Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 20. Februar 1997 - VfGBbg 45/96 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3
- ZPO, § 495a Abs. 2 Satz 2
Schlagworte: - Bundesrecht
- Zivilprozeßrecht
- Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts
- Prüfungsmaßstab
- Willkür
amtlicher Leitsatz:
Fundstellen: - NJ 1997, 307
- JMBl 1997, 97
- MDR 1997, 591
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Februar 1997 - VfGBbg 45/96 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 45/96



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

G.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S.,

gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 4.September1996

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Dombert, Prof. Dr. Schöneburg, Prof. Dr. Schröder, Weisberg-Schwarz und Prof. Dr. Will

am 20. Februar 1997

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Verurteilung durch das Amtsgericht Oranienburg auf Zahlung eines Betrages von 1.144,40 DM. Er beauftragte die Klägerin des Ausgangsverfahrens im März 1994 mit der Durchführung von Dachdecker- und Klemptnerarbeiten an seinem Haus in B. Auf die ihm per August 1994 gestellte Rechnung, die ein Gesamtvolumen von ca. 30.000,- DM aufwies, erhob er Einwendungen im Hinblick auf eine Position von 972,90 DM für das Stellen einer Rüstung und wegen einer weiteren Position von 171,50 DM für Montage und Verlötung von Fallrohren. Zu der Position von 972,90 DM bestritten der Beschwerdeführer und seine mit verklagte Ehefrau vor dem Amtsgericht zunächst, daß eine Rüstung überhaupt gestellt worden sei; zu der zweiten Position behaupteten sie, in Höhe des geltend gemachten Betrages sei Minderung vereinbart worden. Das Amtsgericht erhob zu beiden Fragen Beweis. Im Anschluß an die Beweisaufnahme schlossen die Parteien einen Vergleich, der die Zahlung eines Betrages von 1070.- DM an die Klägerin vorsah. Diesen Vergleich widerriefen derBeschwerdeführer und seine Ehefrau kurze Zeit später und machten nunmehr geltend, die Klägerin habe das Stellen der Rüstung nicht gesondert berechnen dürfen, weil diese nicht höher als 2 Meter gewesen sei und eine Rüstung in dieser Höhe nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) als Nebenleistung anzusehen sei, die nicht gesondert abgerechnet werden dürfe. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer und seine Ehefrau zur Zahlung und nahm den wesentlichen Inhalt der Entscheidungsgründe nach § 495 a Zivilprozeßordnung (ZPO) imAnschluß an die Urteilsverkündung vom 4. September 1996 in das Sitzungsprotokoll auf. Dort heißt es im wesentlichen:

“Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf den vollen Werklohn. Denn die Beklagten waren nicht berechtigt, DM 972,90 wegen der Rüstung und DM 171,50 für den Anbau und das Verlöten der Fallrohre abzusetzen. Aus der Beweisaufnahme hat sich ergeben, daß die Rüstung tatsächlich erstellt worden ist. Einer diesbezüglichen Aussage des Zeugen Borau ist nicht zu zweifeln. Daß das Gerüst nicht mehr als 2 m Höhe gehabt haben mag, ist unerheblich, da die VOB nicht wirksam vereinbart worden ist. Denn der Vertrag ist nicht unter Baukundigen, sondern mit dem Beklagten geschlossen worden ...„

Gegen das im Oktober zugestellte Urteil hat der Beschwerdeführer rechtzeitig am 16. Dezember 1996 - Verfassungsbeschwerde eingelegt. Er rügt eine Verletzung des in Art. 12 Abs. 1 Landesverfassung (LV) niedergelegten Willkürverbots. Ein Urteil im “eigentlich-rechtsstaatlichen Sinne“ liege gar nicht vor. Die Entscheidungsgründe bestünden aus wenigen Sätzen, die laienhaft abgefaßt, ohne inneren Zusammenhang und nicht nachvollziehbar seien. Eine Rechtsnorm, die Grundlage der Verurteilung sein könne, werde nicht genannt. Insbesondere sei unklar, was der verwendete Terminus “bauunkundig“ zu bedeuten habe; dieser Begriff komme in der gesamten Kommentarliteratur zur VOB nicht vor. Die Geltung der VOB wegen “Bauunkundigkeit“ zu verneinen, sei auch deswegen fehlerhaft, weil er die Bauausführung unter Zuhilfenahme eines Architekten überwacht habe und jedenfalls derart über “Baukundigkeit“ verfügt habe; der Architekt sei im übrigen als Zeuge benannt, hierzu indes nicht vernommen worden.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Der Rechtsweg i.S.v. § 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) ist erschöpft (s. § 511 a Abs. 1 ZPO). Die Möglichkeit einer Verletzung des Willkürverbots i.S.v. Art. 12 Abs. 1 LV ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer macht der Sache nach geltend, daß das Urteil des Amtsgerichts nach Form und Inhalt nicht nachvollziehbar sei. In diese Richtung gehend kann auch eine gegebenenfalls unverständliche oder unzulängliche Begründung einer Entscheidung die Annahme eines Verstoßes gegen das Willkür-verbot zulassen (vgl. BVerfGE 71, 122, 135 f.; ferner BVerfGE 81, 97, 106).

II.

In der Sache selbst hat die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg. Dabei kann offenbleiben, ob Grundrechtsverletzungen, die im Rahmen eines bundesrechtlich - hier durch die Zivilprozeßordnung - geordneten Verfahrens erfolgt sein sollen, am Maßstab der brandenburgischen Landesverfassung gemessen werden können (vgl. dazu Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 20. April 1995 - VfGBbg 11/94 -‚ S. 6 des Umdrucks, zur Veröffentlichung in LVerfGE 3 Nr. 4 vorgesehen). Diese Frage ist im vorliegenden Falle - wie schon in früheren Verfahren - nicht entscheidungserheblich. Denn das Willkürverbot (s. Art. 12 Abs. 1 S. 1 und 2, 52 Abs. 3 LV), auf das sich der Beschwerdeführer beruft, wird durch das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg jedenfalls nicht verletzt. Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung, wenn sie unter keinemrechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich deshalb der Schluß aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, a.a.O., S. 7 des Umdrucks; Beschluß vom 19. Mai 1994 - VfGBbg 6/93, 6/93 EA - LVerfGE 2, 105, 110). Davon kann vorliegend nicht die Rede sein, und zwar auch und gerade unter Heranziehung der von dem Amtsgericht vermerkten Begründung. Die Entscheidung wird erkennbar von der Erwägung getragen, daß die Klägerin des Ausgangsverfahrens das in Rede stehende Gerüst tatsächlich errichtet habe und deshalb den dafür in Rechnung gestellten Werklohn - wie auch ohne Angabe der Anspruchsgrundlage erkennbar ist, nach den Vorschriften des Werkvertragsrechts, hier also § 631 Abs. 1 BGB - beanspruchen könne. Die VOB, deren Anwendung möglicherweise - aus Sicht des Beschwerdeführers je nach Höhe des Gerüsts - zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, ist nach der gemäß § 495 a Abs. 2 Satz 2 ZPO als Inhalt der Entscheidungsgründe zu Protokoll genommenen Auffassung des Amtsgerichts nicht vereinbart worden. Diese fachrichterliche Erwägung ist nach Lage der Dinge von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Sie ist aus der Begründung heraus durchaus nachvollziehbar. Der von dem Amtsgericht in diesem Zusammenhang verwendete Begriff des “Bauunkundiqen“ ist ersichtlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den besonderen Voraussetzungen für die vertragliche Einbeziehung der VOB/B gegenüber einem, wie es etwa im Leitsatz zu seiner Entscheidung vom 9. November 1989 (BGHZ 109, 192) heißt, “weder im Baugewerbe tätigen noch sonst im Baubereich bewanderten Vertragspartner“ entlehnt und war auch für den Beschwerdeführer, zumal er anwaltlich vertreten war, mitvollziehbar. Die Knappheit der Begründung ist von § 495 a Abs. 2 Satz 2 ZPO, der zur Beschleunigung der Gerichtsverfahren eine Beschränkung auf den “wesentlichen“ Inhalt der Entscheidungsgründe vorsieht, gedeckt. Dafür, daß das Amtsgericht die Voraussetzungen für eine

Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag in (einfachrechtlich) fehlerhafter und verfassungsrechtlich erheblicher Weise verkannt hätte, sind Anhaltspunkte nicht zu erkennen. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, daß er sich eines Architekten bedient habe (vgl. hierzu BGHZ 109, 192, 194), ist vor dem Amtsgericht nicht vorgetragen und unter Beweis gestellt worden, daß der Architekt (auch bzw. bereits) an demVertragsschluß beteiligt gewesen wäre.

Dr. Macke Dr. Dombert
Prof. Dr. Schöneburg Prof. Dr. Schröder
Weisberq-Schwarz Prof. Dr. Will