VerfGBbg, Urteil vom 20. März 2003 - VfGBbg 54/01 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
|
entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 2 Abs. 5; LV, Art. 97 - VerfGGBbg, § 41 Satz 2 - GG, Art. 72; GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 7; GG, Art. 84 Abs. 1; GG, Art. 100 Abs. 1 - SGB VIII, § 3 Abs. 2 Satz 2; SGB VIII, § 24; SGB VIII, § 69; SGB VIII, § 79; SGB VIII, § 85 - KitaG, § 12; KitaG, § 16; KitaG, § 16a; KitaG, § 18 |
|
Schlagworte: | - Gesetzgebungskompetenz - Rechtsstaatsprinzip - Tenor - Bundesrecht - Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts - Sondervotum |
|
amtlicher Leitsatz: | 1. Die Änderungen des brandenburgischen Kindertagesstättengesetzes, denen zufolge die kreisangehörigen Gemeinden für den Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz einzustehen sowie für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kita-Plätzen zu sorgen haben, laufen unter Mitberücksichtigung der Folgeregelungen der Sache nach auf eine teilweise Übertragung der Trägerschaft für Jugendhilfeaufgaben, nämlich für die Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen, hinaus. Die betreffenden Regelungen sind in dieser Ausgestaltung von der Gesetzgebungskompetenz des Landes nicht gedeckt. Zu demselben Ergebnis führt, daß sich der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz der Sache nach zufolge § 3 Abs. 2 i.V.m. § 24 SGB VIII gegen die Landkreise (und kreisfreien Städte) richtet. Auch von daher war es dem Landesgesetzgeber verwehrt, die kreisangehörigen Gemeinden diesem Anspruch auszusetzen. 2. „Trägerschaft“ (hier: i.S.d. Achten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VIII -) wird wesentlich durch das rechtliche Einstehenmüssen nach außen geprägt. |
|
Fundstellen: | - GVBl I 2003, 159 (nur Entscheidungsformel) - Mitt StGB 2003, 235 - DVBl 2003, 938 - LKV 2003, 372 - LVerfGE 14, 146 |
|
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Urteil vom 20. März 2003 - VfGBbg 54/01 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 54/01

U R T E I L | ||||||||||||||
In den kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren 1. der Stadt Uebigau-Wahrenbrück, Beschwerdeführerin zu 1., Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S., 2. der Gemeinde Nuthe-Urstromtal, Beschwerdeführerin zu 2., Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. und E., betreffend Art. 3 Nr. 3 und 4 des Gesetzes zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts im Haushalt (Haushaltsstrukturgesetz 2000 - HStrG 2000) vom 28. Juni 2000 (GVBl. I S. 90), Art. 1 Nr. 10, 14, 15 und 17 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes (2. KitaÄndG) vom 07. Juli 2000 (GVBl. I S. 106) und Art. 2 des Gesetzes zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts im Haushalt (Haushaltsstrukturgesetz 2002 - HStrG 2002) vom 18. Dezember 2001 (GVBl. I S. 316) hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2003 für R e c h t erkannt: 1. Art. 3 Nr. 3 des Gesetzes zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts im Haushalt (Haushaltsstrukturgesetz 2000 - HStrG 2000) vom 28. Juni 2000 (GVBl. I S. 90) und Art. 1 Nr. 10 a) des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes (2. KitaÄndG) vom 07. Juli 2000 (GVBl. I S. 106) - betreffend § 12 Abs. 1 KitaG - sowie Art. 1 Nr. 10 c) Satz 1 und 2 und Nr. 10 d) 2. KitaÄndG - betreffend § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 und Abs. 4 KitaG - und Art. 1 Nr. 14 2. KitaÄndG - soweit § 16 Abs. 4 KitaG betreffend - sind wegen Verletzung der Beschwerdeführerinnen zu 1. und 2. in ihrem Recht auf Selbstverwaltung mit der Landesverfassung unvereinbar.2. Weiter sind Art. 3 Nr. 4 HStrG 2000 und Art. 1 Nr. 14 2. KitaÄndG - soweit § 16 Abs. 1 bis 3 und 5 KitaG betreffend - sowie Art. 1 Nr. 15 2. KitaÄndG und Art. 2 des Gesetzes zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts im Haushalt (Haushaltsstrukturgesetz 2002 - HStrG 2002) vom 18. Dezember 2001 (GVBl. I S. 316) - betreffend § 16a KitaG - und Art. 1 Nr. 17 2. KitaÄndG - betreffend § 18 KitaG - wegen Verletzung der Beschwerdeführerin zu 2. in ihrem Recht auf Selbstverwaltung mit der Landesverfassung unvereinbar. 3. Die als unvereinbar mit der Landesverfassung festgestellten Regelungen bleiben bis zum Ablauf des 31. Dezember 2003 in Geltung. 4. Das Land Brandenburg hat den Beschwerdeführerinnen die in dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. G r ü n d e : A. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen Änderungen des Zweiten Gesetzes zur Ausführung des Achten Buches des Sozialgesetzbuches - Kinder- und Jugendhilfe - Kindertagesstättengesetz (KitaG) vom 10. Juni 1992 (GVBl. I S. 178), denen zufolge sich der Rechtsanspruch auf Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung in einer Kindertagesstätte gegen die Gemeinden richtet und den Gemeinden die Verpflichtung zur Bereitstellung von Plätzen für die Kindertagesbetreuung und zu finanziellen Zuschüssen auferlegt wird. I. Durch das Gesetz zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts im Haushalt (Haushaltsstrukturgesetz 2000 HStrG 2000) vom 28. Juni 2000 (GVBl. I S. 90) wurde der in § 1 KitaG verankerte Rechtsanspruch wie folgt neu gefaßt: § 1
Der Anspruch nach § 1 KitaG richtete sich gemäß § 12 Abs. 1 KitaG a.F. gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und somit - gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) - gegen die Kreise und kreisfreien Städte. Durch Art. 3 Nr. 3 HStrG 2000 wurde § 12 Abs. 1 KitaG neu gefaßt. Weiter wurde durch Art. 1 Nr. 10 a) des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes (2. KitaÄndG) vom 07. Juli 2000 (GVBl. I S. 106) § 12 Abs. 1 Satz 4 KitaG angefügt. Zugleich wurde durch Art. 1 Nr. 10 c) und d) 2. KitaÄndG § 12 Abs. 3 und 4 KitaG neu gefaßt. § 12 KitaG lautet nun: § 12
Außerdem wurde durch Art. 3 Nr. 4 HStrG 2000 § 16 KitaG geändert. Diese Änderungen traten gemäß Art. 22 HStrG 2000 am 01. Juli 2000 in Kraft. Die Neufassung des § 12 Abs. 1 KitaG trat gemäß Art. 22 HStrG 2000 hingegen am 01. Januar 2001 in Kraft. Durch Art. 1 Nr. 14 und 17 des 2. KitaÄndG wurden die §§ 16 und 18 KitaG wie folgt neu gefaßt: § 16
§ 18
Das 2. KitaÄndG trat am 01. Januar 2001 in Kraft. § 16a KitaG, eingefügt durch Art. 1 Nr. 15 des 2. KitaÄndG, wurde durch Art. 2 des Gesetzes zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts im Haushalt (Haushaltsstrukturgesetz 2002 - HStrG 2002) vom 18. Dezember 2001 (GVBl. I S. 316), in Kraft getreten am 01. Januar 2002, wie folgt neu gefaßt: § 16 a
II. 1. Die Beschwerdeführerin zu 1. wendet sich mit ihrer am 03. November 2001 erhobenen Verfassungsbeschwerde gegen die Neufassung der §§ 12 Abs. 1 und 16 Abs. 4 KitaG. Sie unterhält derzeit zwei Kindertagesstätten. Sie macht geltend: Eine Verletzung des durch Art. 97 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) gewährleisteten Rechts auf kommunale Selbstverwaltung in Gestalt der Gebiets-, Finanz-, Planungs- und Personalhoheit ergebe sich schon daraus, daß sie mit der Errichtung und dem Betrieb von Kindertageseinrichtungen bisher eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe wahrgenommen habe, nun aber zur Bereitstellung von Kindertageseinrichtungen als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe gezwungen werde, womit ein höherer Verwaltungsaufwand und weitere Kosten verbunden seien. Im Jahre 2001 hätten 41 Kinder aus ihrem Gemeindegebiet Kindertagesstätten von Nachbargemeinden besucht. Sie habe hierfür rund 134.000 DM zu erstatten. Dem Land Brandenburg fehle die Gesetzgebungskompetenz für die angegriffenen Regelungen. Der Landesrechtsvorbehalt in § 69 Abs. 5 Satz 4 SGB VIII decke nicht die Übertragung der Leistungsverpflichtung auf die Gemeinden in § 12 Abs. 1 KitaG. Die Kinder- und Jugendhilfe sei als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung gem. Art. 71 Abs. 1 Nr. 7 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG mit der insoweit abschließenden Regelung in §§ 69, 79 SGB VIII einer landesgesetzlichen Regelung entzogen. Das Regel-Ausnahmeverhältnis der Aufgabenwahrnehmung werde verkehrt. Die bisher durch die Rechtsprechung entschiedenen Fälle seien nicht vergleichbar, da den Gemeinden dort - anders als hier - lediglich eine Mitwirkung bei der Sicherstellung der Betreuung in Kindertagesstätten abverlangt, nicht jedoch die Kindertagesbetreuung als Ganzes und in alleiniger Verantwortung übertragen werde. Auch für § 16 Abs. 4 KitaG fehle die Gesetzgebungskompetenz, da es sich um Folgeregelungen zu § 12 Abs. 1 KitaG handele. Für die Übertragung der Betreuung in Kindertagesstätten auf die Gemeinden als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe seien hinreichende Gründe des öffentlichen Wohls nicht zu erkennen. Im übrigen hätten die Gemeinden kaum Möglichkeiten, an der Bedarfsplanung mitzuwirken, so daß letztlich Planungsverantwortung und Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfielen. § 16 Abs. 4 KitaG führe dazu, daß eine Gemeinde auch dann, wenn sie für sämtliche Kinder der Gemeinde Kindertagesplätze vorhalte, Kindertagesstättenplätze in Nachbargemeinden mitfinanzieren müsse. Damit werde zugleich in die Planungshoheit der Gemeinden eingegriffen. Die Beschwerdeführerin zu 1. beantragt
2. Die Beschwerdeführerin zu 2. wendet sich mit ihrer am 24. Dezember 2001 erhobenen Verfassungsbeschwerde gegen die Neufassung der §§ 12 Abs. 1, 16, 16a und 18 KitaG. Sie unterhält derzeit 8 Kindertagesstätten, in denen 345 Kinder betreut werden. 20 Kinder besuchen Kindertagesstätten in Nachbargemeinden. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin zu 2. sind im Jahre 2001 183.000,00 DM als Kostenausgleich an Nachbargemeinden gezahlt und 143.000,00 DM von anderen Gemeinden erstattet worden. Die Beschwerdeführerin zu 2. teilt die rechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin zu 1. und macht ergänzend geltend, daß sich die Aufgabenübertragung (auch) als unzulässiger Eingriff in die Finanzhoheit darstelle, da sie geeignet sei, die finanzielle Basis der Selbstverwaltung auszuhöhlen. Die Kostentragungsregelung in § 16 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 18 KitaG stelle sich als Folgeregelung der Aufgabenübertragung dar und könne deshalb ebenfalls keinen Bestand haben. Die Kostenerstattungsregelung des § 16 Abs. 5 KitaG verstoße gegen Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV, da kein voller Kostenausgleich, sondern lediglich ein der Höhe nach begrenzter Zuschuß vorgesehen werde. Das Nämliche gelte für § 16a KitaG. Es fehle an einer den Anforderungen des Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV genügenden gesetzgeberischen Prognose über die den Gemeinden entstehenden Kosten und den daraus resultierenden Umfang der Kostenerstattung seitens des Landes. Die Beschwerdeführerin zu 2. beantragt
III. Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und der Landkreistag Brandenburg haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. 1. Die Landesregierung hält die Gesetzgebungskompetenz des Landes für gegeben. Der Bundesgesetzgeber habe das Recht der Kindertagesbetreuung nicht abschließend geregelt. Das Land könne sich auf § 69 Abs. 5 Satz 4 SGB VIII stützen, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des § 69 SGB VIII ergebe. Die Übertragung der Leistungsverpflichtung für die Kindertagesbetreuung lasse den weitaus überwiegenden Anteil der Ausgaben beim örtlichen Träger. Seine Gesamtverantwortung bleibe unberührt. Auch zu der Regelung in § 16 Abs. 4 KitaG sei der Landesgesetzgeber befugt gewesen. Die sich gegebenenfalls als Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung darstellende Übertragung einer neuen pflichtigen Selbstverwaltungsaufgabe sei jedenfalls aus Gründen des gemeinen Wohls gerechtfertigt. Bezüglich der Kostenerstattungspflicht nach § 16 Abs. 4 KitaG liege es in der Hand der Gemeinden, auf die Ausübung des Wahlrechts der Eltern durch eine Veränderung der Angebotsstruktur zu reagieren. §§ 16 Abs. 5, 16a KitaG verstießen nicht gegen das Konnexitätsprinzip des Art. 97 Abs. 2 Satz 2 und 3 LV, weil es sich nicht um eine neue öffentliche Aufgabe handele. Eine Kostenprognose sei dem Gesetzgeber bei rund 1000 Gemeinden angesichts der unterschiedlichen gemeindlichen Gegebenheiten nahezu unmöglich gewesen. Unter solchen Umständen sei an das Erfordernis der gesetzgeberischen Prognose ein milderer Maßstab anzulegen. 2. Der Landkreistag Brandenburg schließt sich im wesentlichen den Ausführungen der Landesregierung an und bejaht die Gesetzgebungskompetenz des Landes. Die Gemeinden seien nicht Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sondern erfüllten lediglich einzelne Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII. 3. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg tritt dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen bei und ist mit ihnen der Auffassung, daß dem Land die Gesetzgebungskompetenz fehle. Hätte der Bundesgesetzgeber den Ländern ermöglichen wollen, die Gemeinden zur Wahrnehmung von Jugendhilfeaufgaben zu verpflichten, hätte er dies etwa wie bei der Öffnungsklausel in § 96 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) eindeutig zum Ausdruck gebracht. Auch das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Aufgabenwahrnehmung durch Kreise und Gemeinden werde verkehrt. Indem den Gemeinden auferlegt werde, für den Anspruch auf Betreuung in einer Kindertagesstätte einzustehen und für geeignete Kindertagesplätze zu sorgen, werde der bedeutsamste und kostenträchtigste Leistungsbereich der Jugendhilfe auf die Gemeinden verlagert. Im Leistungsbereich nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII hätten die Landkreise nur noch Planungskompetenzen. Die Gesamt- und Letztverantwortung in diesem Leistungsbereich liege aber nicht mehr bei ihnen, sondern bei den Gemeinden. Hinreichende Gründe des öffentlichen Wohls für die Übertragung der Aufgabe auf die Gemeinden seien nicht ersichtlich. Ferner werde, weil keine volle Kostendeckung sichergestellt sei, gegen das Konnexitätsprinzip des Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV verstoßen. Für die bei den Gemeinden entstehenden Kosten gebe es keine gesetzgeberische Prognose. IV. Die kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren sind durch Beschluß vom 20. Juni 2002 VfGBbg 54/01 und VfGBbg 69/01-verbunden worden. B. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Soweit sich die Beschwerdeführerinnen gegen Vorschriften des KitaG wenden, sind die das KitaG ändernden Gesetze - HStrG 2000, 2. KitaÄndG und HStrG 2002 - Verfahrensgegenstand. I. 1. Die Beschwerdebefugnis (Art. 100 LV, § 51 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg - VerfGGBbg -) ergibt sich daraus, daß jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen ist, daß die Beschwerdeführerinnen in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 97 LV in Gestalt der Organisations-, Planungs-, Personal- und Finanzhoheit (vgl. hierzu: Vogelsang/Lübking/Jahn, Kommunale Selbstverwaltung, 2. Auflage 1997, Rn. 97 ff.) verletzt sind. Allerdings hat das erkennende Gericht bisher noch nicht darüber zu entscheiden gehabt, ob das Recht auf kommunale Selbstverwaltung außer durch Aufgabenentzug (Hochzonung: BVerfGE 79, 127; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 21. März 2002 - VfGBbg 19/01 -, LKV 2002, 516; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 17. Juli 1997 - VfGBbg 1/97 -, LVerfGE 7, 74; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 17. Oktober 1996 - VfGBbg 5/95 -, LVerfGE 5, 79) auch durch Aufgabenübertragung bzw. - wie hier - durch Auferlegung einer bisher nur freiwillig wahrgenommenen Aufgabe als Pflichtaufgabe verletzt werden kann. Dies anzunehmen liegt indes durchaus nahe, so daß jedenfalls die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerinnen nicht zweifelhaft sein kann (vgl. auch Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen DVBl. 1993, 197, 198; Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz DÖV 2001, 601, 602; Löwer in: v. Münch/Kunig, GGK II, 5. Auflage 2001, Rn. 54 ff. zu Art. 28m.w.N.).2. Die für Individualverfassungsbeschwerden geltende Sachentscheidungsvoraussetzung einer vorherigen Erschöpfung des Rechtswegs bzw. der Grundsatz der Subsidiarität gelten nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts für die Kommunalverfassungsbeschwerde allenfalls in abgeschwächter Form (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2000 - VfGBbg 53/98 und 3/99 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 3, 22; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 14. Februar 2002 - VfGBbg 17/01 -, LKV 2002, 323). Unter diesem Gesichtspunkt sind hier Zulässigkeitsbedenken nicht zu erheben. 3. Die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde (§ 51 Abs. 2 VerfGGBbg) ist gewahrt. Für die Frage der Rechtzeitigkeit der kommunalen Verfassungsbeschwerde ist hier auf das Inkrafttreten von Art. 3 Nr. 3 HStrG 2000 am 01. Januar 2001 (Art. 22 HStrG 2000) abzustellen. II. Die Auferlegung der Verpflichtung zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindertagesstättenplatz (§ 12 Abs. 1 Satz 1 KitaG) und zur Bereithaltung eines bedarfsgerechten Angebots an Kindertagesstättenplätzen (§ 12 Abs. 1 Satz 3 KitaG) nimmt die Beschwerdeführerinnen zu Lasten anderer Aufgaben der gemeindlichen Selbstverwaltung in die Pflicht und stellt sich damit - offensichtlich und auch von der Landesregierung nicht ernstlich in Abrede genommen - als Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung dar. Dieser Eingriff ist schon formell verfassungswidrig. Das Land hat seine Gesetzgebungskompetenz überschritten. Damit können auch Folgeregelungen keinen Bestand haben. 1. Das erkennende Gericht hat schon früher ausgesprochen, daß es gehalten ist, zunächst die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers zu überprüfen, und hierzu ausgeführt: In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß das Landesverfassungsgericht bei der Prüfung, ob der brandenburgische Gesetzgeber sich im Rahmen seiner Kompetenzen bewegt, nicht gehalten ist, dies als bundesrechtliche Vorfrage zu klären und gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG anzurufen. Es hat vielmehr eigenständig und abschließend zu prüfen, ob ein Verstoß gegen bundesrechtliche Kompetenzvorschriften einen Verstoß gegen die Brandenburgische Landesverfassung darstellt. Der landesverfassungsrechtliche Anknüpfungspunkt für diese Prüfungspflicht liegt im Rechtsstaatsgebot des Art. 2 LV, das es dem Landesgesetzgeber untersagt, Landesrecht zu setzen, ohne dazu befugt zu sein (vgl. auch BayVerfGHE 45, 33, 40 f.) (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 21. März 1996 - VfGBbg 18/95 -, LVerfGE 4, 114, 129; vgl. auch Urteil vom 18. Juni 1998 - VfGBbg 27/97 -, LVerfGE 8, 97, 118; für das schleswig-holsteinische Landesverfassungsrecht das eine Art. 2 Abs. 5 der Brandenburgischen Landesverfassung entsprechende Verfassungsnorm nicht enthält - BVerfGE 103, 332, 349 ff.). Insofern wirkt mit dem Rechtsstaatsgebot die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Landes auf das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung herüber (vgl. dazu: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2000 - VfGBbg 53/98 und 3/99 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 3, 20 ; BVerfGE 71, 25, 37 m.w.N.), und gehört deshalb - wegen der (subjektiven) abwehrrechtlichen Schutzfunktion der Art. 2, 97 LV - zum Prüfungsprogramm im Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren (vgl. zu Art. 2 LV als Prüfungsmaßstab im Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren i.V.m. den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2000 - VfGBbg 53/98 und 3/99 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 3, 20; vgl. auch Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern LKV 1999, 319).2. Der Bundesgesetzgeber hat nach Maßgabe des SGB VIII von seiner ihm durch Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 7 GG bzw. Art. 84 Abs. 1 (a.E.) GG eröffneten konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Damit korrespondierend (vgl. Art. 72 Abs. 1 GG: solange und soweit) ist dem Landesgesetzgeber eine mit den Regelungen des SGB VIII unvereinbare Verlagerung der Verantwortung für die Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung von Kindern in Kindertagesstätten auf die Gemeinden von Verfassungs wegen versperrt (vgl. Pieroth in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 6. Auflage 2002, Rn. 2 ff. zu Art. 72). Hiernach sind die in der Entscheidungsformel genannten Gesetzesbestimmungen nicht von der Gesetzgebungskompetenz des Landes gedeckt. Im einzelnen: a. Das erkennende Gericht hält die Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers für das SGB VIII aus Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 7 GG nicht für zweifelhaft und schließt sich insoweit im Ergebnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 97, 332, 341 ff.), des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt (LVerfGE 9, 368, 378 ff.) und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (NVwZ 1995, 191, 192; NVwZ 1995, 195) an (teilweise abweichend: OVG Berlin NJW 1982, 954; Maunz in: MDHS, Grundgesetz-Kommentar, Stand: Juni 2002, Rn. 116 zu Art. 74 GG; Kunig in: v. Münch/Kunig, GGK III, 3. Auflage 1996, Rn. 34 zu Art. 74; Isensee, DVBl. 1995, 1, 5 f.; Pestalozza in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Das Bonner Grundgesetz, 3. Auflage 1996, Rn. 340 zu Art. 74). b. In Wahrnehmung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) hat der Bundesgesetzgeber durch § 69 SGB VIII geregelt, wer örtlicher Träger der Jugendhilfe sein kann, und insoweit eine erschöpfende und damit abschließende Regelung getroffen (vgl. BVerfGE 85, 134, 142 m.w.N.; Oeter in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, 4. Auflage 2000, Rn. 66 zu Art. 72 Abs. 1). Im gleichen Umfange hat der Landesgesetzgeber seine Gesetzgebungskompetenz verloren (vgl. BVerfGE 102, 99, 114 f. m.w.N.: Sperrwirkung). Hieran gemessen schließt § 69 SGB VIII eine derart weitgehende Verlagerung der Verantwortung für die Betreuung in Kindertagesstätten auf die Gemeinden durch den Landesgesetzgeber, wie sie hier durch § 12 Abs. 1 Satz 1 und 3 KitaG erfolgt ist, aus. aa. Das SGB VIII begründet durch § 69 Abs. 1 für Aufgaben der Jugendhilfe, zu denen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege gehört, ein zweistufiges Trägersystem. Überörtlicher Träger ist im Land Brandenburg gemäß § 8 Erstes Gesetz zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (AGKJHG) in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII das Land selbst. Örtliche Träger sind kraft ausdrücklicher Bestimmung in § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII die Kreise und kreisfreien Städte. Kreisangehörige Gemeinden können gemäß § 69 Abs. 2 SGB VIII unter den weiteren dort genannten Voraussetzungen nur auf Antrag zu örtlichen Trägern bestimmt werden. Einen solchen Antrag haben die Beschwerdeführerinnen ersichtlich nicht gestellt. bb. Weiter können nach § 69 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII auch kreisangehörige Gemeinden und Gemeindeverbände, die nicht örtliche Träger sind, für den örtlichen Bereich Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen. Sie haben sich für diesen Fall mit den örtlichen Trägern abzustimmen (Satz 2). Für die Zusammenarbeit mit den Trägern der freien Jugendhilfe gelten die §§ 4, 74, 76 und 77 entsprechend (Satz 3). Das Landesrecht kann Näheres regeln (Satz 4). Ob sich für die hier in Frage stehende Regelung eine Gesetzgebungskompetenz des Landes aus § 69 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII oder aus § 69 Abs. 5 Satz 4 SGB VIII ergibt, kann letztlichoffenbleiben. (a) Gemäß § 69 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII können Gemeinden und Gemeindeverbände für den örtlichen Bereich Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen. Dies stellt jedenfalls bei unbefangenem Verständnis des Wortlauts die Wahrnehmung von Jugendhilfeaufgaben in das Belieben der kreisangehörigen Gemeinden. Sie dürfen (einzelne) Aufgaben (i.S.d. § 2 Abs. 2 SGB VIII) wahrnehmen, ohne gegen die Kompetenz des örtlichen Trägers zu verstoßen, müssen es aber nicht. § 69 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII ist - vor dem Hintergrund einer als erschöpfend zu verstehenden Gesamtregelung in den Absätzen 1 bis 5 des § 69 SGB VIII - nach Wortlaut und Gesetzgebungsgeschichte nicht als Ermächtigung zu einer landesrechtlichen Verpflichtung der Gemeinden zur Aufgabenwahrnehmung zu verstehen. Dies bestätigt sich darin, daß der Bundesgesetzgeber an anderen Stellen die Befugnis zu einer landesrechtlichen Aufgabenübertragung ausdrücklich und unzweideutig formuliert hat (vgl. die landesrechtliche Öffnungsklausel in § 89g SGB VIII, ferner in §§ 15, 26, 49, 78e Abs. 1 SGB VIII; vgl. auch z.B. § 96 Abs. 1 BSHG). Auch die Gesetzesgeschichte spricht für die nach dem Wortlaut naheliegende Auslegung. Der Gesetzesentwurf für das SGB VIII sah für § 61 Abs. 5 - den späteren § 69 Abs. 5 SGB VIII - folgende Fassung vor (BT-Drs. 11/5948, S. 21):
Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drs. 11/5948, S. 94 f.) sollte durch diese Regelung das tatsächlich bestehende also das aus eigenem Antrieb bereitgestellte - gemeindliche Jugendhilfeangebot dem SGB VIII unterstellt werden. Auf Anregung des Bundesrates wurde in § 61 Abs. 5 dann die Einholung des Einvernehmens des örtlichen Trägers sogar noch gestrichen, da dies einen zu weitgehenden Eingriff in das kommunale Selbstverwaltungsrecht darstelle (BT-Drs. 11/5948, S. 142). Dieser Auffassung schloß sich die Bundesregierung an (BT-Drs. 11/6002, S. 9). § 69 Abs. 5 SGB VIII erhielt sodann den heutigen Wortlaut. Hiernach ging es eher darum, eine freiwillige Betätigung der Gemeinden in diesem Bereich auch nur von einem Einvernehmenserfordernis freizuhalten, und jedenfalls nicht darum, eine landesrechtliche Verpflichtung der Gemeinden zur Wahrnehmung von Jugendhilfeaufgaben zu ermöglichen. (b) Der Landesrechtsvorbehalt in Satz 4 zur Regelung weiterer Einzelheiten (BT-Drs. 11/5948, S. 95) kann nach Sinn und Zweck allein als Ausgestaltungsermächtigung für die Abstimmung mit dem örtlichen Träger (Satz 2) und die Zusammenarbeit mit den freien Trägern (Satz 3), nicht aber als Ermächtigung zu einem landesgesetzlichen Zwang zur Wahrnehmung von Jugendhilfeaufgaben und zur Einlösung damit verbundener rechtlicher Verpflichtungen - wie hier des Rechtsanspruchs auf einen Kindertagesstättenplatz - durch die Gemeinden verstanden werden (vgl. Schellhorn, SGB VIII/KJHG, Rn. 23 zu § 69; Vondung in: Kunkel (Hrsg.), Kinder- und Jugendhilfe, Lehr- und Praxiskommentar (LPK-SGB VIII), 1998, Rn. 11 f. zu § 69; Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, 2. Auflage 2000, Rn. 50 zu § 69; Kunkel, NDV 1992, 285). cc. Letztlich bedarf indes die Frage, ob § 69 Abs. 5 SGB VIII eine landesgesetzliche Verpflichtung der Gemeinden zur Wahrnehmung einzelner Jugendhilfeaufgaben zuließe, keiner abschließenden Beantwortung. Denn auch unabhängig hiervon widerspricht es den bundesrechtlichen Vorgaben, daß der Landesgesetzgeber die Verantwortung für die Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten so weitgehend wie hier geschehen, nämlich bis hin zum Einstehenmüssen für den Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz, auf die Gemeinden verlagert hat. In der hier vorgenommenen Ausgestaltung läuft dies auf eine durch die Landesgesetzgebungskompetenz nicht mehr gedeckte teilweise Übertragung der Trägerschaft für Jugendhilfeaufgaben, nämlich für eine der bedeutsamsten Aufgaben der Jugendhilfe, auf die Gemeinden hinaus, wie sie nach § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nur auf Antrag und selbst dann nur für den Fall zulässig ist, daß ihre Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Aufgabe gewährleistet ist. (a) Allerdings hat hier der Landesgesetzgeber die örtliche Trägerschaft der Kreise der Form nach aufrechterhalten und durch § 12 Abs. 1 Satz 1 KitaG lediglich bestimmt, daß sich der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz gegen die Gemeinden richtet, und ihnen dabei die Verpflichtung auferlegt, für ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen zu sorgen (Satz 3). Auch geht es nur um eine der in § 2 Abs. 2 SGB VIII genannten Aufgaben der Jugendhilfe. Ferner nimmt der Landkreis nach § 12 Abs. 4 Satz 2 KitaG i. V. m. § 80 SGB VIII unter Berücksichtigung der Planungen der Gemeinden die übergreifende Planungsverantwortung wahr und stellt einen Bedarfsplan für die Kindertagesbetreuung auf. (b) Unbeschadet dessen stellt sich die brandenburgische Regelung der Sache nach als eine Verlagerung der örtlichen Trägerschaft für eine wesentliche Aufgabe der Jugendhilfe auf die kreisangehörigen Gemeinden - und zwar im Falle der Beschwerdeführerinnen gegen ihren Willen - dar. Die Gemeinden werden nach der Art der Regelung rechtlich, planerisch und wirtschaftlich in eine Position gedrängt, die so stark durch trägerschaftliche Elemente geprägt ist, daß die Aufgabenübertragung an § 69 Abs. 2 SGB VIII zu messen ist, also insbesondere nur auf Antrag der Gemeinde erfolgen kann. So hat gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 KitaG allein die Gemeinde für den Anspruch auf Betreuung in einer Kindertagesstätte geradezustehen. Sie ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 KitaG verpflichtet, für ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen zu sorgen. Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 KitaG hat sie (im Benehmen mit dem Landkreis) die zur Erfüllung des Anspruchs auf Betreuung in einer Kindertagesstätte erforderlichen Angebote rechtzeitig zu planen. Der Landkreis beschränkt sich darauf, die Gemeinde bei ihrer Planung zu unterstützen und sie in Fragen der Kindertagesbetreuung zu beraten (§ 12 Abs. 4 Satz 1 KitaG). Auch das Kosten- und Finanzierungsrisiko liegt letztlich bei der Gemeinde. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 KitaG hat sie, soweit die Eigenleistungen des Trägers (der Einrichtung) und Elternbeiträge nicht ausreichen, Zuschüsse zu leisten und notfalls zu erhöhen (§ 16 Abs. 2 Satz 4 KitaG). Das Land trägt zu den Kosten der Kindertagesbetreuung mit einem auf die Gemeinden umzuverteilenden festen Gesamtbetrag bei (§ 16 Abs. 5 Satz 1 bis 4 KitaG). Der Landkreis als der (eigentliche) örtliche Träger beteiligt sich an den Kosten mit einem Zuschuß, der sich nach der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Regelung nach den für die Kindertagesbetreuung im Jahre 1999 aufgewandten Kosten der Kindertagesbetreuung bemißt (§ 16a Satz 1 und 2 KitaG). Demzufolge sind die Kostenbeiträge von anderer Seite jeweils limitiert. Für den Rest hat die Gemeinde selbst aufzukommen. Hiernach erscheint die formal fortbestehende örtliche Trägerschaft der Landkreise weitgehend entleert. In Wahrheit wird in einer der wichtigsten und brisantesten Jugendhilfeaufgaben aus dem Katalog des § 2 SGB VIII, die gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII in die örtliche Trägerschaft der Landkreise und kreisfreien Städte gehört, die Verantwortung so weitgehend auf die Gemeinden verlagert, daß sie in diesem Bereich der Kindertagesstättenbetreuung praktisch an die Stelle des örtlichen Trägers treten. Dies zeigt sich insbesondere in der Einstandspflicht für die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindertagesstättenplatz gegenüber den Berechtigten. Eine Klage zur Einlösung des Rechtsanspruchs auf einen Kindertagesstättenplatz wäre danach allein gegen die Gemeinde zu richten. Gerade das rechtliche Einstehenmüssen nach außen, die juristische Verantwortung im Außenverhältnis, ist ein kennzeichnendes Element der Trägerschaft (vgl. etwa für das Sozialhilferecht Schellhorn/Jirasek/Seipp, Bundessozialhilfegesetz, 15. Auflage 1997, Rn. 8 zu § 96: Einheit von Trägerschaft und haftungsrechtlicher Verantwortung; für das Abfallrecht § 16 Abs. 1 Satz 2 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz: kein Fortfall der Verantwortlichkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers für die Erfüllung der Pflichten bei Übertragung der Aufgabe auf Dritte). Eine solche die juristische Verantwortung und damit ein Kernelement der Trägerschaft auf die Gemeinden verlagernde Regelung ist dem Landesgesetzgeber außer unter den - im Falle der Beschwerdeführerinnen ersichtlich nicht gegebenen - Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII (auf Antrag) verwehrt. Das SGB VIII ist - stärker noch als vorher das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) - von der Zweistufigkeit der Trägerschaft bei örtlicher Trägerschaft der Kreise und kreisfreien Städte geprägt (vgl. Wiesner in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, 2. Auflage 2000, Rn. 50 zu § 69). Eine Betätigung der kreisangehörigen Gemeinden ist abgesehen von § 69 Abs. 2 SGB VIII (Trägerschaft auf Antrag) und der Wahrnehmung einzelner Aufgaben gemäß § 69 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII auch in Form einer (auf einzelne Jugendhilfeaufgaben beschränkten und in diesem Sinne) sektoralen Teilträgerschaft nicht vorgesehen und kann daher durch die Länder auch nicht bestimmt werden. Im Lichte dieser zweistufigen Trägerstruktur erscheint eine Verlagerung auf kreisangehörige Gemeinden ohne eigenes Jugendamt - wenigstens normativ - als Ausnahme, nicht als eine durch das Landesrecht bestimmbare Regel. Eine solche Entscheidung könnte darüber hinaus auch nicht flächendeckend erfolgen, sondern müßte auch die individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen Gemeinden berücksichtigen (vgl. auch Art. 17 BayKJHG). Im übrigen spricht auch die Zuweisung der Aufgaben der Jugendhilfe zur kommunalen Selbstverwaltung dafür, daß die Entscheidung bei der Gemeinde selbst liegt (in diesem Sinne sogar schon für die Übertragung einzelner Aufgaben der Jugendhilfe - Wiesner in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, 2. Auflage 2000, Rn. 50 zu § 69). dd. Das hier gefundene Ergebnis ergibt sich auch aus § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII i.V.m. § 24 SGB VIII. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII richten sich Leistungsverpflichtungen, die durch das SGB VIII begründet - bzw. was gleichstehen muß - festgeschrieben werden, unzweideutig an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Der Rechtsanspruch auf den Besuch eines Kindergartens folgt aber - unabhängig von den Regelungen auf Landesebene - bereits aus § 24 SGB VIII. Anspruchsgegner ist auch von daher zwingend der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, und zwar - zufolge § 85 SGB VIII - der örtliche Träger der Jugendhilfe. Der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz richtet sich damit aus dem SGB VIII heraus allein gegen die Landkreise und kreisfreien Städte und nur unter den - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gegen kreisangehörige Gemeinden. Auch von daher war es dem Landesgesetzgeber verwehrt zu bestimmen, daß sich der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz flächendeckend gegen die Gemeinden richtet. ee. Die vorliegende Entscheidung gerät nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1967 zum damaligen JWG (BVerfGE 22, 180). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung Zurückhaltung des Bundesgesetzgebers im Bereich der den Ländern als eigene Angelegenheit obliegenden Ausführung von Bundesgesetzen (Art. 84 GG) angemahnt (BVerfGE 22, 180, 209 f.) und sich auf den Standpunkt gestellt, daß es sich bei diesen Bereich betreffenden bundesgesetzlichen Regelungen immer nur um punktuelle Annexregelungen zu einer zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehörenden materiellen Regelung handeln dürfe (BVerfGE 22, 180, 210). Hiermit bleibt die vorliegende Entscheidung im Einklang. Der Bundesgesetzgeber war zu der Abstufung zwischen örtlicher und überörtlicher Trägerschaft (§ 69 Abs. 1 SGB VIII) und zur Bestimmung der Kreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger (mit der Möglichkeit der Bestimmung von Gemeinden zu örtlichen Trägern auf Antrag und bei Leistungsfähigkeit - § 69 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VIII -) als Annex zu den materiellen Regelungen des SGB VIII und zur Absicherung eines diesbezüglich wirksamen Gesetzesvollzugs (vgl. BVerfGE 77, 288, 299; 22, 180, 210 und Leitsatz 2.) kompetentiell befugt (vgl. die dahingehende Regelungskompetenz stillschweigend bejahend: BVerfG LKV 1994, 145; ausdrücklich bejahend: Staatsgerichtshof Baden-Württemberg DVBl. 1999, 1351, 1352 f.). Er hat sich hierbei ersichtlich davon leiten lassen, daß die Voraussetzungen für die örtliche Trägerschaft bei den Landkreisen und kreisfreien Städten stets, bei den Gemeinden aber nur für den Fall anzunehmen seien, daß sie die Trägerschaft wünschten (auf Antrag) und ihre Leistungsfähigkeit gewährleistet sei (vgl. ferner zur punktuellen Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers Hermes in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Rn. 40 ff. zu Art. 84; Pieroth in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 6. Auflage 2002, Rn. 2 zu Art. 84). Dann aber muß eben diese Leiterwägung des Bundesgesetzgebers auf die Ermittlung des den Ländern verbleibenden Regelungsspielraums durchschlagen. Auch von daher erweist sich die pauschalierend ohne Rücksicht auf die Verhältnisse der einzelnen Gemeinde erfolgte und auf eine Teilträgerschaft (nämlich für eine wesentliche Jugendhilfeaufgabe) hinauslaufende Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 1 (und Satz 3) KitaG als von der Gesetzgebungskompetenz des Landes nicht gedeckt. ff. Das erkennende Gericht sieht sich an der hier getroffenen Entscheidung auch nicht durch die zu anderweitigen Kita-Regelungen ergangene Rechtsprechung anderer Verfassungsgerichte gehindert. Die dort verfahrensgegenständlichen landesgesetzlichen Regelungen sind mit den hier zur Überprüfung gestellten nicht identisch und weniger weitgehend. Insbesondere erlegen sie den Gemeinden nicht die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindertagesstättenplatz auf. So verpflichtet die vom Bundesverfassungsgericht als bundesrechtskonform angesehene Regelung in § 22 Abs. 2 des Thüringer Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder als Landesausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz die Wohnsitzgemeinde lediglich, die erforderlichen Plätze bereitzustellen, ohne sie dem Rechtsanspruch auf Erfüllung des Anspruchs auf einen Kindertagesstättenplatz auszusetzen (BVerfG - 1. Kammer des Zweiten Senats - LKV 1994, 145). Die Regelung in § 12 Abs. 2 des sachsen-anhaltinischen Kinderbetreuungsgesetzes, die das Verfassungsgericht Sachsen-Anhalt für (kompetentiell) bundesrechtskonform gehalten hat (LVerfGE 9, 390), enthält lediglich die Verpflichtung der kreisangehörigen Gemeinden, zu einer bedarfsgerechten Versorgung mit Plätzen der Kindertagesbetreuung beizutragen. Mit der sachsen-anhaltinischen Regelung wird den Gemeinden lediglich eine Sicherstellungsfunktion auferlegt, die neben die Verpflichtung des örtlichen Trägers tritt (a.a.O., S. 403). 3. War nach dem Vorstehenden der Landesgesetzgeber nicht befugt, die kreisangehörigen Gemeinden der Verpflichtung zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindertagesstättenplatz (§ 12 Abs. 1 Satz 1 KitaG) und - als solcherart Leistungsverpflichtete - zur Bereithaltung eines bedarfsgerechten Angebots an Kindertagesstättenplätzen (§ 12 Abs. 1 Satz 3 KitaG) auszusetzen, werden auch die daran anknüpfenden Regelungen der sich ergebenden Folgefragen - bei Übertragung der Aufgabe von amtsangehörigen Gemeinden auf das Amt in § 12 Abs. 1 Satz 2 KitaG, für die Anspruchsfeststellung in § 12 Abs. 1 Satz 4 KitaG, für die Planung in § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 und Abs. 4 KitaG sowie für die Finanzierung in §§ 16, 16a KitaG von der Verfassungswidrigkeit erfaßt und können deshalb in dieser Form keinen Bestand haben. Soweit die Beschwerdeführerinnen selbst lediglich § 12 Abs. 1 KitaG, nicht jedoch dessen Absätze 3 und 4 angegriffen haben, ergibt sich die Aufhebung der weiteren Vorschriften auch daraus, daß die betreffenden Vorschriften als ineinandergreifende Gesamtregelung eine untrennbare Einheit bilden (s. §§ 41 Satz 2, 51 Abs. 3 VerfGGBbg; vgl. auch BVerfGE 47, 253, 284; 22, 134, 152; Schmidt-Bleibtreu in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Stand: Juli 2002, Rn. 32 f. zu § 95; Rennert in Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Rn. 38 zu § 95; Stuth in Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Rn. 25 zu § 78) und somit nur ein Torso bestehen bliebe. Nachdem § 16a KitaG, durch Art. 1 Nr. 15 des 2. KitaÄndG eingeführt, inzwischen durch Art. 2 HStrG 2002 neu gefaßt worden ist, unterliegen beide (Änderungs-) Gesetze der Aufhebung. Auch § 18 KitaG erlegt für den Fall der Betreuung des Kindes durch eine Tagespflegeperson die Einstandspflicht für die entstehenden Aufwendungen den Gemeinden auf und kann daher in dieser Form ebenfalls nicht bestehen bleiben. 4. Abweichend von § 29 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 VerfGGBbg bestimmt das Landesverfassungsgericht auf der Grundlage von § 29 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 VerfGGBbg, daß die als unvereinbar mit der Landesverfassung festgestellten Regelungen aus Gründen der Handhabbarkeit, der Rechtssicherheit und der verläßlichen Haushaltswirtschaft bis zum Ablauf des 31. Dezember 2003 in Geltung bleiben. III. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg.
|