und widerspricht
empirischen Untersuchungen und kommunalwissenschaftlichen Erkenntnissen
nicht, bei der kragenförmigen Einschließung eines zentralen Ortes einen
entwicklungshemmenden Effekt für die Kernstadt und einen Reformbedarf
anzunehmen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 09.
Dezember 2004, a.a.O.).
Zur Bewältigung der vom Gesetzgeber benannten Strukturfragen ist die
Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow nicht
offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu
erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der strukturellem Probleme in
diesem Bereich durch die partielle Zusammenführung in einem einheitlichen
Aufgaben- und Verwaltungsraum und das Aufbrechen der kragenförmigen
Umfassung durch das Amt Seelow-Land um die Stadt Seelow eindeutig verfehlt
würde.
dd)
Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow ist auch
nicht unverhältnismäßig.
(1) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der
Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den
Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründen erkennbar
überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH
OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Da die kommunale
Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen
ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen
der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht
ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der
Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne
Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der
Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die
Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der
örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten
(vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002
- VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, 116 = LKV
2002, 573, 574).
(2) Der Gesetzgeber hat die Vor- und Nachteile seines
Neugliederungsvorhabens in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander
abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis
gelangt.
Ihm war die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung gegenwärtig. Er hat
die Belange der Einwohner im Blick gehabt und sich damit auseinandergesetzt,
ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache
3/7445, S. 25 ff. i.V.m. LT-Drucksache 3/5020, S. 68 ff., 85 f., 269 ff.,
286 ff.), den Niederschriften über die Beratungen im Landtag und seinen
Ausschüssen (Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 1 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a) des Bestätigungsgesetzes, Anlage 6 zu LT-Drucksache 3/7606). Dazu
gehörte auch, daß der Gesetzgeber der Bereitschaft der südlich der Stadt
Seelow gelegenen Gemeinden des Amtes Seelow-Land und ihrer Einwohner, unter
Auflösung zahlreicher Kleinstgemeinden ein nach der Anzahl der Gemeinden und
ihrer Einwohner leitbildgerechtes Amt zu bilden, Rechnung getragen hat, und
diese Gemeinden schließlich nicht in die Stadt Seelow eingegliedert hat.
Auf der anderen Seite hat er jedoch als gegenläufige Belange in zulässiger
und vertretbarer Weise im Bereich der Stadt Seelow und des Amtes Seelow-Land
berücksichtigt und höher gewichtet, daß die Eingliederung bereits allein der
Beschwerdeführerin in die Stadt Seelow die Einengung der Stadt durch ein
bisheriges Kragenamt aufbricht und mit neuem Entwicklungsraum und einem
Einwohnerzuwachs um mehr als 12 % zur leitbildgerechten Stärkung eines
Zentralortes, der einer der kleinsten Kreisstädte Deutschlands ist,
beiträgt.
Insoweit ist eine gegenüber der vom Gesetzgeber gewollten Neuordnung
vorzugswürdige Alternative (vgl. dazu Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 -, a.a.O.) nicht
erkennbar. Es ist angesichts der besonderen Exklavensituation der
Beschwerdeführerin, die im Falle ihrer weiteren Zugehörigkeit zum Amt
Seelow-Land die Stadt-Umland-Problematik in Gestalt eines Kragenamtes
aufrechterhalten bzw. entscheidend verstärkt hätte, verfassungsrechtlich
unbedenklich, daß der Gesetzgeber gerade die Beschwerdeführerin in die Stadt
Seelow eingegliedert hat. Besonderheiten, die ihren Fortbestand als
eigenständige (amtsangehörige) Gemeinde gebieten, hat die Beschwerdeführerin
nicht geltend gemacht. Solche sind auch nicht ersichtlich.
Eine Zuordnung der Beschwerdeführerin zu einer anderen Verwaltungseinheit
durfte der Gesetzgeber bereits wegen der engen Beziehungen der
Beschwerdeführerin zur Stadt Seelow und der weiteren Zielsetzung, mit der
Eingliederung die Stadt als Zentralort zu stärken, ablehnen. Zudem hat die
Beschwerdeführerin, außer einem Festhalten am bisherigen Zustand,
anderweitige Präferenzen, die insoweit neue Erwägungen hätten veranlassen
können, nicht geäußert.
ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine
Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen.
(1) Der Gesetzgeber hat die Problematik der Verlagerung der Finanz- und
Planungshoheit gesehen und demgegenüber dem Vorteil der Bündelung der
finanziellen Möglichkeiten infolge der Neugliederung im Verbund der
Gesamtabwägung und mit Blick auf gestärkte Instrumente der
Ortschaftsverfassung (§§ 54 - 54 e Gemeindeordnung - GO -) sowie die Pflicht
einer jeden Gemeinde und Stadt, für das soziale, kulturelle und
wirtschaftliche Wohl aller ihrer Einwohner, für eine harmonische Gestaltung
der Gemeindeentwicklung, zu sorgen (vgl. u.a. § 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 3
Abs. 2 GO), in vertretbarer Weise höheres Gewicht zuerkannt (vgl.
LT-Drucksache 3/5020, S. 89 f.). Für die Beurteilung am Maßstab des
öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich
oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner
der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist
vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden
Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der
Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Von dieser Erwägung hat
sich der Gesetzgeber bei der Ausübung seines Ermessens leiten lassen. Die
Beteiligung einer Umlandgemeinde an den finanziellen Lasten des miteinander
verflochtenen Gesamtraumes ist nicht unangemessen. Unabhängig davon ist die
Finanzlage naturgemäß nicht von Dauer, sondern veränderlich. Die
wirtschaftliche Entwicklung des Gesamt-Neugliederungsgebietes ist so oder so
nicht sicher einschätzbar.
(2) Die Neugliederung verstößt auch nicht gegen das Gebot der
Systemgerechtigkeit. Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung der
Verfassungsgerichte, daß der Gesetzgeber bei der Umsetzung einer
Gemeindegebietsreform sein „System“ nicht ohne hinreichende Begründung
verlassen darf (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 27.
November 1978 - 2 BvR 165/75 -, BVerfGE 50, 50, 51 „Raum Hannover“;
ThürVerfGH, Urt. vom 18. Dezember 1996 - VerfGH 2/95 -, LVerfGE 5, 391, 422;
BayVerfGH, Entsch. vom 20. April 1978 - Vf.6-VII-78 -, BayVBl 1978, 497,
503; hinsichtlich Kreisgebietsreform bereits das erkennende Gericht, Urteil
vom 14. Juli 1994 – VfGBbg 4/93 – LVerfGE 2, 125, 142; vgl. auch Dreier, in:
Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 1998, Art. 28 Rn. 122; Tettinger, in:
von Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz Band 2, Art. 28 Rn. 233).
Im wesentlichen vergleichbare Neugliederungen müssen gleich behandelt
werden. Regelungen, die ohne hinreichende Begründung das zugrundeliegende
System verlassen, verstoßen gegen das öffentliche Wohl. Daß gegen das Gebot
der Systemgerechtigkeit verstoßen worden wäre, ist aber nicht ersichtlich.
Der Gesetzgeber hat als Vergleichsfälle im äußeren Entwicklungsraum die
ausgeprägten Kragenämter um die - wie Seelow bereits vor der Neugliederung -
amtsfreien Städte Wittstock/Dosse und Templin gesehen. Die für diese
Bereiche bestimmte Auflösung der Ämter (Wittstock-Land und Templin-Land) und
Eingliederung nahezu aller Gemeinden in den Zentralort (vgl.
Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, zum Bereich Templin u.a. Beschluß
vom 09. Dezember 2004 sowie zum Bereich Wittstock Beschlüsse vom 26. Februar
2004 und vom 27. Mai 2004, jeweils a.a.O.) läßt die Eingliederung der
Beschwerdeführerin nicht systemwidrig werden. Zwar wiesen auch die südlich
der Stadt Seelow gelegenen Gemeinden des Amtes Seelow-Land engere
Verflechtungsbeziehungen zur Stadt Seelow auf. Dies zwang den Gesetzgeber
aber nicht dazu, auch diese Gemeinden in die Stadt einzugliedern. Er durfte
dem besonderen Umstand maßgebliches Gewicht zuerkennen, daß das Amt
Seelow-Land - anders als die Ämter Wittstock-Land und Templin-Land - über
kein zusammenhängendes Gebiet verfügte und gerade die Beschwerdeführerin
eine Exklave bildete. Damit verbunden war, daß bereits die Eingliederung
dieser Gemeinde in den Zentralort die kragenförmige Einengung maßgeblich
aufzubrechen vermochte. Zudem hat der Gesetzgeber berücksichtigt, daß eine
ähnliche Teillösung mit Verbleib eines „Restamtes“ zumindest im Fall des
Amtes Templin-Land aufgrund der geringen Einwohnerzahl nicht leitbildgerecht
möglich war, während nach der Ausgliederung der Beschwerdeführerin noch
immer ein mit deutlich über 5.000 Einwohnern insoweit leitbildgerechtes Amt
Seelow-Land erhalten bleiben konnte. Schließlich unterschied sich die
Situation der Ämter auch insoweit, daß die übrigen Gemeinden im Amt
Seelow-Land bereits in der Freiwilligkeitsphase vor der gesetzlichen
Neugliederung im Stande waren, eine leitbildgerechte Binnenstruktur ihres
Amtes zu vereinbaren, während dies in den Ämtern Wittstock-Land und
Templin-Land nicht der Fall war.
III.
Der Hilfsantrag ist unzulässig. Angesichts dessen, daß das
Verfassungsgericht der Sache nach bereits dem Hauptantrag der
Beschwerdeführerin entnommen hat, daß sie sich gegen die Regelungseinheit
von Bestätigungsgesetz und bestätigtem Gesetz (§ 12 des 5. GemGebRefGBbg)
wendet, besteht im Grundsatz kein vom Hauptantrag abweichendes oder über
diesen hinausreichendes Beschwerdebegehren. Soweit die Beschwerdeführerin
sich nach der - uneingeschränkten - Formulierung ihres Hilfsantrages auch
gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) sowie § 1 Abs. 2 des Bestätigungsgesetzes
wendet, ist für eine Beschwer weder etwas geltend gemacht noch sonst
ersichtlich.
C.
Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht
für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt. VerfGGBbg.
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