VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 2009 - VfGBbg 44/09 -
Verfahrensart: |
Organstreit Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 56 Abs. 2 Satz 1 - GO-LT, § 59 Abs. 1 Satz 1; GO-LT, § 59 Abs. 3 Satz 2 |
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Schlagworte: | - Parlamentsrecht - Kleine Anfage - Richtiger Antragsgegner |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 2009 - VfGBbg 44/09 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 44/09
IM NAMEN DES VOLKES |
In dem Organstreitverfahren Michael Claus, Antragsteller, Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt K., gegen 1. den Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Heinrich-Mann-Allee 107, 14473 Potsdam, Antragsgegner zu 1. 2. die vormalige Ministerin der Justiz des Landes Brandenburg, Heinrich-Mann-Allee 107, 14473 Potsdam, Antragsgegnerin zu 2. wegen Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 2982 vom 28. Juli 2009 im Landtag Brandenburg (Drs. 4/7974) hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 19. November 2009 b e s c h l o s s e n : 1. Der Antrag wird verworfen. G r ü n d e : A. Der Antragsteller wendet sich gegen die Beantwortung seiner Kleinen Anfrage Nr. 2982 vom 28. Juli 2009 im Landtag Brandenburg (Drs. 4/7974). I. Der Antragsteller war Abgeordneter im 4. Brandenburger Landtag. Er richtete mit Drucksache des Landtags Brandenburg 4/7846 die Kleine Anfrage Nr. 2982 vom 28. Juli 2009 an die Landesregierung, die mit Drucksache des Landtags 4/7974 vom 10. September 2009 von der Landesregierung beantwortet wurde. Der 5. Brandenburger Landtag konstituiert sich in der Sitzung vom 21. Oktober 2009. II. Der Antragsteller rügt mit dem am 24. September 2009 eingegangenen Antrag eine Verletzung von Art. 56 Abs. 2 Satz 2 Landesverfassung (LV). Die Antwort der Landesregierung sei inhaltlich unzureichend. Zudem sei die Anfrage nicht gemäß § 59 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung des Landtages (GO-LT) innerhalb von vier Wochen und damit nicht unverzüglich im Sinne der Landesverfassung beantwortet worden. Der Ministerpräsident und die Ministerin der Justiz seien die richtigen Antragsgegner. Gemäß Art. 82, 84 LV sei der Ministerpräsident Mitlied und Chef der Landesregierung und damit dem Antragsteller aus Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV ebenso unmittelbar verpflichtet wie die innerhalb der Landesregierung für das Justizressort verantwortliche Antragsgegnerin zu 2. Die Antragsgegner zu 1. und zu 2. haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. B. Der Antrag ist unzulässig. 1. Der Antragsteller und die Antragsgegner sind im Sinne von Art. 113 Nr. 1 LV, §§ 12 Nr. 1, 35 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) im Organstreitverfahren beteiligtenfähig. Der Beteiligtenfähigkeit des Antragstellers steht nicht entgegen, dass er nicht mehr Abgeordneter des Brandenburger Landtags ist. Das Organstreitverfahren dient auch der Klärung und Weiterentwicklung des objektiven Verfassungsrechts. Demgemäß besteht eine im Zeitpunkt der Antragstellung gegebene Beteiligtenfähigkeit auch nach dem Ende einer Wahlperiode des Landtages fort. Der Grundsatz der Diskontinuität fordert nicht die Beendigung aller zum Ausgang der Wahlperiode noch nicht abgeschlossener Organstreitverfahren vor dem Landesverfassungsgericht, an denen Verfassungsorgane oder andere in § 12 Abs. 1 Nr. 1 VerfGGBbg genannte Beteiligten, die der personellen Diskontinuität unterliegen, beteiligt sind (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss 15. Oktober 2009, VfGBbg 10/09 EA m. w. N.).2. Der Antrag ist gegen die falschen Antragsgegner gerichtet. Gemäß § 36 Abs. 1 VerfGGBbg ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihn durch die Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Wer im Organstreitverfahren als richtiger Antragsgegner anzusehen ist, hängt davon ab, wer die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung rechtlich zu verantworten hat (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28. Juli 2008 VfGBbg 53/06). Der Ministerpräsident bzw. ein einzelner Landesminister sind dann der richtige Antragsgegner, wenn Maßnahmen beanstandet werden, die ihnen unmittelbar zuzurechnen sind. Dies ist hier nicht der Fall. Gemäß Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV sind Fragen an die Regierung unverzüglich nach bestem Wissen und vollständig zu beantworten. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 GO-LT kann jeder Abgeordnete von der Landesregierung durch Kleine Anfragen Auskünfte verlangen. Gemäß § 59 Abs. 3 Satz 2 GO-LT übermittelt der Präsident die Anfragen der Landesregierung zur schriftlichen Beantwortung. Aus diesen Formulierungen ergibt sich ohne weiteres, dass Verpflichteter der Kleinen Anfrage die Landesregierung ist. Die Verfassungsbestimmung unterscheidet sich bereits dem Wortlaut nach von den Bestimmungen anderer Landesverfassungen, die neben der Landesregierung noch eine rechtliche Verantwortlichkeit ihrer Mitglieder vorsehen (vgl. Art. 53 Abs. 2 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt: die Landesregierung oder ihre Mitglieder; Art. 51 Abs. 1 Verfassung des Freistaates Sachsen: die Staatsregierung oder ihre Mitglieder; Art. 40 Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern: die Landesregierung oder ihre Mitglieder). Unabhängig davon, welches Mitglied der Landesregierung im Rahmen seiner Ressortzuständigkeit mit der Beantwortung einer Kleinen Anfrage betraut ist, handelt es sich bei der Antwort um eine des Verfassungsorgans Landesregierung. Entsprechend hat ein Abgeordneter auch keinen Anspruch darauf, dass seine Fragen von einem bestimmten Mitglied der Landesregierung beantwortet werden. Anders als in den Fällen, in denen die rechtliche Verantwortlichkeit sowohl bei der Regierung als auch bei dem konkret entscheidenden Ressortminister liegt (vgl. zu dieser Konstellation etwa BVerfGE 67, 100, 126 f.), können der Ministerpräsident und ein Minister als Teile des Verfassungsorgans Landesregierung dann nicht als Antragsgegner im Organstreitverfahren in Anspruch genommen werden, wenn die rechtliche Verantwortlichkeit des Organs in Frage steht. Ein Organteil kann nicht wegen des Verhaltens des Organs, dem es angehört, in Anspruch genommen werden. Art. 113 Nr. 1 LV, § 36 VerfGGBbg sieht eine passive Prozessstandschaft nicht vor. Der Antrag kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Antragsteller trotz einer lediglich falschen Bezeichnung im Grunde eine Verletzung seiner verfassungsrechtlichen Positionen durch die Landesregierung geltend macht. Formulierung und Begründung des Antrags sind insoweit eindeutig. Das Landesverfassungsgericht ist an den gestellten Antrag gebunden. Das Organstreitverfahren steht zwar auch im Dienst der objektiven Bewahrung des Verfassungsrechts, sein Streitgegenstand ist allerdings durch § 36 Abs. 2 VerfGGBbg, nämlich durch das konkret angegriffene Verhalten des bezeichneten Antragsgegners und die Bestimmungen, gegen die es verstoßen haben soll, begrenzt (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28. Juli 2008 VfGBbg 53/06). C. Das Landesverfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich gehalten (vgl. § 22 Abs. 1 VerfGGBbg). D. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
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