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VerfGBbg, Beschluss vom 20. Januar 2017 - VfGBbg 90/15 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 22 Abs. 1 Satz 1; LV, Art. 22 Abs. 5 Satz 3
- BbgKWahlG, § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
- BbgKVerf, § 22 Abs. 1 Nr. 1 und 3; BbgKVerf, § 29 Abs. 1 Satz 6; BbgKVerf, § 31 Abs. 2
Schlagworte: - Wahlrecht; passives ~
- Wahlrechtsgleichheit
- Inkompatibilität
- Inelegibilität
- Zweckverbandsvorsteher
- Mitglied in Gemeindevertretung
- Mitwirkungsverbot
Fundstellen: NVwZ-RR, Mai 2017, Heft 10, S. 394 ff.
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Januar 2017 - VfGBbg 90/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 90/15




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

S.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigte:              Rechtsanwälte Z.,

wegen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Oktober 2015 (OVG 12 N 36.15), Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 15. März 2015 (VG 1 K 2398/14) und Bescheid der Stadtverordnetenversammlung der Stadt K. vom 14. Juli 2014 in Gestalt des Wahleinspruchsbescheides vom 26. August 2014

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 20. Januar 2017

durch die Verfassungsrichter Möller, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche und Partikel

beschlossen: 

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

 

A.

Der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bilden kommunalwahlrechtliche Entscheidungen, die dem Beschwerdeführer auf der Grundlage der Inkompatibilitätsregelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahlG die Annahme und Ausübung des Mandats in der Stadtverordnetenversammlung der Stadt K. verwehren. Der Beschwerdeführer erstrebt, die Norm für unvereinbar mit Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) zu erklären.

 

I.

§ 12 Abs. 2 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Kommunalwahlgesetz - BbgKWahlG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juli 2009 (GVBl. I S. 326), im Zeitpunkt der angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen zuletzt geändert durch Artikel 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes vom 5. Dezember 2013 (GVBl. I Nr. 38), hat folgenden Wortlaut:

 

" (1) …

(2) Leitende Beamte oder leitende Arbeitnehmer, die im Dienst einer in den Nummern 1 bis 6 genannten Körperschaften stehen, können in den folgenden Fällen nicht zugleich einer Vertretung angehören:

1. Stehen sie im Dienst eines Landkreises, so können sie nicht zugleich der Vertretung einer Gemeinde dieses Landkreises angehören.

2. Stehen sie im Dienst einer Gemeinde oder eines Amtes, so können sie nicht zugleich der Vertretung des Landkreises angehören, dem die Gemeinde oder das Amt angehört.

3. Stehen sie im Dienst eines Zweckverbandes, so können sie nicht zugleich der Vertretung einer Mitgliedskörperschaft angehören.

4. Stehen sie im Dienst einer kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts, so können sie nicht zugleich der Vertretung einer Trägerkörperschaft angehören.

5. Stehen sie im Dienst einer Sparkasse, bei der der Landkreis oder die Gemeinde allein oder gemeinsam mit anderen Gebietskörperschaften mittels eines Zweckverbandes Gewährträger ist, so können sie nicht zugleich der Vertretung des Landkreises oder der Gemeinde angehören.

6. Stehen sie im Dienst einer sonstigen Körperschaft des öffentlichen Rechts, so können sie nicht zugleich der Vertretung einer Mitgliedskörperschaft angehören, die in einem beschließenden Kollegialorgan der Körperschaft mehr als die Hälfte der Stimmen hat.

Leitende Beamte oder leitende Arbeitnehmer im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 und 2 sind hauptamtliche Beamte auf Zeit, Amtsleiter und Inhaber vergleichbarer Ämter sowie ihre Vertreter. Leitende Beamte oder leitende Arbeitnehmer im Sinne des Satzes 1 Nummer 3 bis 6 sind hauptamtliche Verbandsvorsteher, Vorstandsmitglieder, Verwaltungsleiter, Geschäftsführer und Inhaber vergleichbarer Ämter sowie ihre Vertreter. Satz 1 Nummer 1und 2 gilt nicht für leitende Beamte oder leitende Arbeitnehmer, die bei einer öffentlichen Einrichtung oder einem Eigenbetrieb beschäftigt sind.

(3) …

(4) … "

 

II.

Der Beschwerdeführer ist im Angestelltenverhältnis hauptamtlicher Verbandsvorsteher des Wasser- und Abwasserverbandes H., zu dessen Mitgliedsgemeinden die Stadt K. gehört.

 

Im Zuge der Kommunalwahl vom 25. Mai 2014 errang er nach dem Stimmenergebnis einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung der Stadt K. Nachdem seine Tätigkeit für den Verband bekannt geworden war, teilte ihm die Wahlleiterin der Stadt K. mit Schreiben vom 10. Juni 2014 mit, dass er gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahlG als Verbandsvorsteher nicht zugleich der Stadtverordnetenversammlung angehören könne. Zugleich wies sie darauf hin, dass er die Wahl nur annehmen könne, wenn er nachweise, dass er eine Erklärung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe abgegeben habe.

 

Mit Schreiben vom 14. Juli 2014 stellte die Wahlleiterin unter Verweis auf § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BbgKWahlG den Verlust des Sitzes des Beschwerdeführers in der Stadtverordnetenversammlung fest, da der geforderte Nachweis über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht innerhalb der gesetzten Frist erbracht worden sei. Den hiergegen eingelegten Einspruch des Beschwerdeführers wies die Stadtverordnetenversammlung K. mit Schreiben vom 26. August 2014 zurück.

 

Zur Begründung seiner in der Folge erhobenen Klage machte der Beschwerdeführer geltend, dass die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahlG grundrechtswidrig und damit nicht anwendbar sei. Das Verwaltungsgericht Potsdam wies die Klage mit Urteil vom 19. März 2015 (VG 1 K 2398/14) ab.

 

Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung, den er unter Wiederholung und Vertiefung seiner verfassungsrechtlichen Einwände gegen § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahlG begründete, lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 7. Oktober 2015 (OVG 12 N 36.15) ab. Die seitens des Beschwerdeführers angeführten Gesichtspunkte seien nicht geeignet, durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken an der Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahlG zu begründen.

 

III.

Mit seiner am 9. Dezember 2015 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung des passiven Wahlrechts nach Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LV.

 

Die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf der mit Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LV unvereinbaren und damit nichtigen Ermächtigungsgrundlage des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahIG. Diese Inkompatibilitätsvorschrift schränke die Wählbarkeit von leitenden Beamten oder Arbeitnehmern ein, die im Dienst eines Zweckverbandes stünden, und greife somit in den verfassungsrechtlich geschützten Bereich des passiven Wahlrechts ein. Denn sie führe dazu, dass er das ihm durch den demokratischen Wahlakt erworbene Mandat nicht ausüben könne. Der Eingriff sei nicht gerechtfertigt. Die lnkompatibilitätsvorschrift in § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahlG komme faktisch einem Ausschluss der Wählbarkeit in die Stadtverordnetenversammlung gleich, weil sie im Falle einer Annahme des Mandats zur Aufgabe des bisherigen Dienstverhältnisses zwinge. Ein rechtfertigender Grund, der dem Sinn der Ermächtigungsgrundlage Rechnung trage, fehle.

 

Voraussetzung für die Rechtfertigung sei das Vorliegen einer hinreichenden Gefahr von lnteressenkollisionen zwischen Amt und Mandat mit einem gewissen Gewicht sowie die Erforderlichkeit der lnkompatibilitätsvorschrift, weil der Gefahr anders nicht wirksam zu begegnen sei. Eine solche hinreichende Gefahr von lnteressenkollisionen gebe es nicht. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts bedürfe es vielfältiger lnteressenkollisionen bzw. in mannigfacher Weise lnteressenkolIisionen, die zudem eine gewisse Intensität haben müssten. Die potentiellen Kollisionslagen in den von § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahlG erfassten Fällen erreichten diese Intensität nach Art und Umfang nicht.

 

Es fehle insbesondere an einem Gegensatz zwischen Kontrolliertem und Kontroll­instanz. Denn ein Verbandsvorsteher übe keine rechtsaufsichtliche Kontrolle gegenüber den verbandsangehörigen Gemeinden aus. Auch falle die mögliche Kontrolle der Gemeinderatsmitglieder gegenüber dem Verbandsvorsteher deutlich geringer aus, als im Falle eines Kreistagsmitglieds gegenüber dem Landrat. Die kommunalen Verbandsmitglieder würden in der Verbandsversammlung nicht durch die Mitglieder der Gemeindevertretung vertreten, sondern durch ihre Hauptverwaltungsbeamten. Bei der Kontrolle der Verbandsverwaltung oder bei der Abwahl des Verbandsvorstehers sei die Einwirkungsmöglichkeit des Mitglieds einer verbandszugehörigen Gemeindevertretung deshalb höchst mittelbar und die damit bestehende lnteressenkollision allenfalls sehr gering.

 

Anderes folge nicht durch die Möglichkeit der Erteilung von Richtlinien und Weisungen an den in der Verbandsversammlung sitzenden Hauptverwaltungsbeamten, da es hierfür eines Beschlusses der Gemeindevertretung bedürfe, so dass das Gewicht der Stimme des Normadressaten im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedern einer Gemeindevertretung relativiert werde. Zudem sei der Umfang des KontrolIgegenstandes deutlich eingeschränkt. Denn ein Zweckverband nehme nur in dem Umfang Aufgaben wahr, wie sie nach der Verbandssatzung übertragen seien, mit der Folge, dass lnteressenkonflikte in weitaus weniger Fällen denkbar seien. Eine hinreichende Gefahr von lnteressenkollisionen lasse sich auch nicht aus dem Bereich der Finanzierung des Zweckverbandes herleiten. Auch dort sei die Gefahr deutlich geringer als im Falle eines Landkreises. Ein Mitglied der Gemeindevertretung entscheide nur mittelbar hierüber. Dass über die Verbandsumlage entschieden werde, führe nicht zu einem relevanten Konfliktpotential. Eine einseitige, vorteilsunabhängige Belastung eines Verbandsmitglieds sei unabhängig von der Person des Verbandsvorstehers und der Zusammensetzung der Gemeindevertretungen in den verbandsangehörigen Mitgliedsgemeinden kraft Gesetzes ausgeschlossen.

 

Eine der Lage zwischen Kreis und Gemeinden bzw. Ämtern entsprechende Verflochtenheit in Bezug auf die Zweckbestimmung und Funktion gebe es im Verhältnis von einem Zweckverband zu einer verbandsangehörigen Gemeinde nicht. Ein Zweckverband sei ausschließlich für den ihm übertragenen Aufgabenbereich zuständig. Diese Zuständigkeit sei ausschließlicher Natur, denn für die übertragenen Aufgaben verbleibe bei den verbandsangehörigen Gemeinden keine Restzuständigkeit.

 

Darüber hinaus könne der geringen Gefahr von Interessenkollisionen wirksam genug durch die kommunalverfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Mitwirkungsverbote der Mitglieder der Gemeindevertretung begegnet werden. Sofern ein Gegenstand zur Beratung und Beschlussfassung anstehe, der die Tätigkeit eines Gemeinderatsmitglieds als Zweckverbandsvorsteher betreffe, sei dieser entweder über § 22 Abs. 1 Nr. 3 BbgKVerf oder jedenfalls über § 22 Abs. 2 Nr. 1 BbgKVerf von der Mitwirkung an der Willensbildung der Gemeindevertretung ausgeschlossen.

 

Der Beschwerdeführer beantragt

 

1. festzustellen, dass der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Oktober 2015 - OVG 12 N 36.15 -, das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 15. März 2015 - VG 1 K 2398/14 - und der Bescheid der Stadtverordnetenversammlung der Stadt K. vom 14. Juli 201 4 in Gestalt des Wahleinspruchsbescheides vom
26. August 2014 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg verletzen sowie die Gerichtsentscheidungen aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht Potsdam zurückzuverweisen und


2. § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahIG für mit Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LV für unvereinbar zu erklären.

 

IV.

Der Landtag, die Landesregierung, die Stadtverordnetenversammlung der Stadt K., die Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und des Verwaltungsgerichts Potsdam, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg sowie der Landkreistag Brandenburg haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

 

1. Die Landesregierung erachtet die Verfassungsbeschwerde als unbegründet.

 

a. § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahIG sei eine zulässige Inkompatibilitätsregelung. Sie solle die Gefahr von lnteressenkonflikten zwischen den Aufgaben eines Mandatsträgers und besonderen persönlichen Interessen aufgrund der beruflichen Stellung in Staat und Kommune vermeiden helfen. Sie wehre daher möglicherweise entstehende "Verfilzungen" schon im Vorfeld ab.

 

Zweckverbände seien mit ihren Verbandsmitgliedern eng verflochten. Ein Zweckverband binde langfristig Gemeinden zum Zwecke der gemeinsamen Erledigung einzelner öffentlicher Aufgaben zusammen und sei mit der Verbandsversammlung und dem Verbandsvorsteher gewaltenteilend organisiert. Als wichtiges Instrument kommunaler Zusammenarbeit in einem dünn besiedelten Flächenland wie Brandenburg verstetige er die kooperative Aufgabenerledigung und sei wegen seiner dienenden Funktion für die Mitgliedsgemeinden in gewisser Weise mit den Ämtern nach §§ 133 ff BbgKVerf vergleichbar. Das Verhältnis des Zweckverbandes zu den kommunalen Verbandsmitgliedern sei durch die Dauerhaftigkeit der gemeinsamen Aufgabenerfüllung und Lastentragung geprägt. Ihm stehe ein Hauptverwaltungsbeamter vor, der dem rechtsetzenden Hauptorgan rechenschaftspflichtig sei, also seiner Kontrolle unterstehe und nach dessen Vorgaben seine Aufgaben zu erfüllen habe. Die Aufgabenwahrnehmung und gemeinsame Mittelverwaltung führten zu einer Vielzahl von potentiellen Interessenkonflikten in der Person des passiv wahlberechtigten Bürgers, der zugleich als hauptamtlicher Verbandsvorsteher und kommunaler Mandatsträger tätig sein möchte. So könne der Verbandsvorsteher, wenn die Verteilung knapper personeller und finanzieller Ressourcen zur Entscheidung anstehe, beispielsweise der Ausbau einer Kanalisation oder die Erneuerung eines Fahrzeugparks der dezentralen Abwasserentsorgung, in Konflikt mit dem Interesse "seiner" Gemeinde geraten. Gleiches gelte für die Aufgabenwahrnehmung in fiskalischer Hinsicht, wenn beispielsweise eine Refinanzierung von Einrichtungen oder Anlagen des Zweckverbandes durch Beiträge nach dem Kommunalabgabengesetz bestimmte kommunale Verbandsmitglieder besonders stark treffen würde, hingegen eine Refinanzierung im Wege der Gebührenerhebung alle Gemeinden gleichmäßiger träfe. Selbst die Entscheidung, in welcher Gemeinde ein Zweckverband mit einer Beitragsveranlagung beginnen solle, könne einen Konflikt begründen. Zudem seien die Aufgaben der Wasserver- und Abwasserentsorgung wirtschaftlich und politisch bedeutsame Daueraufgaben der Daseinsvorsorge, die erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die kommunalen Verbandsmitglieder und ihre Bürger haben könnten.

 

Die Gemeindevertretung kontrolliere die Gemeindeverwaltung. Eine Doppelfunktion eines Zweckverbandsvorstehers als gleichzeitiges Mitglied einer Gemeindevertretung führe dazu, dass dieser über die Gemeindevertretung Befugnisse zur Kontrolle der Kommunalverwaltung ausüben könnte, die der Hauptverwaltungsbeamte leite. Dieser Hauptverwaltungsbeamte wäre jedoch selbst aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Verbandsversammlung, dem obersten Organ des Zweckverbandes, zur Kontrolle des hauptamtlichen Zweckverbandsvorstehers befugt.

 

Zudem könne die Kontrolle der Verbandsversammlung gegenüber dem Verbandsvorsteher gefährdet sein, wenn der Verbandsvorsteher Gemeindevertreter sei. Auch wenn der einzelne Gemeindevertreter selbst in der Regel nicht in der Verbandsversammlung auftreten würde, lasse sich die Gefahr von Interessen- und Entscheidungskonflikten nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, da die Vertretungskörperschaften kommunaler Verbandsmitglieder ihren Vertretern bindende Richtlinien und Weisungen erteilen könnten. Mittels derer verblieben den Gemeindevertretungen weitgehende Einflussrechte, die auf die Stellung und Amtsführung des Verbandsvorstehers abzielen könnten. Ein bestimmender Einfluss des einzelnen Mitglieds der Gemeindevertretung sei nicht erforderlich.

 

Bei der gemäß § 18 GKGBbg grundsätzlich der Verbandsversammlung obliegenden Entscheidung über die Erhebung der jährlichen Umlage und deren Höhe könnten die Interessen einzelner Verbandsmitglieder - nicht anders als bei der Erhebung der Kreisumlage im Verhältnis von Landkreis und kreisangehöriger Gemeinde - erheblich von den Interessen des Zweckverbandes abweichen. Ein Verbandsvorsteher, der als Mitglied der Gemeindevertretung über Weisungen und Richtlinien mitzuentscheiden hätte, die der Vertretungsperson der Gemeinde in der Verbandsversammlung erteilt werden, könnte in einem Entscheidungskonflikt zwischen den Interessen "seines" Verbandes und der verbandsangehörigen Gemeinde stehen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass ein Verbandsvorsteher als Gemeindevertretungsmitglied auch durch weitere Befugnisse der Gemeindevertretung hinsichtlich des Zweckverbandes Interessenkonflikten ausgesetzt sein könne. So sei die Gemeindevertretung u. a. befugt, über die Mitgliedschaft in Zweckverbänden zu entscheiden.

 

b. Wegen dieser engen Verflechtung des Zweckverbandes mit den Verbandsmitgliedern in Verbindung mit den Einflussmöglichkeiten der Gemeindevertretung auf den Zweckverband im Rahmen seiner Aufgabenwahrnehmung könnten die möglichen Entscheidungskonflikte nicht trennscharf isoliert betrachtet und durch Mitwirkungsverbote wie § 22 BbgKVerf nicht mit hinreichender Sicherheit vollständig abgewehrt werden. Daher sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, gerade in bestimmten Teilbereichen der gemeindlichen Aufgabenwahrnehmung auftretenden Interessenkonflikten mit einer generellen Unvereinbarkeitsvorschrift zu begegnen. Im Rahmen seines Einschätzungsspielraums habe der Gesetzgeber in zulässiger Weise typisierend an die Möglichkeit von Interessen- und Entscheidungskonflikten angeknüpft, ohne dass es im Einzelfall des Nachweises einer tatsächlichen Gefahrenlage bedürfe.

 

2. Der Landkreistag vertritt den Standpunkt, dass die Inkompatibilitätsregelung des § 12 Abs. 2 Nr. 3 BbgKWahIG keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken unterliege.

 

Er weist darauf hin, dass sich aus der beruflichen Stellung des Verbandsvorstehers heraus Konflikte ergeben könnten. So treffe die Verbandsversammlung neben der Wahl- und der Abwahlentscheidung Vergütungsregelungen. Beabsichtige die Vertretungskörperschaft hierzu Weisungen gegenüber ihren Vertretern in der Verbandsversammlung zu erteilen, könnten sich hier offenkundig Interessengegensätze ergeben, wenn der betroffene Verbandsvorsteher gleichzeitig in der Vertretungskörperschaft Mitglied ist. Selbst wenn in diesen Fällen ein Mitwirkungsverbot nach § 22 BbgKVerf greife, sei nicht von der Hand zu weisen, dass sich für ein Mitglied der Vertretungskörperschaft faktische Einflussmöglichkeiten ergäben, die unbeschadet der formalen Beteiligung an der Entscheidungsfindung bestünden. Zu denken sei hierbei etwa an kommunalpolitische Vorabstimmungen im Vorfeld der Stimmabgabe. Hinzu komme, dass hier in der Regel der fachkundigen und potentiell besser informierten Bewertung der Verbandsleitung in Fragen des Zweckverbandes besonderes Gewicht beigemessen werden dürfte.

 

Die Inkompatibilität trage hier zudem rechtsstaatlichen Erwägungen Rechnung. Der Kommune müssten auch bei einer rein organisationsrechtlichen Verselbständigung ihrer Aufgabenerledigung ausreichende Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten verbleiben. Für die Aufgabenverlagerung auf einen Zweckverband gelte nichts Anderes.

 

V.

Die Verfahrensakte (VG 1 K 2398/14) ist beigezogen worden.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

 

I.

1. Beschwerdegegenstand sind das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Bran­denburg. Dass der Beschwerdeführer seinen Angriff gegen die Entscheidungen der Gerichte darauf beschränkt, ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit des zu Grunde liegenden Gesetzes zu rügen, ist ohne weiteres möglich. Eine Verfassungsbeschwerde kann mit der Behauptung erhoben werden, eine angefochtene gerichtliche Entscheidung sei zwar ansonsten in nicht zu beanstandender Weise zustande gekommen, gründe aber auf einem Rechts­satz, der für verfassungswidrig gehalten werde. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich dann mittelbar gegen die Norm (vgl. Beschluss vom 26. August 2011 - VfGBbg 6/11 -, LVerfGE 22, 112, 118).

 

2. Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt. Die in § 45 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) vorausgesetzte Beschwerdebefugnis ist gegeben, wenn die behauptete Verletzung eigener Grundrechte möglich erscheint. Der Beschwerdeführer macht geltend, durch die Inkompatibilitätsvorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahIG in seinem Grundrecht auf passives Wahlrecht (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 LV) verletzt zu sein. Nach seinem Vortrag ist dieser von der Regelung betroffen. Er ist durch seine Tätigkeit als Verbandsvorsteher eines Zweckverbandes und der Wahl in die Stadtverordnetenversammlung von der Inkompatibilitätsregelung unmittelbar, selbst und gegenwärtig betroffen.

 

3. Die zweimonatige Verfassungsbeschwerdefrist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VerfGG­Bbg ist gewahrt.

 

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Der Beschwerdeführer wird durch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen nicht in seinen Grundrechten verletzt. Diese und die Entscheidung der Wahlleiterin der Stadt K. beruhen auf verfassungsmäßiger Grundlage.

 

1. Gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 1 LV hat jeder Bürger nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres das Recht, zum Landtag und zu den kommunalen Vertretungskörperschaften zu wählen und in diese gewählt zu werden. Dabei gelten die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 22 Abs. 3 Satz 1 LV, wonach Wahlen und Abstimmungen allgemein, unmittelbar, gleich, frei und geheim sind. Die Wahlrechtsgrundsätze beziehen sich nicht nur auf den Wahlakt als solchen, sondern erfassen die Wählbarkeit im weiteren Sinne. Ein Wahlbewerber muss nicht nur die Möglichkeit haben, ein Mandat zu erwerben, sondern auch, es tatsächlich auszuüben (vgl. Urteil vom 25. Januar 1996 - VfGBbg 13/95 -, LVerfGE 4, 85, 91; Beschluss vom
17. September 1998 - VfGBbg 30/98 -, LVerfGE 9, 111, 116). Das passive Wahlrecht nach Art. 22 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 LV wird deshalb durch alle Maßnahmen beeinträchtigt, die die Übernahme des Mandats beschränken.

 

Der Beschwerdeführer wird durch die gerichtlich bestätigte Feststellung der Wahlleiterin, wonach er mangels Nachweises über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung der Stadt K. verloren hat, gehindert, sein Mandat auszuüben und damit in dem Grundrecht des passiven Wahlrechts beeinträchtigt.

 

2. Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 22 Abs. 1 LV ist durch § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i. V. m. § 51 Abs. 2 Satz 5 i. V. m. § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahlG gerechtfertigt.

 

a. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser einfachgesetzlichen Vorschriften sind unstreitig gegeben.

 

b. Die genannten kommunalwahlrechtlichen Bestimmungen genügen ihrerseits verfassungsrechtlichen Anforderungen und stellen eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Gesetzesvorbehalts des Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV dar, der als personenkreisbezogene Sondervorschrift für die dort genannten Gruppen zu Abweichungen von dem durch seinen formalen Charakter gekennzeichneten Grundsatz der Gleichheit des (passiven) Wahlrechtes ermächtigt (vgl. zu Art. 137 Abs. 1 GG: Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 137 Rn. 2; Butzer, in: Epping/Hill­gruber, BeckOK GG, Stand: Juni 2016, Art. 137 Rn. 2; BVerfGE 48, 64, 82; 58, 177, 191: "vom Grundgesetz vorgesehen"). Danach kann der Landesgesetzgeber vorsehen, dass Beamte, Angestellte des öffentlichen Dienstes und Richter nicht zugleich Mitglied im Landtag oder in kommunalen Vertretungskörperschaften sein können.

 

aa. § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahIG überschreitet nicht die Grenzen des Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV.

 

Die Bestimmung schließt für den von ihm erfassten Personenkreis die gleichzeitige Mitgliedschaft in der Vertretung einer Mitgliedskörperschaft aus. Dies betrifft die Zugehörigkeit zu Gemeindevertretungen, Stadtverordnetenversammlungen und Kreistagen, mithin kommunalen Vertretungskörperschaften (vgl. § 3 Abs. 1 BbgKWahIG).

 

Soweit er sich nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BbgKWahIG auf hauptamtliche Verbandsvorsteher als leitende Arbeitnehmer bezieht, erfasst er "Angestellte des öffentlichen Dienstes" im Sinne der Verfassungsnorm. Hierzu zählen jedenfalls, wie im Rahmen des Art. 137 Abs. 1 GG, an den sich die Vorschrift anlehnt (vgl. Iwers, in: Lieber/Iwers/Ernst, LV, 2012, Art. 22 Anm. 6), die Angestellten, die in einem Dienstverhältnis zu einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn stehen (vgl. BVerfGE 48, 64, 84; 58, 177, 192). Um einen solchen handelt es sich bei einem Zweckverband, der nach § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (GKGBbg) die Rechtsnatur einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat. Da Zweckverbänden in Brandenburg - seit Streichung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GKG der Ursprungsfassung vom 19. Dezember 1991 (GVBl. S. 682) durch Art. 2 Nr. 7 des Gesetzes zur rechtlichen Stabilisierung der Zweckverbände der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung und zur Änderung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg vom 6. Juli 1998 (GVBl. I S. 162) - Dienstherrenfähigkeit nicht zukommt (vgl. nunmehr § 12 Abs. 3 Satz 2 GKGBbg i. V. m. § 2 Nr. 1 Beamtenstatusgesetz), scheidet eine Berufung des Verbandsvorstehers in ein Beamtenverhältnis aus und kommt nur eine Beschäftigung im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses in Betracht.

 

bb. Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV ermächtigt den Gesetzgeber nur zu Unvereinbarkeitsregelungen, nicht dagegen zu einem Ausschluss öffentlich Bediensteter von Wahlen (Ineligibilität). Letzteres wäre schon kraft Bundesrecht - auch bezogen auf Kommunalwahlen (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) - unzulässig. Art. 137 Abs. 1 GG enthält zugleich das Verbot einer über Inkompatibilitätsregelungen hinausgehenden Beschränkung der Wählbarkeit in Anknüpfung an ein Dienstverhältnis (vgl. BVerfGE 12, 73, 77; 38, 326, 336 ff; 57, 43, 66 f m. w. Nachw.). Landesrecht kann diese Grenzen der Einschränkbarkeit der Wählbarkeit nicht erweitern (Art. 2 Abs. 5 Satz 1 LV, Art. 31 GG; vgl. Beschluss vom 17. September 1998 - VfGBbg 30/98 -, LVerfGE 9, 111, 117).

 

§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahIG hält sich in diesem Rahmen. Die von ihr erfassten Personen werden nicht von der Wählbarkeit ausgeschlossen. Sie können sich zur Wahl stellen und gewählt werden, sind jedoch nach den (hier nicht angegriffenen) Regelungen des § 51 Abs. 2 BbgKWahIG verpflichtet, sich im Falle der Wahl zwischen Amt und Mandat zu entscheiden. Unbeschadet der faktischen Einengung dieses Entscheidungsspielraums durch berufliche und wirtschaftliche Zwänge, die in den meisten Fällen dem Ausscheiden aus dem bisherigen Dienstverhältnis entgegenstehen werden, beinhaltet die angegriffene Vorschrift damit lediglich eine Inkompatibilität (vgl. Beschlüsse vom 17. September 1998 - VfGBbg 30/98 -, LVerfGE 9, 111, 117 und vom 26. August 2011 - VfGBbg 6/11 -, LVerfGE 22, 112, 126 jeweils zu § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BbgKWahIG; s. auch BVerfGE 58, 177, 192 f m. w. Nachw.).

 

cc. Angesichts der faktischen Schwierigkeiten, die sich gegebenenfalls für den Gewählten aus dem Zwang zur Aufgabe des bisherigen hauptberuflichen Dienstverhältnisses ergeben, ist allerdings nicht zu verkennen, dass § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahIG in den praktischen Auswirkungen einem Ausschluss der Wählbarkeit in die Vertretung der Gemeinde oder des Landkreises nahekommt. Eine Regelung wie § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahIG bedarf deshalb mit Blick auf die große Bedeutung der Wahl- und Wählbarkeitsgleichheit für das demokratische Staatswesen trotz der Ermächtigung in Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV eines rechtfertigenden Grundes, der dem Sinn der Ermächtigung Rechnung trägt (vgl. Beschlüsse vom 17. September 1998 - VfGBbg 30/98 -, LVerfGE 9, 111, 117 und vom 26. August 2011
- VfGBbg 6/11 -, LVerfGE 22, 112, 127; BVerfGE 12, 73, 77; 38, 326, 339). Sie will das Gemeinwesen vor Interessenskollisionen bewahren helfen, wie sie bei einer Personalunion von Amt und Mandat drohen. Beschränkungen der Wählbarkeit sind deshalb nur gerechtfertigt, wenn sie geeignet und erforderlich sind, Interessenskollisionen wirksam zu begegnen (vgl. Beschlüsse vom 17. September 1998
- VfGBbg 30/98 -, LVerfGE 9, 111, 117 und vom 26. August 2011 - VfGBbg 6/11 -, LVerfGE 22, 112, 127; BVerfGE 48, 64, 90; 57, 43, 67; 58, 177, 193).

 

Dies ist hier der Fall. Im hier relevanten Verhältnis des Amtes eines Zweckverbandsvorstehers zur Mitgliedschaft in der Gemeindevertretung einer Zweckverbandsgemeinde besteht die hinreichende Gefahr von Interessenkollisionen (1), die nicht durch andere, unter dem Blickwinkel der Erforderlichkeit vorrangige Instrumente aufzufangen sind (2).

 

(1) Die Anordnung einer Inkompatibilität ist - als eine sachgerechte Ausgestaltung des passiven Wahlrechts - von der Ermächtigung des Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV nur gedeckt, wenn sie allein gewählte Bewerber betrifft, deren berufliche Stellung die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit von Interessen- und Entscheidungskonflikten nahelegt (vgl. zu Art. 137 Abs. 1 GG: BVerfGE 98, 145, 161). Angesichts der Schwierigkeiten genauer Grenzziehung zwischen solchen Funktionsträgern, deren Tätigkeit sie in relevante Interessenkonflikte bringen kann, und solchen, deren Tätigkeit sie nicht diesen Konflikten aussetzt, steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungsraum bei der Bestimmung der von der Inkompatibilität betroffenen beruflichen Stellungen zu, den er mit an die Wahrscheinlichkeit einer Konfliktlage anknüpfenden generalisierenden Tatbeständen ausschöpfen kann (vgl. BVerfGE 18, 172, 183 f; 40, 296, 320 f; 48, 64, 84 f; 58, 177, 198; 98, 145, 161). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Anordnung der Unvereinbarkeit in Bereichen von vornherein ausscheidet, in denen zwischen Ämtern und Mandaten die Gefahr einer Interessenkollision realistischerweise gar nicht auftreten kann oder nur verschwindend gering ist, insbesondere dort, wo Amt und Mandat auf verschiedenen, mit ausschließlichen Kompetenzen ausgestatteten Ebenen mit der Folge angesiedelt sind, dass die auf den jeweiligen Ebenen handelnden Personen keine rechtliche Einflussmöglichkeiten aufeinander besitzen (vgl. Linck, ZG 1996, 181, 187 f).

 

Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Denn Gemeinde und Zweckverband stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Vielmehr sind sie durch die in der Regel auf Dauer ausgerichtete Mitgliedschaft der Gemeinde im Zweckverband sachlich und institutionell miteinander verknüpft.

 

Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob zwischen Mitgliedsgemeinde und Zweckverband eine Kommunal-, Sonder- und Fachaufsicht besteht oder dem Verband die Wahrnehmung von Selbstverwaltungs-, Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben obliegt. Soweit das Verfassungsgericht in vorangegangenen Entscheidungen (vgl. Beschlüsse vom 17. September 1998 - VfGBbg 30/98 -, LVerfGE 9, 111, 118 f und vom 26. August 2011 - VfGBbg 6/11 -, LVerfGE 22, 112, 127 ff) hierzu Ausführungen gemacht hat, bezog sich dies auf den damaligen Verfahrensgegenstand, nämlich Inkompatibilitätsregelungen zwischen dem Amt als leitender Beamter einer Gemeinde oder eines Amtes und der Wahrnehmung des Mandats im Kreistag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BbgKWahlG. Eine schematische Übertragung auf andere Regelungssachverhalte verbietet sich. Vielmehr ist unter besonderer Berücksichtigung des Zwecks des Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV für die jeweils konkret in Rede stehenden Ämter und Mandate in den Blick zu nehmen, welche rechtlichen und tatsächlichen Interessen der betroffenen Körperschaften bestehen (können) und welches Potential für Entscheidungskonflikte sich im Fall einer Zusammenfassung von Amt und Mandat in einer Person daraus ergeben kann.

 

(a) Der Zweckverband ist nach der Konzeption der die kommunale Gemeinschaftsarbeit regelnden gesetzlichen Vorschriften (vgl. § 10 Abs. 1 GKGBbg) ein Instrument für die gemeinsame Wahrnehmung öffentlicher (kommunaler) Aufgaben (vgl. VerfGH Saarland, Urteil vom 29. Juni 2004 - Lv 5/03 -, juris Rn. 59), das insbesondere dann zur Anwendung kommt, wenn die Finanz- und Verwaltungskraft einer einzelnen Kommune allein nicht ausreicht, den Herausforderungen beispielsweise der Energie - , Abfall- und Wasserwirtschaft mit ihren Aufwendungen für die Errichtung und den Betrieb komplexer technischer Anlagen gerecht zu werden. Durch den Zusammenschluss der kommunalen Körperschaften wird aber keine zusätzliche kommunale Ebene geschaffen, der im Sinne einer Hochzonung gemeindliche Aufgaben zugeordnet werden, vielmehr tritt lediglich eine Verlagerung der Aufgaben bzw. ihrer Wahrnehmung auf der Horizontalen ein (vgl. Urteil vom 20. Januar 2000 - VfGBbg 53/98, 3/99 -, LVerfGE 11, 99, 104; BayVGH, Urteil vom 30. April 2003
- 8 N 01.3009 -, juris Rn. 69; Degenhart, SächsVBl 2001, 85, 88; Millgramm, SächsVBl 1998, 125, 129). Die zusammenwirkenden Gemeinden sind und bleiben je für sich Aufgabenträger und bedienen sich des Verbandes nur zur Erledigung eigener Angelegenheiten (vgl. Brüning, VBlBW 2011, 46, 48). Auch nach der Bildung eines Zweckverbandes verlieren die eingebrachten Aufgaben nicht ihren örtlichen Charakter und bleiben ihrem Wesen nach gemeindlich (vgl. VerfGH Saarland, Urteil vom 29. Juni 2004 - Lv 5/03 -, juris Rn. 59; ähnlich ThürVerfGH, Urteil vom 23. April 2009 - VerfGH 32/05 -, LVerfGE 20, 479, 497; OVG RP, Beschluss vom 6. Dezember 1993 - 7 B 12364/93 -, NVwZ-RR 1994, 685, 686; Falk, Die kommunalen Aufgaben unter dem Grundgesetz, 2006, S. 211). An die Stelle der eigenen Aufgabenwahrnehmung tritt bei Einbindung in einen Zweckverband die Partizipation an der Willensbildung des Verbandes (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 18. November 1999 - Vf. 174-VIII-98 -, S. 15 f; s. auch StGH BW, Urteile vom
4. Juni 1976 - GR 3/75 -, DÖV 1976, 599, 600 f und vom 8. Mai 1976 - GR 2, 8/75 -, DÖV 1976, 595, 597; Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 296, 436). Diese erfolgt durch die Vertretung des kommunalen Verbandsmitglieds in der Verbandsversammlung, der als zentralem, Legitimation vermittelndem Organ (vgl. § 18 Satz 1 GKGBbg) die Wahl ebenso wie die Abwahl des Verbandsvorstehers (§ 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GKGBbg) und die Kontrolle der Verbandsverwaltung obliegt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GKGBbg i. V. m. § 28 Abs. 2 Satz 2, § 29 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg - BbgKVerf).

 

Die Zweckverbände sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 10 Abs. 2 Satz 1 GKGBbg) verselbständigte juristische Gebilde, die ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung verwalten (§ 10 Abs. 2 Satz 2 GKGBbg) und mit eigenen Organen ausgestattet sind (§ 17 GKGBbg). Mit der Übertragung der kommunalen Aufgabe zur gemeinsamen Erfüllung kommt dem Zweckverband die Aufgabe zu, die Interessen seiner Mitglieder im Lichte der Aufgabenerfüllung zu einem Ausgleich zu bringen. Auch erhält er mit der Aufgabenwahrnehmung für die gemeindlichen Aufgaben die Möglichkeit, mit zum Teil weitreichenden Auswirkungen auf die Kommune betreffende Belange einzuwirken, wenn beispielsweise zu entscheiden ist, welche Investitionen in eine Abwasserentsorgungsanlage oder den Ausbau des Kanalnetzes erfolgen sollen oder wo eine Abfallbehandlungsanlage errichtet werden soll. Die Willensbildung des Verbandes und seine nach außen wirkenden Rechtshandlungen müssen dabei nicht mit dem Wollen jeder einzelnen Mitgliedsgemeinde übereinstimmen (vgl. Kumanoff/Schwarzkopf, SächsVBl 1995, 145). Deutlich wird dies nicht zuletzt angesichts der für den Haushalt der Gemeinde bedeutsamen Verpflichtung, als Verbandsmitglied den Finanzbedarf des Zweckverbandes durch Zahlung einer Umlage zu decken, wenn dessen eigene sonstige Erträge, Einzahlungen und freien Finanzmittel nicht ausreichen (§ 29 Abs. 1 Satz 1 GKGBbg). Bei der Verbandsumlage werden die Gemeinden als Verbandsmitglieder vom Zweckverband zu Finanzierungslasten herangezogen, um den durch sonstige Einnahmen nicht ausreichend gedeckten Finanzbedarf zu decken (vgl. OVG Bbg, Urteil vom 14. Juli 2004 - 2 D 2/02.NE -, juris Rn. 81; ThürOVG, Beschluss vom 27. Februar 2008
- 4 EO 355/05 -, ThürVBl 2008, 225, 227). Die Erhebung einer solchen Umlage und deren Höhe werden maßgeblich durch die Verbandsversammlung bestimmt. Nicht nur hat diese die Gesamthöhe und den von jedem Verbandsmitglied zu tragenden Anteil in der Haushaltssatzung jährlich festzulegen (§ 29 Abs. 2 Satz 1, § 18 GKGBbg i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 15 BbgKVerf), vielmehr unterliegt auch die Regelung der Verbandssatzung über den Maßstab für die Bemessung der Verbandsumlage (§ 29 Abs. 1 Satz 3, § 13 Abs. 2 Nr. 5 GKGBbg) der Änderungskompetenz der Verbandsversammlung (§ 31 Abs. 2 Satz 1 GKGBbg). Dem Zweckverband kommt dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu, für den es nicht des Nachweises eines äquivalenten Vorteils für den Umlagepflichtigen bedarf und der nur insoweit begrenzt ist, als der Maßstab nicht sachwidrig und für das Wirken des Verbands nicht völlig unpassend sein darf, mithin nicht zu prüfen ist, ob die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden wurde (vgl. OVG Bbg, Urteil vom 14. Juli 2004
- 2 D 2/02.NE -, juris Rn. 81; BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1973 - BVerwG IV C 21.70 -, BVerwGE 42, 210, 217; Beschluss vom 21. Oktober 1987
- BVerwG 7 B 64.87 -, Buchholz 401.64 § 3 AbwAG Nr. 1; Beschluss vom 4. Juni 2002 - BVerwG 9 B 15.02 -, NVwZ 2002, 1508; Urteil vom 30. August 2006 - BVerwG 6 C 2.06 -, NVwZ-RR 2007, 159; Urteil vom 11. Juli 2007 - BVerwG 9 C 1.07 -, NVwZ 2008, 314, 316; VGH BW, Urteil vom 5. Mai 2014
- 3 S 1947/12 -, juris Rn. 31; BayVGH, Beschluss vom 8. Februar 2002 - 4 ZB 01.2547 -, juris Rn. 8; OVG LSA, Beschluss vom 11. Juli 2007 - 4 L 107/07 -, juris Rn. 6; Thür­OVG, Beschluss vom 27. Februar 2008 - 4 EO 355/05 -, ThürVBl 2008, 225, 228; Forst, KStZ 2006, 161, 163 ff und 2006, 181). Der Zweckverband kann deshalb den Umlagemaßstab in einer von einer Gemeinde als für sie nachteilig empfundenen Weise ändern, ohne dass sich die Gemeinde dem entziehen kann. Erweitert wird die Problematik dadurch, dass die Verbandsu­mlage nach § 29 Abs. 2 Satz 4 GKGBbg durch den Zweckverband mittels Bescheid geltend gemacht und mit hoheitlichen Mitteln durchgesetzt werden kann. Gegenläufige Interessen zwischen Gemeinde und Zweckverband können sich aber auch daraus ergeben, dass der Zweckverband vor dem Hintergrund eigener Liquiditätsanforderungen (bspw. aufgrund größerer Zahlungsverpflichtungen bei Investitionsmaßnamen) von der Möglichkeit des § 29 Abs. 2 Satz 4 GKGBbg Gebrauch macht und von § 29 Abs. 2 Satz 2 GKGBbg abweichende Fälligkeitstermine für die Verbandsumlage bestimmt.

 

(b) Vor dem Hintergrund dieses Verhältnisses sind Interessenkonflikte zwischen dem Amt des hauptamtlichen Verbandsvorstehers und dem Mandat in der Gemeindevertretung nicht auszuschließen.

Der hauptamtliche Verbandsvorsteher ist das Leitungs- und Vertretungsorgan des Zweckverbandes. Er ist Leiter der Verwaltung des Zweckverbandes, dem insbesondere die Führung der Geschäfte der laufenden Verwaltung, die Vorbereitung und Ausführung der Beschlüsse der Verbandsversammlung sowie die Vertretung des Zweckverbandes in Rechts- und Verwaltungsgeschäften obliegt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKGBbg i. V. m. § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1, § 57 Abs. 1 BbgKVerf). Er hat folglich die Entscheidungen des Zweckverbandes umzusetzen und gegebenenfalls auch gegenüber den Mitgliedsgemeinden durchzusetzen. Er ist es, der für den Zweckverband die Gebühren-, Beitrags-, aber auch Verbands­umlagebescheide zu erlassen hat. Zugleich obliegt ihm gegenüber der Verbandsversammlung die innerverbandliche Entscheidungskontrolle über das Beanstandungsrecht nach § 55 BbgKVerf i. V. m. § 12 Abs. 1 GKGBbg.

 

In seiner Tätigkeit unterliegt der Verbandsvorsteher mittelbar der Kontrolle durch die Gemeindevertretungen der Mitgliedsgemeinden. Der hauptamtliche Verbandsvorsteher ist nach den Regelungen in § 21 GKGBbg auf das (fortbestehende) Vertrauen der Verbandsversammlung angewiesen. Auch stehen dieser gegenüber dem Verbandsvorsteher die kommunalrechtlichen Kontrollinstrumente der Vertretungskörperschaft nach §§ 28, 29 BbgKVerf i. V. m. § 12 Abs. 1 GKGBbg zur Verfügung, wozu in erster Linie Informations-, Anhörungs-, Antrags- und Berichtsrechte gehören (vgl. Schmidt, Kommunale Kooperation, S. 544). Die Mitglieder der Verbandsversammlung nehmen die Funktion mitgliedschaftlicher Repräsentanten wahr und haben demzufolge die Belange und Interessen des jeweiligen Zweckverbandsmitglieds zu vertreten (vgl. Schmidt, Kommunale Kooperation, S. 434 ff; Lange, Kommunalrecht, Kap. 19 Rn. 52; s. auch BayVGH, Urteil vom 10. Dezember 1997 - 4 B 97.89 -, NVwZ-RR 1999, 141, 143). Dies findet augenfällig seinen Niederschlag in der Befugnis der Gemeindevertretung, ihren Vertretungspersonen Richtlinien und Weisungen für die Tätigkeit und Abstimmung in der Verbandsversammlung zu erteilen (§ 19 Abs. 7 GKGBbg). Da das Weisungsrecht der Gemeindevertretung nicht auf eine Vorgabe beschränkt ist, wie im Fall einer Beschlussfassung durch die Vertretungsperson abzustimmen ist, sich vielmehr auch auf die Verpflichtung zur Teilnahme an der Verbandsversammlung oder die Stellung bestimmter Anträge zu einem bestimmten Zeitpunkt erstrecken kann (vgl. Wachsmuth, ThürVBl 2011, 193, 194), erlangt die Gemeindevertretung gerade durch dieses Instrument nicht unerheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung der Interessen ihrer Gemeinde in der Verbandsversammlung. Die kommunalen Vertreter in der Verbandsversammlung wiederum unterstehen - jedenfalls bezüglich ihrer Richtlinien- und Weisungsgebundenheit - auch in dieser Tätigkeit der Kontrolle der Gemeindevertretung (§ 28 Abs. 2 Satz 2 BbgKVerf), was das Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht des einzelnen Gemeindevertreters nach § 29 BbgKVerf einschließt (zur Begrenzung des Fragerechts eines Gemeinderatsmitglieds in Angelegenheiten des Zweckverbandes: OVG LSA, Urteil vom 10. Dezember 1998 - A 2 S 502/96 -, juris Rn. 59 ff; vgl. auch Kraft-Zörcher, ThürVBl 2008, 1, 3 f; Müller, VR 2015, 231, 234). Äußerstenfalls vermag die Gemeindevertretung ihre Einflussnahme auf die Vertreter der Gemeinde in der Zweckverbandsversammlung durch Abwahl von Vertretungspersonen (§ 19 Abs. 4 Satz 1 GKGBbg i. V. m. § 40 Abs. 5, § 41 Abs. 7 BbgKVerf, vgl. LT-Ds. 5/8411 S. 24 der Begründung) oder die Einleitung der Abwahl des Bürgermeisters (§ 81 Abs. 2 Nr. 2 BbgKWahIG) geltend zu machen. Somit besitzt auch das einzelne Mitglied der Gemeindevertretung eine - wenn auch lediglich mittelbare - Einwirkungsmöglichkeit auf die Verbandsversammlung und damit auf den Verbandsvorsteher. Ein Verbandsvorsteher, wäre er Angehöriger der Gemeindevertretung, würde sich somit gleichsam "klassisch" selbst überwachen.

 

Es ist angesichts dieser Zusammenhänge weder auszuschließen, dass das Mitglied der Gemeindevertretung bei Entscheidungen der Gemeindevertretung von den Interessen des Zweckverbandes beeinflusst wird, noch dass es als Gemeindevertreter bei seiner hauptamtlichen Tätigkeit für den Zweckverband im Interesse "seiner" Gemeinde auf die Verwaltungsentscheidungen des Zweckverbandes Einfluss nimmt (vgl. BVerfGE 58, 177, 197).

 

Als problematisch erweist sich insbesondere eine Mitwirkung als Gemeindevertreter an der Erarbeitung einer Weisung an die Vertretungsperson(en) in der Verbandsversammlung, die auf die Ausübung von Kontrollrechten der Verbandsversammlung gegenüber der Verbandsleitung hinausläuft, oder aber einer Weisung, wie sich eine Gemeinde zu einer von ihm als Verbandsvorsteher erarbeiteten Entscheidungsvorlage für die Verbandsversammlung verhalten soll oder die er (sollte sie in einen Beschluss der Versammlung münden) beanstanden müsste. Nicht weniger kritisch ist der Aspekt, ob ein im Zweckverband leitend beschäftigter Gemeindevertreter unbefangen vom Recht auf Auskunft und Akteneinsicht (§ 29 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf) oder seinem Fragerecht gegenüber dem Hauptverwaltungsbeamten in der Sitzung der Gemeindevertretung (§ 29 Abs. 2 Satz 2 BbgKVerf) Gebrauch machen wird, wenn er aus derartigen Maßnahmen Nachteile für seine Tätigkeit befürchten könnte (vgl. zur Relevanz dieser Überlegung: BVerfG, Beschluss vom 29. März 1996
- 2 BvL 4/96 -, NJW 1996, 2497, 2499). Ebenso liegt es auf der Hand, dass ein Zweckverbandsvorsteher seine besonderen beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse in der Gemeindevertretung einbringt und so besonderen Einfluss auf die übrigen Gemeindevertretungsmitglieder zu nehmen im Stande ist.

 

Gleichermaßen kann ein Verbandsvorsteher bei seiner Tätigkeit im Zweckverband in Widerspruch zum Interesse der Kommune geraten, in deren Vertretung er ein Mandat wahrnimmt, beispielsweise wenn die Verteilung knapper personeller und finanzieller Ressourcen oder die Lokalisierung von Investitionen zur Entscheidung ansteht, etwa bei dem Ausbau einer Kanalisation oder der Errichtung einer Abfallbehandlungsanlage. Aus Verbandssicht Sinnvolles kann im Einzelfall den Interessen der eigenen Kommune zuwiderlaufen. Gleiches gilt für die Aufgabenwahrnehmung in fiskalischer Hinsicht, wenn beispielsweise eine Refinanzierung von Einrichtungen oder Anlagen des Zweckverbandes durch Beiträge nach dem Kommunalabgabengesetz bestimmte kommunale Verbandsmitglieder besonders stark treffen würde, hingegen eine Refinanzierung im Wege der Gebührenerhebung alle Gemeinden gleich­mäßiger belasten würde. Schon allein die Entscheidung, in welcher Gemeinde ein Zweckverband mit einer Beitragsveranlagung beginnen soll, kann für den Verbandsvorsteher einen Konflikt gegenüber "seiner" Gemeinde begründen, die er nicht besserstellen darf als die anderen kommunalen Verbandsmitglieder.

 

(2) Diese potentiellen Interessenkonflikte werden durch andere rechtliche Instrumente, insbesondere die Vorschriften über den Ausschluss aufgrund Befangenheit, nicht vollständig ausgeschlossen.

 

Zwar unterliegt der im Hauptamt als Verbandsvorsteher tätige Gemeindevertreter gegebenenfalls einem Mitwirkungsverbot nach § 31 Abs. 2 i. V. m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BbgKVerf, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit ihm selbst oder einer von ihm kraft Gesetzes vertretenen juristischen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Auch steht das Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht einem befangenen Gemeindevertreter nicht zu (§ 29 Abs. 1 Satz 6 BbgKVerf). Damit könnten allerdings nur die unmittelbar den Zweckverband betreffenden Entscheidungen erfasst werden, insbesondere die Beschlussfassung über die Erteilung einer Weisung oder die Wahl weiterer Vertretungspersonen (unterstellt dies erfüllte bereits die Vorgaben eines "unmittelbaren Vor- oder Nachteils"). Im Hinblick auf die beschriebenen mittelbaren Einwirkungen erweisen sich diese Bestimmungen indes als untauglich. Weder die angesprochene gedankliche Verknüpfung zwischen der dienstlichen Stellung eines Gemeindevertreters im Zweckverband und seinem Verhalten gegenüber dem Hauptverwaltungsbeamten in der Gemeindevertretung noch kommunalpolitische gegenseitige Rücksichtnahmen können damit mit der vom Gesetzgeber als erforderlich angesehenen Sicherheit und Effektivität ausgeschlossen werden. Gleiches gilt für mittelbare Einflussnahmen auf die Behandlung von Themen des Zweckverbandes in der Gemeindevertretung. Nach § 22 Abs. 1 BbgKVerf ist zwar die Mitwirkung in der Beratung während der Aussprache im Rahmen der Gemeindevertretung und der erfolgenden Beschlussfassung untersagt. An der vorab erfolgenden Abgabe von Erklärungen oder Auskünften ist der Verbandsvorsteher/Gemeinde­vertreter aber ebenso wenig gehindert wie an der Mitwirkung an den für die Willensbildung wesentlichen, vielleicht sogar entscheidenden Sitzungen und Beschlüssen der Fraktionen der Gemeindevertretung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 20.91 -, BVerwGE 90, 104, 106, 109; BVerwG, Beschluss vom 17. August 1992 - BVerwG 4 NB 8.91 -, juris Rn. 6; OVG Berlin-Bran­denburg, Urteil vom 10. Dezember 2008 - OVG 2 A 10.07 -, juris Rn. 46; Schumacher, in: Schumacher, Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Stand: Dezember 2015, BbgKVerf § 22 Anm. 4.2.1; Grünewald, in: Muth, Potsdamer Kommentar, Stand: August 2016, BbgKVerf § 22 Rn. 11).

 

Für die Tätigkeit als Verbandsvorsteher bestehen mit § 20 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) ebenfalls Bestimmungen über den Ausschluss von Personen aufgrund von Interessenkonflikten. Insbesondere darf nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwVfG in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig sein, wer als Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs tätig ist, wobei ein Organ "gleichartig" ist, wenn es wie der Vorstand leitende oder wie der Aufsichtsrat kontrollierende Befugnisse hat; gleichartig sind danach auch Gemeindevertretungen und Kreistage (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 20 Rn. 36; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 20 Rn. 26; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 20 Rn. 103; Kuntze, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 20 Rn. 63). Allerdings wird von § 20 VwVfG nur der Fall der Tätigkeit einzelner natürlicher Personen in einem Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG erfasst, mithin derjenigen Verfahren, die auf den Erlass eines Verwaltungsaktes oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet sind. Die Norm gilt daher nicht für diejenigen Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung, die auf abstraktes Verwaltungshandeln, etwa den Erlass einer kommunalen Satzung abzielen. Ungeachtet der Frage, in welchem Umfang darüber hinaus eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 1 VwVfG in Betracht kommt (vgl. hierzu Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 20 Rn. 20 f; Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 20 Rn. 19; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 20 Rn. 23 ff; Heßhaus, in: Bader/Ronellen­fitsch, VwVfG, 2010, § 20 Rn. 9; Kuntze, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 20 Rn. 16 f; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 20 Rn. 2), bleiben angesichts der zentralen Funktion des Verbandsvorstehers in der Zweckverbandsverwaltung und seiner damit verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten Sachverhalte denkbar, deren Subsumtion unter § 20 VwVfG rechtlichen Zweifeln unterliegt und damit Unsicherheiten über die Handlungsbefugnisse des Funktionsträgers begründen.

 

(3) Angesichts dieses Befundes verlässt es auch dann noch nicht den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, für das hier in Rede stehende Verhältnis zwischen dem Amt des hauptamtlichen Zweckverbandsvorstehers und dem Mandat in der Gemeindevertretung einer Mitgliedsgemeinde eine Inkompatibilität in § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahlG vorzusehen, wenn sich Gemeindevertretungen mit Themen des Zweckverbandes nicht regelmäßig befassen.

 

(4) Bestätigt wird dieser Befund durch eine historische Auslegung.

 

Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV wurde durch das Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg vom 10. März 1997 (GVBl. I S. 4) mit Wirkung vom
13. März 1997 in die Landesverfassung eingefügt. Der verfassungsändernde Gesetzgeber reagierte damit auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 25. Januar 1996 - VfGBbg 13/95 - (LVerfGE 4, 85), mit der die Inkompatibilitätsregelung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BbgKWahIG a.F. für unvereinbar mit der Landesverfassung erklärt wurde, soweit danach angestellte Ärzte, welche in nichtselbständigen Einrichtungen des Kreises in nichtleitender Funktion ärztlich tätig sind, nicht dem Kreistag des Landkreises angehören dürfen, weil es an einer tragfähigen verfassungsrechtlichen Ermächtigung fehle. Ziel des entsprechenden Gesetzgebungsvorhabens war, die seinerzeit bestehende Inkompatibilitätsregelung des § 12 BbgKWahIG durch die Änderung des Art. 22 LV in Einklang mit der Verfassung zu bringen. So führte der Abgeordnete Werner für die CDU-Fraktion zur Begründung ihres Gesetzentwurfs (LT-Ds. 2/3657) in der Debatte vom 22. Januar 1997 aus (Plenarprotokoll 2/51, S. 4523, 4524):

 

"… Die Inkompatibilitätsregelung in § 12 Kommunalwahlgesetz wurde seinerzeit aus gutem Grund aufgenommen. Es muss in der Tat gewährleistet sein, dass Interessenverquickungen zwischen Anstellungskörperschaft und Vertretung dieser Körperschaft nicht zum Tragen kommen. Insofern wäre es nicht gerechtfertigt, auf jegliche Inkompatibilitätsregelung zu verzichten. … Ich denke, weil wir diese Regelung weiterhin benötigen, bleibt uns nur der … Vorschlag, die Landesverfassung in Artikel 22 zu ändern."

 

Hiervon waren auch die Beratungen im Hauptausschuss getragen, wie sich dem Bericht des Hauptausschusses (LT-Ds. 2/3752) entnehmen lässt:

 

"Im Hauptausschuss bestand zwischen den Fraktionen von Anfang an grundsätzliches Einvernehmen, die Diskrepanz zwischen Artikel 22 der Verfassung des Landes Brandenburg und § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes derart beseitigen zu wollen, dass die Inkompatibilität im kommunalen Bereich, wie im Kommunalwahlgesetz gewollt, beibehalten wird."

 

Deutlich wird dies auch aus dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion, dessen Formulierung zur Ergänzung des Gesetzentwurfs sich der Hauptausschuss in seiner Sitzung vom 30. Januar 1997 zu eigen gemacht hat (Ausschussprotokoll 2/643):

 

"Mit der Verfassungsergänzung sind die Regelungsinhalte der einfachgesetzlichen Inkompatibilitätsvorschriften des § 12 des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes … verfassungsrechtlich zulässig."

 

Die im Zeitpunkt dieser Verfassungsänderung geltende Inkompatibilitätsvorschrift des § 12 BbgKWahIG vom 22. April 1993 (GVBl. I S. 110), geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 1995 (GVBl. I S. 274), schrieb in Absatz 1 Nr. 3 vor, dass "Beamte oder Angestellte … eines Zweckverbandes …, soweit sie allein oder mit anderen ständig berechtigt sind, die juristische Person des öffentlichen Rechts in ihrer Gesamtheit zu vertreten, wie Vorstandsmitglieder, stellvertretende Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, stellvertretende Geschäftsführer, Direktoren oder Inhaber vergleichbarer Ämter, nicht zugleich der Vertretung dieser Gemeinde … angehören" können. Dies entspricht - bezogen auf den Zweckverband - im Kern der nunmehr geltenden Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 BbgKWahIG.

 

(5) Die Ausgestaltung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahIG beinhaltet auch keine sachwidrige Differenzierung.

 

Macht der Gesetzgeber von der Ermächtigung des Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV Gebrauch, weil die Gefahr von Interessenskonflikten dies rechtfertigt, so beruhen die sich hieraus ergebenden Unterschiede in der Wählbarkeit öffentlicher Bediensteter einerseits und anderer Bürger andererseits unmittelbar auf der Verfassung (vgl. BVerfGE 48, 64, 89 f). Der hohe Stellenwert der Wahlrechtsgleichheit verlangt allerdings, dass der Gesetzgeber innerhalb der von der Verfassungsnorm erfassten Personengruppen keine sachwidrigen Differenzierungen vornimmt (BVerfGE 48, 64, 89 f; 18, 172, 184). Auch dem genügt § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahlG.

 

(a) Der Landesgesetzgeber konnte die Unvereinbarkeitsregelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahIG auf leitende Beamte und Angestellte im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 3 BbgKWahIG (hauptamtliche Verbandsvorsteher, Vorstandsmitglieder, Verwaltungsleiter, Geschäftsführer und Inhaber vergleichbarer Ämter sowie ihre Vertreter) begrenzen. Nachgeordnete Bedienstete eines Zweckverbandes sind in der Gemeindevertretung oder im Kreistag in ungleich geringerem Maße Interessenskollisionen ausgesetzt als der hauptamtliche Verbandsvorsteher, dem die Geschicke des Verbandes anvertraut sind und dessen Verantwortungsbereich durch Entscheidungen der Kommunalvertretung nachhaltig berührt wird. Die Unterscheidung erscheint deshalb sachlich vertretbar. Jedenfalls ist die Gesetz gewordene Regelung geeignet, die Gefahr von Interessenskollisionen zu verringern und damit nicht sachwidrig.

 

(b) Es stellt sich auch nicht als ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar, dass ehrenamtliche Verbandsvorsteher eines Zweckverbandes nicht gleichermaßen in die Unvereinbarkeit einbezogen worden sind. Dies folgt schon daraus, dass Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV diese Personengruppe nicht erfasst, da es bei ihnen an einem Angestelltenstatus fehlt (vgl. zur fehlenden Anwendbarkeit auf Ehrenbeamte: Beschluss vom 17. September 1998 - VfGBbg 30/98 -, LVerfGE 9, 111, 120; s. auch BVerfGE 18, 172, 184). Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit schützt den Beschwerdeführer nur vor sachwidrigen Differenzierungen innerhalb des von Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV erfassten Personenkreises.

 

(c) Auch soweit nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BbgKWahlG die Inkompatibilität für leitende Beschäftigte einer sonstigen Körperschaft des öffentlichen Rechts nur für die Vertretung einer Mitgliedskörperschaft vorgesehen ist, die im beschließendem Kollegialorgan der Körperschaft mehr als die Hälfte der Stimmen hat, ist dies im Gegenzug zur weitergehenden Bestimmung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BbgKWahlG sachlich gerechtfertigt. Der Bestimmung kommt ersichtlich eine Auffangfunktion zu, deren Anwendungsbereich begrenzt ist (vgl. Schumacher, in: Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Stand: Dezember 2015, BbgKWahlG § 12 Anm. 7.11). Der Gesetzgeber war nicht gehindert, für Beschäftigte der Zweckverbände angesichts der oben beschriebenen Verknüpfung zwischen dem Verband mit den Mitgliedskommunen durch die Aufgabenwahrnehmung (einschließlich übertragener Hoheitsrechte gegenüber den Gemeindeeinwohnern) und der besonderen (gerade auch wirtschaftlichen) Bedeutung dieser Körperschaften des öffentlichen Rechts für die Kommunen strengere Regelungen vorzusehen.

 

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Partikel