VerfGBbg, Urteil vom 18. Dezember 1997 - VfGBbg 16/97 -
Verfahrensart: |
Organstreit Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 56 Abs. 3 Satz 4 - VerfGGBbg, § 13 Abs. 1 - VwGO, § 92 Abs. 3 Satz 1 |
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Schlagworte: | - Abgeordneter - Auskunftsrecht |
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amtlicher Leitsatz: | ||
Fundstellen: | - LVerfGE 7, 138 | |
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Urteil vom 18. Dezember 1997 - VfGBbg 16/97 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 16/97

U R T E I L | ||||||||||||||
In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren Dr. Peter Wagner, MdL, Antragsteller, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. G., K., P., LL.M., gegen Regierung des Landes Brandenburg, Antragsgegnerin, betreffend die Vorlage von Unterlagen und Auskunftserteilunggemäß Art. 56 Abs. 3 Landesverfassung hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 1997 für R e c h t erkannt: 1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es hinsichtlich des Aktenvorlagegesuchs übereinstimmend für erledigt erklärt haben.2. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Der Antragsteller ist Mitglied des Landtages. Er rügt die Verletzung seines Rechts aus Art. 56 Abs. 3 Landesverfassung (LV). Art. 56 Abs. 3 LV eröffnet in Satz 1 den Abgeordneten den Zutritt zu den Behörden und Dienststellen des Landes und lautet in den nachfolgenden Sätzen wie folgt: Diese (die Behörden und Dienststellen des Landes) haben ihnen auf Verlangen Auskünfte auch aus Dateien zu erteilen sowie Akten und sonstige amtliche Unterlagen vorzulegen. Das Verlangen ist an die Landesregierung oder, sofern es ihn betrifft, an den Landesrechnungshof zu richten. Die Auskunft sowie die Vorlage der Akten und sonstigen amtlichen Unterlagen haben unverzüglich und vollständig zu erfolgen. Am 23. Mai 1997 wandte sich der Antragsteller an das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen (MASGF) und bat unter Hinweis auf Art. 56 Abs. 3 LV um Einsicht in dem MASGF übermittelte Prüfberichte und Prüfberichtsentwürfe des Landesrechnungshofes zu Projekten im Gesundheitswesen. Ferner bat er um Auskunft zu dem Verbleib näher bezeichneter Fördergelder und um Angaben zu Dienstaufsichtsbeschwerden, die aus dem MASGF gegen den in dieser Sache ermittelnden Staatsanwalt erhoben worden seien. Der Antragsteller wies zugleich darauf hin, daß ihm die Akteneinsicht vor der Auskunftserteilung gewährt werden solle. Die Antragsgegnerin lehnte das Aktenvorlagegesuch unter Hinweis auf ein vom Antragsteller in der gleichen Angelegenheit gegen den Landesrechnungshof geführtes Organstreitverfahren vor dem erkennenden Verfassungsgericht (VfGBbg 12/97) ab, dem man nicht vorgreifen wolle. Das Auskunftsersuchen beantwortete das MASGF unter dem 1. August 1997 und erklärte zugleich seine Bereitschaft, auf Wunsch weitere Einzelheiten zur Ausreichung der Fördermittel zusammenzustellen. Der Antragsteller hat am 19. Juni 1997 das Organstreitverfahren gegen die Antragsgegnerin eingeleitet, um das Aktenvorlagegesuch und das Auskunftsersuchen weiterzuverfolgen. Zu dem Vorlagegesuch haben die Beteiligten das Verfahren im Hinblick auf das Urteil des Verfassungsgerichts vom 20. November 1997 in dem erwähnten Verfahren gegen den Landesrechnungshof übereinstimmend für erledigt erklärt. Bezüglich des Auskunftsersuchens begehrt der Antragssteller die Feststellung, daß die ihm erteilte Auskunft nicht den Anforderungen des Art. 56 Abs. 3 Satz 4 LV genüge. Er macht geltend, die Auskunft sei erst nach über zwei Monaten erteilt worden unddamit nicht mehr unverzüglich. Sie müsse ebenso zügig erfolgen wie Antworten auf Kleine Anfragen der Parlamentarier, für die die Geschäftsordnung des Landtages einen Zeitraum von vier Wochen vorsehe. Die Auskunft sei außerdem unvollständig, weil unter anderem der Verbleib der in Rede stehenden Haushaltsmittel und die Höhe der an die Treuhänder geflossenen Honorare nicht bzw. nicht genau angegeben worden seien. Er habe ausdrücklich die Auflistung aller einzelnen Förderfälle zum Landesprogramm Aufbruch Psychiatrie erbeten. Dem sei das MASGF unter Hinweis auf den damit verbundenen Arbeitsaufwand jedoch nicht nachgekommen. Die Angaben des MASGF stünden zudem in Widerspruch zu den Erkenntnissen des Landesrechnungshofes, der in seiner Prüfungsmitteilung vom 21. März 1997 bei der Verwendung von Fördermitteln für das Projekt Betreuungsdienst für chronisch Kranke verschiedene Haushaltsverstöße festgestellt habe. Der Antragsteller beantragt nun noch, festzustellen, daß die Auskunft der Antragsgegnerin vom1. August 1997 weder unverzüglich noch vollständig warund ihn somit in seinen Rechten aus Art. 56 Abs. 3 Satz2 1. Alternative und Satz 4 Landesverfassung verletzt. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie habe im wesentlichen in der Fragestellung zum Ausdruck gekommene Wertungen zurückgewiesen. Im übrigen sei dem Antragsteller in der Auskunft angeboten worden, ihm auf Wunschweitere Details zu den einzelnen Förderfällen zusammenzustellen. B. Das Verfahren ist hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils nach § 13 Abs. 1 Verfassungsgerichts- gesetz Brandenburg (VerfGGBbg) in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. C. I. Der Antrag im übrigen ist nach Art. 113 Nr. 1 LV, §§ 12 Nr. 1, 35 ff. VerfGGBbg zulässig. Der Antragsteller ist als Abgeordneter nach Art. 113 Nr. 1 LV und § 35 i.V.m. § 12 Nr. 1 VerfGGBbg im Organstreitverfahren beteiligtenfähig. Er ist gem. § 36 Abs. 1 VerfGGBbg antragsbefugt; er macht geltend, nach der Art der ihm erteilten Antwort des MASGF in seinem Recht auf unverzügliche und vollständige Auskunft aus Art. 56 Abs. 3 Satz 4 LV verletzt zu sein. Die Antragsgegnerin ist als Verfassungsorgan ebenfalls beteiligtenfähig. II. In der Sache selbst bleibt der Antrag ohne Erfolg. Die Antragsgegnerin hat mit der dem Antragsteller erteilten Auskunft vom 1. August 1997 nicht gegen ihre Verpflichtung verstoßen, die Auskunft im Sinne von Art. 56 Abs. 3 Satz 4 LV unverzüglich und vollständig zu erteilen. 1. Das Auskunftsersuchen des Antragstellers vom 23. Mai 1997 ist zwar erst nach über zwei Monaten beantwortet worden. Gleichwohl war die Auskunft noch unverzüglich im Sinne des Art. 56 Abs. 3 Satz 4 LV. Unverzüglich bedeutet im juristischen Sprachgebrauch ohne schuldhaftes Zögern. Die Frage, ob eine Auskunft in diesem Sinne ohne schuldhaftes Zögern erteilt worden ist, läßt sich nicht absolut beantworten. Insbesondere ergibt sich eine absolute Obergrenze entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht aus der nur diesen selbst bindenden Geschäftsordnung des Landtages, die im Zusammenhang mit der Beantwortung Kleiner Anfragen in § 60 Abs. 3 GeschOLT eine Frist von 4 Wochen nennt und damit lediglich eine dahingehende Erwartung des Landtages gegenüber der Landesregierung zum Ausdruck bringt (vgl. zur Bedeutung der Geschäftsordnung des Parlaments für die Antwortpflicht der Regierung: Ritzel/Bücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, Stand 1995, Vorbem. IV zu §§ 100-106 GeschOBT). Es kommt vielmehr auf den Einzelfall, vor allem auf den Umfang und den Schwierigkeitsgrad der erbetenen Auskunft und darauf an, ob und inwieweit Recherchen notwendig sind und Abstimmungsbedarf besteht. Hier ist zunächst zu berücksichtigen, daß der Antragsteller sein Ersuchen vom 23. Mai 1997 an das MASGF gerichtet hat, obwohl Adressat nach Art. 56 Abs. 3 Satz 3 LV die Landesregierung ist. Hierdurch kann eine gewisse Verzögerung bei der Organisation und Abstimmung der Bearbeitung eingetreten sein. Außerdem hat der Antragsteller ausdrücklich darum gebeten, ihm die Akteneinsicht vor der Auskunftserteilung zu gewähren. Die Landesregierung konnte deshalb die Bearbeitung des Auskunftsersuchens solange zurückstellen und zunächst das Aktenvorlageverlangen prüfen, bis der Antragsteller deutlich gemacht hatte, daß er die Auskunft unabhängig von der Akteneinsicht verlangte. Vor allem aber ließ sich das Ersuchen des Antragstellers nicht einfach und kurzerhand erledigen, sondern betraf komplexe Vorgänge, die sich über mehrere Haushaltsjahre erstreckten und deren Erfassung eine umfangreiche Sichtung verschiedener Akten erforderte. Die Bearbeitung wurde weiter dadurch erschwert, daß der Antragsteller über die beiden Programme Betreuungsdienst für chronisch Kranke und Aufbruch Psychiatrie hinaus nach sämtlichen Auszahlungen von Fördergeldern über die als Treuhänder eingesetzte I.-GmbH gefragt hatte. Unter Berücksichtigung all dessen erscheint hier nach Lage der Dinge die Grenze der der Landesregierung zuzubilligenden Reaktionsfrist noch nicht überschritten. 2. Die Antragsgegnerin hat die Auskunft auch vollständig genug im Sinne des Art. 56 Abs. 3 Satz 4 LV erteilt. Ob eine Auskunft vollständig ist, hängt davon ab, was und wie genau gefragt worden ist. Es genügt, daß die Auskunft stimmig und aus sich selbst heraus verständlich ist und nichts Wesentliches oder erkennbar Interessierendesvorenthält. Sie darf sich nicht als Stückwerk darstellen, braucht aber auch nicht in Details auszuufern. Gegebenenfalls muß der Abgeordnete, was ihm unbenommen ist, nachfragen. Es kann auch nicht mehr verlangt werden, als daß die Auskunft nach bestem Wissen erfolgt. Dieses in der Landesverfassung für die Beantwortung von Fragen der Abgeordneten in Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV genannte Erfordernis gilt in gleicher Weise für die Beantwortung von Auskunftsersuchen nach Art. 56 Abs. 3 LV. Soweit die Auskunft des MASGF einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zugänglich ist, läßt sich nicht feststellen, daß sie unvollständig gewesen ist. a) Soweit der Antragsteller Angaben zur Höhe der Honorare, die an die I.-GmbH geflossen sein sollen, und die Mitteilung der genauen Haushaltstitel vermißt, unter denen der von ihm aufgezeigte Differenzbetrag zum Haushaltsansatz 1991, Kapitel 07 040, Titel 68570, verbucht worden ist, hat er hiernach nicht gezielt gefragt. Es ist auch nicht so, daß sich die Auskunft ohne diese Angaben als Stückwerk darstellt. b) Die Antwort auf die Frage nach der Anzahl möglicher Dienstaufsichtsbeschwerden gegen den ermittelnden Staatsanwalt befaßt sich offensichtlich entgegen der Darstellung des Antragstellers nicht nur mit als solchen bezeichneten Dienstaufsichtsbeschwerden, sondern benennt darüber hinaus zwei Schreiben aus dem MASGF, die, ohne als solche bezeichnet worden zu sein, von der Staatsanwaltschaft als Dienstaufsichtsbeschwerden behandelt worden sind. c) Soweit der Antragsteller rügt, daß die einzelnen Förderfälle zum Programm Aufbruch Psychiatrie nicht aufgelistet worden seien, heißt es in dem Auskunftsschreiben des MASGF, daß man die erfragten Einzelangaben bislang wegen des damit verbundenen Arbeitsaufwandes noch nicht habe zusammenstellen können, auf Wunsch aber hierzu bereit sei. So zu verfahren, ist nicht von vornherein unstatthaft. Ein Ministerium muß sich in dieser Weise über den Arbeitsaufwand, den der Abgeordnete auslösen will, vergewissern dürfen. Dem Antragsteller stand und steht es frei, die Landesregierung ergänzend um die gewünschte Aufstellung der einzelnen Förderfälle zu ersuchen. d) Auch die im Zusammenhang mit der Erledigungserklärung bezüglich des Aktenvorlagegesuchs nach der mündlichen Verhandlung noch erfolgten Hinweise des Antragstellers auf die Erkenntnisse des Landesrechnungshofes aus dem Prüfungsverfahren zum Projekt Betreuungsdienst für chronisch Kranke führen nicht zu einer anderen verfassungsrechtlichen Bewertung der Auskunft. Zwar muß die Antragsgegnerin das Auskunftsverlangen eines Abgeordneten, wie dargelegt, nach bestem Wissen beantworten. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sich ihre Auskunft mit den Erkenntnissen des Landesrechnungshofes decken muß. Es kann ihr nicht verwehrt sein, die aus ihrer Sicht zutreffenden Angaben zu machen. Wenn und soweit von anderer Seite, auch von dem Landesrechnungshof oder aus dem Parlament heraus, eine abweichende Bewertung vorgenommen wird, ist die Bewertungsdifferenz politisch und nicht verfassungsgerichtlich aufzuarbeiten. Es ist nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichts, gleichsam die Antwort zensierend, die Angelegenheit, zu der der Abgeordnete Auskunft verlangt, mitzuentscheiden. Es geht in einem Verfahren wie dem vorliegenden nur um die Auskunft, auch um deren Unverzüglichkeit und Vollständigkeit, nicht aber bereits darum, was von der Auskunft und der ihr zugrundeliegenden Sicht der Dinge zu halten ist. Dies vorausgeschickt, lassen die vom Antragsteller mitgeteilten Prüfungserkenntnisse des Landesrechnungshofes nicht den Schluß zu, daß die Antwort der Landesregierung in dem hier maßgeblichen Sinne nicht vollständig gewesen wäre. aa) Soweit das MASGF - anders als der Landesrechnungshof - in seiner Antwort unter Ziffer 2.3 den Standpunkt bezieht, daß keine Beträge geparkt worden seien, wird dies erkennbar von der (damaligen) Auffassung des MASGF getragen, daß die Einschaltung eines Treuhänders kein unzulässiges Parken von Fördergeldern, sondern eine zulässige treuhänderische Verwaltung nach § 44 Abs. 3 Landeshaushaltsordnung darstelle. Daß der Antragsteller und der Landesrechnungshof dies rechtlich anders bewerten und Mitarbeiter des MASGF in Vermerken aus dem Jahre 1991 ihrerseits von I.-GmbH-Parkplatz gesprochen haben sollen, mag Zweifel an der Haltbarkeit der (damaligen) Sichtweise des MASGF aufkommen lassen, betrifft jedoch nicht die Vollständigkeit der Auskunft. Der Sache nach werden in der Antwort die einzelnen in treuhänderische Verwaltung gegebenen Mittel entsprechend der Fragestellung aufgelistet. bb) Die Auskunft der Antragsgegnerin steht entgegen der Auffassung des Antragstellers und unbeschadet der Frage, wessen Darstellung und Bewertung der Vorgänge sich letztlich als zutreffend erweisen wird, nicht in Widerspruch zu den angeführten Details aus dem Prüfbericht des Landesrechnungshofes. Es ist vielmehr so, daß eine Auskunft zu diesen Details nicht erteilt wurde und nach der Art der Fragestellung auch nicht erteilt werden mußte. Die den Antragsteller nunmehr zusätzlich interessierenden Aspekte haben sich für ihn erkennbar erst aus dem Prüfbericht ergeben, in den er inzwischen auf der Grundlage der in dem Verfahren VfGBbg 12/97 ergangenen Entscheidung des Gerichts Einblick genommen hat. Soweit es die vom Landes-rechnungshof erwähnte Zinsgutschrift aus einer Festgeld-anlage auf dem Zinskonto einer Bank und die Verbuchung der zurückgezahlten Fördergelder im Haushalt 1995 betrifft, hat der Antragsteller in seinem Auskunftsbegehren vom 23. Mai 1997 hiernach nicht gezielt gefragt, sich vielmehr für die treuhänderische Verwaltung von Fördergeldern durch die IGES interessiert (Frage Nr. 2.3 des genannten Schreibens) . Angesichts der so gefaßten Fragestellung ist es noch vertretbar, daß das MASGF in seiner Antwort das Datum der Auflösung des Treugutkontos mitgeteilt hat, ohne darüber Auskunft zu geben, ob und in welcher Weise es anschließend zu den vom Landesrechnungshof aufgezeigten Auszahlungen gekommen ist. Dem Antragsteller bleibt es auch insoweit unbenommen, durch gezieltes Nachfragen ergänzend um Auskunft nachzusuchen. Aus den genannten Gründen ist die Vorlage des Prüfberichts des Landesrechnungshofes, wie sie der Antragsteller der Antragsgegnerin aufzugeben beantragt, für die hier getroffene Entscheidung nicht erforderlich (vgl. § 23 Satz 1VerfGGBbg). | ||||||||||||||
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