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VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2003 - VfGBbg 95/02 -

 

Verfahrensart: Organstreit
sonstige
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 72 Abs. 3 Satz 2
- VerfGGBbg, § 37 Abs. 1
Schlagworte: - Verfahrensbeitritt
- Untersuchungsausschuß
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2003 - VfGBbg 95/02 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 95/02



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Organstreitverfahren

der beiden Mitglieder im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß 3/2 der 3. Wahlperiode des Landtags Brandenburg

a) Heinz Vietze MdL
b) Klaus-Jürgen Warnick MdL,

Antragsteller zu 1.,

der Fraktion der PDS im 3. Brandenburgischen Landtag,
vertreten durch den Vorsitzenden MdL Prof. Dr. Lothar Bisky,
Am Havelblick 8, 14473 Potsdam,

Antragstellerin zu 2.,

Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller zu 1. und 2.: Rechtsanwälte B.,

gegen

den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß 3/2 der 3. Wahlperiode des Landtages Brandenburg,
vertreten durch seinen Vorsitzenden Dieter Helm MdL,
Am Havelblick 8, 14473 Potsdam,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte W.,

hier: Beitritt der Abgeordneten des Landtages Brandenburg

Andreas Trunschke MdL,
Gerlinde Stobrawa MdL,
Wolfgang Thiel MdL,
Petra Faderl MdL,
Gerrit Große MdL,
Klaus-Jürgen Warnick MdL,
Stefan Sarrach MdL,
Ralf Christoffers MdL,
Thomas Domres MdL,
Dagmar Enkelmann MdL,
Heinz Dobberstein MdL,
Kerstin Osten MdL,
Kerstin Kaiser-Nicht MdL,
Frank Hammer MdL,
Anita Tack MdL,
Hannelore Birkholz MdL,
Kerstin Bednarsky MdL,
Irene Wolf MdL,
Prof. Dr. Lothar Bisky MdL,
Kornelia Wehlan MdL

gemäß § 37 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte B.,

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel, Prof. Dr. Schröder und Prof. Dr. Will

am 19. Juni 2003

b e s c h l o s s e n :

Der Beitritt ist unzulässig.

G r ü n d e :

A.

Die vorgenannten 20 Abgeordneten des Landtags Brandenburg möchten dem von den Antragstellern zu 1. und 2. eingeleiteten Organstreitverfahren beitreten, das die Feststellung einer Verletzung des Beweiserhebungsrechts der Antragsteller zu 1. zum Gegenstand hat.

I.

Der Landtag Brandenburg setzte am 20. September 2001 einen aus acht Abgeordneten nebst Stellvertretern bestehenden Untersuchungsausschuß „zur Aufklärung der Verantwortung der Landesregierung und der Landesvertreter in den Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsräten sowie der Geschäftsführer für den bisherigen Verlauf 1991 bis 2001 der Entwicklung a) der Landesentwicklungsgesellschaft für Städtebau, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg (LEG) und b) der LEG-Gruppe, ihrer Töchter und Beteiligungen“ ein. Von Seiten der PDS-Fraktion sind die Antragsteller zu 1. Mitglieder des Untersuchungsausschusses.

Nach der Konstituierung des Untersuchungsausschusses im November 2001 beschloß dieser in seiner 3. Sitzung am 18. Dezember 2001, bestimmte Unterlagen - so insbesondere Protokolle der Geschäftsführer- und Aufsichtsratssitzungen der LEG sowie Kabinettsvorlagen und Beschlüsse der Landesregierung Brandenburg - bei der LEG bzw. der Landesregierung Brandenburg anzufordern (Beweisbeschluß B 2). Nachdem der Ausschuß in den ersten Monaten des Jahres 2002 die Unterlagen erhalten und gesichtet hatte, sahen die Antragsteller zu 1. weiteren Aufklärungsbedarf insoweit, als die Protokolle auf nicht beigefügte Anlagen - insbesondere Tisch- und Sitzungsvorlagen - Bezug nahmen.

Unter dem 29. April 2002 beantragten die Antragsteller zu 1., durch „die Vorlage aller Beschluss- und Tischvorlagen zu den Gesellschafterversammlungen, Aufsichtsratssitzungen und Geschäftsführersitzungen der LEG und aller ihrer Tochter- und Beteiligungsunternehmen im Zeitraum von 1991 bis 2001 durch die ... LEG ...“ die Punkte 1.3, 1.7, 9.1 und 9.3 des Einsetzungsbeschlusses aufzuklären (Beweisantrag A 31). In der 9. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 14. Mai 2002 hieß es mündlich zur Begründung, man könne ohne die in den Protokollen in Bezug genommenen Unterlagen nicht nachvollziehen, was in den Sitzungen geschehen sei. Die der SPD- und der CDU-Fraktion angehörenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses äußerten hiergegen Bedenken. Der Antrag müsse überarbeitet und konkretisiert werden, da er zu unbestimmt sei. Der Antrag wurde sodann mehrheitlich abgelehnt.

Unter dem 03. Juni 2002 beantragten die beiden Antragsteller zu 1.:

„Es wird Beweis erhoben über die Tatsache, welche Beschluss- und Tischvorlagen den Aufsichts- und Geschäftsführungsgremien der LEG und ihrer Tochter- und Beteiligungsunternehmen zu den jeweiligen Gesellschafterversammlungen, Aufsichtsratssitzungen und Geschäftsführersitzungen vorgelegen haben, durch die Herausgabe aller Vorlagen, Sitzungsvorlagen und Tischvorlagen, die zu den Gesellschafterversammlungen, Aufsichtsratssitzungen und Geschäftsführersitzungen der LEG und ihrer Tochter- und Beteiligungsunternehmen im Zeitraum von 1991 bis 2001 vorgelegen haben, soweit sie im Protokoll der jeweiligen Sitzung erwähnt werden“ (Beweisantrag A 33).

In dem Antrag werden einige Protokolle beispielhaft genannt, in denen auf Sitzungsvorlagen verwiesen wird. In der 10. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 18. Juni 2002 wurde der Antrag behandelt. Mehrere Ausschußmitglieder äußerten aufgrund der Reichweite des Antrags erneut Bedenken. Bei der folgenden Abstimmung wurde der Antrag mit vier zu drei Stimmen „als unzulässig“ abgelehnt.

Aufgrund des Beweisbeschlusses B 26 des Untersuchungsausschusses vom 17. September 2002, die Herausgabe der Vorlagen die Gesellschafter- und Aufsichtsratssitzungen betreffend, übersandte die LEG mit Schreiben vom 30. Oktober 2002 die „bei uns vorliegenden und gesichteten Unterlagen zum ... Beweisbeschluss“.

II.

Die Antragsteller zu 1. und 2. haben am 03. September 2002 ein Organstreitverfahren eingeleitet mit dem Antrag, die Verwerfung des Beweisantrags A 33 durch den Antragsgegner als verfassungswidrig festzustellen. Die im Beschlußeingang weiter aufgeführten 20 Abgeordneten haben mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller vom 17. Dezember 2002 ihren Beitritt auf Seiten der Antragsteller erklärt und angekündigt, einen eigenen Sachantrag zu stellen. Sie machen geltend, als Antragsteller auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses komme ihnen ein eigenes Beweiserhebungsrecht gemäß Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) i.V.m. § 15 Abs. 2 Alt. 1 Untersuchungsausschußgesetz Brandenburg (UAG) zu, das verletzt sei. Als Fünftel der Mitglieder des Parlamentes (Art. 72 Abs. 1 Satz 1 LV) sicherten sie den Untersuchungsauftrag des Landtages ab und seien als „qualifizierte Minderheit“ des Landtages in dem Recht auf Untersuchung betroffen.

B.
I.

Antragsteller zu 1. sind, insoweit berichtigt das Gericht das Rubrum von Amts wegen, allein die beiden im Beschlußeingang genannten Abgeordneten, nicht (auch) ihre Stellvertreter. Verfahrensgegenstand ist die Frage einer Verletzung des Beweisantragsrechts durch Ablehnung des Beweisantrags A 33 dieser beiden Abgeordneten als eines Fünftels der Ausschußmitglieder (Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 LV). An dieser Antragstellung waren die stellvertretenden Mitglieder nicht beteiligt. Sie können deshalb durch die Ablehnung des Antrags nicht verletzt sein.

II.

Der Beitritt ist unzulässig. Die in dem Organstreitverfahren zu treffende Entscheidung ist nicht auch, wie es aber § 37 Abs. 1 Verfassungsgericht Brandenburg - VerfGGBbg - für einen Beitritt voraussetzt, für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der hier ihren Beitritt betreibenden 20 Abgeordneten von Bedeutung. Das gilt für sie sowohl in ihrer Eigenschaft als Einzelabgeordnete als auch als Gruppe:

1. Dem einzelnen Abgeordneten, der nicht Mitglied im Untersuchungsausschuß ist, steht ein eigenes Beweisantragsrecht im Untersuchungsausschuß nicht zu. Soweit unter den ihren Beitritt betreibenden Abgeordneten auch stellvertretende Mitglieder des Untersuchungsausschusses sind, gilt für sie in ihrer Eigenschaft als „einfache“ Parlamentsmitglieder nach Lage des Falles nichts anderes. Der im Organstreitverfahren zur Überprüfung stehende Beweisantrag A 33 war ein solcher der qualifizierten Minderheit im Untersuchungsausschuß (Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 LV und § 15 Abs. 2 Alt. 2 UAG: ein Fünftel der Mitglieder des Ausschusses). Damit geht es in dem zugrundeliegenden Organstreitverfahren allein um das Beweisantrags- und erhebungsrecht der qualifizierten Ausschußminderheit und eben nicht um die Zuständigkeit des Einzelabgeordneten als Mitglied im Untersuchungsausschuß. Auch daß die stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses - theoretisch - einmal eine qualifizierte Ausschußminderheit bilden könnten, reicht nicht aus. § 37 Abs. 1 VerfGGBbg eröffnet den Beitritt nur bei Bedeutsamkeit der Entscheidung für aktuell bestehende Zuständigkeiten und nicht schon für nur denkbare Konstellationen. Abgesehen von alledem ist aber die im Organstreitverfahren zur Überprüfung stehende Verwerfung des Beweisantrags A 33 auch gar keine Frage der „Zuständigkeit“ - hier: der den Beweisantrag stellenden Abgeordneten - im Sinne von § 37 Abs. 1 VerfGGBbg. Zuständigkeit in diesem Sinne ist kompetentiell zu verstehen (vgl. zu der § 37 Abs. 1 VerfGGBbg entsprechenden Norm des § 65 BVerfGG: Umbach in Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Rn. 10 zu § 65). Der Beweisantrag ist hier jedoch nicht abgelehnt worden, weil die Antragsteller zu 1. nicht zuständig seien, sondern ausschließlich deswegen, weil der Antrag von der Ausschußmehrheit - wegen Unbestimmtheit - als unzulässig angesehen worden ist. In dem Organstreitverfahren wird allein darüber zu entscheiden sein, ob der Beweisantrag mit dieser Begründung abgelehnt werden durfte. Eine Zuständigkeitsfrage stellt sich nicht.

2. Die in dem zugrundeliegenden Organstreitverfahren zu treffende Entscheidung ist für die ihren Beitritt betreibenden Abgeordneten auch nicht in ihrer Gesamtheit - „als Gruppe“ - aus Gründen ihrer „Zuständigkeiten“ von Bedeutung. Freilich umfassen sie (mehr als) ein Fünftel der Mitglieder des Landtags und bilden insofern eine „qualifizierte Minderheit“, wie sie zufolge Art. 72 Abs. 1 Satz 1 LV einen Untersuchungsausschuß erzwingen kann. Über die sich gegebenenfalls daraus ergebenden „Zuständigkeiten“ wird sich jedoch die in dem Organstreitverfahren zu treffende Entscheidung nicht verhalten. Sie wird sich, wie ausgeführt, allein mit der Frage befassen, ob der Beweisantrag der beiden Antragsteller zu 1. als unzulässig abgelehnt werden durfte.
 

Dr. Macke Prof. Dr. Harms-Ziegler
   
Havemann Dr. Jegutidse
   
Dr. Knippel Prof. Dr. Schröder
   
Prof. Dr. Will