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VerfGBbg, Beschluss vom 19. Mai 1994 - VfGBbg 6/93 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 47 Abs. 2; LV, Art. 52 Abs. 4; LV, Art. 12 Abs. 1; LV, Art. 41 Abs. 1
- VerfGGBbg, § 47 Abs. 1
Schlagworte: - Beschwerdefrist
- Fristversäumung
- Wiedereinsetzung
- Gleichheitsgrundsatz
- Prüfungsmaßstab
- Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts
- faires Verfahren
- zügiges Verfahren
- Eigentum
amtlicher Leitsatz: 1. Einem Beschwerdeführer, der mit der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde bis zur erstmaligen Berufung der Richter des Verfassungsgerichts zugewartet hat, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 47 Abs. 1 VerfGGBbg gewährt werden.

2. Art. 47 Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg beinhaltet eine grundrechtliche Gewährleistung. Zum Anwendungsbereich dieser Verfassungsbestimmung bei bundesrechtskonformer Auslegung.
Fundstellen: - NJ 1994, 414
- LKV 1994, 443
- LVerfGE 2, 105
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Mai 1994 - VfGBbg 6/93 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 6/93 EA



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Eheleute

1. Ge. H.,

2. Gu. H.,

Beschwerdeführer,

betreffend Urteile des Bezirksgerichtes Potsdam vom5. Juli 1993

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Dr. Knippel, Prof. Dr. Schöneburg, Prof. Dr. Schröder und Weisberg-Schwarz

am 19. Mai 1994

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen zwei Berufungsurteile des vormaligen Bezirksgerichtes Potsdam.

I.

Das Gericht verurteilte die Beschwerdeführer zum einen in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung, ihre Wohnung an deren Eigentümer geräumt herauszugeben. Zum anderen bestätigte das Bezirksgericht ein Urteil des Vorgerichtes, wonach die Beschwerdeführer keinen Anspruch u.a. auf Nutzung einer Kellerwohnung und eines Pavillons auf demselben Grundstück haben.

Ursprünglich waren der Beschwerdeführer zu 1. und Dr. H. als Erbengemeinschaft Eigentümer des Grundstückes.

Auf Antrag des Dr. H. wurde das Grundstück zum Zwecke der Auseinandersetzung am 23. März 1989 durch das Kreisgericht Königs Wusterhausen an diesen verkauft. Dr. H. und seine Ehefrau wurden danach als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Sämtliche Rechtsmittel des Beschwerdeführers zu 1., der selbst mitgeboten hatte, blieben bisher ohne Erfolg.

Im Zuge des Eigentümerwechsels erhielten die Beschwerdeführer durch den Rat des Kreises Königs Wusterhausen eine Zuweisung für ihre Wohnung, die sie aufgrund der Eigentümerstellung des Beschwerdeführers zu 1. bewohnt hatten.

Mit Urteil vom 18. Januar 1990 wies das Kreisgericht Königs Wusterhausen eine Klage der Beschwerdeführer gegen die Eheleute H. auf Gestattung der Nutzung u.a. einer Kellerwohnung und eines Pavillons auf dem Grundstück sowie auf Feststellung eines den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Mietpreises durch die zuständige staatliche Stelle ab.

Die dagegen am 9. Februar 1990 eingelegte Berufung wies das Bezirksgericht Potsdam mit Urteil vom 5. Juli 1993, den Beschwerdeführern am 17. August 1993 zugestellt, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das Bezirksgericht aus, die Beschwerdeführer hätten ihr Nutzungsrecht an den streitgegenständlichen Räumlichkeiten und Flächen durch den Eigentümerwechsel an dem Grundstück verloren. Neue Vereinbarungen seien zwischen den Parteien insoweit nicht getroffen worden.

Das Kreisgericht Königs Wusterhausen wies mit einem weiteren Urteil vom 3. April 1992 eine Räumungsklage der Eheleute H. gegen die Beschwerdeführer ab und stellte fest, daß zwischen den Parteien über die von den Beschwerdeführern bewohnte Wohnung konkludent ein Mietvertrag geschlossen worden sei.

Das Bezirksgericht Potsdam änderte diese Entscheidung auf die Berufung der Eheleute H. hin mit Urteil vom 5. Juli 1993, den Beschwerdeführern zugestellt am 12. August 1993, ab und verurteilte die Beschwerdeführer zur Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung. Zur Begründung führte das Gericht aus, das Zustandekommen eines Mietvertrages durch schlüssiges Verhalten könne nicht angenommen werden, da die Parteien über die Höhe des Mietzinses nicht einig gewesen seien. Dem Herausgabeanspruch stehe auch das durch den Beschwerdeführer zu 1. angestrengte Verfahren beim Amt für offene Vermögensfragen nicht entgegen, mit dem der Beschwerdeführer zu 1. die Rechtmäßigkeit des Verkaufsbeschlusses des Kreisgerichtes Königs Wusterhausen vom 23. März 1989 überprüfen lassen wolle.

Das Bezirksgericht hat die Berufungsverfahren ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17. September 1992 im Einverständnis mit den Parteien gemeinsam verhandelt. Im Verlaufe des Termins wurde einem Selbstablehnungsgesuch der Richterin W. stattgegeben.

II.

Mit ihren Verfassungsbeschwerden vom 3. November 1993, bei Gericht eingegangen am 8. November 1993, rügen die Beschwerdeführer die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 6 Abs. 1 bis 3 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) und aus Art. 34 Grundgesetz (GG) durch das Urteil 6 S 23/92 sowie aus Art. 12 Abs. 1, Art. 47 Abs. 1, 2, Art. 52 Abs. 4 LV und Art. 97 GG durch das Urteil 6 S 34/92. Sie machen geltend:

Sie hätten ihre Verfassungsbeschwerden nicht früher einlegen können, da der Geschäftsbetrieb des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg nach telefonischer Auskunft des Justizministeriums des Landes Brandenburg erst am 28. Oktober 1993 aufgenommen worden sei. Selbst die Anschrift des Verfassungsgerichtes sei ihnen erst kurz vorher über das Justizministerium bekannt geworden. In der Sache selbst meinen sie, das Bezirksgericht Potsdam habe in den angegriffenen Urteilen "vorsätzlich und parteiisch" den Standpunkt der jetzigen Grundstückseigentümer vertreten. Der in Art. 47 LV verankerte Mieterschutz sei nur am Rande erwähnt, aber nicht wirklich berücksichtigt worden. Im übrigen sei das Verfahren mit einer Dauer von fast dreieinhalb Jahren durch das Berufungsgericht unzulässig lange verschleppt worden. Darüber hinaus sei in dieser Sache in der mündlichen Verhandlung vom

5. Juli 1993 nicht vollständig verhandelt worden. Das Urteil habe bereits vorher festgestanden. Das Räumungsurteil bedeute für sie einen erheblichen finanziellen Schaden.

Mit Schriftsatz vom 26. April 1994 haben die Beschwerdeführer den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, bis zur Entscheidung über ihre Verfassungsbeschwerden weiter in der bisherigen Wohnung wohnen zu können.

III.

1. Für das frühere Bezirksgericht und jetzige Landgericht Potsdam hat sich dessen Vizepräsident geäußert:

Die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Die Beschwerdeführer hätten die Zwei-Monats-Frist des § 47 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) nicht eingehalten. Zum anderen fehle es an der gem. § 45 Abs. 2 VerfGGBbg notwendigen Rechtswegerschöpfung, soweit mit der Verfassungsbeschwerde eine Untätigkeit des Bezirksgerichtes gerügt werde. Die Beschwerdeführer könnten insoweit einen Amtshaftungsanspruch vor den Fachgerichten einklagen. Die Verfassungsbeschwerde sei auch unbegründet. Für die Prozeßdauer sei das Verhalten der Prozeßparteien mitursächlich. Hinzu komme die hohe Arbeitsbelastung des Gerichtes. Für ein parteiisches Verhalten des Gerichtes gebe es nach den Verfahrensakten keinen Anhaltspunkt. Die Beschwerdeführer hätten zudem von der Möglichkeit, eine Befangenheit des Gerichtes zu rügen, keinen Gebrauch gemacht. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung sei nicht zu erkennen.

2. Die Prozeßgegner der Beschwerdeführer in den Ausgangsverfahren, die Eheleute H., haben sich ebenfalls geäußert. Sie treten der Verfassungsbeschwerde entgegen.

B.

Die Verfassungsbeschwerden, die das Gericht zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat, sind zulässig. Sie sind nicht verfristet (I.). Der Rechtsweg ist erschöpft (II.).

I.

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden steht die Frist des § 47 Abs. 1 VerfGGBbg nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil innerhalb von zwei Monaten nach dessen Zustellung zu erheben. Allerdings sind die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer erst am 8. November 1993, also mehr als zwei Monate nach der Zustellung der angegriffenen Urteile am 12. und 17. August 1993, eingegangen. Das Gericht gewährt jedoch insoweit - auf den aus dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführer zu entnehmenden Antrag - Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem. § 47 Abs. 2 VerfGGBbg. Hiernach kann das Gericht Wiedereinsetzung gewähren, wenn ein Beschwerdeführer ohne sein Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Ein entsprechender Antrag muß innerhalb von 14 Tagen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden.

Da ein Teil der Mitglieder des Verfassungsgerichtes erst Ende Oktober 1993 vereidigt worden ist und sich das Verfassungsgericht anschließend noch zu konstituieren hatte, mußte beim Bürger, auch angesichts des Medienechos, der Eindruck entstehen, daß das Verfassungsgericht erst ab November 1993 seine Tätigkeit aufnehme. Zudem waren zu diesem Zeitpunkt weder Sitz noch Adresse des Verfassungsgerichtes öffentlich bekannt oder im Telefonbuch verzeichnet. Unter diesen Umständen haben die Beschwerdeführer aus ihrer Sicht alles Sachdienliche getan, um ihre Verfassungsbeschwerden zeitgerecht erheben zu können. So haben sie nach ihrem Vortrag telefonisch beim Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg in Erfahrung gebracht, daß der Geschäftsbetrieb des Verfassungsgerichtes am 28. Oktober 1993 aufgenommen worden sei. Das Gericht behandelt hiernach die Verfassungsbeschwerde als fristgerecht eingelegt.

II.

Der Rechtsweg ist nach Maßgabe des § 45 Abs. 2 VerfGGBbg erschöpft. Die Zivilprozeßordnung sieht keine weiteren Rechtsmittel gegen ein Berufungsurteil eines Landgerichtes vor. Ein Amtshaftungsprozeß gehört nicht zum Rechtsweg im Sinne des § 45 Abs. 2 VerfGGBbg. Bei einem Amtshaftungsanspruch handelt es sich um einen Sekundäranspruch; ein Prozeß, in dem ein solcher Anspruch verfolgt wird, hat einen anderen Streitgegenstand als der anspruchsbegründende Ausgangsprozeß (vgl. BVerfGE 20, 162 (173).

C.

Die Verfassungsbeschwerden sind indes unbegründet. Insbesondere sind die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten auf Gleichbehandlung gem. Art. 12 Abs. 1 LV (I.), auf Eigentum gem. Art. 41 Abs. 1 LV (II.), auf Schutz bei Räumung gem. Art. 47 LV (III.) oder in ihren prozessualen Grundrechten gem. Art. 52 LV (IV.) verletzt. Ebenso geht die Rüge der Beschwerdeführer fehl, in ihren Rechten aus Art. 6 LV verletzt zu sein (V.).

Soweit die Beschwerdeführer Bestimmungen des Grundgesetzes als verletzt rügen, ist dem Gericht eine Überprüfung verwehrt.

I.

Die angegriffenen Urteile behandeln die Beschwerdeführer nicht willkürlich ungleich und verletzen sie daher nicht in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung gem. Art. 12 Abs. 1 LV.

Grundsätzlich unterliegt die Nachprüfung eines Gerichtsurteils durch das Verfassungsgericht engen Grenzen. Es ist nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichtes, ein Urteil auf die zutreffende Anwendung des einfachen Rechts hin zu überprüfen (vgl. BVerfGE 1, 82 (85)). Zu prüfen ist allein, ob im Rahmen der Rechtsanwendung Grundrechte nicht oder nicht hinreichend beachtet worden sind und der Beschwerdeführer dadurch im Sinne des Art. 6 Abs. 2 LV in einem in der Verfassung gewährleisteten Grundrecht verletzt worden ist .

Weder die Entscheidungsgründe noch die Gerichtsakten enthalten jedoch einen Anhaltspunkt dafür, daß die Beschwerdeführer willkürlich ungleich behandelt worden sind. Eine willkürliche Ungleichbehandlung durch ein Gerichtsurteil liegt vor, wenn die Rechtsanwendung durch das Gericht in verfahrensmäßiger oder materiellrechtlicher Hinsicht bei verständiger Würdigung nicht nachzuvollziehen ist und es daher nahe liegt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 42, 64 (74)). Das ist hier nicht erkennbar. Das Bezirksgericht hat sich ausweislich der Entscheidungsgründe der beiden angegriffenen Urteile, denen ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde liegt, mit allen einschlägigen Aspekten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auseinandergesetzt. Für sachfremde Erwägungen ergibt sich kein Anhaltspunkt.

II.

Desgleichen sind die Beschwerdeführer nicht in ihrem Eigentumsrecht gem. Art. 41 Abs. 1 LV verletzt.

Zwar ist das Besitzrecht eines Mieters an dem gemieteten Wohnraum grundsätzlich eine durch Art. 41 Abs. 1 LV geschützte Rechtsposition (vgl. BVerfG, NJW 1993, 2035 ff.). Voraussetzung ist jedoch, daß ein mietrechtliches Besitzrecht besteht. Daran fehlt es nach dem angegriffenen Urteil des Bezirksgerichtes Potsdam, welches insoweit der Überprüfung durch das Verfassungsgericht entzogen ist.

III.

Die Beschwerdeführer sind auch nicht in ihrem Recht aus Art. 47 Abs. 2 LV verletzt.

Nach dieser Vorschrift darf die Räumung einer Wohnung nur vollzogen werden, wenn Ersatzwohnraum zur Verfügung steht. Dabei handelt es sich um eine grundrechtliche Gewährleistung. Aus Art. 47 Abs. 2 Satz 2 LV ergibt sich, daß bei einer entsprechenden Abwägung die Bedeutung der Wohnung für ein menschenwürdiges Leben besonders zu berücksichtigen ist. Ein menschenwürdiges Leben aber ist Ausfluß der Menschenwürde, dem obersten Wert der Verfassung (vgl. BverfGE 54, 341 (357)) und mit dieser dem Grundrechtsbereich zuzuordnen. Dementsprechend ist in den parlamentarischen Beratungen zum Entwurf der Landesverfassung mehrheitlich deutlich geworden, daß es sich bei Art. 47 Abs. 2 LV um eine individuelle grundrechtliche Gewährleistung handeln sollte (vgl. etwa Abg. Bisky, während der 3. Lesung des Verfassungsentwurfes, Dokumentation zur Verfassung des Landes Brandenburg, Band 3, S. 348).

Unbeschadet dessen berührt ein Räumungsurteil als solches noch nicht den Schutzbereich des Art. 47 Abs. 2 LV. Schon nach seinem Wortlaut greift Art. 47 Abs. 2 LV erst beim Vollzug der Räumung ein, nicht schon beim Erlaß eines Räumungstitels. In den Beratungen des Verfassungsentwurfs ist die Vorschrift unabhängig von den unterschiedlichen Formulierungsvorschlägen allseits und insoweit übereinstimmend dem Vollzugsbereich zugeordnet worden (vgl. beispielsweise 1., 4. und 19. Sitzung des Verfassungsausschusses am 26. März 1991, 12. April 1991 und 26. November 1991, a.a.0., Band 2, S. 430, 481, 769). Bei bundesrechtskonformer Auslegung wirkt sie sich im Bereich der Zwangsvollstreckung aus, wenn und soweit die bundesrechtlichen Regelungen hierfür Spielraum lassen (vgl. Franke/Kneifel-Haverkamp in: Brandenburgisches OLG, Festgabe zur Eröffnung S. 97, (118)). Im übrigen sichert Art. 47 Abs. 2 LV landesverfassungsrechtlich ab, daß im Falle der Zwangsräumung von Wohnraum behördlicherseits für eine den Umständen nach angemessene anderweitige Unterbringung Sorge getragen werden muß, und gibt hierauf einen grundrechtlichen Anspruch. Die Bestimmung greift damit auf, was sich bereits aus Art. 1 in Verbindung mit Art. 20 des Grundgesetzes (Menschenwürde, Sozialstaatsprinzip) ergibt. Der Bereich der Vollstreckung steht hier jedoch nicht in Frage. Eine Zwangsräumung ist, soweit ersichtlich, nicht eingeleitet.

Die Beschwerdeführer können sich auch nicht auf Art. 47 Abs. 1 LV berufen. Diese Vorschrift ist kein Grundrecht im Sinne von Art. 6 Abs. 2 LV. Nach Art. 47 Abs. 1 LV ist das Land verpflichtet, im Rahmen seiner Kräfte für die Verwirklichung des Rechts auf angemessene Wohnung zu sorgen. Bereits der Wortlaut läßt erkennen, daß Art. 47 Abs. 1 LV lediglich das Land Brandenburg verpflichtet, nicht aber den einzelnen Bürger berechtigt. Diese Intention ist auch in den Beratungen des Verfassungsentwurfes deutlich geworden (so Abg. Pracht, 1. Lesung des Verfassungsentwurfes, a.a.0., 3. Band, S. 97; derselbe während der 2. Lesung, a.a.0., Band 3, S. 208; ein Antrag der PDS-LL, Art. 47 Abs. 1 LV als individuelles Recht auszugestalten, wurde im Verfassungsausschuß am 18. März 1992 abgelehnt, vgl. dazu Ausschußprotokoll der 3. Sitzung, a.a.0., Band 3, S. 564).

IV.

Auch Art. 52 Abs. 4 LV ist nicht verletzt.

Diese Vorschrift, die ebenfalls Grundrechtscharakter hat, gewährleistet das Recht auf ein faires und zügiges Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.

Weder aus dem Vortrag der Beschwerdeführer noch aus den Prozeßakten noch aus den Gründen der angegriffenen Urteile ergibt sich auch nur der geringste Anhaltspunkt dafür, daß das Bezirksgericht parteiisch verhandelt und entschieden hat. Eine Richterin des erkennenden Spruchkörpers hat sogar ihrerseits ein Selbstablehnungsgesuch gestellt, dem stattgegeben wurde. Eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör gem. Art. 52 Abs. 3 LV ist gleichfalls nicht ersichtlich. Soweit die Beschwerdeführer vortragen, in dem Verfahren 6 S 23/92 sei nicht vollständig verhandelt worden, wird dies durch das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5.Juli 1993 widerlegt. Hiernach ist die Sache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend erörtert worden.

Auch aus der ca. dreieinhalbjährigen Verfahrensdauer ergibt sich keine Grundrechtsverletzung. Freilich verlangt der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, wie ihn Art. 52 Abs. 4 LV formuliert, daß ein rechtssuchender Bürger in einem überschaubaren Zeitrahmen ein Urteil erhält. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß die hier in Rede stehenden Verfahren in den Zeitraum der deutschen Einigung und damit in den Auf- und Umbau der Justiz in dem neu gegründeten Bundesland Brandenburg fallen. Angesichts dieser Situation und der Arbeitsbelastung der befaßten Gerichte kann hier die Verfahrensdauer nicht als verfassungswidrig angesehen werden. Dies gilt umso mehr, als die Parteien ihrerseits - durch Nichterscheinen im Termin und einen Fristverlängerungsantrag - zu der Verfahrensdauer beigetragen haben. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß die Länge des Verfahrens ein den Beschwerdeführern ungünstiges Prozeßergebnis hinausgezögert, ihnen also letzten Endes eher genutzt als geschadet hat.

V.

Soweit sich die Beschwerdeführer auf ihre Rechte ausArt. 6 Abs. 2 und 3 LV berufen, bleibt auch dies ohne Erfolg. Art. 6 Abs. 3 LV selbst kann als Schadensersatzanspruch nicht Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein. Gem. Art. 6 Abs. 2 LV kann in einem solchen Verfahren nur die Verletzung eines Grundrechtes gerügt werden. Eine Grundrechtsverletzung läßt sich indes, wie ausgeführt, nicht feststellen.

Mit diesem Beschluß erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführer auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.

Dr. Macke Dr. Dombert
Prof. Dr. Harms-Ziegler Dr. Knippel
Prof. Dr. Schöneburg Prof. Dr. Schröder
Weisberg-Schwarz