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VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 13/12 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 10
- StrRehaG, § 17a
- SGB X, § 48
Schlagworte: - Besondere Zuwendung für Haftopfer
- Ausschlusstatbestand
- Bundesgesetz
- Widerruf
- Verfassungskonforme Auslegung
- Unechte Rückwirkung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 13/12 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 13/12




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

G.,

 

Beschwerdeführer,

 

 

Verfahrensbevollmächtigte:   Rechtsanwältin B.,

                            

 

wegen des Bescheides des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Februar 2011 und des Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. November 2011  - 1 Ws (Reha) 32/11 –

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

 

am 19. Juni 2013

 

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

      Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.              

 

G r ü n d e :

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Aufhebung von Leistungen nach § 17a Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (StrRehaG).

 

I.

Dem Beschwerdeführer war mit Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. September 2008 eine besondere Zuwendung nach § 17a Abs. 1 StrRehaG in Höhe von monatlich 250,00 Euro, beginnend ab dem 1. Oktober 2007, bewilligt worden. Das Landgericht Potsdam und das Landgericht Frankfurt (Oder) hatten zuvor mit Beschlüssen vom 8. März 1999 und 6. November 2000 festgestellt, dass der Beschwerdeführer in den Zeiträumen vom 19. Juli 1984 bis 18. Juli 1985 und vom 1. Oktober 1989 bis 2. November 1989 zu Unrecht eine Freiheitsentziehung erlitten hatte.

 

Durch Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 12. September 2006 wurde der Beschwerdeführer wegen bandenmäßigen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen und Beihilfe zum Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Einzelstrafen für die Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz wurden jeweils mit sechs Jahren und sechs Monaten bemessen.

 

Mit dem am 9. Dezember 2010 in Kraft getretenen Vierten Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR (4. StrRehaÄndG) vom 2. Dezember 2010 (BGBl 2010 S. 1744) ist § 17a StrRehaG um die Absätze 6 und 7 ergänzt worden. Diese haben folgenden Wortlaut:

 

(6) Das Erste und das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch finden entsprechende Anwendung, soweit nicht dieses Gesetz etwas anderes bestimmt.

 

(7) Die besondere Zuwendung für Haftopfer wird Personen nicht gewährt, gegen die eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat rechtskräftig verhängt worden ist, sofern die Entscheidung in einer Auskunft aus dem Zentralregister enthalten ist.

 

Nach Anhörung des Beschwerdeführers hob der Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder) mit Bescheid vom 11. Februar 2011 die Gewährung der Leistungen nach § 17a StrRehaG mit Wirkung ab dem 1. Februar 2011 auf. Durch das 4. StrRehaÄndG sei ein neuer Ausschlussgrund geschaffen worden, der im Fall des Beschwerdeführers aufgrund seiner Verurteilung durch das Landgericht Neuruppin gegeben sei. Damit sei der Bescheid vom 25. September 2008 gemäß § 48 Sozialgesetzbuch (SGB) X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

 

Hiergegen stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 25 Abs. 1 StrRehaG. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hob den Bescheid vom 11. Februar 2011 auf. Die nachträgliche Rechtsänderung durch das 4. StrRehaÄndG könne keine Grundlage dafür bieten, den nach der früheren Rechtslage rechtmäßig ergangenen Bescheid vom 25. September 2008 über die Gewährung der besonderen Zuwendung aufzuheben. Dieser begünstigende Bescheid sei bestandskräftig geworden und hätte nur unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) i. V. m. § 49 Abs. 2 VwVfG aufgehoben werden können. Die dort genannten Voraussetzungen seien aber offensichtlich nicht gegeben, insbesondere würden sich keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl ergeben (§ 48 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG). Eine Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, welcher mit der möglichen Berücksichtigung veränderter rechtlicher Verhältnisse eine hinreichende Grundlage für die Aufhebung darstellen würde, scheide demgegenüber aus. Dies würde zu einer verbotenen Rückwirkung des erst seit dem 9. Dezember 2010 geltenden § 17a Abs. 6 StrRehaG führen. Bei der besonderen Zuwendung nach § 17a StrRehaG handle es sich um eine soziale Ausgleichsleistung, weshalb auch die sozialrechtlichen Prinzipien zu beachten seien. Die Leistungsgewährung müsse deshalb auf Kontinuität gerichtet sein. Für einen Zugriff auf begründete Altpositionen bedürfe es eines überwiegenden öffentlichen Interesses. In Ansehung dieser Grundsätze könne die mit § 17a Abs. 6 StrRehaG eingeführte Verweisung auf das SGB X nur in der Weise ausgelegt werden, dass die Vorschrift jedenfalls nicht zur Begründung von Leistungsverschlechterungen für vor dem 9. Dezember 2010 unanfechtbar gewordene Entscheidungen über die besondere Zuwendung herangezogen werden könne. Denn nach der alten Rechtslage hätten die Betroffenen nicht damit rechnen müssen, dass eine nachträgliche Gesetzesänderung zu einer Aufhebung der Bewilligung führen kann. Sie hätten über die eingeschränkten Möglichkeiten von Rücknahme und Widerruf nach §§ 48, 49 VwVfG vielmehr eine relativ sichere Rechtsposition erlangt, auf die sie hätten vertrauen dürfen.

 

Auf die Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hin hob das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 28. November 2011, dem Beschwerdeführer zugestellt am 9. Dezember 2011, den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) auf und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung zurück. Der Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Februar 2011 sei rechtmäßig und verletze den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten. Für die in die Zukunft gerichtete Aufhebung der Gewährung der Opferrente lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X vor. Die Rechtsänderung erfasse bei verfassungskonformer Auslegung auch die bereits erfolgten Bewilligungen. § 48 SGB X schaffe die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen dafür, bei einer Umgestaltung des Rechts durch den Gesetzgeber auch die laufenden Fälle einzubeziehen, wenn und soweit der Gesetzgeber in sogenannter unechter Rückwirkung die Rechtslage neu gestalte. Der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis seien zwar Grenzen gesetzt, die sich aus einer Abwägung zwischen dem Ausmaß des durch die Gesetzesänderung verursachten Vertrauensschadens und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl ergeben würden. Diese Grenzen seien erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich sei oder wenn das Bestandsinteresse des Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiege. Dies sei hier nicht zu erkennen.

 

II.

Mit seiner am 9. Februar 2012 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 10 i. V. m. Art. 5 Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Die Rücknahme des Zuwendungsbescheides verletze seine Vertrauensschutzbelange und verstoße gegen das Übermaßverbot. Der durch das 4. StrRehaÄndG eingefügte Ausschlusstatbestand des § 17a Abs. 7 StrRehaG begründe eine unechte Rückwirkung, die in der hier gegebenen Fallgestaltung verfassungsrechtlich unzulässig sei. Sein Vertrauen auf den Fortbestand der Rentengewährung habe Vorrang gegenüber dem Interesse des Staates an einem Zugriff auf die gewährte Zuwendung. Dabei werde nicht die Verfassungsmäßigkeit des § 17a Abs. 7 StrRehaG selbst angezweifelt, sondern dessen Anwendung im vorliegenden Fall beanstandet. Die angegriffenen Entscheidungen hätten außer Acht gelassen, dass er sich zum Zeitpunkt der Gewährung der besonderen Zuwendung bereits in Haft befunden habe. Er habe deshalb in diesem Punkt nicht mit einer Änderung der Rechtslage rechnen müssen. Mit der Einführung des Ausschlusstatbestandes werde er zudem für seine, auch aufgrund der politischen Verfolgung, nachteilig verlaufende Sozialisation doppelt bestraft. Ferner hätte bei der Anwendung des § 48 SGB X der Rechtsgedanke des § 49 VwVfG herangezogen werden müssen. Danach sei der Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte nur unter besonderen Voraussetzungen möglich, die hier nicht gegeben seien. Der erst im Jahr 2010 eingefügte § 17a Abs. 7 StrRehaG könne daher keine Grundlage für die Aufhebung des im Jahr 2008 rechtmäßig ergangenen Bescheides bieten.

 

III.

Die Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts und des Landgerichts Frankfurt (Oder) sowie der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

 

IV.

Die gerichtlichen Verfahrensakten waren beigezogen.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen keine durch die Verfassung des Landes Brandenburg gewährleisteten Grundrechte des Beschwerdeführers.

 

1. Zunächst ist festzuhalten, dass über die Verfassungsmäßigkeit des § 17a StrRehaG als Bundesgesetz durch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg nicht entschieden werden kann (vgl. etwa Beschlüsse vom 18. November 2011 – VfGBbg 40/11 – und vom 22. Februar 2012 - VfGBbg 33/12 -, jeweils www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 23. Februar 2012 klargestellt, dass er die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung einschließlich des mit dem 4. StrRehaÄndG eingefügten Ausschlussgrundes (§ 17a Abs. 7 StrRehaG) nicht in Zweifel ziehe und sich die Verfassungsbeschwerde allein gegen die Anwendung der Norm in den angegriffenen Entscheidungen richte.

 

2. Dem Verfassungsgericht obliegt allerdings keine umfassende Kontrolle der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts. Es überprüft nur, ob der Entscheidung eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot zugrunde liegt (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 18. März 2011 – VfGBbg 56/10 -, www.verfassungs-gericht.brandenburg.de). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.

 

a. Die angegriffenen Entscheidungen stehen ersichtlich in Übereinstimmung mit der durch das 4. StrRehaÄndG geschaffenen Rechtslage. Die Voraussetzungen des § 17a Abs. 7 StrRehaG sind erfüllt, insbesondere ist der Beschwerdeführer wegen einer vorsätzlichen Straftat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden. Damit war der Bewilligungsbescheid vom 25. September 2008 gemäß § 17a Abs. 6 StrRehaG i. V. m. 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwingend mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (vgl. hierzu etwa OLG Naumburg, Beschluss vom 11. Oktober 2011 – 2 Ws (Reh) 92/10 -, juris; Kammergericht, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 2 Ws 364/12 REHA -, juris). Soweit der Beschwerdeführer hiergegen sinngemäß einwendet, § 17a Abs. 7 StrRehaG bzw. § 17 Abs. 6 StrRehaG i. V. m. § 48 SGB X hätten verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden müssen, dass vor dem 9. Dezember 2010 (Inkrafttreten des 4. StrRehaÄndG) erfolgte Bewilligungen unangetastet bleiben, geht dies fehl. Ein solche Auslegung war weder möglich (b.) noch angezeigt(c.).

 

b. Eine verfassungskonforme Auslegung darf nicht zur Gesetzeskorrektur führen. Sie findet ihre Grenzen dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. Urteil vom 28. Juli 2008 – VfGBbg 76/05 -, LKV 2008, 459; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 110, 226, 267; 90, 263, 275). Nach diesen Maßstäben kommt die vom Beschwerdeführer geforderte Auslegung des § 17a Abs. 7 StrRehaG von vornherein nicht in Betracht. Danach werden bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen „besondere Zuwendungen für Haftopfer … nicht gewährt“. Dieser generell formulierte Leistungsausschluss lässt keinen Raum für die Annahme, dass „Altfälle“ vom Anwendungsbereich der Bestimmung ausgenommen seien. Nichts anderes gilt für die – hier allein in Rede stehende - Aufhebung von Bewilligungsbescheiden mit Wirkung für die Zukunft. Der gemäß § 17a Abs. 6 StrRehaG anzuwendende § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ordnet die Aufhebung bei einer wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse an, ohne insoweit Ermessen zu eröffnen. Aus der Gesetzesbegründung zum 4. StrRehaÄndG geht unzweideutig hervor, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Zweck des neu geschaffenen Ausschlusstatbestandes gerade auch darin besteht, die weitere Gewährung bereits bewilligter Zuwendungen solchen Personen zu versagen, die außerhalb des Rehabilitierungszusammenhangs wegen schwerer Straftaten verurteilt worden sind. In der amtlichen Begründung wird hierzu u. a. ausgeführt (BT-Ds. 17/1215 S. 8):

 

„Die bisherigen Erfahrungen mit der besonderen Zuwendung für Haftopfer zeigen, dass diese Leistung auch von Personen beantragt wird, die wegen schwerer Straftaten wie Tötungsdelikten oder Sexualstraftaten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind. Es handelt sich dabei um andere Verurteilungen als diejenigen, die der strafrechtlichen Rehabilitierung und damit dem Antrag auf besondere Zuwendung für Haftopfer zugrunde liegen.

 

Nach geltendem Recht besteht keine Möglichkeit, die Zu- wendung in diesen Fällen zu versagen ... Die gesetzgeberische Entscheidung von 1992 hatte naturgemäß nur die damals im Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz zu regelnden sozialen Ausgleichsleistungen im Blick. Dies waren die Kapitalentschädigung (§ 17), die Unterstützungsleistungen bei besonderer wirtschaftlicher Beeinträchtigung (§ 18) und die Versorgungsleistungen der §§ 21 und 22. Der Anspruch auf diese Leistungen wird durch die Rehabilitierung in Bezug auf eine strafrechtliche Verurteilung erworben. Dieser Anspruch sollte nach dem Willen des Gesetzgebers auch dann nicht ausgeschlossen sein, wenn der Berechtigte über diese Verurteilung hinaus wegen erheblicher weiterer Straftaten zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist. Diese gesetzgeberische Wertung ist in Bezug auf die vorerwähnten Leistungen nach wie vor berechtigt, wie am Beispiel der Kapitalentschädigung deutlich wird ... Etwas anderes ist es jedoch, diesem Personenkreis zusätzlich dazu und zu den anderen bislang geregelten Rehabilitierungsleistungen als Zeichen einer besonderen Anerkennung und Würdigung (vgl. Bundestagsdrucksache 16/4842, S. 5) eine lebenslange staatliche Dauerleistung von monatlich 250 Euro zu zahlen. Eine solche Zuwendung an die hier in Rede stehenden Personen ist unangemessen. Sie birgt darüber hinaus die Gefahr, die besondere Zuwendung für Haftopfer in der öffentlichen Wahrnehmung zu Unrecht in Misskredit zu bringen.“

 

 

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber ausdrücklich hervorgehoben, dass die Möglichkeit der Angleichung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung an wesentlich veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse gemäß § 48 SGB X gerade für den neuen Ausschlusstatbestand nach Absatz 7 von Bedeutung ist (vgl. BT-Ds. 17/1215 S. 11). Er hat damit zusätzlich dokumentiert, dass die Verurteilung zu einer längeren Freiheitsstrafe zur Einstellung bereits bewilligter Zuwendungen führen soll.

 

c. Unbeschadet der vorstehenden Ausführungen bestand aber auch keine Veranlassung zu einer verfassungskonformen Auslegung, weil die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 25. September 2008 keinen Bedenken im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot begegnet.

 

Zweck der besonderen Zuwendung nach § 17a StrRehaG ist die Anerkennung und Würdigung des Widerstandes gegen die SED-Diktatur (BT-Ds. 16/4842 S. 5). Solche an das Erleiden von Unrecht und die Leistung politischen Widerstands anknüpfenden Wiedergutmachungsleistungen stellen keinen Schadensersatz im Sinne des bürgerlichen Rechts dar, sondern (freiwillige) öffentlich-rechtliche Entschädigungsleistungen, derer die Allgemeinheit die Opfer eines Unrechtsregimes für würdig erachtet. Deshalb ist es ohne weiteres zulässig, eine Anspruchsberechtigung für solche Leistungen bei Verurteilungen wegen schwerer Straftaten auszuschließen (vgl. etwa  BVerfGE 13, 46, 50 zu § 6 Bundesentschädigungsgesetz).

 

Ebenso wenig bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der nachträglichen Schaffung eines solchen Ausschlusstatbestandes. Führt dieser zu einem Leistungsausschluss für die Zukunft, dann stellt dies mangels Einwirkung auf einen abgeschlossenen Sachverhalt keine echte Rückwirkung dar; vielmehr liegt eine sogenannte unechte Rückwirkung vor, wenn die Gesetzesänderung – wie hier - künftige Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht (vgl. Beschluss vom 24. September 2012 – VfGBbg 46/11 -, LKV 2012, 506; zum Bundesrecht vgl. etwa BVerfGE 76, 256, 346).

 

Eine unechte Rückwirkung ist in der Regel verfassungsrechtlich zulässig. Es muss dem Gesetzgeber grundsätzlich möglich sein, Normen zu erlassen, die an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpfen, und unter Änderung der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf neue Gegebenheiten oder Bewertungen zu reagieren (vgl. BVerfGE 114, 258, 300). Es ist notwendig, die Rechtsordnung ändern zu können, um den Staat handlungs- und die Rechtsordnung anpassungsfähig zu erhalten. Hierbei sind die Grenzen zu beachten, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben. Dieses schützt auch die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf. Für die Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung ist daher zu prüfen, ob schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen vorliegt, ob öffentliche Interessen die Erstreckung auf die Altfälle erforderlich machen und welches der sich gegenüberstehenden Interessen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im konkreten Fall den Vorrang verdient (Beschluss vom 24. September 2012 – VfGBbg 46/11 -, a. a. O.).

 

Nach diesen Maßgaben ist eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung nicht festzustellen. Der Gesetzgeber hat – wie dargelegt - mit der Schaffung des § 17a Abs. 7 StrRehaG einen legitimen Zweck verfolgt, zumal mit dem Erfordernis einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat sichergestellt worden ist, dass die Wiedergutmachungsleistungen nur bei schwerwiegenden Straftaten versagt werden.

 

Demgegenüber ist ein schützenswertes Vertrauen des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Da das Rückwirkungsverbot im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze findet, gilt es dort nicht, wo sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Bei der Ermittlung des Vertrauensinteresses ist allgemein zu berücksichtigen, dass der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nicht so weit geht, den Einzelnen vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde unverändert auch in der Zukunft fortbestehen, ist grundsätzlich nicht geschützt (Beschluss vom 24. September 2012 – VfGBbg 46/11 -, a. a. O.; zum Bundesrecht vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2012 – 2 BvL 5/10 -, NVwZ 2012, 876 sowie BVerfGE 128, 90, 106). Ein etwaiges Vertrauen des Beschwerdeführers darauf, der Gesetzgeber werde dauerhaft davon absehen, die Gewährung der Opferrente aus Gründen der Verwirkung oder Unwürdigkeit auszuschließen, wäre daher schon nicht schutzwürdig. Darüber hinausgehende Vertrauensschutzbelange hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Der von ihm vorgetragene Umstand, dass er sich zum Zeitpunkt der Bewilligung der Opferrente bereits in Haft befunden habe, könnte allenfalls der rückwirkenden Aufhebung des Bescheides vom 25. September 2008 entgegenstehen. Eine solche Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit ist vorliegend aber gerade nicht erfolgt.

 

Schließlich ist auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 17a Abs. 6 StrRehaG im Sinne des Beschwerdeführers nicht veranlasst. Es ist bereits nicht erkennbar, dass diese Vorschrift, nach der das SGB I und das SGB X entsprechende Anwendung finden, die Rechtslage zum Nachteil des Beschwerdeführers verändert hat. Seine Auffassung, eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 25. September 2008 wäre vor Inkrafttreten des 4. StrRehaÄndG nur unter den engen Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 VwVfG als Widerruf möglich gewesen, ist unzutreffend. Bei diesem Bewilligungsbescheid hat es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gehandelt, da er sich nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft hat, sondern auf eine unbestimmte Dauer angelegt gewesen ist. Die Aufhebung solcher Dauerverwaltungsakte, die rechtmäßig erlassen, aber später aufgrund veränderter Umstände rechtswidrig geworden sind, erfolgt nach dem VwVfG als Rücknahme (§ 48 VwVfG) und nicht nach den Regeln über den Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. November 1979 - 3 C 103.79 -, BVerwGE 59, 148; vom 16. Juli 2009 - 2 C 44.08 -, juris und vom 28. Oktober 2004 - 2 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; ferner etwa OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Oktober 2011 - OVG 6 B 8.09 -, juris). Deshalb haben sich die rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 25. September 2008 durch die Einfügung des § 17a Abs. 6 StrRehaG nicht bzw. jedenfalls nicht wesentlich geändert.

 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Lammer Dr. Nitsche
   
Partikel Schmidt