VerfGBbg, Beschluss vom 19. Oktober 2012 - VfGBbg 72/11 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 27 Abs. 2; LV, Art.27 Abs. 3 Alt. 2 - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46 |
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Schlagworte: | - Entscheidungsgrundlage in Kindschaftssachen - Reichweite des Rechts auf rechtliches Gehör |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 19. Oktober 2012 - VfGBbg 72/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 72/11
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
A.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt R.,
Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts,
Gertrud-Piter-Platz 11,
14770 Brandenburg an der Havel,
Äußerungsberechtigter zu 1,
G.,
Äußerungsberechtigte zu 2,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt M.,
Direktor des Amtsgerichts Fürstenwalde,
Postfach 1320,
15503 Fürstenwalde,
Äußerungsberechtigter zu 3,
wegen des Beschlusses des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 17. Mai 2011 (10 F 149/11) und der Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 21. Oktober 2011 und vom 12. Dezember 2011 (10 UF 217/11),
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 19. Oktober 2012
b e s c h l o s s e n :
1. Die Verfassungsbeschwerde wird zum Teil verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag der Äußerungsberechtigten zu 2 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
A.
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Entscheidungen, mit denen die Änderung einer Kindesumgangsregelung abgelehnt worden ist.
Der Beschwerdeführer und die Äußerungsberechtigte zu 2 sind die nicht verheirateten Eltern ihres am 19. Juli 2007 geborenen Sohnes O. Bis zu ihrer Trennung und dem Auszug des Beschwerdeführers aus der gemeinsamen Wohnung im Oktober 2008 lebten sie mit ihrem Sohn zusammen; nach der Trennung blieb das Kind zunächst bei der Äußerungsberechtigten zu 2.
Da diese nach der Geburt an einer manischen Depression erkrankt war, musste sie sich mehrmals in stationäre ärztliche Behandlung begeben. In dieser Zeit kümmerte sich der Beschwerdeführer um O. Im März 2009 wurde er für die Dauer eines Jahres zum Ergänzungspfleger seines Sohnes bestellt und erhielt das Personensorgerecht. Von Dezember 2008 bis einschließlich April 2010 verblieb O. durchweg bei dem Beschwerdeführer. Die Äußerungsberechtigte zu 2 hatte in dieser Zeit, soweit sie sich nicht im Krankenhaus befand, Umgang mit dem Kind, seit Oktober 2009 aufgrund einer gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung.
Nach Ablauf der Ergänzungspflegschaft des Beschwerdeführers brachte die Äußerungsberechtigte zu 2 im Mai 2010 nach Ablauf eines Umgangswochenendes O. nicht zum Beschwerdeführer zurück, seit dieser Zeit lebt ihr Sohn wieder bei ihr.
Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Übertragung des alleinigen Sorgerechts für O. auf sich. Dies wies das Amtsgericht Fürstenwalde mit Beschluss vom 12. Juni 2010 zurück; die hiergegen erhobene Beschwerde einschließlich Anhörungsrüge zum Brandenburgischen Oberlandesgericht blieb erfolglos (Beschlüsse vom 12. August und 23. September 2010), ebenso die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers (Beschluss vom 18. März 2011 – VfGBbg 56/10 -).
Am 18. Juni 2010 trafen der Beschwerdeführer und die Äußerungsberechtigte zu 2 eine bis heute praktizierte, gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung zugunsten des Beschwerdeführers, die im Wesentlichen vorsieht, dass sich O. von Freitag 15:30 Uhr jeder ungeraden Woche bis zum darauf folgenden Montag 8:00 Uhr und in jeder geraden Woche von Donnerstag 16:30 Uhr bis zum darauf folgenden Freitag 17:30 Uhr beim Beschwerdeführer aufhält. Zusätzlich trafen sie Regelungen zum Umgang des Beschwerdeführers mit dem Jungen für die Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertage sowie für die Urlauszeit (Amtsgericht Fürstenwalde, - 10 F 111/10 -).
Im Februar 2011 begehrte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Fürstenwalde, diese Umgangsregelung zu ändern und ihm einen erweiterten Umgang einzuräumen. Hiernach wollte der Beschwerdeführer O. alle zwei Wochen von Freitag 17:30 Uhr bis zum darauf folgenden Freitag 17:30 Uhr, jeweils in der ersten Hälfte der Oster-, Sommer- und Herbstferien und in den Weihnachtsferien im jährlichen Wechsel (a) vom 23. Dezember 10:00 Uhr bis zum 26. Dezember 12:00 Uhr, vom 2. Januar bis zum Ende der Ferien sonntags 18:00 Uhr, (b) vom 26. Dezember 12:00 Uhr bis 1. Januar 18:00 Uhr zu sich nehmen. Hilfsweise begehrte er – jeweils bei Aufrechterhalten der beantragten Erweiterung für die Ferienzeit – wöchentlichen Umgang von Freitag 15:30 Uhr bis zum darauf folgenden Montag 8:00 Uhr bzw. die Ausdehnung des Umgangs in jeder geraden Woche (bisher Donnerstag 16:30 Uhr bis Freitag 17:30 Uhr) auf die Zeit von Dienstag 16:30 Uhr bis zum darauf folgenden Freitag 17:30 Uhr.
Die am gerichtlichen Umgangsabänderungsverfahren (10 F 149/11) beteiligte Äußerungsberechtigte zu 2 widersprach einer Änderung der Umgangsregelung. Das Amtsgericht Fürstenwalde hörte das Kind und seine Eltern persönlich an; im Termin zur Anhörung der Eltern war auch eine Mitarbeiterin des Jugendamtes Landkreises Oder-Spree zugegen und nahm Stellung.
Mit Beschluss vom 17. Mai 2011 wies das Amtsgericht Fürstenwalde den Antrag des Beschwerdeführers auf Abänderung der Umgangsregelung ab. Zur Begründung führte es aus, triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe, die eine Änderung der Umgangsregelung vom 18. Juni 2010 erfordern, lägen nicht vor. Hiergegen legte der Beschwerdeführer Beschwerde zum Brandenburgischen Oberlandesgericht (Oberlandesgericht) ein. Dabei modifizierte er sein Änderungsbegehren auf einen Umgang jeden Freitag 15:30 Uhr bis zum darauf folgenden Montag 8:00 Uhr sowie in jeder geraden Woche von Dienstag 15 Uhr bis zum darauf folgenden Freitag 18:00 Uhr.
Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 21. Oktober 2011 (10 UF 217/11) sowie die gegen diesen Beschluss erhobene Anhörungsrüge mit Beschluss vom 12. Dezember 2011 zurück. Für das Kindeswohl sei der bisherige ausgedehnte Umgang ausreichend; das vom Beschwerdeführer erstrebte Wechselmodell komme mangels Kommunikation und Kooperation der Eltern nicht in Betracht. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es keine Veranlassung gegeben. Die Voraussetzungen des § 158 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) für die Bestellung eines Verfahrensbeistandes hätten ebenfalls nicht vorgelegen.
II.
Mit der am 27. Dezember 2011 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 27 Abs. 2, Art. 52 Abs. 3 der Landesverfassung (LV). Er habe vor Gericht vorgetragen, O. leide unter der bisherigen Umgangsregelung. Diese trage engeren Bindungen seines Sohnes zu ihm nicht ausreichend Rechnung. O. und dessen Eltern hätten persönlich angehört werden müssen. Außerdem hätte es der Bestellung eines Verfahrensbeistandes für O. und der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurft. Stattdessen habe das Oberlandesgericht lediglich laienpsychologische Spekulationen zu den aufklärungsbedürftigen Fragen angestellt. Es habe ferner seinen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt, bestimmte kindesuntypische Äußerungen von O. in der amtsgerichtlichen Anhörung beruhten auf einer Beeinflussung durch die Äußerungsberechtigte zu 2. Hätte das Oberlandesgericht seinen Vortrag zur Kenntnis genommen und berücksichtigt sowie den Sachverhalt hinreichend aufgeklärt, so hätte es seinem Begehren nach einem erweiterten Umgang ganz oder teilweise stattgegeben.
Der Beschwerdeführer rügt ferner, die gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung vom 18. Juni 2010 beruhe auf einer unzureichenden Klärung des Kindeswohls. Das Oberlandesgericht habe nicht berücksichtigt, dass er zuletzt ein paritätisches Wechselmodell nicht beantragt habe, und sein Begehren nach Umgangserweiterung unzulässigerweise mit der pauschalen Erwägung zurückgewiesen, es fehle an hinreichender Kommunikation und Kooperation zwischen ihm und der Äußerungsberechtigten zu 2.
Der Beschwerdeführer beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.
III.
Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen. Die Äußerungsberechtigten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Äußerungsberechtigte zu 2 ist der Auffassung, die Gerichte seien zu weiterer Aufklärung nicht verpflichtet gewesen. Der Vortrag des Beschwerdeführers sei falsch, unsubstantiiert oder unerheblich.
Die Äußerungsberechtigte zu 2 beantragt Prozesskostenhilfe für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
I.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig und nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen, soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 12. Dezember 2011 wendet. Mit diesem Beschluss hat das Oberlandesgericht die nach § 44 FamFG eröffnete und gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21. Oktober 2011 erhobene Gehörsrüge des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Die Zurückweisung der Gehörsrüge ist mit der Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar, weil sie keine eigenständige Beschwer schafft. Sie lässt allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer – zusätzlichen – verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht nicht (Beschluss vom 25. Mai 2012 – VfGBbg 14/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist ferner unzulässig, soweit der Beschwerdeführer rügt, die gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung vom 18. Juni 2010 beruhe auf einer unzureichenden Klärung des Kindeswohls, das Oberlandesgericht habe nicht berücksichtigt, dass er zuletzt ein paritätisches Wechselmodell nicht begehrt habe, und das Oberlandesgericht habe die Umgangserweiterung mit der unzulässigen pauschalen Erwägung fehlender Kommunikation und Kooperation abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde genügt insoweit nicht dem Begründungserfordernis aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg. Hiernach muss der Beschwerdeführer dartun, welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffenen hoheitlichen Maßnahmen nicht genügen und inwieweit dadurch seine Grundrechte verletzt sein sollen. Wird die Verletzung von Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV durch eine gerichtliche Entscheidung geltend gemacht, ist darzulegen und zu begründen, dass die Entscheidung auf dem Gehörsverstoß beruht (Beschluss vom 21. Oktober 2011 – VfGBbg 36/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Die gerichtliche Billigung der Umgangsvereinbarung vom 18. Juni 2010 ist nicht Gegenstand der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen gewesen. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass und inwieweit diese wegen der gerichtlichen Billigung der Umgangsvereinbarung vom 18. Juni 2010 in seine Grundrechte eingegriffen haben könnten.
Ferner hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt und begründet, dass und inwieweit mit der Annahme des Oberlandesgerichts, ein annähernd paritätischer Umgang erfordere die Fähigkeit und Bereitschaft der Eltern zu guter Kommunikation und Kooperation, eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 27 Abs. 2 LV und seines Grundrechts auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV verbunden sein könnte; die Auffassung ist im Übrigen in der Rechtsprechung weit verbreitet. Dasselbe gilt mit Blick auf Art. 27 Abs. 2 LV für die Rüge, das Oberlandesgericht habe nicht berücksichtigt, dass er zuletzt ein paritätisches Wechselmodell nicht beantragt habe. Hinsichtlich der beanstandeten Verletzung von Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV hat der Beschwerdeführer nicht ausgeführt, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf diesem seiner Ansicht nach falschen Verständnis von seinem Antrag beruhe, mithin ohne diesen Fehler anders hätte ausfallen können.
3. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Insbesondere kann auch die Nichtbestellung eines Verfahrensbeistandes nach § 158 FamFG das Elternrecht aus Art. 27 Abs. 2 LV verletzen. Ein Verstoß gegen das Kindeswohl kann zugleich ein Verstoß gegen das Elternrecht sein, weil nur das Kindeswohl einen Eingriff in das Elternrecht rechtfertigen kann (Beschluss vom 30. September 2010 – VfGBbg 32/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht: BVerfGE 99, 145, 164).
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist aber unbegründet. Der Beschwerdeführer ist durch die angegriffenen Entscheidungen weder in seinem Elternrecht aus Art. 27 Abs. 2 LV noch in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV verletzt.
Das Verfassungsgericht prüft gerichtliche Entscheidungen nur eingeschränkt. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall sind zuvörderst Sache der dafür allgemein zuständigen Fachgerichte. Das Verfassungsgericht prüft lediglich, ob dem Fachgericht hierbei Fehler unterlaufen sind, die auf einem Übersehen betroffener Grundrechte oder der nicht hinreichenden Berücksichtigung bzw. unrichtigen Anschauung von Bedeutung und Tragweite der Grundrechte beruhen, oder Folge sachfremder und damit objektiv willkürlicher Erwägungen sind (ständige Rechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 16. Dezember 2011 – VfGBbg 16/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; für das Bundesrecht: BVerfGE 18, 85, 92 f.; BVerfG NStZ-RR 2007, S. 338 f.). Dabei hängt die Intensität der verfassungsgerichtlichen Prüfung davon ab, in welchem Maße die Entscheidung Grundrechte betrifft (vgl. Beschluss vom 18. März 2011 – VfGBbg 56/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Die angegriffenen Entscheidungen halten dieser Prüfung stand.
1. a. Das in § 1684 BGB geregelte Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils ist Teil des durch Art. 27 Abs. 2 LV – inhaltsgleich mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) – geschützten Elternrechts (Beschluss vom 16. Dezember 2011 – VfGBbg 16/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Es soll dem nicht sorgeberechtigten Elternteil ermöglichen, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Aussprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung tragen (Beschluss vom 16. Dezember 2011, a. a. O.; vgl. zu Art. 6 Abs. 2 GG: BVerfGE 31, 194, 206). Können die Eltern sich über die Ausübung und Umfang des Umgangsrechts nicht einigen, treffen die Gerichte eine Entscheidung, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Dabei müssen sie durch die Gestaltung des Verfahrens eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung schaffen. Im Einzelfall kann die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten sein. Dies ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn die Gerichte auf anderem Wege die für die Entscheidung notwendigen Erkenntnisse gewinnen können (Beschluss vom 18. März 2011 – VfGBbg 56/10 -, a. a. O., BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2007 – 1 BvR 2697/07 -, EuGRZ 2008, 79, 80). Ferner kann es auch notwendig sein, für das Kind nach § 158 FamFG einen Verfahrensbeistand zu bestellen, wenn im Verfahren nur so eine von nachteiliger Einflussnahme durch Dritte freie Wahrnehmung der Kindesbelange gewährleistet ist (Beschluss vom 30. September 2010, a. a. O.).
b. Diese Grundsätze gelten in Verfahren, die die Änderung einer bereits bestehenden gerichtlichen Umgangsregelung zum Gegenstand haben, mit der Maßgabe, dass die Abänderungsbefugnis der Gerichte nicht zum Zwecke eines beliebigen Wiederaufrollens des Umgangsverfahrens besteht (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung von § 1696 BGB, BT-Drucksache 13/4899 S. 109). Eine formell rechtskräftige Umgangsregelung ist nach § 1696 Abs. 1 BGB lediglich dann abänderbar, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Dies setzt voraus, dass durch die Neuregelung eine deutliche Verbesserung der Situation eintritt. Im Abänderungsverfahren bestehen die aus Art. 27 Abs. 2 LV folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf Verfahren und Entscheidung daher zu der Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer derartigen Umgangsänderung vorliegen (Beschluss vom 16. Dezember 2011, a. a. O.).
2. a. Hiernach sind das Elternrecht des Beschwerdeführers aus Art. 27 Abs. 2 LV und sein Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV nicht dadurch verletzt, dass das Oberlandesgericht dem Sohn des Beschwerdeführers nicht einen Verfahrensbeistand bestellt hat. Das Oberlandesgericht hat dies offenkundig zur Wahrnehmung der Kindesinteressen im Sinne von § 158 Abs. 1 FamFG nicht für erforderlich gehalten, ohne dass es dies hätte begründen müssen. Eine Begründungspflicht besteht insoweit nach § 158 Abs. 3 Satz 3 FamFG nur, sofern in einem der Fälle des § 158 Abs. 2 FamFG von einer Bestellung des Verfahrensbeistandes abgesehen wird. Dass ein solcher Fall nicht vorliegt, hat das Oberlandesgericht in dem auf die Gehörsrüge ergangenen Beschluss vom 12. Dezember 2011 festgestellt.
Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Bestellung eines Verfahrensbeistandes sei zur Wahrnehmung der Kindesinteressen nicht erforderlich gewesen, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Zwar ist es für das Elternrecht - vermittelt durch das Kindeswohl - von erheblicher Relevanz, dass die Interessen des Kindes in einer Weise in das Verfahren eingebracht werden, die seinen Grundrechten hinreichend Rechnung trägt. Das Unterlassen einer Beistandsbestellung kann daher das Elternrecht verletzen (s. o.). Die Interessen und Grundrechte Os. sind jedoch durch das verfahrensgegenständliche Umgangsabänderungsverfahren nach § 1696 Abs. 1 BGB nicht so stark berührt, dass die Bestellung eines Verfahrensbeistandes unumgänglich war. Es stand nicht eine grundlegende Entscheidung an wie Ausschluss oder erstmalige Gewährung von Umgang, sondern lediglich seine Ausweitung hin zu einem annähernd paritätischen Umgang. Darüber hinaus sind die Interessen des Kindes mittels dessen Anhörung sowie der Anhörung der Eltern und des Jugendamts durch das Amtsgericht in das Verfahren eingebracht worden. Dabei ergab sich aus Sicht des Gerichts eine Übereinstimmung des unbefangen geäußerten Kindeswillens, dass die Umgangssituation so bleiben könne, und der Einschätzung der Mitarbeiterin des Jugendamts. Amts- und Oberlandesgericht haben hierin eine ausreichende Grundlage gesehen und die ergänzende Bestellung eines Verfahrensbeistandes nicht für erforderlich gehalten. Jedenfalls mit Blick auf die begrenzte Reichweite der Entscheidung über die Umgangserweiterung begegnet dies aus Sicht des Landesverfassungsgerichts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
b. aa. Die Grundrechte des Beschwerdeführers sind ferner nicht dadurch verletzt, dass das Oberlandesgericht O. und dessen Eltern im Beschwerdeverfahren nicht persönlich angehört hat. Diese Anhörung war für eine tragfähige Entscheidung über die Umgangsänderung nicht erforderlich. Grundsätzlich war das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zwar nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG gehalten, die vorliegend nach § 159 Abs. 2 FamFG und 160 Abs. 1 Satz 1 FamFG gebotene Anhörung durchzuführen. Es hat hiervon jedoch nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen, nachdem Kind und Eltern bereits vom Amtsgericht angehört worden waren. Neue entscheidungserhebliche Tatsachen seien nicht vorgetragen worden, eine Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts sei nicht eingetreten und zwischen der aktenkundig gemachten Anhörung durch das Amtsgericht und der Einlegung der Beschwerde seien nur ca. zwei Monate vergangen; zudem sei jede gerichtliche Anhörung für das Kind eine Belastung. Dass das Oberlandesgericht aus diesen Erwägungen ableitet, neue Erkenntnisse im Sinne von § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG seien von einer erneuten Anhörung nicht zu erwarten und eine weitere sei nicht geboten gewesen, ist nachvollziehbar und überschreitet für den vorliegenden auf eine Umgangserweiterung beschränkten Fall nach verfassungsrechtlichem Maßstab nicht den gerichtlichen Beurteilungs– und Prognosespielraum, den § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht einräumt (vgl. Engelhardt, in: Keidel, FamFG, 17. Aufl., § 68 Rz. 57). Allerdings dürften die sechs Monate zwischen erstinstanzlicher Anhörung des Kindes und der Beschwerdeentscheidung durch das Oberlandesgericht am 20. Oktober 2011 annähernd die Zeitspanne sein, jenseits der bei einem vierjährigen Kind angesichts des grundrechtssensiblen Bereichs eine erneute Anhörung des Kindes in der Regel angezeigt ist, um auf möglichst tragfähiger Grundlage zu entscheiden.
bb. Aus der vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen gerichtlichen Pflicht, in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken (§ 156 Abs. 1 Satz 1 FamFG), folgt insbesondere vor dem Hintergrund des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nicht, dass das Beschwerdegericht von Verfassungs wegen gehalten ist, die Kindeseltern stets (erneut) persönlich anzuhören.
3. a. Es verletzt den Beschwerdeführer auch nicht in seinen Grundrechten aus Art. 27 Abs. 2, 52 Abs. 3 Alt. 2 LV, dass das Oberlandesgericht ein Sachverständigengutachten nicht eingeholt hat zu der Behauptung des Beschwerdeführers, sein Sohn leide unter zu wenig Umgang mit ihm. Die Verfahrensgestaltung des Oberlandesgerichts sicherte für die zu entscheidende Frage der Umgangserweiterung insoweit auch ohne externe fachmännische Einschätzung und spezielle kindespsychologische Sachkunde eine hinreichend zuverlässige Entscheidungsgrundlage. Es konnte für seine Entscheidung auf die Anhörung des Kindes, der Eltern und der Mitarbeiterin des Jugendamtes durch das Amtsgericht zurückgreifen, um die notwendigen Erkenntnisse zu gewinnen (s. zu 2. a., b.).
b. Ferner hat das Gericht sich, wie es das Grundrecht auf rechtliches Gehör verlangt, im Wesentlichen mit den vom Beschwerdeführer behaupteten Umständen auseinandergesetzt, aus denen dieser ein Leiden Os. unter dem seiner Ansicht nach zu geringen Umgang mit ihm ableitet (das Kind sei verträumt, wolle zum Umgangsende nicht zu seiner Mutter zurück und zähle, wie häufig er bis zum nächsten Umgang noch schlafen müsse) und im Einzelnen begründet, warum es die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht für erforderlich hält.
Dass das Oberlandesgericht aus den erörterten Umständen andere Schlussfolgerungen gezogen hat als der Beschwerdeführer, verletzt diesen nicht in seinem Recht auf rechtliches Gehör, weil dieses Recht den Verfahrensbeteiligten keinen Anspruch darauf verschafft, dass das Gericht ihren Vorbringen und Bewertungen folgt (Beschluss vom 25. Mai 2012 – VfGBbg 24/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; zu Art. 103 Abs. 2 GG: BVerfGE 115, 166, 180).
c. Nicht ausdrücklich abgehandelt hat das Oberlandesgericht den Vortrag des Beschwerdeführers, aus den weiteren Äußerungen seines Sohnes in der amtsgerichtlichen Anhörung ergebe sich, dass er sein Zuhause beim ihm sehe und daher unter zu wenig Umgang leide, sowie die weitergehende Behauptung des Beschwerdeführers, einige Äußerungen seines Sohnes in der Anhörung entsprächen nicht der Wortwahl eines Vierjährigen und beruhten auf Einflussnahme bzw. Vorgaben der Äußerungsberechtigten zu 2.
Allerdings ist das Gericht durch das Grundrecht auf rechtliches Gehör nicht gehalten, jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden; vielmehr ist grundsätzlich zu vermuten, dass das Gericht ein Vorbringen zur Kenntnis genommen und berücksichtigt hat (Beschluss vom 15. Januar 2009 – VfGBbg 52/07 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Es bedarf daher besonderer Umstände, die deutlich werden lassen, dass ein Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (Beschluss vom 17. Juni 2011 – VfGBbg 33/10 -, LVerfGE 18, 150, 157).
Solche besonderen Umstände sind vorliegend nicht erkennbar. Ausweislich der in Rede stehenden Beschlüsse (insbesondere des Beschlusses zu der Anhörungsrüge) hat das Oberlandesgericht sich mit dem Vortrag des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und den Äußerungen des Vierjährigen in der amtsgerichtlichen Anhörung insgesamt entnommen, dass dieser mit der Umgangssituation zufrieden sei und für den Wunsch nach mehr Umgang mit dem Beschwerdeführer Anhaltspunkte nicht gegeben seien. Vor diesem Hintergrund war eine ausdrückliche Erörterung der weiteren Behauptungen des Beschwerdeführers, O. sehe sein Zuhause bei ihm und bestimmte Äußerungen in der gerichtlichen Anhörung beruhten auf einer Einflussnahme durch die Äußerungsberechtigte zu 2, von Verfassungs wegen nicht geboten; ihr Fehlen ist kein Hinweis auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Oberlandesgericht.
C.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, denn seine Verfassungsbeschwerde bot keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Der Antrag der Äußerungsberechtigten zu 2 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 48 Satz 1 VerfGGBbg analog, § 115 Abs. 4 ZPO zurückzuweisen. Bei einem zugrundezulegenden Gegenstandswert von 4.000,00 € übersteigen die Kosten des Verfassungsbeschwerdeverfahrens für die anwaltlich vertretene Äußerungsberechtigte zu 2 vier Monatsraten nicht.
D.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dr. Fuchsloch |
Dr. Lammer | Nitsche |
Partikel | Schmidt |