VerfGBbg, Beschluss vom 20. März 1997 - VfGBbg 48/96 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1 - BbgPolG, § 1 Abs. 1 |
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Schlagworte: | - Rechtswegerschöpfung - Beschwerdebefugnis |
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amtlicher Leitsatz: | ||
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 20. März 1997 - VfGBbg 48/96 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 48/96

B E S C H L U S S | ||||||||||||||
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde D., Beschwerdeführer, hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 20. März 1997 b e s c h l o s s e n : Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen. G r ü n d e : I. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde im wesentlichen gegen eine Anzahl von Bestimmungen des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei im Land Brandenburg vom 19. März 1996 (GVBl. 1 S. 74, Brandenburgisches Polizeigesetz - BbgPolG) . Er rügt eine Verletzung von Rechten aus Art. 7, 8 Abs. 1, 9 Abs. 1, 10, 11 Abs. 1 und 2, 12 Abs. 1, 15, 16, 19 Abs. 1 und 5, 21 Abs. 1 und 23 Landesverfassung sowie u.a. einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Im einzelnen beanstandet er die Regelungen des § 1 Abs. 1 (Aufgaben der Polizei) und des § 9 (Legitimationspflicht) sowie mehrere Befugnisnormen (§ 11 - Befragung, Auskunftspflicht -; §§ 12 ff. - Identitätsfeststellung, erkennungsdienstliche Maßnahmen -; §§ 17 ff. - Ingewahrsamnahme von Personen -; §§ 21 ff. -Durchsuchung von Personen und Sachen-; §§ 29 ff. - Grundsätze zur Datenerhebung -; §§ 43 f. - Datenübermittlung -; § 46 -Rasterfahndung -; die Vorschriften zum Schußwaffengebrauch (§ 66 ff.) und das in § 71 normierte Auskunfts- und Akteneinsichtrsrecht. Er macht geltend, die Verfassungsbeschwerde sei unmittelbar gegen das Brandenburgische Polizeigesetz möglich. Da die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Polizeigesetzes von allgemeinem Interesse sei, müsse eine gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten nicht vorliegen. Unbeschadet dessen liege eine solche vor: Es seien derzeit mehrere Ermittlungsverfahren gegen ihn anhängig; in Zusammenhang mit diesen würden regelmäßig personenbezogene Daten weitergeleitet. Außerdem sei er häufig Mitorganisator von und Teilnehmer an Demonstrationen sowie Kontakt- und Begleitperson von überwachten Personen. Auch werde er als Mitarbeiter der Wählergruppe Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär besonders polizeilich überwacht und in seiner journalistischen Tätigkeit behindert. Abgesehen davon werde er allein durch das Bestehen der Vorschriften zu Dispositionen veranlaßt, die er nicht mehr korrigieren könne. Auch sei es ihm nicht zuzumuten, Einzelmaßnahmen wie den Schußwaffengebrauch abzuwarten. II. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. 1. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er sei von auf der Grundlage des Brandenburgischen Polizeigesetzes erlassenen Maßnahmen betroffen - es würden persönliche Daten von einer Behörde an andere weitergeleitet, er werde überwacht oder an der Ausübung seines Berufes gehindert -, steht der Verfassungsbeschwerde das in § 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) formulierte Erfordernis der Rechtswegerschöpfung entgegen. Es ist nicht ersichtlich, ob und inwieweit der Beschwerdeführer den Verwaltungsrechtsweg, der gegen Maßnahmen dieser Art eröffnet ist (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung) beschritten hat. Von dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung kann hier schon deswegen in sinnvoller Weise nicht abgesehen werden, weil die den gerügten Maßnahmen zugrundeliegenden Umstände nicht hinreichend aufgeklärt sind (vgl. insoweit Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 15. September 1994 - VfGBbg 3 94 - LVerfGE 2, 170, 176; Beschluß vom 20. Oktober 1994 - VfGBbg 12/94 - LVerfGE 2, 193, 197). Die im diesem Zusammenhang erhobenen Bedenken des Beschwerdeführers, das Fachgericht prüfe die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen nur am Maßstab des Polizeigesetzes, so daß der Schutz der Grundrechte vor den Fachgerichten nicht gewährleistet sei, gehen fehl; alle Gerichte haben bei der Anwendung einfachen Rechts die Grundrechte zu beachten und zu sichern (vgl. bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 21. November 1996 - VfGBbg 17/96, 18/96, 19/96 - S. 14 des Umdrucks, zur Veröffentlichung in LVerfGE 4 Nr. 17 vorgesehen; BVerfGE 68, 376, 380; 74, 69, 74 f.).2. Soweit der Beschwerdeführer im übrigen Bestimmungen des Brandenburgischen Polizeigesetzes zum Gegenstand seiner Verfassungsbeschwerde macht, ist diese nur zulässig, wenn er die Möglichkeit dartut, durch dieses Gesetz gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen zu sein (vgl. etwa BVerfGE 1, 97, 101 ff.; 40, 141, 156; 43, 291, 385 f.; 86, 382, 386; 90, 128, 135 f.). Diese Voraussetzungen sind Ausfluß der Funktion der Verfassungsbeschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf zum Schutze individueller Grundrechte (vgl. BVerfGE 43, 291, 386). Vorliegendenfalls sind diese, wie dem Beschwerdeführer bereits im Hinweisschreiben vom 30. Dezember 1996 mitgeteilt worden ist, nicht gegeben. a. Es braucht zunächst nicht geklärt zu werden, ob die lediglich den polizeilichen Aufgabenkreis umschreibende und nicht zu Eingriffen ermächtigende Regelung des § 1 Abs. 1 BbgPolG ihrer Zielrichtung nach überhaupt geeignet ist, eine Rechtsbetroffenheit auszulösen (vgl. etwa Denninger in: Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., 1996, E Rdn. 52 f.; s. auch § 1 Abs. 5 BbgPolG). Selbst wenn man eine entsprechende rechtliche Relevanz der Regelung bejahte, fehlte es jedenfalls auch insoweit an einer gegenwärtigen und unmittelbaren Betroffenheit des Beschwerdeführers. b. Von einer Betroffenheit des Beschwerdeführers in diesem Sinne wird man vorliegendenfalls nicht ausgehen können, weil allein mit der bloßen Geltung der Vorschriften eine Veränderung der Rechtsposition und damit eine etwaige Verkürzung des Freiheitsbereichs (noch) nicht einhergeht (vgl. auch etwa BVerfGE 46, 120, 135; 47, 285, 307 ff. sowie die umfangreichen Nachweise bei Stern in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 93, Rdn. 553; zur Unterscheidung zwischen Einschränkung und bloßer Einschränkbarkeit auch Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., 1994, S. 254 f.). Auch ist anhand der bisherigen Darlegungen des Beschwerdeführers nicht feststellbar, er werde zwingend und in hinreichend konkreter Weise von diesen Regelungen einmal betroffen sein (vgl. BVerfGE 1, 91, 95 f.; 26, 246, 251 f.; 34, 165, 179 f.). Fehlt es in diesem Sinne schon an der Gegenwärtigkeit, ist auch eine Unmittelbarkeit nicht gegeben: Sind Regelungen auf einen Vollzug durch die Exekutive angelegt, wirken die Regelungen selbst grundsätzlich nicht unmittelbar, sondern (nur) mittelbar (vgl. BVerfGE 68, 287, 300; 70, 35, 50 f.; 71, 305, 334 f.; 90, 128, 136; ebenso BVerfGE 32, 54, 62;46, 120, 136). Dies gilt auch für die Regelungen des Brandenburgischen Polizeigesetzes. Sie werden für den Beschwerdeführer allenfalls und erst dann fühlbar, wenn die Polizei ihm gegenüber einen entsprechenden Vollzugsakt erläßt. 3. Eine andere Sicht der Dinge ergibt sich auch nicht daraus, daß der Beschwerdeführer sich aus seiner Sicht schon jetzt zu Dispositionen veranlaßt sieht. Diese könnten hier nur dann ins Gewicht fallen, wenn aus objektiven Gründen zu erwarten stünde, daß der Beschwerdeführer Adressat konkreter polizeilicher Maßnahmen werde und er sich schon jetzt darauf einstellen müsse (vgl. BVerfGE 43, 291, 387 f. ; 68, 287, 30C f. ; 90, 128, 136) . Dies ist hier nicht ersichtlich. | ||||||||||||||
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