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VerfGBbg, Beschluss vom 18. Oktober 2019 - VfGBbg 11/19 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 5 Abs. 2; LV, Art. 9
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 21 Satz 1; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- unzureichende Begründung
- Widerruf einer Strafaussetzung
- Widerruf der Bewährung
- Bewährung
- Bewährungswiderruf
- mehrfache Verlängerung der Strafaussetzung
- Ablauf der Bewährungszeit
- Widerruf der Strafaussetzung nach Ablauf der Bewährungszeit
- einstweilige Anordnung
- prozessuale Überholung
- Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung
- Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Grundrechtsverstoß
- Auseinandersetzung mit einschlägiger verfassungsrechtlicher Rechtsprechung

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. Oktober 2019 - VfGBbg 11/19 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 11/19 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

B.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt D.

 

wegen Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 16. August 2019 (82 BRs 28/12) und Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 19. September 2019 (25 Qs 57/19)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 18. Oktober 2019

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Dr. Lammer und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

                                               Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung.
 

I.

Der Beschwerdeführer war durch Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 21. Mai 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden. Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe wurde für die Dauer von drei Jahren ab Rechtskraft zur Bewährung ausgesetzt. In der Folgezeit wurde der Beschwerdeführer vom Amtsgericht Zehdenick und vom Amtsgericht Neuruppin zu Geldstrafen verurteilt, woraufhin das Amtsgericht Potsdam die Bewährungszeit jeweils verlängerte. Das Amtsgericht Neuruppin verurteilte den Beschwerdeführer im Juli 2016 zu einer weiteren Freiheitsstrafe von 6 Monaten, die später durch das Landgericht Neuruppin zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daraufhin verlängerte das Amtsgericht Potsdam die Bewährungszeit nochmals. Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 7. Juni 2017 zu einer Geldstrafe verurteilt. Am 11. September 2017 beging der Beschwerdeführer eine vorsätzliche Körperverletzung. Am 29. Mai 2018 endete die mehrfach verlängerte Bewährungszeit. Wegen der Körperverletzung wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Amtsgerichts Neuruppin am 27. Februar 2019 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt.
 

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft widerrief das Amtsgericht Potsdam am 16. August 2019 (82 BRs 28/12) die durch Beschluss vom 21. Mai 2012 gewährte und mehrfach verlängerte Strafaussetzung zur Bewährung. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde verwarf das Landgericht Potsdam mit Beschluss vom 19. September 2019 (25 Qs 57/19) als unbegründet.
 

II.

Der Beschwerdeführer hat am 14. Oktober 2019 Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Potsdam vom 16. August 2019 (82 BRs 28/12) und des Landgerichts Potsdam vom 19. September 2019 (25 Qs 57/19) erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 2 (Gesetzesvorbehalt, Verhältnismäßigkeitsprinzip, Wesensgehaltsgarantie, Zitiergebot) und Art. 9 (Freiheit der Person) Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung sei unverhältnismäßig, verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip und verkenne die Tragweite des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers. Die vom Amtsgericht Potsdam zur Begründung herangezogenen Verurteilungen rechtfertigten einen Bewährungswiderruf nicht. Da eine Verlängerung der Bewährungszeit nicht mehr in Betracht gekommen sei, habe eine Abwägung zwischen Widerruf der Bewährung und Tilgung der Strafe erfolgen müssen. In Anbetracht der Geringwertigkeit der Straftat erweise sich der Widerruf der Bewährung im Ergebnis als unverhältnismäßig. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Straftat bereits am 11. September 2017, mithin etwa zwei Jahre vor dem Widerruf, begangen worden sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die der Bewährungsstrafe zugrundeliegende Verurteilung im Zeitpunkt des Widerrufs bereits über sieben Jahre zurückliege. Aus diesem Grunde verstoße der Bewährungswiderruf auch gegen das rechtsstaatliche Gebot der Rechtssicherheit. Der Beschwerdeführer habe etwa zwei Jahre nach der letzten Tat und fünfzehn Monate nach Ablauf der Bewährungszeit nicht mehr mit dem Widerruf der Bewährung rechnen müssen.
 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
 

I.

1. Soweit sie sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 16. August 2019 (82 BRs 28/12) richtet, ist sie wegen prozessualer Überholung unzulässig. Eine solche tritt durch die vollständige Überprüfung einer Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch das Rechtsmittelgericht ein (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 10. Mai 2019 - VfGBbg 41/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn der Beschluss ist durch die nachfolgende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Potsdam vom 19. September 2019 ohne Einschränkungen im Prüfungsmaßstab inhaltlich bestätigt worden.
 

2. Bezüglich des angegriffenen landgerichtlichen Beschlusses genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung (§ 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg).
 

Erforderlich ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (vgl. Beschlüsse vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 9/17 - und vom 16. Dezember 2016 - VfGBbg 33/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, jeweils m. w. N.).
 

Die Beschwerdeschrift setzt sich mit dem eingehend begründeten Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 19. September 2019 (25 Qs 57/19) nicht auseinander und lässt daher eine Grundrechtsverletzung durch diesen Beschluss nicht als möglich erscheinen. Insbesondere genügt der pauschale Verweis auf eine Höchstfrist für den Widerruf von einem Jahr nach Ablauf der Bewährungszeit nicht. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers hat das Verfassungsgericht eine solche Frist nicht postuliert (vgl. Beschluss vom 25. Mai 2012 - VfGBbg 2/12 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).
 

C.

Mit der Verwerfung der Verfassungsbeschwerde erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
 

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Finck
   
Heinrich-Reichow Kirbach
   
Dr. Lammer Dr. Strauß