VerfGBbg, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - VfGBbg 28/96 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 4 Satz 1 - VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 Satz 1; VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 Satz 2; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1 - GG, Art. 19 Abs. 4 |
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Schlagworte: | - Rechtswegerschöpfung - Subsidiarität - Beschwerdegegenstand - zügiges Verfahren - Erledigung der Hauptsache - Auslagenerstattung |
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amtlicher Leitsatz: | ||
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - VfGBbg 28/96 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 28/96

B E S C H L U S S | ||||||||||||||
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Eheleute Dr. M., Beschwerdeführer, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte J., D. und S., wegen Feststellung einer Grundrechtsverletzung durch Untätigbleiben des Verwaltungsgerichts Cottbus in einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 19. Dezember 1996 b e s c h l o s s e n : 1. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.2. Auslagen werden den Beschwerdeführern nicht erstattet. G r ü n d e : A. Die Beschwerdeführer erstreben sinngemäß die Feststellung, daß sie in ihrem Prozeßgrundrecht auf zügiges Verfahren dadurch verletzt worden seien, daß das Verwaltungsgericht Cottbus über einen von ihnen gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erst nach 14 Monaten entschieden habe. Am 3. Juli 1995 stellten die Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Erteilung einer - aus ihrer Sicht rechtswidrigen - Nutzungs- bzw. Baugenehmigung für ein in ihrer Nachbarschaft geleqenes Ausflugslokal mit Biergarten bei dem Verwaltungsgericht Cottbus Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. In der Folgezeit, zuletzt im Mai und im Juni 1996, suchte der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführer mehrfach ohne Erfolg um Bescheidung des Antrages nach. Am 12. Juli 1996 haben die Beschwerdeführer das Verfassungsgericht des Landes angerufen und eine Verletzung der Garantie auf Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 1 der Brandenburgischen Landesverfassung gerügt. Nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde hat das Verwaltungsgericht Cottbus - Mitte August 1996 - in der Sache entschieden. Die Beschwerdeführer beantragen nunmehr die Feststellung, daß das Verwaltungsgericht sie durch Inanspruchnahme einer Entscheidungsfrist von 58 Wochen bis zu einer erstmaligen Entscheidung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Verfahren ... 182/95 ... in ihren Grundrechten aus Art. 6 Abs. 1 der Verfassung für das Land Brandenburg verletzt habe. Zur Begründung machen sie geltend: Eine Erledigung ihres vor dem Verfassungsgericht verfolgten Anliegens könne in der nunmehr ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus nicht gesehen werden. Dieses habe ihren Anträgen nur teilweise stattgegeben. Die verfassungswidrige Untätigkeit wirke deswegen dergestalt fort, daß sie erst jetzt die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) erheben könnten und somit im Ergebnis noch immer auf eine Entscheidung über den beantragten vorläufigen Rechtsschutz warten müßten. Zudem ergebe sich ein besonderes Feststellungsinteresse aus einer Wiederholungsgefahr. Das benachbarte Ausflugslokal habe zwischenzeitlich die Nutzung erweitert. Sie - die Beschwerdeführer - hätten deswegen jüngst einen Antrag auf Untersagung der erweiterten Nutzung bei dem zuständigen Landkreis gestellt; da damit zu rechnen sei, daß die Behörde - wie schon früher - nicht einschreiten werde, sei mit der erneuten Inanspruchnahme des Verwaltungsgerichts Cottbus auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu rechnen. B. I. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. 1. Das mit der Verfassungsbeschwerde erstrebte Anliegen - die (nachträgliche) Feststellung einer Grundrechtsverletzung durch die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts Cottbus - ist als solches statthaft. Soweit sich die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhange (auch) auf die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG berufen, ist für die Anrufung der erkennenden Gerichts allerdings kein Raum. Zufolge Art. 6 Abs. 2 Landesverfassung (LV) setzt eine Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht die Behauptung voraus, durch die öffentliche Gewalt in einem in dieser Verfassung gewährleisteten Grundrecht, also in einem Grundrecht aus der Landesverfassung, verletzt zu sein (vgl. zuletzt Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 21. November 1996 - VfGBbg 26/96 - S. 24 f. des Umdrucks, zur Veröffentlichung in LVerfGE 4 Nr. 16 vorgesehen). Hierzu zählt Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes nicht. Auch soweit sich die Beschwerdeführer auf die Rechtsschutzgarantie aus Art. 6 Abs. 1 LV beziehen, ist eine Grundrechtsverletzung nicht einmal dargetan. Der Rechtsweg (zu den Verwaltungsgerichten) als solcher stand und steht den Beschwerdeführern ersichtlich offen. Das Recht auf ein zügiges Verfahren ist in der Brandenburgischen Landesverfassung gesondert - in Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV - behandelt. Der Sachvortrag der Beschwerdeführer zielt freilich thematisch zugleich auf das in der Brandenburgischen Verfassung gewährleistete Grundrecht auf ein zügiges Verfahren vor Gericht aus Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV. Daß die Beschwerdeführer diesen Artikel der Landesverfassung nicht ausdrücklich genannt haben, steht einer Sachentscheidung des Landesverfassungsgerichts nicht entgegen, weil die Ausführungen in der Beschwerdeschrift ergeben, daß sie sich in dieser Hinsicht in ihren Rechten verletzt fühlen. Dies reicht für die Erfüllung der formalen Erfordernisse des § 46 VerfGGBbg, wonach u.a. das als verletzt angesehene Grundrecht anzugeben ist, noch aus (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 23. Mai 1996 - VfGBbg 9/95 - S. 5 des Umdrucks, zur Veröffentlichung in LVerfGE 4 Nr. 8 vorgesehen). 2. Das Gericht läßt offen, ob die Beschwerdeführer gegen ein Untätigbleiben des Verwaltungsgerichts im Wege einer Beschwerde das Oberverwaltungsgericht hätten anrufen können und demzufolge die Verfassungsbeschwerde schon mangels Erschöpfung des Rechtsweges oder jedenfalls deswegen unzulässig ist, weil ihr der Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht. Dem aus § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg folgenden Gebot der Rechtswegerschöpfung und dem auf der rechtsanalogen Anwendung dieser Norm beruhenden Subsidiaritätsgrundsatz liegt der Gedanke zugrunde, daß ein Beschwerdeführer vor der Anrufung des Verfassungsgerichts alle ihm nach Lage der Dinge gegebenenfalls zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung ergreifen muß, wie es einer sachgerechten Aufgabenverteilung zwischen dem Verfassungsgericht und den Fachgerichten entspricht (ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, zuletzt Beschluß vom 21. November 1996 - VfGBbg 17/96; 18/96; 19/96 - S. 13 des Umdrucks, zur Veröffentlichung in LVerfGE 4 Nr. 17 vorgesehen). Hierzu kann auch eine - gegebenenfalls außerordentliche - Beschwerde gegen ein Untätigbleiben des angerufenen Gerichts an das Beschwerdegericht mit dem Ziel gehören, daß dem Verfahren Fortgang gegeben werde. Daß die Statthaftigkeit eines solchen Rechtsbehelfs in der verwaltungs-gerichtlichen Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Literatur unterschiedlich beantwortet wird (vgl. dazu -einen solchen Rechtsbehelf für den Fall bejahend, daß die Verfahrensverzögerung praktisch einer Rechtsschutzverweigerung gleichkommt - VGH München, BayVBl. 1978, 212, 213; offenlassend etwa VGH Mannheim, NJW 1984, 993; ablehnend dagegen OVG Bremen, NJW 1984, 992; vgl. aus der Literatur einerseits etwa Meyer-Ladewig in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, Stand: 1. April 1996, Vorb. § 124 Rdn. 36 und andererseits z.b. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Band II, Stand Mai 1994, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdn. 263; vgl. i.Ü. auch BVerfG NJW 1992, 1497), bedeutet nicht zwingend, daß dem Beschwerdeführer die entsprechende Anrufung des Fachgerichts nicht zumutbar wäre (vgl. dazu BVerfGE 91, 93, 106; 70, 180, 185 ff. 68, 376, 381; 16, 1, 2 f.). 3.Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil mit der inzwischen ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus das Rechtsschutzbedürfnis für eine Inanspruchnahme des Verfassungsgerichts entfallen ist. Die Verfassungsbeschwerde dient in erster Linie dem subjektiven Rechtsschutz des Bürgers; sie will dem Bürger bei der Durchsetzung seines Anliegens die Hilfe des Verfassungsgerichts zuteil werden lassen (vgl. nur Kley/Rühmann in: Umbach/Clemens, Verfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 1992, § 90, Rdn. 62). Demgemäß macht eine auf eine Verletzung des Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV gestützte Verfassungsbeschwerde vor allem dann Sinn, wenn die Untätigkeit oder zögerliche Verfahrensweise des Fachgerichts andauert und ein Eingreifen des Verfassungsgerichts. deshalb geboten ist. Ist demgegenüber der zu beurteilende Verfahrensteil abgeschlossen und damit eine Behebung der dort etwa eingetretenen Grundrechtsverletzung nicht mehr möglich, ist ein Interesse an einem - insoweit nachträglichen - Tätigwerden des Verfassungsgerichts nur ausnahmsweise anzuerkennen. Eine solche Ausnahme sieht das Gericht hier nicht. Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, das Verwaltungsgericht habe ihre Anträge teilweise zurückgewiesen, so daß sie erst jetzt (insoweit) Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht einlegen könnten, ergibt sich aus diesem allgemeinen Hinweis nicht zwingend, daß sich eine etwaige Grundrechtsverletzung weiterhin auswirkt (vgl. zu solchen Fällen BVerfGE 15, 228, 230; 21, 378, 383). Es gehört zu der Verantwortung eines Berufungs- bzw. Beschwerdegerichts, in die verfahrensmäßige Behandlung einzubeziehen, ob die längere Verfahrensdauer in erster Instanz eine um so zielstrebigere Erledigung in zweiter Instanz nahelegt. Auch eine Wiederholungsgefahr, wie sie die Beschwerde führer befürchten, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Unabhängig davon, daß zum jetzigen Zeitpunkt offen ist, ob und inwieweit die Beschwerdeführer abermals auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht Cottbus angewiesen sein werden, ist nicht absehbar, ob sich eine Verfahrensdauer von fast 14 Monaten im Eilverfahren bei den Beschwerdeführern noch einmal wiederholen würde. Dies gilt umso mehr, als der Präsident des Verwaltungsgerichts Cottbus in seiner Stellungnahme zum hiesigen Verfahren ausgeführt hat, daß das Verwaltungsgericht zwischenzeitlich durch Einsetzung weiterer Richter verstärkt worden ist. II. Der Antrag auf Auslagenerstattung bleibt ebenfalls ohne Erfolg. § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg ordnet eine solche nur bei gänzlich oder teilweise erfolgreicher Verfassungsbeschwerde zwingend an. In den übrigen Fällen kann das Verfassungsgericht nach § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts kommt - mit Blick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 32 Abs. 1 VerfGGBbg) einerseits und den fehlenden Anwaltszwang andererseits - eine Auslagenerstattung nach dieser Vorschrift nur in Betracht, wenn besondere Billigkeitsgründe vorliegen (vgl. schon Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 20. Oktober 1994 - VfGBbg 9/93 EA - LVerfGE 2, 191, 192). Solche Billigkeitsgründe vermag das Gericht hier nicht zu erkennen. Es steht nicht fest, daß die Verfassungsbeschwerde Erfolg gehabt hätte. Dies im Rahmen einer bloßen Auslagenerstattungsentscheidung zu vertiefen, besteht kein Anlaß. | ||||||||||||||
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