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VerfGBbg, Beschluss vom 19. Januar 2006 - VfGBbg 249/03 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1
Schlagworte: - kommunale Selbstverwaltung
- Gemeindegebietsreform
- Verhältnismäßigkeit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Januar 2006 - VfGBbg 249/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 249/03



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

Gemeinde Neuendorf im Sande,
vertreten durch das Amt Steinhöfel/Heinersdorf,
dieses vertreten durch den Amtsdirektor,
Demnitzer Straße 7,
15518 Steinhöfel,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S.,

wegen: kommunale Neugliederung;
hier: Eingliederung der Gemeinde Neuendorf im Sande (Amt Steinhöfel/Heinersdorf) in die amtsfreie Gemeinde Steinhöfel

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Will

am 19. Januar 2006

b e s c h l o s s e n :

Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird  zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem Amt Steinhöfel/Heinersdorf angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Auflösung und Eingliederung in die neu gebildete Gemeinde Steinhöfel.

I.

1. Die Beschwerdeführerin, eine Gemeinde im äußeren Entwicklungsraum des Landes Brandenburg, gehörte mit ursprünglich zehn weiteren Gemeinden dem im Landkreis Oder-Spree gelegenen und nach dem sogenannten Modell 1 gebildeten Amt Steinhöfel/Heinersdorf an. Sie war im Norden und Osten von den anderen amtsangehörigen Gemeinden umgeben. Im Süden grenzte sie an die zum Amt Odervorland gehörende Gemeinde Berkenbrück, im Westen an die amtsfreien Stadt Fürstenwalde/Spree. Der Flugplatz Fürstenwalde erstreckt sich auf Teile der Beschwerdeführerin. Aufgrund eines durch das Ministerium des Innern genehmigten Gebietsänderungsvertrages haben sich acht der elf amtsangehörigen Gemeinden mit Wirkung zum 31. Dezember 2001 zur neuen Gemeinde Steinhöfel zusammengeschlossen; das Amt bestand fortan aus den Gemeinden Steinhöfel, Demnitz, Buchholz und der Beschwerdeführerin. Bei einer Fläche von ca. 160 km² lebten am 31. Dezember 2001 im Amt ca. 4.740 Einwohner. Dies entsprach einer unterdurchschnittlichen Einwohnerdichte von 29 Einwohnern pro km² (Durchschnitt im äußeren Entwicklungsraum: 49 Einwohner pro km²). Ca. 3.680 der Einwohner lebten in Steinhöfel; die anderen drei amtsangehörigen Gemeinden einschließlich der Beschwerdeführerin zählten zwischen 258 und 390 Einwohner. Nach statistischen Erhebungen ist bis zum Jahr 2015 mit einem Rückgang der Bevölkerung auf ca. 4.470 Einwohner zu rechnen.

2.   Ende April/Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Oder-Spree versandt.

3. Im Zuge des Zusammenschlusses der acht amtsangehörigen Gemeinden wurden in allen Gemeinden des Amtes Bürgerentscheide durchgeführt. Die Mehrheit der Bürger in den Gemeinden Demnitz, Buchholz und in der Beschwerdeführerin sprach sich gegen einen Zusammenschluß mit den anderen amtsangehörigen Gemeinden zu einer amtsfreien Gemeinde Steinhöfel aus. Bedingt durch die Lage des Flugplatzes hatte die Stadt Fürstenwalde/Spree der Beschwerdeführerin eine Eingliederung angeboten, erklärte jedoch zugleich, eine Gemeindebildung im Amt Steinhöfel nicht behindern zu wollen.

4.  Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. Art. 1 § 24 des Entwurfs zum Sechsten Gemeindegebietsreformgesetz, zugleich Art. 1 § 24 des Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree, Spree-Neiße (6. GemGebRefGBbg) sah die Eingliederung der Beschwerdeführerin und der weiteren verbliebenen Gemeinden des Amtes Steinhöfel/Heinersdorf in die neu gebildete amtsfreie Gemeinde Steinhöfel vor. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. Zur Anhörung der Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 22. Januar 2003 wurde deren ehrenamtlicher Bürgermeister eingeladen. Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. Art. 1 § 24 des 6. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 96), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. Art. 6 des Artikelgesetzes), lautet:
 

§ 24
Verwaltungseinheit Amt Steinhöfel/Heinersdorf

(1) Die Gemeinden Buchholz, Demnitz und Neuendorf im Sande werden in die Gemeinde Steinhöfel eingegliedert.

(2) Das Amt Steinhöfel/Heinersdorf wird aufgelöst. Die Gemeinde Steinhöfel ist amtsfrei.

 

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 24. Oktober 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, der Gesetzgeber sei seiner Anhörungspflicht ungenügend nachgekommen. Im Hinblick auf die auszuwertenden Ergebnisse der Bevölkerungsanhörung und die im Gesetzentwurf erstmalig enthaltenen Leitbildbestimmungen sei die Stellungnahmefrist für die Beschwerdeführerin zu knapp bemessen gewesen. Der Gesetzgeber habe den Sachverhalt nicht vollständig und richtig ermittelt, insbesondere sei eine Ortsbesichtigung unterblieben. Bei der Beurteilung der Sachlage habe sich der Gesetzgeber nicht einfach darauf zurückziehen können, daß bei Unterschreitung der Einwohnerzahl von 5.000 amtsfreie Gemeinden zu schaffen seien. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Vortrag deutlich gemacht, daß sie von der Gemeinde Steinhöfel nicht infrastrukturell abhängig sei und eine Beziehung eher zu der amtsfreien Stadt Fürstenwalde herstellbar sei. Der Amtserhalt sei nicht als ernsthaft geprüfte Alternative in die Abwägung des Gesetzentwurfs eingeflossen. So sei lediglich behauptet, aber nicht tatsächlich nachgewiesen worden, daß wegen der Mindesteinwohnerzahl des Amtes bzw. der amtsangehörigen Gemeinden nur die Großgemeinde den Vorgaben des Reformgesetzgebers entspräche. Der Einwand der Beschwerdeführerin, daß der zwangsweise Zusammenschluß insbesondere im Hinblick auf das bürgerschaftliche Engagement mehr schade als nutze, sei konsequent nicht berücksichtigt worden.

Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:

Art. 1 § 24 Abs. 1 des Sechsten Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree und Spree-Neiße vom 24. März 2003 ist - soweit es die Beschwerdeführerin betrifft - mit Art. 97 Abs. 1 und Art. 98 der Verfassung des Landes Brandenburg unvereinbar und deshalb nichtig.

III.

Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Gemeinde Steinhöfel hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

 

B.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

I.

 Sie ist - insbesondere nachdem die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 30. August 2004 generell klargestellt hat, sich nur gegen ihre eigene Eingliederung in die neue Gemeinde Steinhöfel zu wenden - gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Die Beschwerdeführerin ist ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend. Ebenso wird die Beschwerdeführerin im kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren weiter durch das bisherige Amt vertreten.

II.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt.

1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit in einer Vielzahl von Verfahren kommunaler Verfassungsbeschwerden im wesentlichen gleichlautend vorgebrachten Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg (vgl. u.a. Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203, sowie vom 16. Juni 2005 - VfGBbg 48/03 -, und Beschlüsse vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 und 118/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de) Bezug genommen.

2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die neu gebildete Gemeinde Steinhöfel bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung.

a)  In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann.

Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u. a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; Bundesverfassungsgericht - BVerfG - , BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]).

Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u. a. Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N., vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –,[Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573, 574, und vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., sowie Beschlüsse vom 22. April 2004 – VfGBbg 182/03 –und vom 15. September 2005 - VfGBbg 113/03 -).

b)   In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Steinhöfel Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen:

aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt.

(1) Die örtlichen Verhältnisse und wesentlichen Strukturdaten der Beschwerdeführerin, der Nachbargemeinden wie auch des Amtes sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. sog. Neugliederungssachverhalt in LT-Drucksache 3/5021, S. 391 ff.). Insbesondere erfaßte der Gesetzgeber Einwohnerzahl und -dichte, die wirtschaftliche Lage, die Verkehrsverbindungen sowie bestehende soziokulturelle Verflechtungen der amtsangehörigen Gemeinden untereinander: Er hat berücksichtigt, daß alle Gemeinden des ehemaligen Amtes dem Nahbereich des Mittelzentrums Fürstenwalde/Spree zugeordnet sind; einen zentralen Ort im Sinne des Landesentwicklungsprogramms hatte das Amt nicht. Über eine Kreisstraße und durch Busverkehr sind die drei amtsangehörigen Gemeinden mit der Gemeinde Steinhöfel, dem Sitz der Amtsverwaltung, verbunden. Zwischen 4 und 6 km beträgt die Entfernung der Gemeinden dorthin. Da die dem ehemaligen Amt Steinhöfel/Heinersdorf angehörenden Gemeinden keine Schulen unterhalten, besuchen die dort lebenden schulpflichtigen Kinder die Schulen in Fürstenwalde/Spree bzw. in Heinersdorf und Briesen. Gesehen hat der Gesetzgeber auch, daß die Beschwerdeführerin über eine Kindertagesstätte und eine Einrichtung für betreutes Wohnen verfügt, die beide in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt stehen. Auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin ist ein mittelständisches Unternehmen angesiedelt. In den Gemeinden Demnitz und Buchholz ist die Landwirtschaft die Grundlage für den Erwerb. Daneben bestehen dort auch einige kleine Handwerksbetriebe. Ein großer Teil der Einwohner dieser drei Gemeinden des ehemaligen Amtes ist in der Stadt Fürstenwalde/Spree beschäftigt. In nicht zu beanstandender Weise hat der Gesetzgeber ebenfalls die Finanzsituation der Beschwerdeführerin ermittelt. Die Steuereinnahmen aller drei Gemeinden lagen unter dem Landesdurchschnitt, Investitionen waren stark zuweisungsabhängig. Die Beschwerdeführerin hatte keine Schulden. Zudem sah er, daß die vier Gemeinden des vormaligen Amtes nicht nur durch ihre gemeinsame Lage in der Kulturlandschaft Lebus miteinander verbunden sind, sondern auch durch die gemeindegrenzüberschreitende Landwirtschaft der früheren DDR. Die Gemeinde Demnitz ist Sitz des Pfarrsprengels Demnitz, zu dem die Kirchengemeinden Steinhöfel und Buchholz gehören.

(2) Diese Sachverhaltsermittlung begegnet keinen verfassungsrelevanten Bedenken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt hat. Wie verbunden die Gemeinden im Detail jetzt sind, ist bei der Prognoseentscheidung zur Gemeindegebietsneugliederung von untergeordneter Bedeutung. Ins Gewicht fällt vielmehr nur, ob er die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten wird und es möglich ist, daß die Neugliederung bei Zugrundelegung des behaupteten abweichenden Sachverhalts anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, EA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen sind weder von der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden noch sonst ersichtlich. Ihre Ausführungen zum Sachverhalt beinhalten zwar abweichenden Wertungen, jedoch keine Sachverhaltskorrekturen.

bb)  Dem Gesetzgeber stehen im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV Gründe des öffentlichen Wohls zur Seite. Nachvollziehbar beruft er sich darauf, daß die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die neu gebildete Gemeinde Steinhöfel die finanzielle Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin auf Dauer sichern soll. Zwar wäre die Erhaltung eines Amtes als örtliche Verwaltungseinheit im äußeren Entwicklungsraum bei Fehlen eines Zentralortes nach dem vom Gesetzgeber selbst gewählten Reformleitbild grundsätzlich möglich (vgl. Leitbild unter I. 2. a) bb) und b), LT-Drucksache 3/5021, S. 24 f., 394). Zugleich aber steht nach dem Leitbild die unter dem Richtwert von 5.000 für Ämter liegende Einwohnerzahl des bisherigen Amtes Steinhöfel/Heinersdorf (ca. 4.740) und die ebenso unter dem Richtwert von 500 liegende Einwohnerzahl für amtsangehörige Gemeinden einer Beibehaltung der Gemeinde- und der Amtsstrukturen entgegen (vgl. Leitbild unter I. 2. b) bb) Satz 1 und cc) des Leitbildes, LT-Drucksache 3/5021, S. 25, 43 f.).

(1) Daß die Stärkung der Verwaltungskraft sowie die Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen durch die Bildung von Einheitsgemeinden Gründe des öffentlichen Wohls sind, welche eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermögen, hat das Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zum Unterfall der Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) aber auch für den äußeren Entwicklungsbereich (zuletzt Beschluß vom 20. Oktober 2005 - VfGBbg 277/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573, 574). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 18. November 2004 - VfGBbg 167/03 -). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen.

(2)  Ein Neugliederungsbedarf ergab sich bereits aus der geringen Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin von nur 390 Einwohnern. Soweit der Gesetzgeber seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin die Mindesteinwohnerzahl von 500 Einwohnern unterschreitet (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 394 ff. und ebd. sein Leitbild unter 2. b) cc), S. 24), ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Die Landesverfassung steht der Einschätzung, daß sich aus einer geringen Einwohnerzahl der Gemeinde typisierend Rückschlüsse auf die (verminderte) Leistungsfähigkeit der Gemeinde ergeben, nicht entgegen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Der Gesetzgeber war nicht gehalten, die bisherige Leistungskraft der Beschwerdeführerin als alleiniges und zwingendes Indiz für ihre künftige Leistungsfähigkeit zu werten. Der Rückgriff auf die Einwohnerzahl als Indiz für die Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist auch bei amtsangehörigen Gemeinden unbeschadet dessen statthaft, daß eine amtsangehörige Gemeinde im Land Brandenburg nicht selber Träger der „eigentlichen“ Verwaltung ist. Die Gemeindevertretung bleibt nämlich ungeachtet der administrativen Umsetzung durch das Amt für alle Angelegenheiten der Gemeinde zuständig. Nicht das Amt, sondern die einzelne Gemeinde ist Träger der gemeindlichen Einrichtungen und für den Unterhalt dieser Einrichtungen zuständig. Solche Einrichtungen können im Regelfall sinnvoll nur von bestimmten gemeindlichen Mindestgrößen an betrieben werden (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 -, a.a.O., und Beschluß vom 18. November 2004 – VfGBbg 167/03 –, a.a.O., m.w.N.).

Der Gesetzgeber hat hierbei nicht unberücksichtigt gelassen, daß das Unterschreiten dieser Mindesteinwohnergrenze nicht zwingend zur Eingliederung in eine andere Gemeinde führt (vgl. Leitbild unter I. 2. b) cc)). Vielmehr hat er in diesem Zusammenhang geprüft, ob geographische, historische oder soziokulturelle Gesichtspunkte ein Abweichen von der Regelmindesteinwohnerzahl rechtfertigen. Seine Einschätzung, daß dies nicht der Fall sei (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 395), ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

Auch die Vorgabe einer Mindesteinwohnerzahl für das Amt als Verwaltungseinheit im Leitbild (I. 2. b) bb), LT-Drucksache 3/5021, a.a.O.) des Gesetzgebers ist ein dem öffentlichen Wohl dienendes Neugliederungsziel. Eine leistungsfähige Verwaltung setzt eine gewisse Einwohnerzahl voraus, die ein Mindestmaß an finanzieller Leistungskraft sicherstellt. Erst ab einer bestimmten Größe der Verwaltung ist es möglich, daß das hauptamtliche Personal spezialisierte Tätigkeitsbereiche erhält und die Behörde zeitgemäß ausgestattet wird. Dementsprechend sind auch in anderen Bundesländern bei Gemeindegebietsreformen je nach Bevölkerungsdichte und Siedlungsstruktur Mindestgrößen für die einzelne Verwaltungseinheit zugrunde gelegt worden. So wurde z.B. in Nordrhein-Westfalen für ländliche Orte eine Größe von 8.000, in Niedersachsen von 5.000, in Rheinland-Pfalz von 7.500 und in Schleswig-Holstein von 5.000 Einwohnern angestrebt (vgl. von Unruh/Thieme/Scheuner, Die Grundlagen der kommunalen Gebietsreform, 1981, S. 110). Auch in Bayern ist seinerzeit bei der Gemeindegebietsreform nicht nur der Richtwert von 5.000 Einwohnern pro Verwaltungseinheit (Einheitsgemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft), sondern auch ein Richtwert von 1.000 Einwohnern für die einzelne Mitgliedsgemeinde einer Verwaltungsgemeinschaft zugrunde gelegt worden. Derartige Vorgaben sind verfassungsgerichtlich jeweils unbeanstandet geblieben (siehe etwa VerfGH Sachsen, Urteil vom 18. November 1999 – Vf. 174-VIII-98 -; StGH Bad.-Württ., DVBl 1975, 385, 391; vgl. auch BayVGH, BayVBl 1979, 146, 148). Auch im Schrifttum werden Vorgaben nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen (s. etwa Hoppe/Stüer, DVBl 1992, S. 641, 652: Bildung von Verwaltungsgemeinschaften/Ämterverwaltungen mit „numerischen Vorgaben insbesondere für akzeptable Mindestzahlen von Einwohnern“), wenngleich zu der exakten zahlenmäßigen Fixierung der Mindestgröße unterschiedliche Auffassungen bestehen mögen. Wenn der Gesetzgeber sich in seinem Leitbild auf den hier in Rede stehenden Richtwert von 5.000 Einwohnern festgelegt hat, dann sind seine diesbezüglichen Wertungen und Erwägungen nicht offensichtlich fehlerhaft oder widerlegbar (so bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O. sowie u.a. Beschluß vom 26. Februar 2004 - VfGBbg 150/03 -, S. 17 f. des Entscheidungsabdrucks). Es ist daher leitbildgerecht, daß der Gesetzgeber die Beschwerdeführerin in die neu gebildete Gemeinde Steinhöfel eingliederte und das diesen Richtwert unterschreitende Amt Steinhöfel/Heinersdorf auflöste. Dabei liegt in dem Vorteil, daß sich durch die Bildung einer amtsfreien Gemeinde die Anzahl der Verwaltungseinheiten reduziert, ein zulässiger Differenzierungsgrund dafür, daß das Leitbild des Gesetzgebers bei amtsfreien Gemeinden in nur dünn besiedelten Landesteilen unter Beachtung der Raum- und Siedlungsstruktur Unterschreitungen der Mindestzahl von 5.000 Einwohnern zuläßt (I. 2. a) Satz 3 nach dd) des Leitbildes, LT-Drucksache 3/5021, S. 25), nicht aber bei Ämtern vergleichbarer Einwohnerzahl. Darauf stützt sich der Gesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 395).

cc) Zur Erreichung dieser Reformziele ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Steinhöfel nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Klein- und Kleinstgemeindestruktur durch die Eingliederung der Beschwerdeführerin eindeutig verfehlt würde.

dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Steinhöfel ist auch nicht unverhältnismäßig.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.).

Der Gesetzgeber hat die Vor- und Nachteile seines Neugliederungsvorhabens hier in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt. Danach besitzen die für eine Eingliederung der Beschwerdeführerin in die neugebildete Gemeinde Steinhöfel sprechenden Gründe das größere Gewicht.

(1)  Die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung war dem Gesetzgeber gegenwärtig. Er hat die Belange der Einwohner im Blick gehabt und sich damit auseinandergesetzt, ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/5021, S. 388 ff.). Auf der anderen Seite hat er als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise die niedrige Einwohnerzahl des Amtes Steinhöfel/Heinersdorf sowie der Beschwerdeführerin berücksichtigt. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung von der Notwendigkeit der Bildung einer größeren Verwaltungseinheit durch Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Steinhöfel ausging.

(2) Der Gesetzgeber durfte seiner Entscheidung auch die Strukturaussage I. 2. a) dd) seines Leitbildes zugrundelegen, wonach die Bildung einer amtsfreien Gemeinde mit geringer Einwohnerzahl eine Alternative zur Bildung größerer Ämter aus derzeitigen Ämtern mit geringer Einwohnerzahl sein kann (LT-Drucksache 3/5021, S. 39). Nachvollziehbar ist, daß diese Leitbildvorgabe die Bildung amtsfreier Gemeinden im äußeren Entwicklungsraum auch dann ermöglichen soll, wenn Ämter und damit zugleich die entstehenden amtsfreien Gemeinden weniger als 5.000 Einwohner aufweisen. Mit der Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Steinhöfel bei gleichzeitiger Auflösung des Amtes verfolgt der Gesetzgeber systemkonform das von ihm selbst gesetzte Ziel, die innerhalb des bisher bestehenden Amtes gewachsenen Verflechtungen und Synergien zu erhalten und zu verstärken, sofern der überwiegende Wille der dem Amt bislang angehörenden Gemeinden hierauf gerichtet ist (LT-Drucksache 3/5021, a.a.O.). Einen derartigen Sachverhalt fand der Gesetzgeber hier vor.

Angesichts der geringen Größe der Beschwerdeführerin von nur 390 Einwohnern ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer Eingliederung in eine größere Verwaltungseinheit ausging. Für ihren Fortbestand als eigenständige (amtsangehörige) Gemeinde sind keine Besonderheiten im oben genannten Sinne geltend gemacht worden oder ersichtlich. Daß die Beschwerdeführerin nicht verschuldet ist, genügt nicht, zumal sie nur über unterdurchschnittliche Steuereinnahmen sowie eine geringe Investitionskraft bei einer hohen Abhängigkeit von Schlüsselzuweisungen verfügt.

(3) Auch begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, daß der Gebietsänderungsvertrag zur Bildung der neuen Gemeinde Steinhöfel genehmigt wurde, bevor die nunmehr angegriffene Gebietsneugliederung in Kraft trat. Vielmehr resultiert aus Art. 97 Abs. 1 Satz 1 LV und Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG der Vorrang freiwilliger Gebietsänderungen als Bestandteil der Selbstverwaltungsgarantie. Zu deren historisch gewachsenem Bild gehört, daß der freiwillige Zusammenschluß die Regel, der zwangsweise Eingriff dagegen die Ausnahme bildet (Ule, VerwArch Bd. 60, 101, 121; Scholtissek, DVBl. 1968, 825, 829). Dieser Grundsatz der Subsidiarität des gesetzgeberischen Eingreifens gebietet dem Gesetzgeber, nur dann Gebietskörperschaften - wie hier die Beschwerdeführerin - gegen deren Willen einzugemeinden, wenn eine freiwillige Lösung entsprechend dem Reform-Leitbild bis zum Abschluß der Freiwilligkeitsphase nicht zustande gekommen ist (BVerfG, BVerfGE 50, 50, 50; 86, 90, 107; LVerfG SA, LVerfGE 2, 227, 266).

(4) Eine vorzugswürdige leitbildgerechte Alternative ist nicht gegeben. Der Gesetzgeber hat sich mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, das Gebiet des bisherigen Amtes Steinhöfel/Heinersdorf mit dem des Amtes Odervorland zusammenzulegen (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 396). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber diese Variante mit Blick auf die fast 40 km betragende West-Ost-Ausdehnung der dadurch gebildeten Verwaltungseinheit verwarf. Aber auch wegen des zwischenzeitlich zustandgekommenen freiwilligen Zusammenschlusses der überwiegenden Gemeinden des Amtes konnte der Gesetzgeber diese Möglichkeit ablehnen. Ebenso wäre eine Zusammenlegung der Beschwerdeführerin mit der Gemeinde Buchholz nur als Übergangslösung in der Freiwilligkeitsphase zulässig gewesen (Leitbild I. 2. b) aa)). Zudem hätte die Gemeinde Demnitz dann in eine weitere Nachbargemeinde eingegliedert werden müssen. Ferner durfte der Gesetzgeber auch eine Eingliederung der Beschwerdeführerin oder der Gemeinde Buchholz in die Stadt Fürstenwalde/Spree ablehnen, auch wenn die Stadt Fürstenwalde/Spree dies im Hinblick auf die Beschwerdeführerin angeboten hatte. Keine der beiden Gemeinden hatte eine Eingliederung nach Fürstenwalde/Spree angestrebt. Auch widerspräche es dem Leitbild, die Gebietsänderung beim Fehlen einer starken regionalen Verflechtungsbeziehung bzw. einer Stadt-Umland-Problematik über die Ämtergrenzen hinaus zu vollziehen (Leitbild I. 2. c), d) bb)).

(5) Es ist nicht verfehlt, wenn der Gesetzgeber bei seiner Neugliederungsentscheidung auch berücksichtigt, daß zwischen der Beschwerdeführerin und der Stadt Sonnewalde umfangreiche Verbindungen im Personennahverkehr und im Bereich der Kirchenarbeit bestehen sowie eine Zusammenarbeit auch bisher schon im Rahmen des Trink- und Abwasserzweckverbandes Sonnewalde erfolgte.

ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen.

(1) Der Gesetzgeber war nicht durch die finanziellen Folgen  an einer Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Steinhöfel gehindert. Für die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Erfahrungsgemäß kann der Wohlstand einer Gemeinde auf Lagevorteilen - etwa einer verkehrsgünstigen Lage an der Schnittstelle zwischen Autobahn und Bundesstraße - beruhen, wenn auch die sich aus der günstigen Lage ergebenden Chancen genutzt werden müssen. Umgekehrt kann Verschuldung jedenfalls teilweise aus Lagenachteilen herrühren, etwa wenn Infrastruktureinrichtungen unterhalten werden müssen, die zugleich den Menschen aus Nachbargemeinden zugute kommen, und gleichzeitig günstige Entwicklungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind oder durch bestehende (Wohn-)Bebauung nicht lohnend genutzt werden können. Unabhängig davon ist die Finanzlage und damit auch der Beitrag, den die Einwohner mit einem neu zugeschnittenen Gebiet und Ressourcen zu leisten vermögen, naturgemäß nicht von Dauer, sondern veränderlich. Die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamt-Neugliederungsgebietes ist so oder so nicht sicher einschätzbar.

(2)  Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die aus den Anhörungen, insbesondere der der Bevölkerung und der Beschwerdeführerin, resultierenden Stellungnahmen sind in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 388 ff.). An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber aber nicht gebunden. Das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er nicht dem Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung gefolgt ist, sondern den für die Bildung einer Einheitsgemeinde und der damit verbundenen Eingliederung der Beschwerdeführerin sprechenden Umständen das höhere Gewicht beigemessen hat.

C.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt. VerfGGBbg
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dawin
   
Prof. Dr. Harms-Ziegler Dr. Jegutidse
   
Dr. Knippel Prof. Dr. Will