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VerfGBbg, Beschluss vom 19. Oktober 2012 - VfGBbg 72/11 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 27 Abs. 2; LV, Art.27 Abs. 3 Alt. 2
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Entscheidungsgrundlage in Kindschaftssachen
- Reichweite des Rechts auf rechtliches Gehör
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Oktober 2012 - VfGBbg 72/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 72/11




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

     A.,

 

                                           Beschwerdeführer,

 

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt R.,

 

 

Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts,
Gertrud-Piter-Platz 11,
14770 Brandenburg an der Havel,

 

                                  Äußerungsberechtigter zu 1,

 

G.,

 

 

                                   Äußerungsberechtigte zu 2,

 

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt M.,

 

 

Direktor des Amtsgerichts Fürstenwalde,
Postfach 1320,
15503 Fürstenwalde,

 

                                  Äußerungsberechtigter zu 3,

 

 

 

wegen des Beschlusses des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 17. Mai 2011 (10 F 149/11) und der Beschlüsse des Brandenbur­gi­schen Oberlandesgerichts vom 21. Oktober 2011 und vom 12. Deze­m­ber 2011 (10 UF 217/11),

 

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

am 19. Oktober 2012 

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

1. Die Verfassungsbeschwerde wird zum Teil verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

 

2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Pro­zesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

 

3. Der Antrag der Äußerungsberechtigten zu 2 auf Bewil­li­gung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

 

 

                                     

G r ü n d e :

 

A.

 

                             I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Entscheidungen, mit denen die Änderung einer Kindesumgangsregelung abgelehnt wor­den ist.

Der Beschwerdeführer und die Äußerungsberechtigte zu 2 sind die nicht verheirateten Eltern ihres am 19. Juli 2007 gebo­re­nen Sohnes O. Bis zu ihrer Trennung und dem Auszug des Beschwerdeführers aus der gemeinsamen Wohnung im Okto­ber 2008 lebten sie mit ihrem Sohn zusammen; nach der Trennung blieb das Kind zunächst bei der Äußerungsberechtigten zu 2.

Da diese nach der Geburt an einer mani­schen Depres­sion erkrankt war, musste sie sich mehrmals in sta­­­ti­o­näre ärzt­li­che Behand­­lung begeben. In die­ser Zeit küm­merte sich der Beschwer­de­führer um O. Im März 2009 wurde er für die Dauer eines Jah­res zum Ergän­­­­­­­zungs­­­­pfleger seines Sohnes bestellt und erhielt das Per­so­­nen­sor­­­ge­recht. Von Dezember 2008 bis ein­schließ­lich April 2010 ver­­blieb O. durch­­weg bei dem Beschwerdeführer. Die Äuße­rungs­­bere­ch­tigte zu 2 hatte in die­ser Zeit, soweit sie sich nicht im Kran­ken­haus befand, Umgang mit dem Kind, seit Okto­ber 2009 auf­grund einer gericht­lich gebilligten Umgangs­ver­­ein­­ba­rung.

Nach Ablauf der Ergänzungspflegschaft des Beschwerdeführers brachte die Äußerungsberechtigte zu 2 im Mai 2010 nach Ablauf eines Umgangswochenendes O. nicht zum Beschwerdeführer zurück, seit dieser Zeit lebt ihr Sohn wieder bei ihr.

Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Über­tra­gung des allei­nigen Sor­­­­gerechts für O. auf sich. Dies wies das Amts­­ge­richt Für­st­enwalde mit Beschluss vom 12. Juni 2010 zurück; die hier­ge­gen erho­bene Beschwerde einschließlich Anhö­rungs­­rüge zum Bran­den­burgischen Ober­lan­desgericht blieb erfolg­­­los (Beschlüs­se vom 12. August und 23. September 2010), eben­so die  Ver­­­­­­­­fas­­sungs­­­beschwerde des Beschwerdeführers (Beschluss vom 18. März 2011 – VfGBbg 56/10 -).

Am 18. Juni 2010 trafen der Beschwerdeführer und die Äuße­rungs­­­­­­­­­­­berechtigte zu 2 eine bis heute praktizierte, gerichtlich gebil­­­­­­­ligte Umgangs­ver­ein­barung zugunsten des Beschwerdefüh­rers, die im Wesentlichen vorsieht, dass sich O. von Frei­tag 15:30 Uhr jeder ungeraden Woche bis zum darauf fol­gen­den Mon­tag 8:00 Uhr und in jeder geraden Woche von Donnerstag 16:30 Uhr bis zum darauf folgenden Freitag 17:30 Uhr beim Beschwer­defüh­rer aufhält. Zusätzlich trafen sie Regelungen zum Um­gang des Beschwerdeführers mit dem Jungen für die Weih­nachts-, Oster- und Pfings­­t­feiertage sowie für die Urlauszeit (Amts­­ge­­richt Für­st­en­walde, - 10 F 111/10 -).

Im Februar 2011 begehrte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Für­­­stenwalde, diese Umgangsregelung zu ändern und ihm einen erweiterten Umgang einzuräumen. Hiernach wollte der Beschwer­de­füh­rer O. alle zwei Wochen von Freitag 17:30 Uhr bis zum darauf folgenden Freitag 17:30 Uhr, jeweils in der ersten Hälfte der Oster-, Sommer- und Herbstferien und in den Weih­nachts­ferien im jährlichen Wechsel (a) vom 23. Dezember 10:00 Uhr bis zum 26. Dezember 12:00 Uhr, vom 2. Januar bis zum Ende der Ferien sonntags 18:00 Uhr, (b) vom 26. Dezember 12:00 Uhr bis 1. Januar 18:00 Uhr zu sich nehmen. Hilfsweise begehrte er – jeweils bei Aufrechterhalten der beantragten Erweiterung für die Ferien­zeit – wöchentlichen Umgang von Freitag 15:30 Uhr bis zum darauf folgenden Montag 8:00 Uhr bzw. die Ausdehnung des Umgangs in jeder geraden Woche (bisher Donnerstag 16:30 Uhr bis Freitag 17:30 Uhr) auf die Zeit von Dienstag 16:30 Uhr bis zum darauf folgenden Freitag 17:30 Uhr.

Die am gerichtlichen Umgangsabänderungsverfahren (10 F 149/11) betei­ligte Äußerungs­berechtigte zu 2 widersprach einer Ände­rung der Umgangs­regelung. Das Amts­ge­richt Fürsten­walde hörte das Kind und seine Eltern per­sön­lich an; im Termin zur Anhö­rung der Eltern war auch eine Mit­ar­beiterin des Jugendamtes Land­kreises Oder-Spree zuge­­gen und nahm Stel­lung.

Mit Beschluss vom 17. Mai 2011 wies das Amtsgericht Fürsten­walde den Antrag des Beschwerdeführers auf Abänderung der Umgangs­­­­­­­­regelung ab. Zur Begründung führte es aus, triftige, das Kindeswohl nach­­­­hal­tig berüh­rende Gründe, die eine Änderung der Umgangs­re­ge­lung vom 18. Juni 2010 erfordern, lägen nicht vor. Hiergegen legte der Beschwerdeführer Beschwerde zum Bran­den­burgischen Oberlandesgericht (Ober­lan­des­­gericht) ein. Dabei modi­fizierte er sein Änderungsbegehren auf einen Umgang jeden Frei­tag 15:30 Uhr bis zum darauf folgenden Mon­tag 8:00 Uhr sowie in jeder geraden Woche von Dienstag 15 Uhr bis zum darauf folgenden Freitag 18:00 Uhr.     

Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 21. Oktober 2011 (10 UF 217/11) sowie die gegen diesen Beschluss erho­be­ne Anhö­rungs­rüge mit Beschluss vom 12. Dez­em­ber 2011 zurück. Für das Kindeswohl sei der bisherige aus­ge­dehnte Umgang ausreichend; das vom Beschwer­de­führer erstrebte Wech­­selmodell komme mangels Kom­mu­nikation und Koope­ra­tion der Eltern nicht in Betracht. Für die Einholung eines Sach­ver­stän­di­­gengutachtens habe es keine Veranlassung gege­­­ben. Die Vor­aus­setzungen des § 158 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Ange­le­gen­heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) für die Bestellung eines Ver­fahrens­bei­­standes hätten ebenfalls nicht vorgelegen.

 

II.

Mit der am 27. Dezember 2011 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 27 Abs. 2, Art. 52 Abs. 3 der Landesverfassung (LV). Er habe vor Gericht vorgetragen, O. leide unter der bis­­­­he­ri­gen Umgangsregelung. Diese trage engeren Bindungen sei­nes Sohnes zu ihm nicht ausreichend Rechnung. O. und des­­sen Eltern hätten persönlich angehört werden müssen. Außer­dem hätte es der Bestel­­­­­­­lung eines Verfahrensbeistandes für O. und der Ein­­­­­­­­­­­holung eines Sachverständigengut­ach­tens bedurft. Statt­­des­sen habe das Oberlandesgericht lediglich lai­en­­­­­­psycholo­gi­sche Spe­­­­ku­la­tio­nen zu den auf­klärungsbedürf­tigen Fra­gen ange­stellt. Es habe ferner seinen Vortrag nicht zur Kennt­­nis genom­­­­­­­men und gewürdigt, bestimmte kindesunty­pi­sche Äuße­­­run­gen von O. in der amts­­ge­richt­­lichen Anhö­rung beruh­ten auf einer Beeinflussung durch die Äußerungsbe­rech­­­tig­­­te zu 2. Hätte das Oberlandesgericht seinen Vortrag zur Kennt­­­­nis genom­men und berücksichtigt sowie den Sachverhalt hin­­­­­reichend auf­geklärt, so hätte es seinem Begeh­ren nach einem erwei­­­­­t­erten Umgang ganz oder teilweise statt­ge­ge­ben.

 

Der Beschwerdeführer rügt ferner, die gerichtlich gebilligte Umgangs­­vereinbarung vom 18. Juni 2010 beruhe auf einer unzu­rei­chenden Klärung des Kindeswohls. Das Oberlan­des­ge­­richt habe nicht berücksichtigt, dass er zuletzt ein paritätisches Wech­sel­modell nicht bean­tragt habe, und sein Begehren nach Umgangs­­­­­­er­wei­terung unzulässigerweise mit der pauschalen Erwä­gung zurückgewiesen, es fehle an hinreichender Kommunikation und Kooperation zwi­schen ihm und der Äußerungsberechtigten    zu 2.

 

Der Beschwerdeführer beantragt die Bewilligung von Prozessko­st­en­hilfe für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.

 

III.

Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen. Die Äuße­rungs­­berechtigten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Äuße­­rungs­­berechtigte zu 2 ist der Auffassung, die Gerichte seien zu weiterer Aufklärung nicht verpflichtet gewe­sen. Der Vor­­trag des Beschwerdeführers sei falsch, unsubstantiiert oder unerheblich.

 

Die Äußerungsberechtigte zu 2 beantragt Prozesskostenhilfe für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übri­­gen unbegründet.

 

I.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzu­­lässig und nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Bran­denburg (VerfGGBbg) zu verwerfen, soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 12. Dezem­ber 2011 wen­det. Mit diesem Beschluss hat das Ober­landesgericht die nach § 44 FamFG eröffnete und gegen den Beschluss des Ober­lan­des­gerichts vom 21. Oktober 2011 erho­bene Gehörsrüge des Beschwer­deführers zurück­gewiesen. Die Zurück­wei­­sung der Gehörs­­­­rüge ist mit der Ver­­fassungsbeschwerde nicht angreif­­bar, weil sie keine eigen­­­ständige Beschwer schafft. Sie lässt allen­­falls eine bereits durch die Aus­gangs­ent­­­scheidung ein­­­ge­tre­tene Verletzung recht­­lichen Gehörs fort­be­stehen, indem eine Selbst­korrektur durch das Fachgericht unter­­bleibt. Ein schutz­würdiges Inte­resse an einer – zusätzli­chen – ver­fas­sungs­­­gerichtlichen Über­prü­fung der Gehörsrügeent­schei­­­­­dung besteht nicht (Beschluss vom 25. Mai 2012 – VfGBbg 14/12 -, www.verfassungs­ge­richt.brandenburg.de).

 

2. Die Verfassungsbeschwerde ist ferner unzulässig, soweit der Beschwer­­deführer rügt, die gerichtlich gebilligte Umgangs­ver­ein­­­­­ba­rung vom 18. Juni 2010 beruhe auf einer unzu­rei­ch­en­den Klä­­­­­rung des Kindeswohls, das Oberlandesgericht habe nicht berück­­­­­sichtigt, dass er zuletzt ein paritätisches Wech­sel­mo­dell nicht begehrt habe, und das Oberlandesgericht habe die Umgangs­­­­­­­erweiterung mit der unzulässigen pauschalen Erwägung feh­­­­­­­lender Kommunikation und Kooperation abge­­lehnt.

 

Die Verfassungsbeschwerde genügt insoweit nicht dem Begrün­dungs­erfordernis aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg. Hier­nach muss der Beschwerdeführer dartun, welchen ver­­fassungs­recht­lichen Anforderungen die angegriffenen hoheit­li­­chen Maß­nah­men nicht genügen und inwieweit dadurch seine Grund­rechte ver­letzt sein sollen. Wird die Verletzung von Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV durch eine gerichtliche Entscheidung gel­tend gemacht, ist darzulegen und zu begründen, dass die  Ent­schei­dung auf dem Gehörsverstoß beruht (Beschluss vom 21. Okto­ber 2011 – VfGBbg 36/11 -, www.verfassungsgericht.branden­burg.de).

 

Die gerichtliche Billigung der Umgangsvereinbarung vom 18. Juni 2010 ist nicht Gegenstand der mit der Verfassungs­be­schwerde angegriffenen Entscheidungen gewesen. Der Beschwer­de­füh­­rer legt nicht dar, dass und inwie­weit diese wegen der gericht­­­­­­­­­lichen Billigung der Umgangs­ver­ein­barung vom 18. Juni 2010 in seine Grundrechte eingegriffen haben könnten.

 

Ferner hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt und begrün­­­­­­­­­­det, dass und inwieweit mit der Annahme des Ober­lan­des­ge­­richts, ein annä­hernd pari­tätischer Umgang erfordere die Fähig­­­keit und Bereit­schaft der Eltern zu guter Kommunikation und Koope­ra­tion, eine Ver­let­zung seines Eltern­­rechts aus Art. 27 Abs. 2 LV und seines Grund­rechts auf recht­­liches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV ver­bunden sein könnte; die Auffassung ist im Übri­gen in der Rechtsprechung weit verbreitet. Dasselbe gilt mit Blick auf Art. 27 Abs. 2 LV für die Rüge, das Ober­lan­desgericht habe nicht berücksichtigt, dass er zuletzt ein pari­­­tätisches Wech­sel­­mo­­dell nicht beantragt habe. Hin­­sichtlich der beanstandeten Ver­let­zung von Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV hat der Beschwerdeführer nicht ausge­führt, dass die Ent­scheidung des Oberlandesgerichts auf diesem seiner Ansicht nach fal­schen Ver­ständnis von seinem Antrag beruhe, mithin ohne diesen Feh­ler anders hätte ausfallen können.

 

3. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Insbe­son­­dere kann auch die Nichtbestellung eines Verfahrens­bei­­stan­des nach § 158 FamFG das Elternrecht aus Art. 27 Abs. 2 LV ver­letzen. Ein Verstoß gegen das Kindeswohl kann zugleich ein Ver­stoß gegen das Elternrecht sein, weil nur das Kin­­­­deswohl einen Eingriff in das Elternrecht rechtfertigen kann (Beschluss vom 30. September 2010 – VfGBbg 32/10 -, www.ver­fas­sungsgericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht: BVerfGE 99, 145, 164).

 

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist aber unbegründet. Der Beschwer­de­führer ist durch die angegriffenen Ent­schei­dun­gen weder in seinem Elternrecht aus Art. 27 Abs. 2 LV noch in seinem Grund­recht auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV ver­letzt.

 

Das Verfassungsgericht prüft gerichtliche Entscheidungen nur ein­­­­­­­­­ge­schränkt. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tat­be­stan­des, die Auslegung einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Ein­­­­zelfall sind zuvörderst Sache der dafür allgemein zustän­di­gen Fachgerichte. Das Verfas­sungs­ge­­­richt prüft lediglich, ob dem Fachgericht hierbei Fehler unter­­­­­laufen sind, die auf einem Übersehen betroffener Grund­rechte oder der nicht hin­rei­­­­chenden Be­rück­sich­tigung bzw. unrich­­­­­­tigen Anschauung von Bedeu­­­tung und Tragweite der Grund­rechte beruhen, oder Folge sach­­fremder und damit objektiv will­­­­­­kür­licher Erwägungen sind (stän­dige Rechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 16. Dezember 2011 – VfGBbg 16/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; für das Bundesrecht: BVerfGE 18, 85, 92 f.; BVerfG NStZ-RR 2007, S. 338 f.). Dabei hängt die Inten­si­tät der verfassungs­ge­­richtlichen Prüfung davon ab, in welchem Maße die Entschei­dung Grundrechte betrifft (vgl. Beschluss vom 18. März 2011 – VfGBbg 56/10 -, www.verfas­­sungs­­gericht.brandenburg.de).

Die angegriffenen Entscheidungen halten dieser Prüfung stand.

 

1. a. Das in § 1684 BGB geregelte Umgangsrecht des nicht sor­ge­be­rech­tigten Elternteils ist Teil des durch Art. 27 Abs. 2 LV – inhalts­gleich mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grund­gesetz (GG) – geschütz­ten Elternrechts (Beschluss vom 16. Dezem­ber 2011 – VfGBbg 16/11 -, www.verfassungsgericht.bran­den­burg.de). Es soll dem nicht sor­ge­berechtigten Elternteil ermöglichen, sich von dem kör­per­li­chen und geistigen Befinden des Kindes und sei­ner Ent­wick­lung durch Augenschein und gegenseitige Aus­sprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Bezie­hungen zu ihm auf­rechtzuerhalten und einer Entfremdung vor­zubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung tragen (Beschluss vom 16. Dezember 2011, a. a. O.; vgl. zu Art. 6 Abs. 2 GG: BVerfGE 31, 194, 206). Können die Eltern sich über die Ausübung und Umfang des Umgangs­rechts nicht eini­gen, treffen die Gerichte eine Ent­­­­schei­dung, die sowohl die bei­der­sei­­tigen Grundrechts­po­­si­­tio­n­en der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Indi­­­­­vidualität als Grund­rechts­trä­­ger berück­sichtigt. Dabei müssen sie durch die Gestal­­tung des Ver­­­fah­rens eine möglichst zuverläs­sige Grund­lage für eine am Kin­­­­deswohl orientierte Entscheidung schaffen. Im Einzelfall kann die Einholung eines Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens geboten sein. Dies ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn die Gerichte auf anderem Wege die für die Entscheidung notwendigen Erkennt­­­nisse gewinnen können (Beschluss vom 18. März 2011 – VfGBbg 56/10 -, a. a. O., BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2007 – 1 BvR 2697/07 -, EuGRZ 2008, 79, 80). Ferner kann es auch not­wen­dig sein, für das Kind nach § 158 FamFG einen Ver­fah­rensbeistand zu bestellen, wenn im Verfahren nur so eine von nach­tei­liger Einflussnahme durch Dritte freie Wahr­­neh­mung der Kin­des­belange gewähr­leistet ist (Beschluss vom 30. Sep­tember 2010, a. a. O.).

 

b. Diese Grundsätze gelten in Verfahren, die die Änderung einer bereits bestehenden gerichtlichen Umgangsregelung zum Gegen­­­stand haben, mit der Maßgabe, dass die Abänderungsbe­fug­nis der Gerichte nicht zum Zwecke eines beliebigen Wied­erauf­rol­­­lens des Umgangsverfahrens besteht (vgl. Begründung des Geset­z­ent­wurfs zur Änderung von § 1696 BGB, BT-Drucksache 13/4899 S. 109). Eine formell rechtskräftige Umgangsregelung ist nach § 1696 Abs. 1 BGB lediglich dann abänderbar, wenn dies aus trif­­tigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen ange­­­zeigt ist. Dies setzt voraus, dass durch die Neu­re­gelung eine deutliche Verbesserung der Situation eintritt. Im Abän­­­de­rungs­verfahren bestehen die aus Art. 27 Abs. 2 LV fol­­gen­den verfassungsrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf Ver­­­fah­ren und Entscheidung daher zu der Frage, ob die Tat­be­stands­­­vor­aus­setzungen einer derartigen Umgangsänderung vor­­­­lie­­gen (Beschluss vom 16. Dezember 2011, a. a. O.).

 

2. a. Hiernach sind das Elternrecht des Beschwerdeführers aus Art. 27 Abs. 2 LV und sein Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV nicht dadurch verletzt, dass das Ober­­­­lan­des­ge­richt dem Sohn des Beschwerdeführers nicht einen Ver­fahrensbeistand bestellt hat. Das Ober­­lan­des­gericht hat dies offenkundig zur Wahr­­neh­mung der Kin­­des­in­te­ressen im Sinne von § 158 Abs. 1 FamFG nicht für erfor­der­lich gehalten, ohne dass es dies hätte begrün­­­den müs­sen. Eine Begründungspflicht besteht insoweit nach § 158 Abs. 3 Satz 3 FamFG nur, sofern in einem der Fälle des § 158 Abs. 2 FamFG von einer Bestellung des Ver­fah­rens­bei­standes abgesehen wird. Dass ein solcher Fall nicht vorliegt, hat das Oberlandesgericht in dem auf die Gehörsrüge ergan­ge­nen Beschluss vom 12. Dezember 2011 fest­ge­stellt.

 

Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Bestellung eines Ver­fah­­­rensbeistandes sei zur Wahrnehmung der Kindesinteressen nicht erforderlich gewesen, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Zwar ist es für das Elternrecht - vermittelt durch das Kindeswohl - von erheblicher Relevanz, dass die In­te­­res­sen des Kindes in einer Weise in das Verfahren ein­ge­bracht wer­den, die seinen Grundrechten hinreichend Rechnung trägt. Das Unter­las­sen einer Beistandsbestellung kann daher das Elternrecht ver­­­­letzen (s. o.). Die Interessen und Grund­rechte Os. sind jedoch durch das verfahrensgegen­ständ­liche Umgangs­ab­än­de­rungs­ver­­­­­­fahren nach § 1696 Abs. 1 BGB nicht so stark berührt, dass die Bestellung eines Verfahrens­bei­standes unumgänglich war. Es stand nicht eine grundlegende Ent­scheidung an wie Aus­schluss oder erstmalige Gewährung von Umgang, sondern ledig­­lich seine Aus­­­weitung hin zu einem annä­hernd pari­tä­ti­schen Umgang. Darü­­ber hinaus sind die Interessen des Kindes mit­tels dessen Anhö­rung sowie der Anhörung der Eltern und des Jugendamts durch das Amts­ge­richt in das Ver­fah­ren einge­bracht worden. Dabei ergab sich aus Sicht des Gerichts eine Über­einstimmung des unbefangen geäußer­ten Kin­des­­willens, dass die Umgangssituation so bleiben könne, und der Einschätzung der Mitarbeiterin des Jugendamts. Amts- und Ober­­lan­des­gericht haben hierin eine ausreichende Grundlage gese­hen und die ergänzende Bestel­lung eines Ver­­fa­h­rens­bei­stan­des nicht für erforderlich gehal­ten. Jedenfalls mit Blick auf die begrenzte Reichweite der Ent­­schei­dung über die Umgangs­­­­er­wei­­terung begegnet dies aus Sicht des Landesverfas­sungs­­ge­­richts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

b. aa. Die Grundrechte des Beschwerdeführers sind ferner nicht dadurch ver­letzt, dass das Oberlandesgericht O. und des­sen Eltern im Beschwerdeverfahren nicht persönlich ange­hört hat. Diese Anhö­rung war für eine tragfähi­ge Ent­schei­­­dung über die Umgangsänderung nicht erfor­der­lich. Grundsätz­lich war das Ober­landesgericht als Beschwer­de­ge­richt zwar nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG gehalten, die vor­lie­­gend nach § 159 Abs. 2 FamFG und 160 Abs. 1 Satz 1 FamFG gebo­tene Anhö­­­rung durchzuführen. Es hat hiervon jedoch nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen, nachdem Kind und Eltern bereits vom Amts­­­­­­ge­richt angehört worden waren. Neue ent­­­­schei­dungs­­­er­heb­li­che Tatsachen seien nicht vorgetragen wor­den, eine Ände­­rung des rechtlichen Gesichts­punkts sei nicht ein­getreten und zwi­schen der akten­kun­dig gemachten Anhö­­­­­rung durch das Amts­g­ericht und der Ein­le­gung der Beschwerde seien nur ca. zwei Monate vergangen; zudem sei jede gericht­liche Anhö­rung für das Kind eine Bela­st­ung. Dass das Ober­lan­des­gericht aus diesen Erwä­gun­gen ablei­tet, neue Erkennt­nisse im Sinne von § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG seien von einer erneuten Anhörung nicht zu erwarten und eine weitere sei nicht gebo­ten gewe­sen, ist nach­voll­­zieh­bar und über­schrei­tet für den vor­­­lie­gen­den auf eine Umgangserweiterung beschränk­ten Fall nach ver­fas­sungsrechtlichem Maßstab nicht den ge­richt­lichen Beur­­tei­lungs– und Prog­­no­se­spielraum, den    § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwer­de­gericht einräumt (vgl. Engelhardt, in: Keidel, FamFG, 17. Aufl., § 68 Rz. 57). Aller­­dings dürften die sechs Monate zwi­­schen erstinstanzlicher Anhö­­­­rung des Kindes und der Beschwer­­­­deentscheidung durch das Ober­­­­landesgericht am 20. Okto­­­­­­­ber 2011 annähernd die Zeit­spanne sein, jenseits der bei einem vierjährigen Kind angesichts des grund­rechtssensiblen Bereichs eine erneute Anhörung des Kindes in der Regel ange­­­­­zeigt ist, um auf mög­lichst trag­­­­­fähiger Grund­­­­­lage zu ent­­schei­­­­den.

 

bb. Aus der vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen gericht­li­chen Pflicht, in jeder Lage des Ver­fah­rens auf ein Ein­ver­neh­­men der Betei­ligten hinzuwirken (§ 156 Abs. 1 Satz 1 FamFG), folgt ins­­­­­­­­­­­besondere vor dem Hintergrund des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nicht, dass das Beschwer­­degericht von Ver­fas­sungs wegen gehalten ist, die Kin­des­eltern stets (erneut) per­sönlich anzu­­­hö­ren.

 

3. a. Es verletzt den Beschwerdeführer auch nicht in seinen Grund­­­rech­ten aus Art. 27 Abs. 2, 52 Abs. 3 Alt. 2 LV, dass das Ober­­­­lan­des­ge­richt ein Sachverständigengutachten nicht einge­holt hat zu der Behaup­­­tung des Beschwerdeführers, sein Sohn leide unter zu wenig Umgang mit ihm. Die Verfahrens­ge­stal­tung des Ober­­­­lan­des­ge­richts sicherte für die zu ent­schei­dende Frage der Umgangs­­er­wei­­te­rung insoweit auch ohne externe fachmänni­sche Einschätzung und spezielle kindespsychologische Sachkunde eine hin­rei­ch­end zuver­­­läs­sige Entscheidungsgrundlage. Es konnte für seine Ent­­­­­­­schei­dung auf die Anhö­rung des Kindes, der Eltern und der Mit­­­­­­ar­beiterin des Jugend­amtes durch das Amts­ge­richt zurück­­­grei­­fen, um die notwendigen Erkenntnisse zu gewin­nen (s. zu 2. a., b.).

 

b. Ferner hat das Gericht sich, wie es das Grundrecht auf recht­­­­­liches Gehör verlangt, im Wesentlichen mit den vom Beschwer­­­­­de­füh­rer behaupteten Umständen aus­ein­an­der­ge­setzt, aus denen dieser ein Lei­­den Os. unter dem seiner Ansicht nach zu gerin­­gen Umgang mit ihm ablei­­tet (das Kind sei ver­träumt, wolle zum Umgangsende nicht zu seiner Mutter zurück und zähle, wie häufig er bis zum nächsten Umgang noch schlafen müsse) und im Einzelnen begrün­­­­­­det, warum es die Ein­­ho­lung eines Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­­tens nicht für erfor­der­lich hält.

 

Dass das Oberlandesgericht aus den erörterten Umständen andere Schluss­folgerungen gezogen hat als der Beschwerde­füh­rer, ver­letzt diesen nicht in seinem Recht auf rechtliches Gehör, weil die­ses Recht den Verfahrensbeteiligten keinen Anspruch darauf ver­schafft, dass das Gericht ihren Vorbringen und Bewertungen folgt (Beschluss vom 25. Mai 2012 – VfGBbg 24/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; zu Art. 103 Abs. 2 GG: BVerfGE 115, 166, 180).

 

c. Nicht ausdrücklich abgehandelt hat das Oberlandesgericht den Vor­trag des Beschwerdeführers, aus den weiteren Äußerungen seines Sohnes in der amtsgerichtlichen Anhörung ergebe sich, dass er sein Zuhause beim ihm sehe und daher unter zu wenig Umgang leide, sowie die weitergehende Behauptung des Beschwer­de­füh­rers, einige Äußerungen seines Sohnes in der Anhö­rung ent­sprächen nicht der Wort­wahl eines Vier­j­äh­rigen und beruh­­ten auf Ein­­flussnahme bzw. Vorgaben der Äußerungs­be­rech­­­­tig­­ten     zu 2.

 

Aller­dings ist das Gericht durch das Grundrecht auf recht­li­ches Gehör nicht gehalten, jedes einzelne Vorbrin­gen aus­drück­lich zu beschei­den; viel­mehr ist grund­sätzlich zu ver­­mu­ten, dass das Gericht ein Vor­bringen zur Kenntnis genommen und berücksichtigt hat (Beschluss vom 15. Januar 2009 – VfGBbg 52/07 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Es bedarf daher beson­derer Umstände, die deut­lich wer­den lassen, dass ein Vor­brin­gen überhaupt nicht zur Kennt­nis genommen oder bei der Entschei­dung ersicht­lich nicht erwo­gen worden ist (Beschluss vom 17. Juni 2011 – VfGBbg 33/10 -, LVerfGE 18, 150, 157).

 

Solche besonderen Umstände sind vorliegend nicht erkennbar. Aus­­weislich der in Rede stehenden Beschlüsse (insbesondere des Beschlusses zu der Anhörungsrüge) hat das Ober­lan­des­­ge­richt sich mit dem Vortrag des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und den Äußerungen des Vierjährigen in der amtsge­richt­li­chen Anhö­­rung ins­­­gesamt entnommen, dass die­­­ser mit der Umgangs­si­tu­a­tion zufrie­den sei und für den Wunsch nach mehr Umgang mit dem Beschwer­de­füh­rer Anhaltspunkte nicht gege­ben seien. Vor diesem Hintergrund war eine aus­drück­­liche Erör­te­rung der wei­te­ren Behaup­­tungen des Beschwer­de­füh­rers, O. sehe sein Zuhause bei ihm und bestimmte Äuße­­rungen in der gerichtlichen Anhörung beruh­ten auf einer Ein­­­­fluss­­­nahme durch die Äuße­rungs­­­be­rech­tigte zu 2, von Ver­­­fas­sungs wegen nicht gebo­ten; ihr Fehlen ist kein Hinweis auf eine Verletzung des recht­lichen Gehörs durch das Ober­lan­des­gericht.

 

C.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewil­li­gung von Pro­zess­ko­­­stenhilfe ist zurückzuweisen, denn seine Ver­fassungs­be­schwerde bot keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

 

Der Antrag der Äußerungsberechtigten zu 2 auf Bewilligung von  Pro­zesskostenhilfe ist gemäß § 48 Satz 1 VerfGGBbg analog,     § 115 Abs. 4 ZPO zurückzuweisen. Bei einem zugrundezulegenden Gegen­stands­wert von 4.000,00 € über­steigen die Kosten des Ver­fas­­­sungs­­be­schwer­deverfahrens für die anwaltlich vertretene Äuße­­­­rungs­be­rech­tigte zu 2 vier Monatsraten nicht.

 

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel Schmidt