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VerfGBbg, Beschluss vom 19. Januar 2006 - VfGBbg 198/03 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1
Schlagworte: - kommunale Selbstverwaltung
- Gemeindegebietsreform
- Verhältnismäßigkeit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 19. Januar 2006 - VfGBbg 198/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 198/03



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

Gemeinde Grötsch,
vertreten durch das Amt Peitz,
dieses vertreten durch den Amtsdirektor,
Schulstraße 6,
03185 Peitz,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.,

wegen: kommunale Neugliederung;
hier: Eingliederung in die Gemeinde Heinersbrück, Ämterzusammenschluß

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Prof. Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Will

am 19. Januar 2006

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführerin, eine dem Amt Peitz angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Eingliederung in die Gemeinde Heinersbrück und die Vergrößerung des Amtes durch Zusammenschluß mit dem bisherigen Amt Jänschwalde.

I.

1.   Die Beschwerdeführerin liegt im äußeren Entwicklungsraum des Landes Brandenburg im Landkreis Spree-Neiße. Sie befindet sich unmittelbar südlich der ebenfalls dem Amt Peitz angehörenden Gemeinde Heinersbrück. Die Ortskerne sind ca. drei Kilometer voneinander entfernt. Das Gebiet der Beschwerdeführerin grenzt im Süden und Südosten an Tagebaugelände („Tagebau Jänschwalde“) der amtsfreien Stadt Forst (Lausitz) sowie auf wenigen Metern auch des nördlichsten Bereichs des Amtes Döbern-Land. Westlich ist die kreisfreie Stadt Cottbus mit dem Tagebau „Cottbus-Nord“ benachbart. Ende 2001 lebten von den etwa 10.930 Einwohnern des Amtsgebiets Peitz 88 im Gebiet der Beschwerdeführerin und ca. 610 in der Gemeinde Heinersbrück. Die anderen sechs Gemeinden des Amtes Peitz hatten jeweils mehr als 650 Einwohner, die meisten die Stadt Peitz mit ca. 5.270 Einwohnern. Im nordöstlichen Nachbaramt Jänschwalde lebten in den Gemeinden Drewitz, Grießen und Jänschwalde ca. 2.700 Einwohner. Die Ämter Jänschwalde mit 81 km² Fläche (ein Zehntel davon Teil eines großen ehemaligen Truppenübungsplatzes) und Peitz mit 201 km² Fläche (davon 35 % ehemaliger Truppenübungsplatz) hatten eine Bevölkerungsdichte von 33 bzw. 54 Einwohnern je Quadratkilometer. Beide Ämter wurden durch die Wirtschaftszweige Kohle und Energie sowie Landwirtschaft geprägt und waren stark durch den Braunkohlentagebau betroffen. Die Stadt Peitz hat ein deutlich größeres Angebot insbesondere an Dienstleistungen als der Amtsbereich Jänschwalde; in einem Teilregionalplan ist Peitz als Grundzentrum, Jänschwalde lediglich als Kleinzentrum eingeordnet. Das Amt Jänschwalde bezeichnete sich als das „einzige deutsch-sorbische Amt im Land Brandenburg“. Alle Gemeinden beider Ämter haben sich zum sorbischen/wendischen Siedlungsgebiet bekannt und zur Förderung der sorbischen/wendischen Sprache und Kultur verpflichtet. In allen Gemeinden werden sorbische Bräuche gepflegt. In Kindertagesstätten beider Ämter wird Sorbisch-Unterricht erteilt. Die einzige sorbische Grundschule des Landes befindet sich in Heinersbrück. Die Haushalte der Beschwerdeführerin und der Gemeinde Heinersbrück waren ausgeglichen. Die Gemeindevertretung der Beschwerdeführerin hat sich wiederholt für ihre Eigenständigkeit im Amt und gegen einen Gemeindenzusammenschluß ausgesprochen.

2. Ende April/Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Spree-Neiße versandt. Für die Anhörung der Bürger stand ein Monat zur Verfügung.

3.  Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. Art. 1 § 30 des Entwurfs zum sechsten dieser Gesetze, zugleich § 30 des Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree, Spree-Neiße (6. GemGebRefGBbg) sah u.a. vor, die Beschwerdeführerin in die Gemeinde Heinersbrück einzugliedern und diese dem nach Zusammenschluß der bisherigen Nachbarämter künftig aus acht Gemeinden bestehenden Amt Peitz zuzuordnen. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. Für den 23. Januar 2003 erging eine Einladung zur Anhörung der Beschwerdeführerin, die jedoch nicht Stellung nahm. Die Gesetze wurden sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. § 30 des 6. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 93), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. Art. 6 des Artikelgesetzes), lautet:

§ 30
Verwaltungseinheiten Ämter Jänschwalde und Peitz

(1) Aus den Gemeinden Grießen, Drewitz und Jänschwalde des Amtes Jänschwalde wird die neue Gemeinde Jänschwalde gebildet.

(2) Die neue Gemeinde Jänschwalde wird dem Amt Peitz zugeordnet.

(3) Das Amt Jänschwalde wird aufgelöst.

(4) Die Gemeinde Grötsch des Amtes Peitz wird in die Gemeinde Heinersbrück des Amtes Peitz eingegliedert.

(5) Das Amt Peitz ist Rechtsnachfolger des Amtes Jänschwalde. § 38 findet entsprechende Anwendung.

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 04. Juli 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, ihre Eingliederung in die Gemeinde Heinersbrück sei schon deshalb verfassungswidrig, weil weder die Bevölkerung des unmittelbar betroffenen Gebietes noch sie selbst (als Gemeinde) ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Anhörungsfehler seien „absolute Nichtigkeitsgründe“. Auf Fragen der Kausalität komme es nicht an. Daß sich von 302 Gemeinden, die der Gesetzgeber aufzulösen versucht habe, 250 mit kommunalen Verfassungsbeschwerden dagegen zu Wehr setzten, sei bereits „ernstes Indiz für die verfassungswidrige Gewalt der gesetzlichen Regelung“. Es fehle an dem Nachweis, daß die Beschwerdeführerin ungeeignet sei, den Anforderungen moderner Selbstverwaltung zu entsprechen. Der Abwägungsvorgang sei fehlerhaft, was u.a. auf Ermittlungsdefiziten beruhe.

Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:

§ 30 des Sechsten Gemeindegebietsreformgesetzes Brandenburg verletzt die Beschwerdeführerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten und ist deshalb nichtig.

III.

Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Gemeinde Heinersbrück hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Gemeinde Heinersbrück erklärte, sie sei für eine Eingliederung der Beschwerdeführerin stets offen gewesen. Es gebe zahlreiche Verbindungen zwischen den beiden Gemeinden, insbesondere auf sportlicher und kultureller Ebene. Kleinkinder und Grundschüler aus dem Gebiet der Beschwerdeführerin besuchten die Kindertagesstätte und die Grundschule in Heinersbrück.

B.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

I.

 Sie ist nur in begrenztem Umfang zulässig.

1.  Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die sie gar nicht erwähnenden Absätze 1, 3 und 5 dieser Vorschrift wendet, ist der Antrag unzulässig. Eine eigene Betroffenheit hat sie bezogen auf diese Absätze nicht dargelegt (zum Erfordernis eigener Betroffenheit bei der kommunalen Verfassungsbeschwerde: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573).

2.  Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist auch unzulässig, soweit sie sich gegen die (in § 30 Abs. 2 des 6. GemGebRefGBbg bestimmte) Vergrößerung des bisherigen Amtes durch Zuordnung der Gemeinde Jänschwalde richtet. Insoweit ist die Beschwerdeführerin nicht beschwerdebefugt. Eine amtsangehörige Gemeinde kann nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts lediglich beanspruchen, daß ihr überhaupt eine geeignete (Amts-)Verwaltung, nicht aber, daß sie ihr in der bisherigen Form und in dem bisherigen Zuschnitt zur Verfügung steht (Beschluß vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 57/01 -, LKV 2002, 515 sowie Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.).

3. Im Hinblick auf § 30 Abs. 4 des 6. GemGebRefGBbg ist die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend. Ebenso wird die Beschwerdeführerin im kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren weiter durch das bisherige Amt vertreten.
 

II.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt.

1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit von der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin in einer Vielzahl von Verfahren im wesentlichen gleichlautend vorgebrachten Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes (vgl. u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203, und zuletzt ausführlich Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 118/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de) verwiesen.

2.  Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Heinersbrück bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung.

a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe festlegen kann.

Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u.a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]).

Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –, a.a.O.; ständige Rechtspr., u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -, a.a.O.).

b)   In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen:

aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt. Dabei hat er auch die Situation im Bereich der beiden Ämter hinreichend in den Blick genommen.

So stellte er fest, daß zwar das Amt Peitz deutlich über 5.000 Einwohner hatte, das nach Einwohnern landesweit kleinste Amt Jänschwalde diese Zahl jedoch weit unterschritt (ca. 2.700 Einwohner). Auch die weiteren wesentlichen Strukturdaten und örtlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, insbesondere der Gemeinde Heinersbrück sowie auch der bisherigen Ämter sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. sog. Neugliederungssachverhalt in LT-Drucksache 3/5021, S. 472 ff.). Insbesondere erfaßte der Gesetzgeber die Entfernungen in und zwischen den Ämtern sowie die Verkehrssituation, namentlich ein - zumindest an Schultagen - die jeweils amtsangehörigen Gemeinden mit dem bisherigen Amtssitz verbindendes Netz des Öffentlichen Personennahverkehrs. Hinzu kommen die Straßenverbindung zwischen den voneinander ca. sechs Kilometer entfernten bisherigen beiden Amtssitzen in den unmittelbar benachbarten Gemeinden Jänschwalde und Peitz, die durch das Amt Peitz und den nördlichen Teil des Amtes Jänschwalde führende Bundesstraße 97 sowie die gute Anbindung der Gemeinden beider Ämter an eine regelmäßig zwischen Cottbus und Frankfurt (Oder) sowie Berlin verkehrende Regionalexpreßlinie durch die Haltestellen Jänschwalde, Jänschwalde Ost, Peitz Ost und Teichland. Er hob hervor, daß die der Beschwerdeführerin nächstgelegene Gemeinde Heinersbrück über eine (sorbische) Grundschule und eine Kindertagesstätte verfügt und daß die Beschwerdeführerin sowie die Gemeinde Heinersbrück mit ihrer Kirche zum selben evangelischen Kirchsprengel gehören. Auch den Ausstattungsgrad der jeweiligen bisherigen Amtssitze als Grund- bzw. Kleinzentren führte der Gesetzgeber an.

Diese Sachverhaltsermittlung begegnet keinen verfassungsrelevanten Bedenken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt hat. Ins Gewicht fällt vielmehr nur, ob er die für die Durchführung des von ihm gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten und es möglich ist, daß die Neugliederung bei Zugrundelegung des behaupteten abweichenden Sachverhalts anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, UA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen hat die Beschwerdeführerin indes nicht vorgetragen.

bb) Der Gesetzgeber gliedert aus Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV die Beschwerdeführerin neu. Die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die dem nun vergrößerten Amt Peitz zugeordnete Gemeinde Heinersbrück überwindet die bisherige Kleingliedrigkeit der Kommunen und erstrebt eine Stärkung ihrer Verwaltungskraft. Nachvollziehbar beruft der Gesetzgeber sich darauf, daß amtsangehörige Gemeinden regelmäßig nicht weniger als 500 Einwohner haben sollen, auch sollten Ämter - vom Ausnahmefall eines Ämterzusammenschlusses abgesehen - aus nicht mehr als sechs Gemeinden bestehen (LT-Drucksache 3/5021, Leitbild 2. b) aa) und cc). Eine dem widersprechende Ausgangssituation hat der Gesetzgeber festgestellt.

(1) Daß eine Stärkung der Verwaltungskraft - die Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen - ein Grund des öffentlichen Wohls ist, der eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermag, hat das Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zu dem Unterfall der Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 -). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen.

(2) Ein Neugliederungsbedarf ergab sich insbesondere aus der geringen Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin von nur knapp 90 Einwohnern. Soweit der Gesetzgeber seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin die Mindesteinwohnerzahl von 500 Einwohnern unterschreite (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 490 f.), ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Die Landesverfassung steht der Einschätzung des Gesetzgebers, daß sich aus einer geringen Einwohnerzahl der Gemeinde typisierend Rückschlüsse auf ihre (verminderte) Leistungsfähigkeit ergeben, nicht entgegen. Der Rückgriff auf die Einwohnerzahl als Indiz für die Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist auch bei amtsangehörigen Gemeinden unbeschadet dessen statthaft, daß eine amtsangehörige Gemeinde – jedenfalls im Land Brandenburg – nicht selbst Träger der „eigentlichen“ Verwaltung ist. Die Gemeindevertretung bleibt nämlich ungeachtet der administrativen Umsetzung durch das Amt für alle Angelegenheiten der Gemeinde zuständig. Nicht das Amt, sondern die einzelne Gemeinde ist Träger der gemeindlichen Einrichtungen und für den Unterhalt dieser Einrichtungen zuständig. Solche Einrichtungen können im Regelfall sinnvoll nur von bestimmten gemeindlichen Mindestgrößen an betrieben werden (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O. und Beschluß vom 18. November 2004 – VfGBbg 167/03 – m.w.N.).

(3) Auch die Begrenzung auf eine Höchstzahl von sechs einem einzelnen Amt angehörenden Gemeinden - wobei eine größere Anzahl ausnahmsweise als Folge eines Ämterzusammenschlusses zulässig sein soll - (2. b) aa) Sätze 3 und 4 des Leitbildes) ist ein dem öffentlichen Wohl dienendes Neugliederungsziel. Die Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfs hierzu sind nachvollziehbar. Der Gesetzentwurf nennt beispielhaft, daß Amtszuschnitte mit einer größeren Anzahl von Gemeinden eine Vielzahl und große Verschiedenheit der von einem Amt wahrzunehmenden Verwaltungsaufgaben bedingten, z.B. die Betreuung und Beratung der Vertretungskörperschaften und ihrer Ausschüsse, Vorbereitung von Satzungs- und Beschlußvorlagen sowie von Wahlen und Abstimmungen, gemeindebezogene Berechnung von Haushaltsdaten, Steuern, Beiträgen und Gebühren und daß Verrechnungen zwischen den amtsangehörigen Gemeinden etwa für Kindertagesstätten, Schulen oder einen gemeinsam genutzten Bauhof des Amtes einen erheblichen Verwaltungsaufwand erforderten (LT-Drucksache 3/5021, S. 42 f.). Im Blick auf den darin liegenden Vorteil für die Bürger und (ggf. neugegliederten) Gemeinden des Amtes ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber eine gestraffte und vereinfachte Amtsstruktur anstrebte, um die Leistungsfähigkeit des Amtes zu erhöhen. Diesem Ziel folgte er gerade auch beim Zusammenschluß des Amtes Peitz mit dem außergewöhnlich kleinen Amt Jänschwalde. Zugleich hat er entsprechend Satz 4 des Leitbildes 2. b) aa) unter Annahme einer hohen Differenz von Ausgangs- und Zielgröße der Gemeindenanzahl Sorge für eine möglichst schonende Vereinigung getragen, indem schließlich nicht sechs, sondern ausnahmsweise acht Gemeinden mit mehr als 500 Einwohnern das Amt bilden.

cc) Zur Erreichung dieser Reformziele - zur Stärkung der Verwaltungskraft, Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen durch Überwindung ausgeprägter Kleingliedrigkeit - im Bereich der bisherigen Ämter Peitz und Jänschwalde einen nicht unerheblichen Beitrag zu leisten, ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Heinersbrück nicht offensichtlich ungeeignet.

dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die zugleich dem vergrößerten Amt Peitz zugeordnete Gemeinde Heinersbrück ist nicht unverhältnismäßig.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für ihren Fortbestand sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Dies ist hier - nach der vertretbaren Wertung des Gesetzgebers - der Fall. Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls können der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.).

Der Gesetzgeber hat die Vor- und Nachteile seines Neugliederungsvorhabens hier in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt.

Angesichts der geringen Größe der Beschwerdeführerin von nur knapp 90 Einwohnern ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer Eingliederung in eine größere Verwaltungseinheit ausging. Für ihren Fortbestand als eigenständige (amtsangehörige) Gemeinde sind keine Besonderheiten im oben genannten Sinne geltend gemacht worden oder ersichtlich. Es ist angesichts der unmittelbaren Nachbarschaft und Verbundenheit der Beschwerdeführerin mit der Gemeinde Heinersbrück, die insbesondere auf sportlicher, kultureller und kirchgemeindlicher Ebene sowie in der gemeinsamen Nutzung der Grundschule und Kindertagesstätte in Heinersbrück zum Ausdruck kommt, verfassungsrechtlich unbedenklich, daß der Gesetzgeber gerade ihren Zusammenschluß bestimmt hat. Eine leitbildgerechte Alternative ist aufgrund der Randlage der Beschwerdeführerin an der Amtsgrenze im Hinblick auf 2. d) bb) des Leitbildes, wonach Gemeindenzusammenschlüsse - von bestimmten Ausnahmefällen abgesehen - innerhalb der Grenzen der bestehenden Ämter erfolgen sollen, nicht gegeben. Verflechtungsbeziehungen nach Süden zum Amt Döbern-Land oder zur amtsfreien Stadt Forst (Lausitz) bestanden bereits wegen des weitläufigen Tagebaugeländes nicht. Auch eine Eingliederung der Beschwerdeführerin in die - mit dem Tagebau „Cottbus-Nord“ - benachbarte kreisfreie Stadt Cottbus durfte der Gesetzgeber als gegenüber der Belassung im Amtsbereich Peitz schwerer wiegenden Eingriff ablehnen, zumal die Beschwerdeführerin - außer einem Festhalten am bisherigen Zustand als Kleinstgemeinde - anderweitige Präferenzen nicht geäußert hat.

Daß sie in eine Gemeinde eingegliedert wird, die nicht mehr dem bisherigen, sondern einem vergrößerten Amt Peitz angehört, kann die Beschwerdeführerin nicht geltend machen. Denn sie könnte - wie oben ausgeführt - auch und gerade dann, wenn sie amtsangehörige Gemeinde wäre oder wieder würde, lediglich beanspruchen, daß ihr überhaupt eine geeignete (Amts-)Verwaltung , nicht aber, daß sie ihr in der bisherigen Form und in dem bisherigen Zuschnitt zur Verfügung steht. Eine diesbezügliche kommunale Verfassungsbeschwerde wäre, auch wenn sie zulässig wäre, hier überdies unbegründet. Die Eignung des vergrößerten Amtes Peitz hat die Beschwerdeführerin weder (substantiiert) in Abrede gestellt noch ist dazu erhebliches sonst ersichtlich (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 18. November 2004 - VfGBbg 149/03 -[Briesensee] sowie vom heutigen Tage - VfGBbg 121/03 - [Jänschwalde]).

ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen.

(1) Insbesondere war der Gesetzgeber nicht durch die finanziellen Folgen an einer Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Heinersbrück gehindert. Für die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Von dieser Erwägung hat sich der Gesetzgeber bei der Ausübung seines Ermessens leiten lassen. Die Annahme des Gesetzgebers, daß die außerordentlich einwohnerschwache Beschwerdeführerin - auch wenn die Finanzlage naturgemäß veränderlich ist - wirtschaftlich stark gefährdet und wenig leistungsfähig ist, durch den Gemeindezusammenschluß aber auf Dauer eine strukturelle Stärkung erfährt, ist beanstandungsfrei. Der Gesetzgeber wäre allerdings gehindert, eine Gemeinde zu bilden, deren Finanzausstattung evident unzureichend sein wird und in der für eine gemeindliche Selbstverwaltung auf Dauer kein Raum mehr ist. Eine derartige Gemeinde führte lediglich ein „Scheindasein“ (BVerfGE 1, 167, 175; vgl. auch Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 16. September 1998 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237, 242). So liegen die Dinge aber bei der Beschwerdeführerin nicht. Sie erwartet nicht, daß die vergrößerte Gemeinde zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft überhaupt nicht mehr in der Lage wäre. Sofern sich die Beschwerdeführerin sorgt, künftig würden die vorhandenen Mittel nicht sinnvoll und gerecht auf das Gesamtgebiet verteilt, bestehen Anhaltspunkte für ein solches Verhalten der Gemeinde Heinersbrück nicht. Kommunalpolitische Aufgaben, wie sie es auch in jeder anderen aus Ortsteilen bestehenden Gemeinde gibt, lassen sich zudem, wie zahlreiche Beispiele zeigen, auch bei einer gewissen mehrpoligen Gemeindestruktur mit Geschick so lösen, daß einzelne Ortsteile sich nicht dauernd ausgeschlossen fühlen.

(2) Ebenso ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber gegenüber verschiedentlich geäußerten Befürchtungen des Verlustes auch im Gebiet der Beschwerdeführerin vorhandener sorbisch-wendischer Traditionen im größeren Gemeinwesen auf eine umfangreiche Pflege des sorbisch-wendischen Brauchtums in allen Gemeinden der bisherigen Ämter Peitz und Jänschwalde verweist und eine betreffende Orientierung und Traditionsfortführung daher nicht gefährdet sieht (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 484 f., 492).

(3) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist schließlich auch, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die aus der Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin und der weiteren Gemeinden des vergrößerten Amtsgebiets resultierenden Stellungnahmen und Ergebnisse von Bürgerbefragungen und -entscheiden (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 467 ff.) zur beabsichtigten Neugliederung lagen im Landtag vor und sind damit in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber aber nicht gebunden. Das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er den für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Heinersbrück sprechenden Umständen mit dem Ziel, einerseits eine möglichst bürgernahe Selbstverwaltung der Gemeinden in einem Amt des äußeren Entwicklungsraums zu erhalten, zu diesem Zweck andererseits die Struktur des Amtes zu straffen und zu vereinfachen sowie seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen, das höhere Gewicht beigemessen hat.

C.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt. VerfGGBbg.
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dawin
   
Prof. Dr. Dombert Prof. Dr. Harms-Ziegler
   
Dr. Jegutidse Dr. Knippel
   
Prof. Dr. Will