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VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 1998 - VfGBbg 39/98 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1
Schlagworte: - Strafprozeßrecht
- Rechtsschutzbedürfnis
- Beschwerdegegenstand
- Rechtswegerschöpfung
amtlicher Leitsatz:
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. November 1998 - VfGBbg 39/98 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 39/98 EA



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung

J.,

Antragsteller,

gegen den Beschluß des Amtsgerichts Bernau über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Bestellung eines Verteidigers

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Knippel,
Prof. Dr. Mitzner, Prof. Dr. Schöneburg, Prof. Dr. Schröder, Weisberg-Schwarz und Prof. Dr. Will

am 19. November 1998

b e s c h l o s s e n :

Der Antrag wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Der Antragsteller wendet sich gegen einen Beschluß des Amtsgerichts B., mit dem das strafgerichtliche Hauptverfahren gegen ihn eröffnet wird. Zur Begründung macht er geltend, im Ermittlungsverfahren unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör weder von der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft vernommen worden zu sein. Im Wege der einstweiligen Anordnung möchte er seine “Vernehmung als Zeuge” in dieser Sache erreichen. Außerdem wendet er sich dagegen, daß das Amtsgericht B. ihm einen Pflichtverteidiger bestellt hat.

B.

I.

Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Das Verfassungsgericht kann nach § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Insoweit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ein strenger Maßstab anzulegen. Stellt sich die Anrufung des Verfassungsgerichts in der Hauptsache als offensichtlich unzulässig oder unbegründet dar, kann auch der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben. Ansonsten ist eine von den Erfolgsausichten der Hauptsache unabhängige Abwägung vorzunehmen, wobei den Gründen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung besonderes - dem Fall drohender Gewalt vergleichbares - Gewicht zukommen muß und, im Sinne einer zusätzlichen Voraussetzung, die Anordnung “zum gemeinen Wohl” und “dringend” geboten sein muß (vgl. zu alledem etwa die Entscheidungen des Verfassungsgericht des Landes Brandenburg vom 30. November 1993 - VfGBbg 3/93 EA, LVerfGE 1, 205, 206; vom 22. Dezember 1993 - VfGBbg 9/93 -, LVerfGE 1, 214, 216 f.; vom 15. Dezember 1994 - VfGBbg 14/94 EA -, LVerfGE 2, 214, 219 f.; von 20. Juni 1996 - VfGBbg 14/96 EA -, LVerfGE 4, 190, 197). Hiernach kommt vorliegend der Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.

1. Zum einen kann die Anrufung des Verfassungsgerichts in der Hauptsache keinen Erfolg haben. Eine Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts, mit dem das Hauptverfahren eröffnet und dem Antragsteller ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist, wäre unzulässig. Der erstinstanzliche Eröffnungsbeschluß ist als bloße Zwischenentscheidung mit der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nicht angreifbar (vgl. BVerfGE 1, 9, 10; 25, 336, 343; NJW 1989, 2464; NJW 1995, 316). Die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 141 Strafprozeßordnung (StPO) als solche ist mangels Beschwer ebenfalls nicht mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar. Sie ist eine den Beschuldigten begünstigende Entscheidung, die seine wirksame Verteidigung im Strafverfahren sichern soll (vgl. BVerfGE 39, 238, 242). Soweit sich der Antragsteller auch gegen die Auswahl des Verteidigers wendet, scheitert die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde daran, daß der Rechtsweg noch nicht ausgeschöpft ist (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg). Die Auswahl des Pflichtverteidigers ist mit der Beschwerde nach § 304 ff. StPO angreifbar (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl. 1997, § 142, Rdn. 19). Der Vortrag des Antragstellers läßt nicht erkennen, daß er von dieser Rechtsschutzmöglichkeit erfolglos Gebrauch gemacht hat.

2. Zum anderen sieht das Gericht in der Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Antragsteller keinen schweren Nachteil von solchem Gewicht, daß der Erlaß einer einstweiligen Anordnung gerechtfertigt wäre. Die Entscheidung stellt lediglich einen prozessualen Zwischenschritt dar, der die - gemäß § 264 Abs. 1 StPO nach dem Ergebnis der Verhandlung zu treffende - Entscheidung im Hauptverfahren weder vorwegnimmt noch präjudiziert.

Zudem ist nicht ersichtlich, daß der Erlaß der einstweiligen Anordnung im Sinne von § 30 Abs. 1 VerfGGBbg zum “gemeinen Wohl” und “dringend” geboten wäre. Es handelt sich - bei aller Bedeutung für den Antragsteller selbst - um eine Angelegenheit ohne unmittelbare Auswirkungen auf das Gemeinwohl.

II.

Der Beschluß ist unanfechtbar.

Dr. Macke Dr. Knippel
Prof. Dr. Mitzner Prof. Dr. Schöneburg
Prof. Dr. Schröder Weisberg-Schwarz
 
Prof. Dr. Will