VerfGBbg, Beschluss vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 15/17 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 47 Abs. 1 | |
Schlagworte: | - Verfassungsbeschwerde unzulässig - prozessuale Überholung - Beschluss über Gehörsrüge nicht selbständig angreifbar - Beschwerdefrist - offensichtlich unzulässiger Rechtsbehelf - Anhörungsrüge - keine Geltendmachung eines Gehörsverstoßes |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 15/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 15/17
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
N.,
Beschwerdeführer,
wegen | Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 27. Oktober 2016 (43 C 351/16), Beschlüsse des Landgerichts Cottbus vom 22. Februar 2017 und 16. Dezember 2016 (1 T 22/16) |
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 19. Mai 2017
durch die Verfassungsrichter Dielitz, Dr. Becker, Dresen, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind zivilgerichtliche Entscheidungen in der Folge eines gegenüber dem Beschwerdeführer ausgesprochenen Hausverbots für eine Kegelbahn.
A.
I.
Der Beschwerdeführer reichte unter dem 19. Oktober 2016 beim Amtsgericht Cottbus einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Amt D.-L., die Gemeinde N.-M. sowie den TSV 1903 G. K. - einen Sportverein - ein und begehrte zum einen deren Verpflichtung, ihm für den 29. Oktober 2016 den Zugang zur Kegelhalle in G. K. für die Teilnahme an einem Wettkampf zu gewährleisten, und zum anderen, ein auf den 19. März 2015 datierendes Schreiben des Amtes D.-L., mit dem ein vorläufiges Hausverbot für die Kegelbahn gegenüber dem Beschwerdeführer unter namentlicher Nennung ausgesprochen wurde, vom Aushang in der Halle zu entfernen sowie jede weitere öffentliche Verunglimpfung zu unterlassen.
Das Amtsgericht Cottbus lehnte mit Beschluss vom 27. Oktober 2016 (43 C 351/16) einen Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ab, da eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht gegeben sei. Es fehle bereits an jeglicher Glaubhaftmachung. Das Hausverbot sei bereits länger bekannt gewesen, so dass Gelegenheit bestanden hätte, sich dagegen zu wehren. Die Gemeinde und der Verein hätten selbst nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein Hausverbot ausgesprochen. Der Beschwerdeführer habe die einstweilige Verfügung nur unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Die vom Beschwerdeführer unter dem 7. November 2016 erhobene sofortige Beschwerde begründete er dahingehend, dass das Amtsgericht über seine Begehren nicht entschieden habe. Das Hausverbot sei nicht Gegenstand, sondern nur Hintergrund seines Antrags. Maßgeblich sei allein sein spezielles Interesse an der Ausübung des Kegelsports, in das die Antragsgegner im Sinne einer Nötigung eingriffen. Es gebe einen klaren Rechtsanspruch auf Teilnahme am fraglichen Wettkampf, der als Ausnahme zum Hausverbot geltend gemacht worden sei. Die Glaubhaftmachung sei ausreichend erfolgt. Beim öffentlichen Aushang des Hausverbots handele es sich um einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht mit strafbarem Charakter. Er könne die sofortige Entfernung des Schriftstücks verlangen, ohne zuvor ein langwieriges Klageverfahren führen zu müssen.
Das Landgericht Cottbus wies die Beschwerde mit Beschluss vom 16. Dezember 2016 (1 T 22/16) auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet zurück. Dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung fehle die Aussicht auf Erfolg. Hinsichtlich des Antrags auf Zugang zur Kegelbahn könnten die Antragsgegner schon aus zeitlichen Gründen im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr verpflichtet werden, eine Teilnahme an der Sportveranstaltung zu ermöglichen. Weiter sei es schon nicht feststellbar, dass es dem Amt und der Gemeinde faktisch oder rechtlich möglich sei, den Aushang in der Kegelhalle zu entfernen. Gegenüber dem Verein als Besitzer der Kegelhalle habe der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Entfernung. Durch den Aushang werde er weder verunglimpft oder in seinem Ansehen herabgesetzt noch in sonstiger Weise in seinen Rechten verletzt. Es werde lediglich die Erteilung eines Hausverbots mitgeteilt, ohne dass Gründe hierfür angeführt würden. Der Aushang enthalte keine tatsächlichen oder wertenden Äußerungen, die den Beschwerdeführer in einem negativen Licht erscheinen ließen. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Interessen des Beschwerdeführers durch die Angabe seiner Wohnanschrift neben seinem Namen im Aushang verletzt würden.
Mit Schreiben vom 6. Januar 2017 erhob der Beschwerdeführer beim Landgericht "Gehörsrüge bzw. Willkürrüge einschließlich Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung". Die Beschwerde sei in vollem Umfang als zulässig und begründet anzusehen. Ziel der Beschwerde zum ersten Antrag sei die Überprüfung der Entscheidung des Amtsgerichts auf rechtskonformes Handeln gewesen. Hierzu fehle jegliche Feststellung des Landgerichts. Der Zeitablauf dürfe nicht nachteilig berücksichtigt werden, da dieser der Fehlentscheidung des Amtsgerichts zuzurechnen sei. Sein Anspruch auf Teilnahme am Wettkampf sei begründet gewesen. Ein Hausverbot reiche für einen Wettkampfausschluss nicht aus. Zudem sei dieses nicht wirksam und ihm nicht bekanntgegeben worden. Die Antragsgegner seien daher verpflichtet gewesen, ihm freien Zutritt zum öffentlichen Gebäude zu gewährleisten. Er mache gegenüber den Antragsgegnern einen grundsätzlichen Unterlassungsanspruch für alle Wettkämpfe auf dieser Kegelbahn geltend. Die Beschwerdeentscheidung sei offensichtlich willkürlich. Sein Anspruch auf Entfernung des Aushangs sei begründet, da weder ein sachlicher Grund für ein Hausverbot bestehe noch eine wirksame Bekanntgabe erfolgt sei. Das Amt und die Gemeinde könnten die Entfernung ohne weiteres veranlassen. Der Verein sei zur Entfernung verpflichtet, da sich das Schreiben in seinem Aushang befinde, so dass eine missbräuchliche Nutzung des öffentlichen Gebäudes zur Preisgabe seiner persönlichen Daten an unbekannte Dritte erfolge.
Mit Beschluss vom 22. Februar 2017 (1 T 22/16) wies das Landgericht die Gehörsrüge als unbegründet zurück und verwarf die gegen die Kostenentscheidung gerichtete Beschwerde als unzulässig. Umstände, aus denen sich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs ergeben würde, seien nicht aufgezeigt worden. Vielmehr sei nur geltend gemacht worden, der Beschluss vom 16. Dezember 2016 sei inhaltlich falsch. Die Beschwerde gegen die Kostenentscheidung sei unzulässig, da mit der Beschwerde nur im ersten Rechtszug ergangene Entscheidungen angefochten werden könnten, die hier jedoch nicht gegeben sei.
II.
Mit der am 15. März 2017 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 2, Art. 10, Art. 11
Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 Satz 2, Art. 35 sowie Art. 52 Abs. 3 LV.
Er habe sich mit seiner einstweiligen Verfügung gegen die Verletzung von "Rechten im Sinne des BDSG" durch die Antragsgegner aufgrund der öffentlichen Bekanntgabe von persönlichen Daten im öffentlichen Raum einschließlich einer damit verbundenen negativen Darstellung seiner Person sowie der Verletzung des Rechts an der sportlichen Betätigung durch Verhinderung des Betretens von Sportanlagen zum Zweck der Teilnahme an Wettkämpfen gewandt. Die Nichtberücksichtigung dieser Rechtsverletzungen in den Beschlüssen des Landgerichts und des Amtsgerichts sei der Grund der Beschwerde. Das Landgericht habe mit der abschließenden Ablehnung von Prozesskostenhilfe den Zugang zum ordentlichen Gericht verhindert. Er sehe hier ein willkürliches Handeln. Da es um die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts gehe, könne nur die Beurteilung des materiellen Anspruchs in der Sache zum Zeitpunkt des Verfügungsantrages nicht der Entscheidung des Landgerichts maßgeblich sein. Es gehe um die Selbstbestimmung über Daten, die als Persönlichkeitsrecht durch das Bundesverfassungsgericht benannt worden sei und der Zustimmung des Betroffenen oder einer gesetzlichen Grundlage bedürfe. Zu den zu schützenden Daten gehöre auch die Wohnanschrift. Sein Recht auf Datenschutz stehe über den möglichen Rechten der Antragsgegner aus Besitz bzw. Eigentum, die auf andere Weise wahrgenommen werden könnten. Die Antragsgegner seien grundsätzlich nicht berechtigt gewesen, ihn am Betreten der Sportanlage zu hindern oder gar an Wettkämpfen teilzunehmen. Die öffentliche Darstellung des Hausverbots sei von Anfang an unzulässig gewesen, da es sich aufgrund fehlender Bekanntgabe an ihn um einen unwirksamen Verwaltungsakt handele.
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu verwerfen.
Das Gericht geht angesichts des Beschwerdevorbringens und der eingereichten Unterlagen davon aus, dass Gegenstand der Verfassungsbeschwerde neben den beiden Beschlüssen des Landgerichts Cottbus vom 16. Dezember 2016 und 22. Februar 2017 allein der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 27. Oktober 2016 über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ist und die Nennung der Beschlüsse des Amtsgerichts Cottbus vom 18. März 2016 eingangs der Beschwerdeschrift lediglich auf einem Redaktionsversehen beruht.
1. In Bezug auf den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 27. Oktober 2016 ist die Verfassungsbeschwerde schon wegen prozessualer Überholung unzulässig, denn der Beschluss ist durch die nachfolgende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Cottbus vom 16. Dezember 2016 bestätigt worden (vgl. Beschlüsse vom 16. Dezember 2016 - VfGBbg 33/16 - und 14. Oktober 2016 - VfGBbg 82/15 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - 2 BvR 388/13 -, juris Rn. 16; BVerfG NJW 2011, 2497, 2498; BVerfGK 10, 134, 138).
2. Soweit mit der Verfassungsbeschwerde der Beschluss des Landgerichts vom 22. Februar 2017 über die Zurückweisung der Gehörsrüge angegriffen wird, ist die Beschwerde wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, dass Anhörungsrügen zurückweisende gerichtliche Entscheidungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können, weil sie keine eigenständige Beschwer schaffen. Sie lassen allenfalls mit der Ausgangsentscheidung bereits eingetretene Verletzungen des rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer - zusätzlichen - verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht nicht (vgl. Beschlüsse vom 9. September 2016 - VfGBbg 24/16 -, vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 39/15 -, vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 23/14 - und vom 15. Juli 2011 - VfGBbg 10/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
3. Im Hinblick auf den Beschluss des Landgerichts vom 16. Dezember 2016 ist die am 15. März 2017 eingegangene Verfassungsbeschwerde infolge der Versäumung der Frist des § 47 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg unzulässig.
Nach dieser Bestimmung ist die Verfassungsbeschwerde binnen zweier Monate zu erheben, wobei die Frist mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung bzw. deren Verkündung oder sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer beginnt. Die Beschwerdefrist richtet sich nach der den Rechtsweg nach § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg abschließenden fachgerichtlichen Entscheidung im Instanzenzug, sofern nicht diese letzte Entscheidung auf einem offensichtlich unzulässigen oder aussichtslosen Rechtsbehelf beruht (vgl. Beschlüsse vom 9. September 2016 - VfGBbg 24/16 -, vom 16. Januar 2015 - VfGBbg 29/14 - und vom 17. Februar 2012 - VfGBbg 65/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Zum Rechtsweg in diesem Sinne gehört auch die Anhörungsrüge, wenn - wie hier - Gegenstand der Verfassungsbeschwerde (auch) die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV ist (vgl. Beschlüsse vom 20. November 2015 - VfGBbg 71/15 -, vom 19. September 2014 - VfGBbg 18/14 - und vom 29. August 2014 - VfGBbg 1/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Vorliegend kann für die Berechnung der Verfassungsbeschwerdefrist nicht auf den Beschluss des Landgerichts vom 22. Februar 2017 über die Gehörsrüge des Beschwerdeführers abgestellt werden. Denn die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers vom 6. Januar 2017 war nicht geeignet, die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde offen zu halten. Sie gehörte nicht zum Rechtsweg. Sie war von vornherein aussichtslos, da der Beschwerdeführer in der Sache keine Gehörsrüge erhoben hat. Er hat sich vielmehr lediglich im Gewand der Gehörsrüge gegen die vom Landgericht vertretene Rechtsauffassung zu den Erfolgsaussichten seines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gewandt. Die Anhörungsrüge ist aber allein gegen Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör eröffnet. Sie dient nicht dazu, das Gericht unabhängig vom Vorliegen eines Gehörsverstoßes zur Überprüfung einer dem Rechtsbehelfsführer ungünstigen Rechtsauffassung zu veranlassen (vgl. Beschlüsse vom 9. September 2016 - VfGBbg 24/16 -, vom 19. Februar 2016 - VfGBbg 87/15 -, vom 20. Februar 2015 - VfGBbg 59/14 - und vom 16. Januar 2015 - VfGBbg 29/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 11. September 2015 - 2 BvR 1586/15 -, juris Rn. 4; BVerfGK 7, 115, 116; 13, 480, 481 f; 20, 300, 303 f;).
Dieser Bewertung steht der Umstand nicht entgegen, dass das Landgericht die Gehörsrüge mit dem Beschluss vom 22. Februar 2017 als unbegründet zurückgewiesen hat. Denn die Frage der Fristwahrung und damit zusammenhängend der ordnungsgemäßen Rechtswegerschöpfung betrifft die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, deren Voraussetzungen das Verfassungsgericht selbst zu prüfen und über die es allein zu entscheiden hat. Die Prüfung, ob eine Anhörungsrüge wegen offensichtlicher Unzulässigkeit die Verfassungsbeschwerdefrist nicht offenhalten konnte, nimmt das Verfassungsgericht somit ohne Bindung an die Entscheidung des Fachgerichts vor (vgl. Beschluss vom 16. August 2013 - VfGBbg 24/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG NJW 2014, 991, 992; BVerfGK 11, 203, 205 f).
II.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Dielitz | Dr. Becker |
Dresen | Dr. Lammer |
Partikel | Schmidt |