VerfGBbg, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - VfGBbg 104/02 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 9 Abs. 2 Satz 2; LV, Art. 9 Abs. 2 Satz 3; LV, Art. 52 Abs. 4 Satz 1 - VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 - StPO, § 115 Abs. 3; StPO, § 118 Abs. 2; StPO, § 128 Abs.1 Satz 2; StPO, § 168c Abs. 5; StPO, § 33a - JGG, § 67 Abs. 1; JGG, § 71 Abs. 2; JGG, § 72 Abs. 4 |
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Schlagworte: | - Bundesrecht - Strafprozeßrecht - Zustandigkeit des Landesverfassungsgerichts - Rechtsschutzbedürfnis - Rechtswegerschöpfung - Subsidiarität - Haftbefehl - Beschwerdebefugnis - Verteidiger - zügiges Verfahren - Prozeßkostenhilfe - Auslagenerstattung - Tenor |
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nichtamtlicher Leitsatz: | 1. Das Recht auf Gelegenheit zur Zuziehung eines Rechtsbeistandes vor freiheitsentziehenden Maßnahmen (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg) kann es gebieten, mit der vorangehenden Anhörung des Betroffenen bis zum Eintreffen seines Verteidigers zu warten. 2. Zum Recht der Erziehungsberechtigten auf Verfahrensbeteiligung bei freiheitsentziehenden Maßnahmen gegen Jugendliche. 3. Die an Stelle von Untersuchungshaft tretende Anordnung der einstweiligen Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung ist an den für eine Freiheitsentziehung geltenden Garantien zu messen. 4. Die Vorenthaltung eines Verfahrensgrundrechts in der Vorinstanz erfaßt auch die Entscheidung der (jeweils) nächsten Instanz, wenn der Verfassungsverstoß im Rechtsmittelverfahren nicht korrigiert wird. |
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Fundstellen: | - LVerfGE 13, 197 - LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, 217 - JMBl 2003, 24 - JR 2003, 192 - NJW 2003, 2009 |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - VfGBbg 104/02 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 104/02

B E S C H L U S S | ||||||||||
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren 1. A. B., Beschwerdeführer zu 1, 2. M. B., Beschwerdeführerin zu 2, 3. E. B., Beschwerdeführer zu 3, Verfahrensbevollmächtigter zu 1 bis 3: Rechtsanwalt T. G., gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Zossen vom 08. August 2002, den Beschluß des Landgerichts Potsdam vom 26. August 2002 und den Beschluß des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 26. September 2002 und Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwaltes T. G. hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 19. Dezember 2002 b e s c h l o s s e n : Der Haftbefehl des Amtsgerichtes Zossen vom 8. August 2002 sowie die Beschlüsse des Landgerichtes Potsdam vom 26. August 2002 und des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes vom 26. September 2002 sind unter Verletzung des Beschwerdeführers zu 1 in seinem Recht aus Art. 9 Abs. 2 Satz 2 und der Beschwerdeführer zu 2 und 3 in ihrem Recht aus Art 9 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg ergangen. Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde teils verworfen, teils zurückgewiesen. Das Land Brandenburg hat den Beschwerdeführern die in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Damit erübrigt sich die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe. G r ü n d e : A. 1. Der 16 Jahre alte Beschwerdeführer zu 1 ist das jüngste von vier Geschwistern und Schüler einer Förderschule. Er lebt bei seinen Eltern, den Beschwerdeführern zu 2 und zu 3. Der Beschwerdeführer zu 1 befand sich vom 8. August bis zum 25. September 2002 in Untersuchungshaft. Seit dem 26. September 2002 ist er einstweilen in einer Jugendhilfeeinrichtung in der Uckermark untergebracht. Gegen ihn sowie einen 22 Jahre alten Arbeitslosen und gegen weitere drei 15 und 16 Jahre alte Jugendliche ist Anklage wegen versuchten Mordes und vollendeter schwerer Körperverletzung erhoben worden. Das Landgericht hat inzwischen das Hauptverfahren eröffnet und die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung des Beschwerdeführers zu 1 in der Jugendhilfeeinrichtung beschlossen. Gegenstand der Anklage ist die Mißhandlung eines aus Mosambik stammenden Mannes in der Nacht vom 2. zum 3. August 2002 zwischen 2.30 Uhr und 5.00 Uhr. Im Zuge der Ermittlungen ist am 6. August 2002 zunächst einer der Angeklagten, am 7. August 2002 sind weitere drei Angeklagte vorläufig festgenommen worden. Noch an demselben Tage machten sie alle allerdings widersprüchliche - Angaben zum Geschehen. Einige der Angeklagten sagten aus, der Beschwerdeführer zu 1, habe sich, wenn auch weniger massiv, an den Mißhandlungen beteiligt. Am 8. August 2002 wurde daraufhin der Beschwerdeführer zu 1 gegen Mittag vorläufig festgenommen und auf der Polizeiwache Ludwigsfelde vernommen. Gegen 17.45 Uhr gab die Ermittlungsrichterin der Kanzlei seines Verteidigers telefonisch durch, sie wolle in einer halben Stunde den Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer zu 1 verkünden. Der Verteidiger rief die Richterin gegen 18.00 Uhr zurück und bat sie, eine dreiviertel Stunde zu warten, er sei bereits auf dem Weg. Dies lehnte die Richterin ab. Die Beschwerdeführerin zu 2, die zur richterlichen Vernehmung gegen 18.15 Uhr zum Amtsgericht gekommen war, stand dort vor verschlossener Tür. Als der Verteidiger gegen 18.30 Uhr am Amtsgericht eintraf, war der Haftbefehl bereits verkündet und der Beschwerdeführer zu 1 auf dem Weg in die Justizvollzugsanstalt. Der Beschwerdeführer zu 1 legte gegen den Haftbefehl Beschwerde ein und beantragte gleichzeitig, über die Beschwerde in mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Mit Beschluß vom 26. August 2002 wies das Landgericht die Beschwerde zurück und faßte den Haftbefehl neu. In dem Beschluß heißt es, die Kammer gehe vom Haftgrund der Fluchtgefahr aus; die Straferwartung biete einen hohen Fluchtanreiz. Gegen den Beschluß des Landgerichts legte der Beschwerdeführer zu 1 weitere Beschwerde ein und beantragte mit dieser erneut, den Haftbefehl gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen und über die weitere Beschwerde in mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Mit Beschluß vom 26. September 2002 hob das Brandenburgische Oberlandesgericht den Haftbefehl auf. Gleichzeitig ordnete es die einstweilige Unterbringung des Beschwerdeführers zu 1 in einer Jugendhilfeeinrichtung an. Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, der Beschwerdeführers zu 1 habe nicht in einem Heim der Jugendhilfe untergebracht werden können. Da jedoch die übrigen Voraussetzungen der Untersuchungshaft und damit zugleich die Voraussetzungen für eine einstweilige Unterbringung nach § 72 Abs. 4 Jugendgerichtsgesetz (JGG) gegeben seien, sei eine derartige Unterbringung anzuordnen. Zwar sei der Beschwerdeführer zu 1 bisher strafrechtlich nicht aufgefallen, lebe bei seinen Eltern und sei noch recht jung. Auf der anderen Seite müsse er jedoch mit einer erheblichen Sanktion rechnen, die erfahrungsgemäß gerade Jugendliche dazu bewegen könne, sich dem Verfahren zu entziehen. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß einem Jugendlichen die nachträgliche Bestürzung über die eigene Tat dahin treibe, sein gewohntes Lebensumfeld zu verlassen und zumindest für einige Zeit unterzutauchen. Ob die Ermittlungsrichterin mit der Verkündung des Haftbefehls bis zu Ankunft des Verteidigers hätte warten müssen, könne auf sich beruhen, weil der Beschwerdeführer zu 1 in der richterlichen Vernehmung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. 2. Die Beschwerdeführer haben am 28. Oktober 2002 Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügen eine Reihe von Verfassungsverstößen. Ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) sei darin zu sehen, daß die Ermittlungsrichterin vor Erlaß des Haftbefehles nicht auf den Verteidiger des Beschwerdeführers zu 1 gewartet habe. Diese fehlgeschlagene Vernehmung sei die einzige mündlichen Anhörung geblieben. Dies könne auch durch die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme nicht ausgeglichen werden. Weiter liege ein Verstoß gegen das aus Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV abzuleitende Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung vor. Eine Entscheidung allein nach Aktenlage sei hier verfassungswidrig. Eine Anhörung aller Beschwerdeführer sowie die Einholung einer Stellungnahme der Jugendgerichtshilfe sei geboten gewesen. Die Anordnung der einstweiligen Unterbringung des Beschwerdeführers zu 1 in einer Einrichtung der Jugendhilfe verstoße gegen das Recht auf persönliche Freiheit aus Art. 6 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 Satz 2, Art. 10, Art. 52 Abs. 4 LV. Die Freiheit der Person dürfe nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden. Das Brandenburgische Oberlandesgericht habe verkannt, daß eine solche Maßnahme nur ultima ratio sein könne. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht ließen in ihren Entscheidungen die durch einschlägige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vorgegebene verfassungskonforme Auslegung des § 112 Abs. 3 Strafprozeßordnung (StPO) vermissen. Die Schwere des Tatvorwurfes genüge für sich genommen nicht, einen Haftbefehl zu rechtfertigen. Die Haftbeschwerde und die weitere Beschwerde seien nicht in der durch Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV gebotenen Schnelligkeit bearbeitet worden. Die Beschwerdeführer zu 2 und zu 3 rügen, daß sie als Eltern nicht am Verfahren zur Anordnung und Fortdauer der Freiheitsentziehung beteiligt worden seien. Sie seien weder vor dem Amts-, noch vor dem Land- oder dem Oberlandesgericht angehört worden. Die Beschwerdeführerin zu 2 sei nicht in das Amtsgericht gelangt, obwohl sie zur Teilnahme an der richterlichen Vernehmung und der Verkündung des Haftbefehles angereist sei. 3. Das Verfassungsgericht hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft beigezogen. Der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgericht, des Landgerichts, der Direktor des Amtsgerichtes und die Staatsanwaltschaft hatten Gelegenheit zur Äußerung. B. Die Verfassungsbeschwerde ist im wesentlichen zulässig. 1. Der Rechtsweg ist ausgeschöpft (§ 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg VerfGGBbg -). Gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO. Der Rechtsbehelf nach § 33a StPO steht nicht zur Verfügung. Er setzt voraus, daß das Gericht Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen der Beteiligte kein rechtliches Gehör gehabt hat. Der Beschwerdeführer zu 1 rügt hier aber nicht die Verwertung von Tatsachen, zu denen er nicht gehört worden wäre, sondern er beanstandet, daß gerichtliche Entscheidungen auf lückenhafter Tatsachengrundlage, nämlich ohne seine ordnungsgemäße persönliche Anhörung und den damit verbundenen unmittelbaren Eindruck von ihm, ergangen seien. Auch der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde greift nicht ein. Danach muß ein Beschwerdeführer über die Erschöpfung des Rechtsweges im engeren Sinne hinaus alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzungen zu erwirken. Einen Haftprüfungsantrag nach § 117 Abs. 1 StPO vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde brauchte der Beschwerdeführer zu 1 indes nach Lage des Falles nicht zu stellen. Er hat sowohl in der Beschwerde als auch in der weiteren Beschwerde auf Überprüfung unter seiner persönlichen Anhörung im Beistand seines Verteidigers gedrängt. Ein Haftprüfungsantrag kann ihm unter diesen Umständen billigerweise nicht abverlangt werden. 2. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, daß die Verletzung von Landesgrundrechten in einem bundesrechtlich hier durch die Strafprozeßordnung und das Jugendgerichtsgesetz - geregelten Verfahren gerügt wird. Ein Bundesgericht war nicht befaßt. Die gerügten Grundrechte sind inhaltsgleich: Die Freiheit der Person (Art. 9 Abs. 1 LV, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz - GG -) ist durch entsprechende Verfahrensgrundrechte gesichert (Art. 2 Abs. 2 Satz 3, Art. 104 GG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 4 LV); auch das Grundgesetz gewährleistet die Beiziehung eines Rechtsbeistandes (BVerfGE 70, 297, 322 f.) und eine das Ergebnis der Anhörung des Betroffenen berücksichtigende richterliche Sachaufklärung im Bereich freiheitsbeschränkender Maßnahmen (vgl. BVerfG NJW 2000, 502; 1995, 3047; BVerfGE 70, 297, 308, 319 f.). Das Recht der Erziehungsberechtigten auf Verfahrensbeteiligung (Art. 9 Abs. 2 Satz 3 LV) ergibt sich im Grundgesetz aus Art. 6 Abs. 2, demzufolge den Eltern ein eigenes Recht auf treuhänderische Wahrnehmung der Belange ihrer Kinder zusteht (BVerfGE 84, 168, 180). Das als verletzt gerügte Recht auf ein zügiges Verfahren wird auf Bundesebene durch Art. 19 Abs. 4 GG geschützt (vgl. BVerfGE 93, 1, 13). 3. Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt weiter voraus, daß zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtes (vgl. BVerfGE 81, 138, 140) ein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung der Entscheidung bzw. für die Feststellung eines Verfassungsverstoßes besteht. So liegt es hier ungeachtet dessen, daß der ursprüngliche Haftbefehl aufgehoben worden ist und auch der Beschluß des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes über die einstweilige Unterbringung des Beschwerdeführers zu 1 in einer Jugendhilfeeinrichtung durch die Entscheidung des Landgerichtes zur Fortdauer dieser Unterbringung (s. § 207 Abs. 4 StPO) überholt ist. Bei gewichtigen Grundrechtseingriffen kann zur Vermeidung einer Lücke im Grundrechtsschutz das Interesse an einer verfassungsgerichtlichen Klärung fortbestehen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 21. November 2002 - VfGBbg 94/02 - und vom 17. Februar 2000 - VfGBbG 45/99 -, NStZ-RR 2000, 185; BVerfG NJW 2002, 3691). 4. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 10 LV rügen, sind sie hingegen nicht beschwerdebefugt. Eine mögliche Verletzung von Art. 6 Abs. 1 LV haben die Beschwerdeführer nicht dargelegt. Die Vorschrift kommt grundsätzlich nur zum Tragen, wenn es anders als hier um den Zugang zu den Gerichten geht. Die von den Beschwerdeführern im übrigen als verletzt gerügten Grundrechte gehen als spezielle Vorschriften Art. 10 LV vor. Das von den Beschwerdeführern als verletzt angeführte Verhältnismäßigkeitsprinzip ist kein eigenständiges Grundrecht (vgl. dazu näher Beschluß vom 25. September 2002 - VfGBbg 79/02 -). II. 1. Die Verfassungsbeschwerde hat in der Sache im wesentlichen Erfolg. Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen sind unter Verletzung des Rechtes des Beschwerdeführers zu 1 auf Beziehung eines Rechtsbeistands seiner Wahl nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LV und des Rechtes der Beschwerdeführer zu 2 und 3 auf Verfahrensbeteiligung aus Art 9 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg ergangen. a) Die Freiheit der Person kann gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 2 LV nur aufgrund eines Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen eingeschränkt werden. An Freiheitsentziehungen sind dem hohen Rang des Freiheitsgrundrechts entsprechend zufolge Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 LV besondere Anforderungen zu stellen. Ebenso wie die Anordnung von Untersuchungshaft ist auch die Anordnung der einstweiligen Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung an den für eine Freiheitsentziehung geltenden Garantien zu messen; auch hierbei handelt es sich um eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 LV, ist doch auch eine solche Unterbringung faktisch mit der Aufhebung der Bewegungsfreiheit verbunden. Sie ersetzt Untersuchungshaft. Der Betroffene pflegt aus Furcht vor (erneuter) Untersuchungshaft die Einrichtung nicht zu verlassen. So hält es ersichtlich auch der Beschwerdeführer zu 1. b) Nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LV ist dem Betroffenen vor jeder richterlichen Entscheidung über Anordnung oder Fortdauer eines Freiheitsentzugs Gelegenheit zu geben, einen Rechtsbeistand seiner Wahl beizuziehen. Das erkennende Gericht hat bereits klargestellt, daß dies das Recht des Betroffenen einschließt, sich während einer mündlichen Anhörung des Beistands eines Rechtsanwalts seiner Wahl zu bedienen (vgl. Beschluß vom 12. Oktober 2000 VfGBbg 37/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 173). Er muß die realistische Möglichkeit haben, sich bei einer anstehenden Anhörung oder Einvernahme der Hilfe und des Rats eines Verteidigers zu versichern. Begrenzt wird dieses sein Recht auf Beziehung eines Rechtsanwalts seiner Wahl allerdings durch das öffentliche Interesse an der Effizienz des Verfahrens. Die Gerichte haben im Einzelfall eine Abwägung zwischen den Belangen der Strafrechtspflege und denen des Einzelnen vorzunehmen. Steht nur eine unwesentliche Verzögerung des Ablaufes zu erwarten, ist von Verfassungswegen die Anwesenheit des Verteidigers zu ermöglichen und gegebenenfalls auf das Eintreffen des Verteidigers zu warten (vgl. Boujong, in: Karlsruher Kommentar-Strafprozeßordnung, 4. Aufl., § 115 Rn. 11 und Paeffgen, in: Systematischer Kommentar zur StPO, § 115 Rn. 9, die jeweils von mehrstündigen Wartepflichten ausgehen). c) Nach Lage der Dinge ist der Beschwerdeführer zu 1 in seinem Recht auf Beziehung eines Rechtsbeistandes nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LV verletzt worden. Die richterliche Vernehmung des Beschuldigten nach § 128 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 3 StPO erfolgt im Zusammenhang mit einer möglichen Anordnung eines Freiheitsentzuges i.S. von Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LV. Der Ermittlungsrichter hat darüber zu befinden, ob der Festgenommene auf freien Fuß gesetzt wird oder Haftbefehl ergeht und unter welchen Auflagen gegebenenfalls der Vollzug des Haftbefehles ausgesetzt wird (§ 116 StPO). Vorliegendenfalls hat die Ermittlungsrichterin dem Beschwerdeführer zu 1 keine ausreichende Gelegenheit i.S. von Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LV gegeben, seinen Verteidiger als den Rechtsbeistand seiner Wahl zu der Anhörung im Vorfeld der Entscheidung über einen Haftbefehl hinzuzuziehen. Sie hätte nach Lage des Falles mit der richterlichen Vernehmung bis zum Eintreffen des Verteidigers warten können und müssen. Dieser hatte sowohl gegenüber dem ermittelnden Staatsanwalt als auch gegenüber der Richterin zu erkennen gegeben, daß er auf jeden Fall bei der anstehenden richterlichen Vernehmung des Beschwerdeführers zu 1 anwesend zu sein wünsche. Schon gegen Mittag, kurz nach der vorläufigen Festnahme des Beschwerdeführers zu 1, war er zusammen mit der Beschwerdeführerin zu 2 in dem ermittelnden Kommissariat der Kriminalpolizei erschienen und hatte geltend gemacht, daß Haftgründe nicht erkennbar seien. Am Nachmittag desselben Tages hatte er sodann zunächst mit dem ermittelnden Staatsanwalt gesprochen und sich wegen eines auswärtigen Termines bei der zuständigen Ermittlungsrichterin gewissermaßen abgemeldet, jedoch gleichzeitig mitgeteilt, er werde nach einer Benachrichtigung in jedem Fall in weniger als einer Stunde im Amtsgericht zur Stelle sein; es bleibe dabei, daß er zugegen sein wolle. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich bereits ab, daß es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer richterlichen Vernehmung kommen werde, so daß eine vorsorgliche terminliche Absprache ohne weiteres möglich gewesen wäre. Schon von daher muß auf Unverständnis stoßen, daß die Ermittlungsrichterin den Verteidiger erst gegen 17.45 Uhr von der unmittelbar bevorstehenden Vernehmung unterrichtete und dann nicht einmal eine dreiviertel Stunde zu warten bereit war. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer zu 1 gerade erst 16 Jahre alt ist und zudem der Umstand, daß es sich um einen Förderschüler also einen auf schulische Förderung angewiesenen jungen Menschen handelt, auf ein erhöhtes Fürsorgebedürfnis hindeutet. Es sind auch keine ins Gewicht fallenden Gründe ersichtlich, die einer kurzen Verschiebung des Anhörungstermins entgegengestanden hätten. Nachdem der Verteidiger sein Kommen in weniger als einer Stunde zugesagt hatte, hätte sich nur eine unwesentliche Verzögerung ergeben. Unter diesen Umständen hätte die Anhörung nicht beginnen dürfen, bevor der Verteidiger eingetroffen war. Obendrein hat der Beschwerdeführer zu 1. erklärt, er wolle sich vor einer Aussage zunächst mit seinem Anwalt beraten. Es verwundert, daß die Richterin unter diesen Umständen die Anhörung nicht noch bis zum Eintreffen des Verteidigers verschoben hat, nachdem sie wußte, daß er bereits unterwegs war, und auf eine Einvernahme nun gänzlich verzichtete. Der Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LV wird auch nicht etwa dadurch gleichsam geheilt, daß der Beschwerdeführer zu 1 keine Angaben gemacht hat. Der Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LV liegt bereits darin, daß er keine Gelegenheit hatte, sich mit seinem Verteidiger über sein Verhalten in dem Anhörungstermin zu beraten. d) Der Verfahrensmangel, der darin liegt, daß dem Beschwerdeführer zu 1 unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LV vorenthalten worden ist, sich bei der Anhörung vor Erlaß des Haftbefehls des Beistandes seines Verteidigers zu bedienen, wirkt auch auf die Beschlüsse des Landgerichtes und des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes herüber. Die Vorenthaltung eines Verfahrensgrundrechts in der Vorinstanz erfaßt auch die Entscheidung der (jeweils) nächsten Instanz, wenn der Verfassungsverstoß im Rechtsmittelverfahren nicht korrigiert wird (vgl. Bundesverfassungsgericht, NStZ 2002, 157 = StV 2001, 691). Ist der Haftbefehl unter verfassungswidriger Verkürzung des Rechts auf Zuziehung eines Rechtsbeistandes bei der Anhörung vor Erlaß des Haftbefehls ergangen, ist deshalb die Anhörung unter Zuziehung des Rechtsbeistandes entweder, wie es § 118 Abs. 2 StPO ermöglicht, im Beschwerdeverfahren oder ggf. nach Zurückverweisung des Verfahrens durch das Beschwerdegericht in der Ausgangsinstanz nachzuholen. Der Betroffene kann in diesem Sinne verlangen, daß er sich jedenfalls einmal in Beistand seines Verteidigers gegenüber dem für die Haftfrage zuständigen Richter äußern kann. Da hier eine Anhörung im Beistand des Verteidigers auch vor dem Land- und dem Oberlandesgericht nicht erfolgt ist, sind daher auch die dort getroffenen Entscheidungen unter Verletzung von Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LV ergangen. Eine Überprüfung in inhaltlicher Hinsicht erübrigt sich unter diesen Umständen. e) Die Beschwerdeführer zu 2 und zu 3 sind in ihrem Recht aus Art. 9 Abs. 2 Satz 3 LV verletzt worden. Nach dieser Verfassungsbestimmung haben die Erziehungsberechtigten bei richterlichen Entscheidungen über Anordnung und Fortdauer eines Freiheitsentzuges das Recht auf Verfahrensbeteiligung. Die Ermittlungsrichterin hatte deshalb sicherzustellen, daß sie als Eltern Gelegenheit hatten, an der Anhörung des Beschwerdeführers zu 1 teilzunehmen. Es geht nicht an, daß sich die Beschwerdeführerin zu 2, als sie gegen 18.15 Uhr zu der richterlichen Anhörung des Beschwerdeführers zu 1 zum Amtsgericht kam, dort vor verschlossenen Türen fand. Ein Anwesenheitsrecht des Erziehungsberechtigten ergibt sich auch einfachrechtlich aus § 67 Abs.1 JGG. Soweit der Beschuldigte ein Recht darauf hat, gehört zu werden und Fragen und Anträge zu stellen, steht dieses Recht auch dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter zu; dies gilt auch bei Vernehmungen im Vorverfahren (Schoreit, in: Diemer, Schoreit, Sonnen, Jugendgerichtsgesetz, 4. Aufl., § 67 Rn. 13 f). § 168c Abs. 5 StPO ergänzt das Anwesenheitsrecht dahin, daß die zur Anwesenheit Berechtigten von dem Termin vorher zu benachrichtigen sind. 2. Soweit mit der Verfassungsbeschwerde ferner gerügt wird, daß die Beschwerde gegen den Haftbefehl und die weitere Beschwerde unter Verstoß gegen Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV nicht zügig genug bearbeitet worden seien, bleibt die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht waren, wie die sodann ergangenen Entscheidungen ausweisen, in der Sache selbst der Auffassung, daß der Beschwerdeführer zu 1 wegen Fluchtgefahr nicht auf freiem Fuß belassen werden dürfe. Dies mag aus ihrer Sicht den Entscheidungsdruck eine wenig verringert haben. Unbeschadet dessen war allerdings wie stets, und zwar unabhängig vom Ergebnis, wenn die Freiheit eines Menschen betroffen ist im Interesse eine baldigen Klärung der Situation des Betroffenen in angemessen kurzer Zeit eine Entscheidung zu treffen. Die hier in Frage stehenden Bearbeitungszeiten das Landgericht hat binnen 2 ½ Wochen, das Oberlandesgericht binnen eines Monats entschieden bewegen sich zwar in einem kritischen Bereich, erscheinen aber nach Lage des Falles noch unterhalb der Grenze des Verfassungswidrigen. III. 1. Nachdem die angegriffenen Beschlüsse durch die im Zusammenhang mit der Eröffnung des Hauptverfahrens mit der Verfassungsbeschwerde nicht angefochtene Entscheidung des Landgerichts über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Jugendhilfeeinrichtung überholt sind, war für eine Aufhebung der verfahrensgegenständlichen Gerichtsentscheidungen und eine Zurückverweisung kein Raum.2. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer beruht auf § 32 Abs. 7 VerfGGBbg. Da die Beschwerdeführer im wesentlichen Erfolg hatten, erscheint eine volle Auslagenerstattung angezeigt. Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe. | ||||||||||
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