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VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2003 - VfGBbg 113/02 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 1
Schlagworte: - Strafprozeßrecht
- Beschwerdebefugnis
- Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts
- Prüfungsmaßstab
- rechtliches Gehör
- Willkür
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Juni 2003 - VfGBbg 113/02 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 113/02



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

H.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwalt J.,

gegen die Beschlüsse des Landgerichts Potsdam vom 07. November 2002 sowie vom 03. April 2003

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel, Prof. Dr. Schröder und Prof. Dr. Will

am 19. Juni 2003

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

G r ü n d e :

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts Potsdam vom 07. November 2002 und 03. April 2003, durch die der Sache nach eine Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Amtsgericht Bad Liebenwerda zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 33 € aufrechterhalten wurde.

I.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts in seinem Urteil vom 30. September 2002 forderte der Beschwerdeführer einen Außendienstmitarbeiter des Ordnungsamtes, den Zeugen Schulze, durch wiederholtes, lautstarkes und energisches Insistieren zur Rücknahme eines zuvor verhängten Verwarnungsgeldes wegen verkehrswidrigen Parkens auf. Da er sich vom Beschwerdeführer bedroht fühlte, brach der Außendienstmitarbeiter die Parkraumkontrolltätigkeit ab und fuhr davon. Das Amtsgericht Bad Liebenwerda bewertete das Verhalten des Beschwerdeführers als versuchte Nötigung. Der Beschwerdeführer legte gegen das Urteil Berufung ein und rügte, daß sich das Amtsgericht zum einen auf widersprüchliche Zeugenaussagen gestützt habe, zum anderen der Frage des Rücktritts vom Versuch nicht weiter nachgegangen sei. Das Landgericht verwarf durch Beschluß vom 07. November 2002 die Berufung gemäß § 313 Abs. 1 und 2 Strafprozeßordnung (StPO) als unzulässig.

Mit der dienstlichen Stellungnahme im Rahmen der gegen den Beschluß erhobenen Verfassungsbeschwerde teilte der Vorsitzende der kleinen Strafkammer mit, daß die Berufungsbegründung zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung noch nicht vorgelegen habe. Auf den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 33a StPO wurde das Verfahren wieder aufgenommen, nachdem das Landgericht zuvor mit Schreiben vom 14. März 2003 rechtliche Zweifel an der Zulässigkeit des Verfahrens nach § 33a StPO geäußert hatte. Durch Beschluß des Landgerichts vom 03. April 2003 wurde die Berufung abermals gemäß § 313 StPO mit der Begründung verworfen, daß weder die Beweiswürdigung noch die rechtliche Würdigung oder die Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts zu beanstanden seien. Insbesondere sei die Würdigung der Aussage des Zeugen Schultze durch das Amtsgericht nicht zu beanstanden, weil die Aussage „im Kerngeschehen durchaus konstant“ gewesen sei und „eventuelle Widersprüche im Randgeschehen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Schultze nicht entscheidend beeinträchtigten“. Da der Versuch der Nötigung fehlgeschlagen sei, als der Zeuge Schulze in seinen PKW gestiegen sei, sei ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch nicht in Betracht gekommen.

II.

Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor Gericht (Art. 52 Abs. 3 Verfassung des Landes Brandenburg - LV -). Der Beschluß vom 07. November 2002 gehe in keiner Weise auf das Vorbringen in der Berufungsbegründung ein. Der Beschluß vom 03. April 2003 widerspreche den strafprozessualen Grundsätzen der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung; auch sei die Frage des Rücktritts vom Versuch nicht ordnungsgemäß geprüft worden. Insoweit sei der Beschluß zudem willkürlich. Das Schreiben des Landgerichts vom 14. März 2003 lasse erkennen, daß das Ergebnis des Beschlusses vom 07. November 2002 „gehalten werden sollte“.

III.

Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Eine Grundrechtsverletzung kommt von vornherein nicht näher in Betracht, so daß bereits die Beschwerdebefugnis zu verneinen ist (vgl. § 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg).

I.

Der Beschluß des Landgerichts vom 07. November 2002 ist durch die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 33a StPO in Verbindung mit der Entscheidung vom 03. April 2003 gegenstandslos geworden.

II.

Der Beschluß des Landgerichts vom 03. April 2003 läßt eine Verletzung des Beschwerdeführers in durch die Landesverfassung verbürgten Grundrechten nicht erkennen. Es ist nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichtes, die Entscheidungen der Fachgerichte nach Art eines Rechtsmittelgerichtes zu überprüfen und sich gleichsam an die Stelle des Fachgerichts zu setzen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 18. April 2002 – VfGBbg 7/02 - und Beschluß vom 17. September 1998 - VfGBbg 18/98 -, LVerfGE 9, 95, 101 f.). Prüfungsmaßstab vor dem Landesverfassungsgericht ist allein die Landesverfassung. Sie ist hier nicht verletzt. Ein Verstoß gegen Art. 52 Abs. 3 LV (Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht) liegt ersichtlich nicht vor. Das Landgericht hat sich mit den durch die Berufung aufgeworfenen Fragen durch Überprüfung der diesbezüglichen Erwägungen des Amtsgerichts hinreichend auseinandergesetzt. Die Beweiswürdigung ebenso wie die Beurteilung der rechtlichen Frage eines Rücktritts vom Versuch liegt in der Verantwortung des Fachgerichts und ist hier verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Da das Landgericht den Versuch bereits zu dem Zeitpunkt als fehlgeschlagen angesehen hat, in dem der Geschädigte in seinen PKW gestiegen ist, brauchte es sich mit den angeblichen Widersprüchen in der Aussage des Zeugen zu den Umständen seiner Abfahrt vom Parkplatz nicht auseinanderzusetzen.

Das Schreiben des Landgerichts vom 14. März 2003 gibt für eine Voreingenommenheit des Gerichts - die im übrigen durch ein Ablehnungsgesuch geltend zu machen gewesen wäre - nichts her; daß ein Gericht auf mögliche Bedenken hinweist, ist nicht zu beanstanden.

Auch eine Verletzung des Willkürverbotes ist nicht auszumachen. Willkürlich ist eine Entscheidung erst dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist und sich deshalb der Schluß aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, vgl. etwa Beschlüsse vom 17. September 1992 - VfGBbg 18/92 -, LVerfGE 9, 95, 100; vom 16. April 1998 - VfGBbg 1/98 -, LVerfGE 8, 82, 86 f. und vom 20. Januar 1997 - VfGBbg 45/96 -, NJ 1997, 307 m.w.N.; für die entsprechende Rechtslage nach Art. 3 Abs. 1 GG: BVerfGE 80, 48, 51). Die Entscheidung muß ganz und gar unverständlich erscheinen und das Recht in einer Weise falsch anwenden, die jeden Auslegungs- und Bewertungsspielraum überschreitet (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 20. Dezember 2001 - VfGBbg 50/01 -; Beschluß vom 14. August 1996 - VfGBbg 23/95 -, LVerfGE 5, 67, 72, m.w.N.). Das ist hier nicht ersichtlich. Man mag über die Bewertung des Verhaltens des Beschwerdeführers als versuchte Nötigung streiten können. Willkürlich ist die Entscheidung nicht.
 

Dr. Macke Prof. Dr. Harms-Ziegler
   
Havemann Dr. Jegutidse
   
Dr. Knippel Prof. Dr. Schröder
   
Prof. Dr. Will