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VerfGBbg, Beschluss vom 20. Januar 2017 - VfGBbg 61/15 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - GG, Art. 28 Abs. 2
- LV, Art. 97; LV, Art. 100
- VerfGGBbg, § 12 Nr. 5 Satz 1; VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 Satz 1; VerfGGBbg, § 33; VerfGGBbg, § 41; VerfGGBbg, § 51
- KVerfBbg, § 2 Abs. 2; KVerfBbg, § 97 Abs. 1
- GKGBbg, § 19 Abs. 2; GKGBbg, § 19 Abs. 3; GKGBbg, § 19 Abs. 4; GKGBbg, § 19 Abs. 7; GKGBbg, § 44
- BbgWG, § 59; BbgWG, § 66
Schlagworte: - Kommunale Selbstverwaltung
- Kooperationshoheit
- Organisationshoheit
- Amtsdirektor
- Zweckverband
- Vertretung in Zweckverband

Fundstellen: - DVBl, April 2017, Heft 8, S. 500 ff.
- DÖV, Mai 2017, Heft 9, S. 388
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 20. Januar 2017 - VfGBbg 61/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 61/15




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

Gemeinde Marienwerder,
vertr. d. d. Amtsdirektor des Amtes Biesenthal-Barnim,
Berliner Straße 1,
16359 Biesenthal,

Beschwerdeführerin,

wegen § 19 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg vom 10. Juli 2014 (GKGBbg, GVBl. I Nr. 32)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 20. Januar 2017

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche und Partikel

beschlossen:

1. § 19 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg vom 10. Juli 2014 (GKGBbg, GVBl. I Nr. 32) verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung und ist insoweit mit Art. 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg unvereinbar, als die amtsangehörigen Gemeinden von der Bestimmung erfasst werden.

2. Das Land Brandenburg hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.

3. Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, spätestens mit Wirkung zum
1. Dezember 2017 eine der Landesverfassung genügende Regelung zu schaffen. Bis zur Neuregelung bleibt § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg in Geltung.

 

Gründe:

 

A.

Die Beschwerdeführerin, eine amtsangehörige Gemeine des Amtes Biesenthal-Barnim, wendet sich gegen eine Regelung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (GKGBbg), nach der sie in der Verbandsversammlung von Zweckverbänden durch den Amtsdirektor vertreten wird. Bis zu der angegriffenen Gesetzesänderung ist die Beschwerdeführerin durch ein von der Gemeindevertretung der Beschwerdeführerin aus ihren Reihen gewähltes Mitglied in der Verbandsversammlung vertreten worden, § 15 Abs. 4 GKGBbg a. F.

 

I.

Die Beschwerdeführerin ist Mitglied des im Jahre 1992 gegründeten Zweckverbandes für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Eberswalde.

 

Das als Artikel 1 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Zusammenarbeit am 10. Juli 2014 neu gefasste Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg lautet in § 19, soweit vorliegend von Interesse:

„Mitgliedschaft und Stimmabgabe in der Verbandsversammlung

(1) Die Verbandsversammlung setzt sich aus den Vertreterinnen und Vertretern der Verbandsmitglieder (Vertretungspersonen) zusammen. Jedes Verbandsmitglied entsendet eine Vertretungsperson in die Verbandsversammlung. Jedes Verbandsmitglied hat eine Stimme, sofern nicht die Verbandssatzung für einzelne oder alle Verbandsmitglieder andere Stimmenzahlen festlegt. Die Vertretungsperson gibt alle Stimmen des Verbandsmitgliedes einheitlich ab.

(2) Die Verbandssatzung kann bestimmen, dass einzelne oder alle Verbandsmitglieder mehrere Vertretungspersonen in die Verbandsversammlung entsenden. Die bei der Beschlussfassung anwesenden Vertretungspersonen eines Verbandsmitgliedes geben alle dem Verbandsmitglied nach der Verbandssatzung zustehenden Stimmen ab. Die Stimmen eines Verbandsmitgliedes sind einheitlich abzugeben; eine uneinheitliche Stimmabgabe ist ungültig. Erfolgt ein Beschluss durch geheime Stimmabgabe oder zeigt die Person nach Absatz 3 der oder dem Vorsitzenden der Verbandsversammlung an, dass den Vertretungspersonen des Verbandsmitgliedes eine Weisung nach Absatz 7 erteilt wurde, so gibt eine Stimmführerin oder ein Stimmführer alle Stimmen des Verbandsmitgliedes einheitlich ab. Hat die Gemeindevertretung, der Kreistag, der Amtsausschuss, die Verbandsversammlung oder der Verwaltungsrat (Vertretungskörperschaft) des kommunalen Verbandsmitgliedes keine Stimmführerin oder keinen Stimmführer bestimmt und einigen sich die anwesenden Vertretungspersonen des kommunalen Verbandsmitgliedes vor der Stimmabgabe nicht auf eine Stimmführerin oder einen Stimmführer, ist die Person nach Absatz 3 Stimmführerin oder Stimmführer.

(3) Die kommunalen Verbandsmitglieder werden in der Verbandsversammlung durch ihre Hauptverwaltungsbeamtin oder ihren Hauptverwaltungsbeamten vertreten; § 135 Absatz 4 Satz 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg findet keine Anwendung. Im Fall der Verhinderung werden sie durch ihre allgemeinen Stellvertreterinnen oder Stellvertreter vertreten, wenn sie nicht eine andere Bedienstete oder einen anderen Bediensteten benennen. Sie können eine Bedienstete oder einen Bediensteten mit der Wahrnehmung der Vertretung des Mitglieds in der Verbandsversammlung dauerhaft betrauen. Ist die betraute Person verhindert, nimmt die Hauptverwaltungsbeamtin oder der Hauptverwaltungsbeamte die Vertretung wahr, wenn sie oder er die Verhinderungsvertretung der betrauten Person nicht auf eine andere Bedienstete oder auf einen anderen Bediensteten dauerhaft übertragen hat.

(4) Weitere Vertretungspersonen der kommunalen Mitglieder und deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter werden gemäß den §§ 40, 41 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg von der Vertretungskörperschaft des Mitglieds für die Dauer ihrer Wahlperiode gewählt und üben ihr Amt bis zum Amtsantritt der neuen Vertretungspersonen weiter aus. Wählbar sind die Mitglieder der Vertretungskörperschaft und die Bediensteten des Verbandsmitglieds, bei amtsangehörigen Gemeinden auch die Bediensteten des Amtes.

(5)  …

(6)  …

(7) Die Vertretungskörperschaft eines kommunalen Verbandsmitgliedes kann den Vertretungspersonen des Verbandsmitgliedes Richtlinien und Weisungen erteilen. Für den Fall einer Weisung oder einer geheimen Stimmabgabe in der Verbandsversammlung kann sie eine Stimmführerin oder einen Stimmführer durch offenen Wahlbeschluss bestimmen.

Die durch das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Zusammenarbeit abgelöste Norm des § 15 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (in der Fassung vom 28. Mai 1999 (GVBl. I (Nr. 11), S. 194), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. Mai 2013 (GVBl. I (Nr.8), S. 1, 17)), regelte die Mitgliedschaft und Stimmabgabe in der Verbandsversammlung wie folgt:

„Verbandsversammlung

(1) …

(2) Die Verbandsversammlung setzt sich aus den Vertretern der Verbandsmitglieder zusammen. Jedes Verbandsmitglied entsendet einen Vertreter in die Verbandsversammlung. Die Verbandssatzung kann bestimmen, dass einzelne oder alle Verbandsmitglieder mehrere Vertreter in die Verbandsversammlung entsenden und dass einzelne oder alle Verbandsmitglieder ein mehrfaches Stimmrecht haben. Die Stimmen eines Verbandsmitgliedes können nur einheitlich abgegeben werden. Sind natürliche Personen oder juristische Personen (§ 4 Abs. 2) Verbandsmitglieder, so dürfen ihre Stimmen insgesamt die Hälfte der satzungsmäßigen Stimmenzahl der Verbandsversammlung nicht erreichen. Die Aufsichtsbehörde kann Ausnahmen zulassen.

(3) Amtsfreie Gemeinden werden in der Verbandsversammlung durch ihren Bürgermeister, Ämter durch ihren Amtsdirektor sowie Landkreise durch ihren Landrat kraft Amtes vertreten. Die Vertreter in der Verbandsversammlung kraft Amtes werden im Fall ihrer Verhinderung durch ihren allgemeinen Stellvertreter im Amt vertreten.

(4) Sonstige Vertreter der Gemeinden und Gemeindeverbände in der Verbandsversammlung und ihre Stellvertreter werden durch die Vertretungskörperschaft für deren Wahlzeit aus ihrer Mitte oder aus den Dienstkräften des Verbandsmitgliedes oder des Amtes oder der geschäftsführenden Gemeinde des Amtes, dem sie angehören, gewählt. Sind mehrere Vertreter und Stellvertreter zu entsenden, so werden diese nach den Vorschriften der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg über die Ausschüsse bestellt. Die Vertreter anderer Verbandsmitglieder werden für dieselbe Zeit in die Verbandsversammlung entsandt. Die Vertreter üben ihr Amt nach Ablauf der Zeit, für die sie bestellt sind, bis zum Amtsantritt der neubestellten Vertreter weiter aus. Die Mitgliedschaft in der Verbandsversammlung erlischt, wenn die Voraussetzungen der Wahl, Bestellung oder Entsendung des Mitgliedes wegfallen. Die Verbandsmitglieder können ihren Vertretern Weisungen erteilen.

(5) …

(6) …

(7) …“

 

II.

Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer am 6. Juli 2015 eingegangenen kommunalen Verfassungsbeschwerde, § 19 Abs. 3 GKGBbg verletze sie in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 97 Landesverfassung (LV).

 

1. Gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg werde die Beschwerdeführerin in der Verbandsversammlung ihres Zweckverbandes durch den Amtsdirektor vertreten. Vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes sei es ihr dagegen möglich gewesen, ihren Vertreter selbst zu bestimmen und aus den Reihen ihrer Gemeindevertretung zu wählen. § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg greife damit in ihr durch Art. 97 LV garantiertes Recht auf eigenverantwortliche Ausgestaltung ihrer Beteiligung und Mitgliedschaft in einem Zweckverband ein und beschneide ihre Mitsprache- und Entscheidungsrechte in unzulässiger Weise.

 

Art. 97 Abs. 2 LV gewährleiste den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Geschützt werde damit auch die gemeindliche Entschließungsfreiheit, die ihrer Verbandskompetenz unterliegenden Aufgaben im Rahmen der Rechtsordnung ohne staatliche Einflussnahme nach freiem Gestaltungswillen zu erfüllen. Die kommunale Kooperationshoheit stelle einen Teil der kommunalen Organisationshoheit dar, die den Kommunen wiederum die Befugnis einräume, Angelegenheiten ihrer eigenen inneren Verwaltungsorganisation nach eigenem Ermessen zu gestalten. Geschützt werde insbesondere die gemeindliche Befugnis, mit anderen Kommunen gemeinschaftliche Handlungsinstrumente schaffen zu können. Die Kooperationshoheit bilde ein Kernstück der Legitimation und Akzeptanz der demokratischen Selbstverwaltung und habe Bedeutung für die kommunale Finanzhoheit, da sie zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Aufgabenwahrnehmung beitrage. Zwar werde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit der Bildung kommunaler Gemeinschaften nicht genommen, jedoch sei ihr Recht betroffen, ihre Vertretung in Zweckverbänden selbst frei zu bestimmen.

 

2. Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie bedürften zu ihrer Rechtfertigung tragfähiger Gründe des Gemeinwohls und seien am Verhältnismäßigkeitsprinzip zu messen. § 19 Abs. 3 GKGBbg berühre den Kern der gemeindlichen Kooperationshoheit. Die Wasserver- und die Abwasserentsorgung seien pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben. Zwar sei es der Beschwerdeführerin weiterhin möglich, Zweckverbände zu bilden oder sich an solchen zu beteiligen, so dass das Schwergewicht des gesetzgeberischen Eingriffs nicht im Kernbereich der Selbstverwaltung liege. Für den Eingriff fehle es aber an der erforderlichen Rechtfertigung, und da die Gesetzesbegründung hierzu keine Aussage treffe, sei zwingend von der Verfassungswidrigkeit der Neuregelung auszugehen.

 

3. Rechtfertigende Gründe seien aber auch sonst nicht ersichtlich, und der Eingriff sei unverhältnismäßig. Weder habe sich die vormalige gesetzliche Ausgestaltung der Vertretung amtsangehöriger Gemeinden in der Verbandsversammlung als praxisuntauglich erwiesen, noch sei es angemessen, den amtsangehörigen Gemeinden die Kompetenz zur eigenständigen Bestimmung ihrer Vertretung zu entziehen. Ferner müsse berücksichtigt werden, dass der Amtsdirektor Interessenkonflikten ausgesetzt sei. Er habe in der Verbandsversammlung auch dann mehrere Gemeinden zu vertreten, wenn diese in einer Frage unterschiedlicher Auffassung seien. Sei der Hauptverwaltungsbeamte zudem auch (ehrenamtlicher) Verbandsvorsteher, seien Gewissenskonflikte naheliegend und freie Entscheidungen nahezu ausgeschlossen.

 

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß festzustellen,

 

dass § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg vom 10. Juli 2014 (GVBl. I Nr. 32) mit Art. 97 Verfassung des Landes Brandenburg unvereinbar und nichtig ist.

 

III.

Der Landtag Brandenburg und die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg sowie der Landkreistag Brandenburg haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

 

1. a. Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde bereits für unzulässig. Die Beschwerdeführerin sei nicht beschwerdebefugt. Es stehe ihr nämlich gemäß § 19 Abs. 7 Satz 1 und 2 GKGBbg offen, dem Amtsdirektor jederzeit Richtlinien und Weisungen zu erteilen und ihn so zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten zu zwingen. Damit sei sie aber in der Lage, den gemeindlichen Willen in der Verbandsversammlung nachhaltig und effektiv zu artikulieren und an der Erfüllung der dem Zweckverband gestellten Aufgaben mitzuwirken.

 

b. Jedenfalls aber sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

 

aa. Ein Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte gemeindliche Kooperationshoheit liege nicht vor. Diese schütze in erster Linie die Entscheidung über das Eingehen einer Kooperation, das „Ob“ der Zusammenarbeit. Die bloße Art und Weise der Kooperation genieße hingegen keinen Schutz. Zudem werde lediglich das Außenverhältnis der Gemeinde zum Zweckverband geregelt. Da den Zweckverbänden das kommunale Selbstverwaltungsrecht aber nicht zustehe, seien Form und Zuschnitt kommunaler Gemeinschaftsarbeit verfassungsrechtlich nicht verbürgt. Die gerügte Norm besitze daher keine Relevanz für den Schutzbereich der Kooperationshoheit; sie gestalte die Möglichkeit der Zusammenarbeit im Zweckverband aus, schränke sie hingegen nicht ein.

 

bb. Die gemeindliche Organisationshoheit werde von Art. 97 LV zwar geschützt, jedoch nicht unbegrenzt. Für sie gelte weder das Prinzip der Allzuständigkeit, nach dem die Gemeinden grundsätzlich alle Fragen ihrer Organisationshoheit selbst zu entscheiden hätten, noch das Prinzip der Eigenorganisation, wonach jede staatliche Vorgabe einer spezifischen Rechtfertigung bedürfe. Geschützt werde zuvörderst lediglich die gemeindliche Binnenorganisation, nicht hingegen die äußere Verfasstheit der Gemeinden, zu der die Ausgestaltung des Außenverhältnisses zu anderen Rechtssubjekten rechne.

 

(1) § 19 Abs. 3 GKGBbg betreffe in keiner Weise die innere Organisation der Gemeinde, sondern ausschließlich die des Zweckverbandes. Mit § 19 Abs. 3 GKGBbg solle ein Gleichklang zu den sonstigen, nach Maßgabe der Kommunalverfassung Brandenburg geregelten Außenvertretungsbefugnissen des Amtsdirektors als des Hauptverwaltungsbeamten (§ 135 Abs. 4 Satz 1 BbgKVerf) hergestellt werden. § 19 Abs. 3 GKGBbg sei daher denjenigen Vorschriften zuzurechnen, die nur die äußeren Grundstrukturen der Gemeinde vorgeben. Zusammen mit den weiteren Normen des GKGBbg konstituiere und realisiere § 19 Abs. 3 GKGBbg erst die Garantie gemeindlicher Kooperation, indem ihre Gegenstände, Formen und Verfahren vorgegeben würden. Dieser institutionsverbürgende Gedanke liege dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Gemeinschaftsarbeit durchgehend zugrunde und lasse sich nur in Grenzfällen als Eingriff in die kommunale Organisationshoheit deuten.

 

(2) Ein Eingriff in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie werde jedenfalls nicht begründet. In den Kernbereich der gemeindlichen Organisationshoheit griffen gesetzliche Regelungen nur ein, wenn sie die eigenständige organisatorische kommunale Gestaltungsfähigkeit im Ergebnis erstickten. Dies sei vorliegend mit § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg nicht der Fall. Denn den amtsangehörigen Gemeinden verblieben Gestaltungsmöglichkeiten jenseits der Bestimmung des ersten Vertreters in einem Zweckverband. Sie könnten weiterhin darauf Einfluss nehmen, welche Maßnahmen zur Aufgabenwahrnehmung in der  Verbandsversammlung beschlossen würden, da sie das Stimmverhalten des sie vertretenden Amtsdirektors über Richtlinien und Weisungen steuern und ihn an ihren Willen binden könnten. Zudem könne die Gemeindevertretung mehrere gewählte Vertreter in die Verbandsversammlung entsenden, so dass der gemeindliche Wille grundsätzlich auch unabhängig vom Hauptverwaltungsbeamten geäußert werden könne. 

 

(3) Betreffe die angegriffene Regelung mithin nicht den Kernbereich gemeindlicher Organisationshoheit, sondern stelle eine in der Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers liegende, nur die äußeren Grundstrukturen der Gemeinden betreffende Organisationsvorgabe dar, die überdies auf einen Ausschnitt der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung begrenzt sei, besitze sie keine oder nur geringfügige Eingriffsintensität und könne daher grundsätzlich auch durch Ziele der Verwaltungsvereinfachung und der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung sowie vom Wunsch nach Übersichtlichkeit gerechtfertigt werden. Die Bestimmung sei durch hinreichend gewichtige Gemeinwohlgründe legitimiert und wahre den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

 

(a) Die Ausgestaltung der Vertretung kommunaler Verbandsmitglieder habe sich vor der Novelle des GKGBbg uneinheitlich dargestellt. Für amtsfreie Gemeinden, Ämter und Landkreise habe § 15 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg a. F. eine Vertretung durch den Hauptverwaltungsbeamten als ersten Vertreter vorgesehen; nur diesen Kommunen gegebenenfalls zustehende weitere Vertreter hätten gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 GKGBbg a. F. von ihren Vertretungskörperschaften gewählt werden können. In amtsangehörigen Gemeinden hingegen sei gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 GKGBbg a. F. auch der erste Vertreter von der Gemeindevertretung durch Wahl zu bestimmen gewesen. Allerdings habe gerade diese für die amtsangehörigen Gemeinden bestehende Sonderregelung in der Praxis „vereinzelt“ zu „Auslegungsschwierigkeiten“ geführt.

 

Die Regelung des § 15 Abs. 4 GKGBbg a. F. sei bei ihrer Aufnahme in das GKGBbg im Jahre 1999 Bedenken um möglicherweise bei den Amtsdirektoren auftretende Interessenkonflikte geschuldet gewesen, die der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 19 Abs. 3 GKGBbg aber fallen gelassen habe. Daher sei mit § 19 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 GKGBbg die Anwendbarkeit des § 135 Abs. 4 Satz 2 BbgKVerf ausdrücklich ausgeschlossen worden. Interessenkonflikte seien auch kaum vorstellbar: Zum einen würden in der Verbandsversammlung keine Rechtshandlungen der Gemeinden gegeneinander vollzogen, sondern finde lediglich eine Willensbekundung der Gemeinden gegenüber dem Zweckverband statt, zum anderen könnten die Gemeinden dem Amtsdirektor ohne Einschränkungen Weisungen erteilen, an die dieser in Wahrnehmung seines von der Mitgliedschaft der Gemeinde im Zweckverband abgeleiteten Mandats umfassend gebunden sei.

 

Die veränderte gesetzgeberische Einschätzung bezüglich der (fehlenden) Gefahr des Entstehens von Interessenkonflikten sei im Übrigen von der Erkenntnis getragen, dass Amtsdirektoren in der Verwaltungspraxis häufig einander gegenläufige Beschlüsse der amtsangehörigen Gemeinden auszuführen hätten und daher in der Lage seien, ihr Abstimmungsverhalten in einem Zweckverband anzupassen und zu differenzieren, gegebenenfalls indem zuvor ein Weisungsbeschluss gemäß § 19 Abs. 7 Satz 1 GKGBbg eingeholt werde.

 

Nicht zuletzt stehe die Neuregelung auch im Interesse der amtsangehörigen Gemeinden und der Zweckverbände, da zukünftig die Fachkompetenz der Amtsdirektoren in die Arbeit der Verbandsversammlungen eingebunden werde.

 

(b) § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg beschneide auch nicht den Einfluss der amtsangehörigen Gemeinden auf die Willensbildung des Zweckverbandes oder in sonstigen mitgliedschaftlichen Rechten. Vielmehr bringe die Vertretung durch den Hauptverwaltungsbeamten vielfach Vorteile hinsichtlich der Durchsetzung gemeindlicher Interessen mit sich. So sei der Gemeinde etwa gegenüber dem Amtsdirektor ein uneingeschränktes Weisungsrecht zugewiesen worden, § 19 Abs. 7 Satz 1 GKGBbg, und sie könne gegen ihn im Falle eines - in der Praxis nicht zu verzeichnenden - Verstoßes gegen eine erteilte Weisung wegen der in § 140 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 1 Satz 1 BbgKVerf vorgesehenen Umsetzungspflicht auch disziplinarrechtlich (und gegebenenfalls haftungsrechtlich) vorgehen. Diese Möglichkeiten stünden gegenüber einem Gemeindevertreter, der nur ehrenamtlich handele, nicht zur Verfügung.

 

Die Neufassung des GKGBbg habe den Kommunen auch die Kompetenz belassen, die Vertretungsbefugnis nach Maßgabe der Verbandssatzung auf weitere, gemäß § 19 Abs. 4 GKGBbg durch Wahl zu bestimmende Personen zu verteilen, um nicht allein durch den Amtsdirektor vertreten zu werden. Von dieser gesetzlich eingeräumten Möglichkeit könne auch Gebrauch gemacht werden, da die Benennung weiterer Vertreter nicht zu einer Veränderung der zwischen den Mitgliedern des Zweckverbandes in der Verbandsversammlung herrschenden Kräfteverhältnisse führe. Die Stimmabgabe müsse nämlich einheitlich erfolgen.

 

Schließlich würden wegen der unbefristet geltenden Übergangsregelung des § 45 Abs. 2 GKGBbg vor Inkrafttreten der Neuregelung des GKGBbg wirksam erlassene Verbandssatzungen bestehender Zweckverbände unberührt bleiben.

 

2. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hält § 19 Abs. 3 GKGBbg für verfassungskonform. Die Vorschrift führe zu einer Gleichstellung der amtsfreien und der amtsangehörigen Gemeinden in den Verbandsversammlungen und bewirke eine Angleichung an die nach der BbgKVerf bestehenden Vertretungsregelungen. Da der Amtsdirektor weisungsgebunden sei, werde die gemeindliche Einflussnahme auf das Handeln der Zweckverbände ausreichend gewährleistet. Den Gemeindevertretungen bleibe es schließlich unbenommen, neben dem Amtsdirektor weitere Vertreter, auch den ehrenamtlichen Bürgermeister, in die Verbandsversammlungen zu entsenden.

 

B.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet.

 

I.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist nach Art. 100 LV, § 12 Nr. 5, § 51
VerfGGBbg statthaft und auch im Übrigen zulässig.

 

1. Die Beschwerdeführerin wird vorliegend durch ihren Amtsdirektor vertreten. Das Verfassungsgericht hat bereits entschieden, dass Gemeinden im Falle möglicher Interessenkonflikte zwischen der Gemeinde und dem Amt oder dem Amtsdirektor in Ansehung des dem Kommunalverfassungsrecht - § 135 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 Alt. 1 BbgKVerf - zugrunde liegenden Rechtsgedankens, wonach eine Gemeinde in solchen Fällen ausnahmsweise nicht durch das Amt vertreten wird, in denen das Amt selbst an einem gerichtlichen Verfahren oder in Rechts- oder Verwaltungsgeschäften beteiligt ist, durch ihre ehrenamtlichen Bürgermeister vertreten werden (LKV 2004, 313, 314 f, m. w. Nachw.). Eine solche Gefahr besteht vorliegend, da der Amtsdirektor - vergleichbar zum Fall der Übertragung einer Aufgabenzuständigkeit von den Gemeinden auf die Ämter (hierzu LVerfGE 2, 214, 218 f) - einem derartigen Interessenwiderstreit ausgesetzt sein könnte. Den Gegenstand des Verfahrens bildet ausschließlich die Frage, ob eine vormals den Gemeinden zustehende Kompetenz - die Wahl des ersten Vertreters zu den Verbandsversammlungen der Zweckverbände - in verfassungsrechtlich zulässiger Weise durch ein unmittelbar auf Gesetz beruhendes organschaftliches Mitgliedschaftsrecht der Amtsdirektoren ersetzt werden durfte. Das mit der Kommunalverfassungsbeschwerde geltend gemachte Interesse der Beschwerdeführerin an einer Beibehaltung ihrer vormals gesetzlich gesicherten Position kann in Konflikt mit einem möglichen Interesse des Amtsdirektors geraten, die ihm nach § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg nunmehr eingeräumte Vertreterstellung einzunehmen. Da die Beschwerdeführerin den Amtsdirektor jedoch durch Beschluss der Gemeindevertretung vom 25. November 2014 ausdrücklich mit der Durchführung der Kommunalverfassungsbeschwerde beauftragte, ist dieser gemäß § 135 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 Alt. 2 BbgKVerf (auch) hierfür ihr Vertreter.

 

2. Die Beschwerdeführerin ist gemäß Art. 100 LV, § 51 Abs. 1 VerfGGBbg beschwerdebefugt.

 

a. Sie macht geltend, durch § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach der Landesverfassung verletzt zu sein. Eine Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltung durch die angegriffene Vorschrift erscheint jedenfalls möglich. Zum Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltung zählt die Befugnis der Gemeinden, in Ausübung ihrer Organisationshoheit eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, ob sie eine ihnen obliegende Aufgabe - hier die Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung - selbst oder im Verbund mit anderen Gemeinden wahrnehmen (LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 11, 3, 19 f). Durch die Übertragung gemeindlicher Aufgaben auf einen Zweckverband scheiden diese auch nicht ohne weiteres aus dem Schutzbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts aus. Die nach einer Aufgabenübertragung der Gemeinde verbleibenden Befugnisse werden vielmehr durch das Selbstverwaltungsrecht geschützt, sodass gesetzliche Regelungen, die die gemeindlichen Mitwirkungsrechte, den gemeindlichen Einfluss auf die Willensbildung des Verbandes betreffen, Eingriffe in das kommunale Selbstverwaltungsrecht darstellen können (LVerfGE 7, 74, 84 f, m. w. Nachw.; E 8, 71, 79 f). Dass der Beschwerdeführerin gemäß § 19 Abs. 7 GKGBbg die Möglichkeit verbleibt, dem Amtsdirektor für die Ausübung der Vertretung in der Verbandsversammlung Richtlinien und Weisungen zu erteilen, lässt die in dem Fortfall der Befugnis zur Wahl ihres ersten Vertreters liegende Beschwer nicht entfallen.

b. Die Beschwerdeführerin ist durch die angegriffene Regelung auch gegenwärtig betroffen. § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg führt von Gesetzes wegen zu ihrer Vertretung in der Verbandsversammlung durch den Amtsdirektor.

 

3. Die Jahresfrist des § 51 Abs. 2 VerfGGBbg ist mit der am 6. Juli 2015 erhobenen Verfassungsbeschwerde gewahrt. Das GKGBbg vom 10. Juli 2014 ist am 12. Juli 2014 in Kraft getreten (Art. 18 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Zusammenarbeit vom 10. Juli 2014, GVBl. I Nr. 32 vom 11. Juli 2014).

 

4. Die Beschwerdeführerin kann schließlich nicht darauf verwiesen werden, dass der Gesetzgeber in § 44 GKGBbg ein behördliches Schlichtungsverfahren vorgesehen hat. Dieses rechnet nicht zum vor Erhebung einer Kommunalverfassungsbeschwerde einzuhaltenden Rechtsweg. Das Schlichtungsverfahren des § 44 GKGBbg soll nämlich bei Streitigkeiten über Rechte und Pflichten aus Vereinbarungen über eine kommunale Zusammenarbeit oder aus Verbandssatzungen betrieben werden können, mit ihm kann dagegen die Frage, ob ein Gesetz das kommunale Selbstverwaltungsrecht verletzt, von vornherein nicht geklärt werden.

 

II.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde hat Erfolg. Die angegriffene Vorschrift greift in die kommunale Selbstverwaltung ein. Dieser Eingriff hält der verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

 

1. Das Verfassungsgericht hat bereits entschieden, dass Inhalt und Umfang der durch Art. 97 LV gewährleisteten Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Anlehnung an die in der Bundesrepublik Deutschland entwickelte historische Dogmatik und insbesondere an die zu Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu bestimmen sind. Obgleich bei der Schaffung der Landesverfassung von einem historisch gewachsenen Erscheinungsbild der kommunalen Selbstverwaltung in Brandenburg nicht ausgegangen werden konnte, hat doch der Verfassungsgeber Brandenburg den Bestand der grundgesetzlichen Norm in der Ausbildung, die sie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfahren hat, mit der ausdrücklich Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nachgebildeten Formulierung des Art. 97 Abs. 2 LV inhaltlich übernommen (Urteil vom 15. April 2011 - VfGBbg 45/09 -, LKV 2011, 411, 412). Hieran wird festgehalten.

 

Danach gewährleistet Art. 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 LV den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte (LVerfGE 2, 183, 188; Urteil vom 15. April 2011 - VfGBbg 45/09 -, a. a. O.). Gesetzliche Regelungen, die die Art und Weise der Aufgabenerledigung betreffen, können die Gemeinden daher in ihrem Recht auf Selbstverwaltung verletzen (vgl. nur BVerfG NVwZ 2002, 72, 73).

 

a. Das Recht zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte gewährleistet die Freiheit von staatlicher Reglementierung in Bezug auf die Art und Weise der Aufgabenerledigung und in Bezug auf die Organisation der Gemeindeverwaltung (Organisationshoheit); hierzu rechnet insbesondere die Festlegung der Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten für die Wahrnehmung der Aufgaben. Die Gemeinden können grundsätzlich nach eigenem Ermessen Behörden, Einrichtungen und Dienststellen errichten, ändern und aufheben, diese ausstatten, beaufsichtigen sowie die Steuerungsmechanismen festlegen und damit über Gewichtung, Qualität und Inhalt ihrer Entscheidungen bestimmen (BVerfGE 119, 331, 362; E 91, 228, 236; E 83, 363, 382). Die Organisationshoheit ist damit ein Element der Befugnis eigenverantwortlicher  Führung der Geschäfte und damit ein wesentlicher Bestandteil des in Art. 97 Abs. 1 LV geschützten Rechts auf kommunale Selbstverwaltung (LVerfGE 7, 74, 85; E 11, 99, 106; LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 99, 104; Urteil vom 15. April 2011
- VfGBbg 45/09 -, a. a. O.). Sie ist dabei nicht auf die Wahrnehmung bestimmter Sachaufgaben begrenzt, sondern besteht für die gemeindliche Verwaltung in ihrer Gesamtheit (BVerfGE 107, 1, 14; E 83, 363, 382). Eine Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie stellt als Ausschnitt der Organisations- die Kooperationshoheit als die Befugnis dar, darüber zu befinden, ob eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern wahrgenommen wird und ob zu diesem Zweck gemeinsame Institutionen, etwa ein Zweckverband, gegründet werden (LVerfGE 11, 99, 103, zur Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung; LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116, 130; BVerfGE 119, 331, 362; NVwZ 1987, 123 f; Nierhaus, in: Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 28 Rn. 54a; Schliesky, Die Verwaltung 38 (2005), 339, 345; Schmidt, Kommunalrecht, 2. Aufl., S. 253; ders., Kommunale Kooperation, 2005, S. 58).

 

b. Die Organisationshoheit ist allerdings nicht absolut gewährleistet. Für sie gilt weder das Prinzip der Allzuständigkeit, so dass die Gemeinden grundsätzlich alle Fragen ihrer Organisation selbst zu entscheiden hätten, noch das Prinzip der Eigenorganisation, wonach jede staatliche Vorgabe einer spezifischen Rechtfertigung bedürfte (Urteil vom 15. April 2011 - VfGBbg 45/09 -, a. a. O.; LVerfGE 15, 116, 121). Art. 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 LV enthält allerdings wiederum, ebenso wie Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, keineswegs lediglich ein Aufgabenverteilungsprinzip zugunsten der Gemeinden, das der zuständigkeitsverteilende Gesetzgeber zu berücksichtigen hat, sondern geht auch für die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte verfassungsrechtlich von einem prinzipiellen Vorrang einer dezentralen, also gemeindlichen, vor einer zentralen und damit staatlich festgelegten Aufgabenwahrnehmung aus (BVerfGE 119, 331, 363; E 107, 1, 13 f; E 119, 331, 363; E 83, 363, 382).

 

Zur Bestimmung der an staatliche Regelungen kommunaler Verfasstheit und Organisation verfassungsrechtlich zu stellenden Anforderungen sind, wie das Verfassungsgericht ebenfalls bereits entschieden hat, die insofern historisch gewachsenen Differenzierungen heranzuziehen. Da hiernach insbesondere die Regelung der äußeren Kommunalverfassung bereits in der Weimarer Republik als Sache des Gesetzgebers angesehen wurde und die Entscheidung über die äußeren Grundbedingungen der Gemeindeverwaltung in allen Ländern stets dem Gesetzgeber zugerechnet werden (BVerfGE 107, 1, 13), wurden und werden Entscheidungen über die äußere Verfasstheit der Kommunen weniger als Teil der kommunalen Selbstverwaltung angesehen, sondern bilden für sie einen Rahmen. Andererseits gehören gewisse Organisationsbefugnisse seit jeher zum Erscheinungsbild der kommunalen Selbstverwaltung, wie insbesondere die Befugnis, Ortsstatute zu erlassen oder die innere Verwaltungsorganisation durch Verwaltungsverfügungen zu regeln. Entsprechend ist daher zwischen Regelungen, die die äußeren Grundstrukturen und solchen, die den inneren Verwaltungsaufbau betreffen, zu unterscheiden (Urteil vom 15. April 2011
- VfGBbg 45/09 -, a. a. O.; vgl. auch Kühne, in: Frank/Langrehr (Hrsg.), Die Gemeinde, Festschrift zum 70. Geburtstag von Heiko Faber, 2007, S. 35, 46). Die äußeren Grundstrukturen unterfallen hiernach der Regelungskompetenz des Landes. Organisationsvorgaben können grundsätzlich etwa auch mit dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung sowie der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung oder dem Wunsch nach Übersichtlichkeit begründet werden, sofern die den Kommunen durch die Verfassung gewährleisteten Hoheitsrechte im Kern erhalten bleiben können. Durch die Möglichkeit organisatorischer Rahmensetzung soll der Gesetzgeber auch auf eine effektive Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinden hinwirken können.

 

Hin­sichtlich des inneren Verwaltungsaufbaus muss der Gemeinde jedoch grundsätzlich ein Spielraum vorbehalten sein, im Rahmen des vorgezeichneten Grundorganisationsschemas ihre innere Organisation eigenständig zu regeln (Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 GG (Zweitbearbei­tung) Rn. 102). Denn eine eigenverantwortliche Aufgabenerledigung setzt eine organisatorische Gestaltungsbefugnis voraus; eine gewisse Organisationsfreiheit ist deshalb notwendige Grundlage der Selbstverwaltung. Daher verpflichtet Art. 97 LV den Gesetzgeber, den Gemeinden bei der Ausgestaltung des Kommunalrechts eine Mitverantwortung für die organisatorische Gewährleistung ihrer Aufgaben einzuräumen. Den Gemeinden haben mehr als nennenswerte organisatorische Befugnisse zu verbleiben. Sie müssen bei der Wahrnehmung der einzelnen Aufgabenbereiche die Möglichkeit haben, noch auf die besonderen Anforderungen am Ort durch eigene Maßnahmen reagieren zu können. Belässt der Gesetzgeber den Gemeinden in diesem Bereich einen solchen Raum zu selbstverantwortlichen Maßnahmen, findet eine verfassungsgerichtliche Kontrolle dahin, ob die von ihm getroffenen Organisationsentscheidungen auf hinreichend gewichtigen Zielsetzungen beruhen, grundsätzlich nicht statt, sofern der Gesetzgeber den Gemeinden einen Spielraum zur eigenverantwortlichen Organisation belassen hat. Haben die Gemeinden zu geringe Entfaltungsmöglichkeiten, unterliegt er einem spezifischen Rechtfertigungsbedarf für seine Normierung; die gesetzlichen Regelungen müssen dann von hinreichend gewichtigen Gründen getragen sein  (Urteil vom 15. April 2011 - VfGBbg 45/09 -, a. a. O.; BVerfGE 91, 228, 241; NVwZ 2001, 317 f).

 

2. Diesen Maßstäben vermag die angegriffene Vorschrift nicht zu genügen.

 

a. Die angegriffene Bestimmung regelt in diesem Sinne zunächst nur die innere Organisation des Zweckverbandes. Sie ist vom Text des GKGBbg bereits in den die innere Verfassung und Verwaltung des Zweckverbandes betreffenden 3. Abschnitt der Regelungen über den Zweckverband eingeordnet. Inhaltlich werden mit ihr die Mitgliedschaft und die Stimmabgabe in der Verbandsversammlung als des gemäß § 18 GKGBbg für die Aufgabenerfüllung und die gemeindliche Mitwirkung hieran zentralen Organs des Zweckverbandes, das kommunalverfassungsrechtlich gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 GKGBbg an die Stelle der Gemeindevertretung tritt, geregelt. Damit steht die Norm im Zentrum der Willensbildung und der Ausübung der den Mitgliedsgemeinden (für die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 GKGBbg die auf die Fraktionen anwendbaren Vorschriften der Kommunalverfassung Anwendung finden) zustehenden Entscheidungsrechte (zu diesen Kriterien der Einordnung einer Bestimmung in die Vorgaben zur inneren gemeindlichen Organisation s. Urteil vom 15. April 2011
- VfGBbg 45/09 -, LKV 2011, 411, 412). Schließlich werden auch die in der Kommunalverfassung zu § 19 GKGBbg parallelen Vorschriften des § 27 BbgKVerf zur Zusammensetzung und Wahl der Gemeindevertretung und des § 32 Abs. 2 Satz 1 BbgKVerf über die Mitwirkung der Fraktionen an der Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Gemeindevertretung unzweifelhaft sachlich und auch ihrer textlichen Zuordnung (in Kapitel 2 der Kommunalverfassung) nach zur inneren Gemeindeverfassung gerechnet.

 

§ 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg betrifft jedoch nicht nur die innere Organisation der Zweckverbände selbst, sondern regelt für die Kommune zwingend die Besetzung ihrer mitgliedschaftlichen Vertretung in den Zweckverbänden. Damit wirkt sich die Vorschrift unmittelbar auch auf den gemeindlichen Bereich aus und formt die Möglichkeiten der gemeindlichen Selbstverwaltung zur Wahrnehmung der den Zweckverbänden übertragenen gemeindlichen Aufgaben aus, sie greift damit in die innere Organisation der Gemeinde über.

 

Die kommunale Kooperationshoheit und die Bildung von Zweckverbänden werden zu Recht tradiertem Verständnis nach als Ausfluss der Selbstverwaltungsgarantie angesehen (vgl. nur Dietlein, LKV 1999, 41; Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, Band 1, 6. Aufl., Art. 28 Rn. 81, m. w. Nachw.; Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 56, 70) und die Übertragung gemeindlicher Aufgaben auf einen Zweckverband führt, entgegen der von der Landesregierung vertretenen Auffassung, nicht ohne weiteres zum Verlust des von der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gewährten Schutzes. Die Aufgabenwahrnehmung spielt sich vielmehr weiterhin im Bereich des Art. 97 LV ab. Auch nach einer Verlagerung auf einen Zweckverband handelt es sich um Aufgaben, die auch die Gemeinden zu verantworten haben. Die Gemeinden begeben sich der übertragenen Aufgaben nicht zur Gänze, sondern nehmen sie weiterhin wahr, wenn auch mit geringerem - weil mit den jeweils weiteren Aufgabenträgern geteiltem - Einfluss auf die Art und Weise ihrer Erfüllung (LVerfGE 11, 99, 103 f; E 8, 71, 79 f; E 7, 74, 84 f, m. w. Nachw.). Die Bildung von Zweckverbänden dient nach der Konzeption der die kommunale Gemeinschaftsarbeit regelnden gesetzlichen Vorschriften der gemeinsamen Wahrnehmung öffentlicher (kommunaler) Aufgaben (§ 10 Abs. 1 GKGBbg), die Zweckverbände bilden hierfür bloße Instrumente. Ihre (freie) Gründung ist selbst Inhalt der Kooperationshoheit, die durch die Gesetze über die Formen kommunaler Gemeinschaftsarbeit nicht etwa begründet, sondern lediglich ausgestaltet wird. Sie ermöglicht Gemeinden, ihre Verwaltungskraft durch Gründung eines Verbandes zu steigern, ohne ihren Einfluss auf die Aufgabenerledigung gänzlich zu verlieren (VerfGH Saarland, Urt. v. 29. Juni 2004 - Lv 5/03 -, Juris Rn. 59 ff; vgl. auch Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 57).

 

Um trotz der hiermit einhergehenden „Aufgabenentörtlichung“ (Löwer, a. a. O., Rn. 82) eine weiterhin möglichst selbstverantwortete gemeindliche Aufgabenwahrnehmung auch bei einer Nutzung der Gestaltungsform des Zweckverbandes zu gewährleisten, ist es geboten, den verfassungsrechtlichen Schutz über die bloße Entscheidung über das „Ob“ des Eingehens einer Kooperation und die Wahrnehmung der Aufgaben in den Zweckverbänden hinaus auf deren (innere) Organisation jedenfalls insoweit zu beziehen, als die Mitwirkung der Mitgliedsgemeinden an der Willensbildung und -betätigung betroffen ist (vgl. Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 56: Kooperationshoheit umfasst neben der Befugnis zur Bildung eines Zusammenschlusses auch diejenige zur Mitwirkung an der Willensbildung und -betätigung im Verband). Den amtsangehörigen Mitgliedsgemeinden eines Zweckverbandes ist daher maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung des Verbandes selbst einzuräumen, indem sie in der Verbandsversammlung durch eine von ihnen gewählte Vertretungsperson vertreten sind.

 

b. Mit der Ersetzung der bisher für die amtsangehörigen Gemeinden bestehenden Kompetenz, ihren (ersten) Vertreter in die Verbandsversammlung selbst wählen zu können, durch die gesetzliche Organstellung des Amtsdirektors in § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg hat der Gesetzgeber eine abschließende Regelung getroffen, mit der jede andere an erster Stelle erfolgende mitgliedschaftliche Stellung der amtsangehörigen Gemeinden ausgeschlossen wird. Die gesetzliche Regelung ist zwingend gefasst, sie lässt keine sonstige, nach Maßgabe des gemeindlichen Willens erfolgende Ausgestaltung der mitgliedschaftlichen Vertretung zu. Anderes hätte etwa dann zu gelten gehabt, wenn die Normierung der Vertretung dispositiv gefasst worden wäre und es den Gemeinden hiernach offen gestanden hätte, anstelle des Amtsdirektors auch einen anderen, von ihr frei zu wählenden ersten Vertreter zu entsenden.

 

Die angegriffene gesetzliche Regelung eröffnet den amtsangehörigen Gemeinden keinen hinreichenden organisatorischen Spielraum, innerhalb dessen ihnen die von Verfassungs wegen gewährleistete Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten wie auch möglicherweise bestehender lokaler Partikularinteressen - etwa eine von der Gemeinde gewünschte Stärkung ihres ehrenamtlichen Bürgermeisters, die Wahl eines besonders fachkundigen Mitglieds der Gemeindevertretung, die Wahl eines Mitglieds einer bestimmten Fraktion - ermöglicht und mit dem der zunächst einmal umfassend erfolgenden Übertragung gemeindlicher Entscheidungsbefugnisse (hierzu BVerfGE 91, 228, 243) auf den Amtsdirektor als Vertreter der Gemeinden (kompensatorisch) Rechnung getragen würde.

 

Dass den Gemeinden - nach wie vor - gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 GKGBbg das Recht eingeräumt wird, neben dem Amtsdirektor weitere Vertreter in die Verbandsversammlung zu entsenden, eröffnet keinen einer ungebundenen Wahl des ersten Vertreters vergleichbaren, hinreichenden kommunalen Spielraum. Dies gilt sowohl für den Fall, dass eine Gemeinde nach Maßgabe der Verbandssatzung lediglich durch einen einzigen Vertreter, den Amtsdirektor, in der Verbandsversammlung vertreten wird als auch in Fällen, in denen weitere Vertreter entsendet werden, da auch hier die Person des ersten Mitglieds in der Verbandsversammlung unverrückbar feststeht. Gegen die Stimme des Amtsdirektors kann zudem angesichts der Regelung des § 19 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GKGBbg, wonach eine uneinheitlich erfolgende Stimmabgabe zur Ungültigkeit führt, außer im Falle der - in der Praxis wohl eher weniger relevanten und praktisch nur schwer handhabbaren - Bestimmung eines Stimmführers durch die Gemeinde gemäß § 19 Abs. 4 Satz 5, Abs. 7 Satz 2 GKGBbg, keine (wirksame) Stimmabgabe erfolgen, unabhängig davon, wie viele weitere Vertreter ein Verbandsmitglied entsendet. Gemessen an einem gemeindlichen Wahlrecht des ersten Vertreters ist der mit der Möglichkeit der Bestellung weiterer Mitglieder von Gesetzes wegen eröffnete Spielraum, den die einzelne Gemeinde im Übrigen gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 GKGBbg nicht frei, sondern nur im Zusammenwirken mit den anderen Mitgliedern des jeweiligen Zweckverbandes bei der Festlegung der Regelungen der Verbandssatzung nutzen kann, im Ergebnis als allenfalls gering und jedenfalls als nicht hinreichend zu qualifizieren.

 

Nichts anderes hat mit Blick auf das den Verbandsmitgliedern durch § 19 Abs. 7 Satz 1 GKGBbg eröffnete, dem Amtsdirektor gegenüber bestehende Richtlinien- und Weisungsrecht zu gelten (zur möglichen Kompensation von Aufgabenverlusten durch die Einräumung von Weisungsrechten vgl. BVerfGE 107, 1, 20). Auch hierfür gilt, dass der Status des Amtsdirektors als gesetzlicher Vertreter von dem Richtlinien- und Weisungsrecht in keiner Weise berührt oder zur Disposition der amtsangehörigen Gemeinden gestellt wird, so dass ihnen auf dieser ersten Stufe der Begründung des Vertreterstatus keinerlei Spielraum zu eigener Gestaltung eröffnet wird. Gegenüber einer eigenverantwortlich erfolgenden gemeindlichen Wahl des ersten Vertreters stellt die Einräumung von Weisungsrechten auch der Sache nach nur ein bloßes Minus dar. Die eigenverantwortliche Wahl ihres Vertreters ermöglicht es der Gemeinde, zu diesem für die gesamte Zeit der Bestellung ein Vertrauensverhältnis zu begründen und fortzuführen oder aber die Vertretung, sofern dieses Vertrauensverhältnis nicht mehr besteht, zu beenden. Mit der Wahl wird damit die Entscheidung über den „eigenen“ Mann, die „eigene“ Frau getroffen, der bzw. die die Gemeinde in der Verbandsversammlung repräsentiert und der Gemeinde gegenüber vollumfänglich politisch verantwortlich ist. Hiervon ist eine im Einzelfall durch Weisung (dieses Recht stand den Verbandsmitgliedern ebenfalls bereits gemäß § 15 Abs. 4 Satz 6 GKGBbg a. F. zu) oder für bestimmte Gruppen von Entscheidungen vermittels einer Richtlinie erfolgende Beeinflussung einer im Übrigen (politisch) ungebunden und im Rahmen der Vertretungsrechte uneingeschränkt erfolgenden Vertretung durch den nicht gemeindeintern bestimmten Hauptverwaltungsbeamten des Amtes wesensverschieden. Der Tatsache, dass der Amtsdirektor einfachgesetzlich an Weisungen der Gemeinde vergleichsweise strikt gebunden wird und ihm verschiedene weitere (Unterrichtungs-) Pflichten obliegen, kommt demgegenüber nur nachrangige Bedeutung zu.

 

Das Weisungsrecht bindet die Vertretungsperson zudem lediglich hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens und nicht hinsichtlich ihrer im Rahmen des Willensbildungsprozesses der Verbandsversammlung zu leistenden Beiträge. Im Falle gegenläufiger Weisungen der amtsangehörigen Gemeinden kann deren Wille deshalb nicht mehr angemessen zum Ausdruck gebracht werden.

 

c. Besteht der angegriffenen Regelung nach somit kein angemessener Spielraum für die amtsangehörigen Gemeinden zur Ausgestaltung ihrer Vertretung, ist die vom Landesgesetzgeber getroffene Regelung verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn sie von hinreichend gewichtigen Gründen getragen wird. Der Gesetzgeber bedarf der Rechtfertigung, wenn er eine Vorgabe eigenständig selbst und abschließend trifft, statt diese den Kommunen in eigener Verantwortung zu überlassen; hierbei ist zu berücksichtigen, ob die angegriffene Norm inhaltlich eine Vorgängernorm ersetzt und aus welchen Gründen dies geschieht (Urteil vom 15. April 2011 - VfGBbg 45/09 -, LKV 2011, 411, 413). Die der Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde liegenden Erwägungen müssen dabei weiter umso gewichtiger sein, wenn die gesetzliche Regelung nicht lediglich die Wahrnehmung von Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises, sondern gemeindliche Selbstverwaltungsaufgaben betrifft (LVerfGE 5, 79, 93; vgl. auch BVerfGE 91, 22, 241; E 107, 1, 20 f; NVwZ 2001, 317; Wolff,
VerwArchiv 100 (2009), 280, 285; Kühne, a. a. O., S. 52).

 

aa. Die Zusammenarbeit von Kommunen in Zweckverbänden gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GKGBbg ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 GKGBbg zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zulässig, zu denen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 GKGBbg Selbstverwaltungsaufgaben, Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung und Auftragsangelegenheiten rechnen. Damit stellen gesetzliche Ausgestaltungen der Zusammenarbeit in Zweckverbänden, wie sie in § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg getroffen werden, prinzipiell ohne weiteres auch Vorgaben für die Wahrnehmung kommunaler Selbstverwaltungsaufgaben dar, vorliegend der (pflichtigen) Selbstverwaltungsaufgaben der Wasserver- und Abwasserentsorgung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BbgKVerf, §§ 59, 66 BbgWG; LVerfGE 11, 99, 103). § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg gilt überdies unterschiedslos für alle eine Betätigung in Zweckverbänden in Betracht ziehenden amtsangehörigen Gemeinden. An die Rechtfertigung der Vorgaben des § 19 Abs. 3 GKGBbg sind daher erhöhte Anforderungen zu stellen.

 

Dies gilt umso mehr angesichts der Bedeutung, die der gesetzlichen Ausgestaltung der kommunalen Zusammenarbeit insgesamt betrachtet für die Kommunen innewohnt: Das Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit ermöglicht es insbesondere kleineren Gemeinden in der Praxis vielfach überhaupt erst, Aufgaben in wirtschaftlich sinnvoller Weise wahrzunehmen zu können, die mit erheblichen Investitionen und einem hohem Verwaltungsaufwand verbunden sind, dabei aber ganz wesentliche der den Gemeinden verbliebenen Betätigungsfelder kommunaler Selbstverwaltung darstellen (VerfGH Saarland, Urt. v. 29. Juni 2004 - Lv 5/03 -, Juris Rn. 59 ff; vgl. Mehde, in: Maunz-Dürig, GG, Bd. IV, Stand: November 2012, Art. 28 Abs. 2 Rn. 72, m. w. Nachw.; Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 19: Überragende Rolle kooperativer Strukturen bei der Verwaltung öffentlicher Einrichtungen, insbesondere der leitungsgebundenen Ver- und Entsorgung. Zur Pflicht des Gesetzgebers, einen Rechtsrahmen für eine angemessene kommunal verantwortete Aufgabenwahrnehmung zu schaffen, vgl. etwa Schmidt, a. a. O., S. 70 f, 422 ff, 430 f; Mehde, a. a. O., Rn. 68, unter Hinweis auf BVerfGE 91, 228, 238, E 107, 1, 13, E 119, 331, 363; Engels, Die Verfassungsgarantie kommunaler Selbstverwaltung, 2014, S. 390). Angesichts dieser den jeweiligen Kommunen nur noch im Zusammenspiel mit anderen Trägern möglichen Aufgabenwahrnehmung und der hiermit bereits aus Sachgründen eingetretenen Beschränkung ihrer Betätigungsfreiheit (vgl., im Zusammenhang von Zwangsverbandsbildungen, Löwer, a. a. O.) sind weitere Einschränkungen der gemeindlichen Kompetenzen, die der Gesetzgeber im Zuge der Ausgestaltung der inneren Organisation der kommunalen Zusammenarbeit vorsieht, in besonderem Maße rechtfertigungsbedürftig. Je mehr Optionen der Gesetzgeber den Kommunen eröffnet, desto besser kann sich deren kommunale Organisationshoheit entfalten (Schliesky, a. a. O., 364). Dies gilt aber auch im umgekehrten Sinne: Ist der gemeindliche Entscheidungsspielraum bereits beeinträchtigt, hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der (weiteren) Vorgaben zur Aufgabenwahrnehmung und Organisation hierauf besondere Rücksicht zu nehmen (vgl. Frenz, VerwArchiv 86 (1995), 378, 388; zur Relevanz von „Häufungen“ von Beeinträchtigungen bereits VerfGH NW, Urt. v. 21. August 1954 - 3/53 -, juris Rn. 77).

 

Die zur Überprüfung gestellte Norm des § 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg selbst bewirkt, dass den amtsangehörigen, in Zweckverbänden organisierten Gemeinden, deren Einflussnahme auf die Aufgabenerfüllung bereits vermindert ist und die mit dem Übergang der Aufgabenerfüllungsverantwortung auf die Organe des Verbandes konfrontiert sind (Mehde, a. a. O., Rn. 72), auch die Möglichkeit verloren geht, ihre Interessen in der Verbandsversammlung über einen von der unmittelbar demokratisch legitimierten Gemeindevertretung gewählten Vertreter umfassend selbstverantwortet und unmittelbar zu artikulieren. Die Vertreter der gemeindlichen Mitglieder in der Verbandsversammlung bilden die Klammer zwischen der gemeindlich übertragenen, durch den Zweckverband wahrgenommenen Aufgabenerfüllung und der freien  Selbstverwaltung der Gemeinden. Der Bestellung des gemeindlichen Vertreters in der Verbandsversammlung kommt damit erhebliches Gewicht für die Ausübung der selbstverantworteten Aufgabenwahrnehmung zu, die gefundene gesetzgeberische Lösung der prinzipiellen „Fremdvertretung“ ist daher wiederum in besonderem Maße rechtfertigungsbedürftig (zumal in den Fällen, in denen, wie vorliegend, die Gemeinden die Entscheidung über die Wahrnehmung einer Aufgabe durch einen Zweckverband bereits getroffen haben, eine wesentliche Grundlage dieser Entscheidung durch den Gesetzgeber nachträglich verändert wird).

 

bb. Eine derartige Rechtfertigung ist nicht gegeben. Die Gesetzesbegründung zu § 19 Abs. 3 GKGBbg (LT-Ds. 5/8411 vom 21. Januar 2014, Begründung S. 23) verhält sich zu der gegenüber der abgelösten Rechtslage erfolgten Erweiterung der Vertretung der kommunalen Verbandsmitglieder durch die jeweiligen Hauptverwaltungsbeamten auf die amtsangehörigen Gemeinden nur insofern, als ausgeführt wird, in Satz 1 der Bestimmung sei „klargestellt“ worden, dass für die Vertretung von amtsangehörigen Gemeinden durch den Amtsdirektor das Verbot des In-Sich-Geschäfts nach § 135 Abs. 4 Satz 2 BbgKVerf keine Anwendung finde, was heiße, dass der Amtsdirektor alle amtsangehörigen Gemeinden des eigenen Amtes, die Mitglieder eines Zweckverbandes seien, in der Verbandsversammlung vertrete. Irgendeine Begründung inhaltlicher Natur für die Veränderung der Vertretung selbst wird hingegen nicht gegeben.

 

Die Landesregierung führt als Grund für die gesetzliche Regelung Verständnis- und Auslegungsschwierigkeiten hinsichtlich des die Vertretung regelnden § 15 Abs. 4 Satz 1 GKGBbg a. F. an, die zu „vereinzelten“ „Fragen“ in der kommunalen Praxis geführt hätten. Auch dies vermag die notwendige Rechtfertigung offenkundig nicht zu vermitteln. Der Gesetzgeber kann derartige Unklarheiten, sofern sie denn wirklich bestehen und auch nicht durch die Kommunalaufsicht geklärt werden können, bei einer Reform des jeweiligen Gesetzes ohne weiteres beheben; eine inhaltliche Veränderung des gesetzlich Geregelten ist hierfür ersichtlich nicht erforderlich. Bloße redaktionelle, letztlich vom Gesetzgeber selbst verursachte und zu verantwortende Mängel eines Gesetzes können von vornherein keine Rechtfertigung für einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie bilden.

 

Gleiches gilt für das Anliegen des Gesetzgebers, den Rechtsrahmen der Wahrnehmung der Mitgliedschaft von Kommunen in Verbandsversammlungen und die Außenvertretungsbefugnisse der Amtsdirektoren vereinheitlichen zu wollen. Außenvertretungsbefugnis und die Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte unterscheiden sich ganz gravierend. Auch dies vermag deshalb keinen hinreichenden Grund für den Entzug der gemeindlichen Befugnis zur eigenständigen Bestimmung ihres Vertreters darzustellen. Es handelt es sich hierbei nicht in erster Linie um eine von sachlich-inhaltlichen Gründen getragene Erwägung, etwa der Art, dass die Neuregelung erforderlich wäre, um in der Vergangenheit aufgetretene Mängel der Wahrnehmung der Befugnisse der amtsangehörigen Gemeinden in den Verbandsversammlungen abzustellen; vielmehr soll lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit eine von der ansonsten für die amtsangehörigen Gemeinden umfassend in § 135 Abs. 4 BbgKVerf angelegten Vertretungsbefugnis der Amtsdirektoren bestehende vermeintliche Ausnahme beseitigt werden, letztlich in Fortführung der den Amtsdirektoren mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge (vom 9. Januar 2012, GVBl. I Nr. 1 S. 1) bereits zugewiesenen Vertretungsbefugnis auch in rechtlich selbständigen Unternehmen nach § 97 Abs. 1 BbgKVerf (die im Übrigen dem Vortrag der Landesregierung nach von der kommunalen Seite ausdrücklich gewünscht worden war). Derartige, nicht auf sachlich-inhaltlichen Überlegungen fußende gesetzgeberische Ziele können jedenfalls vorliegend angesichts der dargestellten hohen Bedeutung der in den Verbandsversammlungen eigenständigen mitgliedschaftlichen Vertretung der amtsangehörigen Gemeinden die notwendige Rechtfertigung nicht geben. Dass sich die bei Schaffung des GKGBbg im Jahre 1999 bestehende Einschätzung des Gesetzgebers zu möglichen Interessenkonflikten, denen die Amtsdirektoren im Falle einer Vertretung der amtsangehörigen Gemeinden in der Verbandsversammlung ausgesetzt sein könnten, im Zuge der Novellierungen des Gesetzes geändert hat, ist demgegenüber - unabhängig davon, ob es sich um eine zutreffende Bewertung handelt oder nicht - unerheblich, da hiermit keine für die „neue“ Regelung sprechenden Sachgründe, die ihrer Rechtfertigung dienen könnten, angegeben werden, sondern lediglich die Überlegungen dargestellt werden, die den historischen Gesetzgeber bewogen hatten, die nunmehr abgelöste Norm seinerzeit zu schaffen.

 

C.

§ 19 Abs. 3 Satz 1 GKGBbg war nur insoweit  mit der Verfassung des Landes Brandenburg für unvereinbar zu erklären, als er amtsangehörige Gemeinden betrifft (§ 41 Satz 1, § 51 Abs. 3 VerfGGBbg). Von einer Nichtigerklärung der Norm war dagegen abzusehen, da die amtsangehörigen Gemeinden hierdurch in den Verbandsversammlungen der Zweckverbände bis zur Wahl neuer Vertreter gegebenenfalls ohne jede Vertretung bleiben würden und damit ein Zustand bewirkt worden wäre, der ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung noch weniger entsprochen hätte als die derzeitige gesetzliche Regelung. Die Vollstreckungsanordnung beruht auf § 33
VerfGGBbg.

 

D.

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg.

 

E.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 Alt. 2 VerfGGBbg.

 

Die Entscheidung ist mit sechs zu einer Stimme ergangen.

Möller Dr. Becker
   
Dresen Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel