VerfGBbg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 97; LV; Art. 99 Satz 2; LV, Art. 99 Satz 3 - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2 - BbgFAG, § 3 Abs. 2 und 3; BbgFAG, § 8 Abs. 2; BbgFAG, § 16 |
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Schlagworte: | - kommunale Selbstverwaltung - Finanzhoheit - Finanzausstattung - Ausgleichsfonds - Begründungserfordernis - Subsidiarität |
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Fundstellen: | - LKV 12/2013, S. 554 ff. | |
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 68/11
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IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfahren der kommunalen Verfassungsbeschwerde
1. Stadt Brandenburg an der Havel,
vertreten durch die Oberbürgermeisterin,
Altstädtischer Markt 10,
14470 Brandenburg an der Havel,
2. Stadt Cottbus,
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Neumarkt 5,
03046 Cottbus,
3. Stadt Frankfurt (Oder),
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Marktplatz 1,
15230 Frankfurt (Oder),
Beschwerdeführerinnen zu 1) – 3),
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwälte D.,
wegen § 3 Abs. 1, Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 3 des Branden- burgischen Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Fin- anzausgleichsgesetzes vom 20. Dezember 2010 (GVBl I Nr. 44)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt
am 18. Oktober 2013
b e s c h l o s s e n:
Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e :
A.
Gegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde sind § 3 Abs. 1, Abs. 2 und § 8 Abs. 2 Satz 3 des Brandenburgischen Finanzausgleichgesetzes (BbgFAG) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes vom 20. Dezember 2010 (GVBl I Nr. 44). Diese Bestimmungen regeln die Mittelzuweisungen, die kreisfreie Städte aus dem kommunalen Finanzausgleich erhalten. Die Beschwerdeführerinnen sind kreisfreie Städte und beanstanden, die Zuweisungen seien nicht ausreichend, um die kommunalen Aufgaben erfüllen zu können.
I.
Die Gemeinden und Gemeindeverbände (Landkreise) des Landes erhalten zur Erfüllung ihrer Aufgaben, soweit ihre eigenen Einnahmen (Gebühren, Beiträge, Steuern – insbesondere Gewerbe- und Grundsteuer sowie Anteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer nach Art. 106 Abs. 5 und 5a Grundgesetz -, Kreisumlage) nicht auskömmlich sind, im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs Mittelzuweisungen nach dem Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetz (vgl. Art. 99 Satz 2 der Landesverfassung – LV -). Die für diese Zuweisungen zur Verfügung stehende Finanzausgleichsmasse nach § 1 Abs. 4 BbgFAG (im Zeitraum 2010 bis 2012 jährlich zwischen ca. 1.750.000.000 € und 1.900.000.000 €) besteht ganz überwiegend aus einem Anteil an den Steuereinnahmen und sonstigen Einnahmen des Landes (sog. Verbundmasse, § 1 Abs. 2 Satz 1 BbgFAG); dies entspricht Art. 99 Satz 3 LV, wonach im Rahmen des Finanzausgleichs die Gemeinden und Gemeindeverbände an den Steuereinnahmen des Landes angemessen zu beteiligen sind (vgl. auch Art. 106 Abs. 7 Grundgesetz).
Der Umfang der Verbundmasse (sog. Verbundquote) ist in § 3 Abs. 1 und 2 BbgFAG geregelt. Sie beträgt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgFAG 20 % der Landessteuern, der dem Land verbleibenden Einnahmen an der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie der Umsatzsteuer ohne den auf Leistungen nach § 17 BbgFAG entfallenden Anteil und der sonstigen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgFAG aufgeführten Einnahmen (insbesondere Mittel aus dem Länderfinanzausgleich und aus Bundesergänzungszuweisungen nach den §§ 4 - 10, 11 Abs. 2 Finanzausgleichsgesetz) sowie nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BbgFAG 40 % der dem Land zufließenden Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen (SoBEZ) gemäß § 11 Abs. 3 Finanzausgleichsgesetz. Die SoBEZ dienen dem Ausgleich teilungsbedingter Sonderlasten aus dem starken infrastrukturellen Nachholbedarf im Beitrittsgebiet. Sie werden nach der bisherigen gesetzlichen Regelung noch bis zum Jahre 2019 an die neuen Bundesländer und das Land Berlin gezahlt und verringern sich jährlich, für das Land Brandenburg im Umfang von ca. 100.000.000 € p. a. Im Jahre 2011 betrugen die genannten SoBEZ an das Land Brandenburg 1.150.061.000 €. Die Verbundquote ist seit Inkrafttreten des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes am 1. Januar 2005 unverändert geblieben. Der Anteil der Verbundmasse nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgFAG wird nach § 3 Abs. 2 BbgFAG um einen bestimmten Betrag gemindert (sog. Vorwegabzug). Diese Bestimmung wurde durch Art. 1 Nr. 1, Art. 4 des Gesetzes zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts im Haushalt vom 24. Mai 2005 (GVBl I S. 196, 197) zum 1. Januar 2006 eingeführt und legte den Umfang der Minderung auf 50.000.000 € fest. Mit Inkrafttreten des Dritten Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes vom 18. Dezember 2012 (GVBl I Nr. 43) am 1. Januar 2013 wurde § 3 Abs. 2 BbgFAG geändert. Danach beträgt die Vorwegabzug für die Ausgleichsjahre 2013, 2014 und 2015 nur noch 30.000.000 € (2013), 20.000.000 € (2014) und 10.000.000 € (2015).
§ 3 Abs. 5 Satz 1 BbgFAG sieht vor, dass nach dem Jahr 2007 die Verbundquote gemäß § 3 Abs. 1 BbgFAG im Hinblick auf die proportionale Verteilung der Finanzmittel und der Aufgabenwahrnehmung im Verhältnis von Land und Kommunen alle drei Jahre überprüft und bei Bedarf angepasst wird; in diesem Rhythmus erfolgt auch die Überprüfung des Vorwegabzugs, § 3 Abs. 3 BbgFAG.
Die Finanzausgleichsmasse wird – nach Entnahme eines Betrages von 17.000.000,00 € für die Förderung kommunaler Theater und Orchester gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BbgFAG - den Kommunen als allgemeine (§ 6 BbgFAG) und investive (§ 13 BbgFAG) Schlüsselzuweisungen, als Sonderlastenausgleich (§§ 14, 15 BbgFAG) und als zu beantragende Leistungen aus dem Ausgleichsfonds (§ 16 BbgFAG) zugeteilt. Soweit die Ausgleichsmasse nicht nach § 13 - 16 BbgFAG verwendet wird, wird sie gemäß § 5 Abs. 2 BbgFAG in Form allgemeiner Schlüsselzuweisungen wie folgt auf die Kommunen verteilt: 67,8 % für kreisangehörige Gemeinden und kreisfreie Städte für Gemeindeaufgaben, 28 % für Landkreise und 4,2 % für kreisfreie Städte für die Erfüllung von Kreisaufgaben.
Für die Schlüsselzuweisungsberechtigung von Kommunen nach § 6 Abs. 1, Abs. 3, § 13 BbgFAG ist entscheidend, ob und in welchem Umfang ihr Finanzbedarf ihre Finanzkraft übersteigt; dies gilt nicht für die allgemeinen Schlüsselzuweisungen an kreisfreie Städte für Kreisaufgaben, die nach § 6 Abs. 2 BbgFAG allein von der Einwohnerzahl abhängig sind. Die Finanzkraft wird durch die Steuerkraftmesszahl (§ 9 BbgFAG) bzw. – bei den Landkreisen – durch die Umlagekraftmesszahl (§ 12 BbgFAG) dargestellt, der Finanzbedarf, der die durchschnittliche Aufgabenbelastung einer Kommune zum Ausdruck bringt, durch die Bedarfsmesszahl (§ 7 BbgFAG für die Gemeinden; § 10 BbgFAG für die Landkreise). Maßgeblich für die Ermittlung der gemeindlichen Bedarfsmesszahl ist der an der Einwohnerzahl orientierte Bedarfsansatz (§ 7 Abs. 1 BbgFAG), der mit dem – für alle Gemeinden identischen – Grundbetrag nach § 7 Abs. 2 BbgFAG multipliziert wird. Der Bedarfsansatz wird nach § 8 Abs. 1 BbgFAG durch die Vervielfältigung der Einwohnerzahl mit dem nach Einwohnerzahlen gestaffelten Hauptansatz gemäß § 8 Abs. 2 BbgFAG gebildet. Der Hauptansatz liegt zwischen 100 % für Gemeinden bis zu 2.500 Einwohnern und 130 % für Gemeinden mit 55.000 Einwohnern, für kreisfreie Städte beträgt er nach § 8 Abs. 2 Satz 3 BbgFAG seit dem 1. Januar 2011 150 % (zuvor 145 %). Diese - auch „Einwohnerveredelung“ genannte – Differenzierung des Hauptansatzes nach der Einwohnerzahl beruht auf der Überlegung, dass eine größere Einwohnerschaft mit einer überproportional höheren Aufgabenbelastung verbunden sein dürfte. Nach § 8 Abs. 3 BbgFAG wird die Hauptansatzstaffel nach § 8 Abs. 2 BbgFAG für das Jahr 2010 und sodann alle drei Jahre überprüft und bei Bedarf angepasst. Durch die allgemeinen Schlüsselzuweisungen wird der Unterschiedsbetrag zwischen Bedarfsmesszahl und Steuerkraftmesszahl (bzw. Umlagekraftmesszahl) zu 75 % bei den Gemeinden und zu 90 % bei den Landkreisen ausgeglichen (§ 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BbgFAG).
Die turnusmäßige Überprüfung von Verbundquote, Vorwegabzug und Hauptansatzstaffel (§ 3 Abs. 5, Abs. 3, § 8 Abs. 3 BbgFAG) erfolgte zuletzt im Zusammenhang mit dem Erlass des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes vom 20. Dezember 2010 (GVBl I Nr. 44 – Zweites Änderungsgesetz). In diesem Rahmen holte die Landesregierung ein – von September 2009 datierendes - Gutachten des Sachverständigen V. zur Analyse der Entwicklung des Landeshaushalts und der kommunalen Haushalte im Zeitraum 2005 bis 2008 ein. Auf dem Zweiten Änderungsgesetz beruht die Erhöhung des Hauptansatzes für kreisfreie Städte von 145 % auf 150 %. Aufgrund einer Entschließung des Landtages vom 16. Dezember 2010 (Ds 5/2566-B) beauftragte die Landesregierung die Prof. J. und L. mit der Erstellung zweier finanzwissenschaftlicher Gutachten zur Fortschreibung des kommunalen Finanzausgleichs; insbesondere sollten die Aufgaben und Kosten analysiert werden, die den Kommunen aufgrund landes- und bundesgesetzlicher Regelungen im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe erwachsen. Die Gutachten liegen seit März 2012 vor.
Die von den Beschwerdeführerinnnen angegriffenen Vorschriften lauten:
§ 3 Verbundmasse
(1) Die Verbundmasse eines Ausgleichsjahres beträgt:
1. 20 vom Hundert der dem Land verbleibenden Einnahmen an der Einkommensteuer, der Umsatzsteuer ohne den auf § 17 entfallenden Anteil, der Landessteuern, des Landesanteils an der Gewerbesteuerumlage sowie der Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich nach den §§ 4 bis 10 des Finanzausgleichsgesetzes, der Bundesergänzungszuweisungen nach § 11 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes und der Einnahmen nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund vom 29. Mai 2009 (BGBl. I S. 1170) in der jeweils geltenden Fassung.
2. 40 vom Hundert der dem Land zufließenden Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen nach § 11 Abs. 3 des Finanzausgleichsgesetzes.
(2) Der Anteil der Verbundmasse nach Absatz 1 Nummer 1 wird im Ausgleichsjahr 2013 um einen Betrag von 50.000.000 Euro gemindert.
in der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung
(2) Der Anteil der Verbundmasse nach Absatz 1 Nummer 1 wird im Ausgleichsjahr 2013 um 30.000.000 Euro, 2014 um 20.000.000 Euro und 2015 um 10.000.000 Euro gemindert
(3) – (5) …
§ 8 Bedarfsansatz für die Gemeinden
(1) …
(2) Der Hauptansatz beträgt bei Gemeinden
bis zu 2500 Einwohnern 100 vom Hundert,
mit 7500 Einwohnern 105 vom Hundert,
mit 15000 Einwohnern 112 vom Hundert,
mit 35000 Einwohnern 120 vom Hundert,
mit 45000 Einwohnern 125 vom Hundert,
mit 55.000 Einwohnern 135 vom Hundert.
…
Für kreisfreie Städte beträgt der Ansatz 150 vom Hundert.
II.
Die Beschwerdeführerinnen haben am 19. Dezember 2011 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Die Stadt Potsdam, die ebenfalls kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben hatte, hat diese am 3. Februar 2012 zurückgenommmen. Die Beschwerdeführerinnen sind der Auffassung, die nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 3 BbgFAG vorgenommene Bestimmung von Finanzausgleichsmasse und Umfang der Mittelzuweisungen an sie missachte verfassungsrechtliche Vorgaben. Die Finanzausgleichsmasse und die Schlüsselzuweisungen seien nicht ausreichend, den Finanzbedarf zu decken, der sich aus ihren Aufgaben ergebe; infolgedessen könnten sie diese Aufgaben nicht sachgerecht wahrnehmen. Die angegriffenen Bestimmungen verletzten daher ihr Selbstverwaltungsrecht aus Art. 97 Abs. 1 LV, das auch einen gegen das Land gerichteten Anspruch auf eine zureichende Finanzausstattung umfasse.
1. Der Gesetzgeber habe im Rahmen der turnusmäßigen Überprüfung von Verbundquote und Hauptansatz seine – bereits in Art. 99 Satz 2 LV angelegte - Pflicht verletzt, den Aufgabenbestand der Kommunen und die sich hieraus für sie ergebenden finanziellen Belastungen zu ermitteln, um auf dieser Grundlage – durch Bemessung der Verbundquote - die vorhandenen Finanzmittel auf Land und Kommunen angemessen (= aufgabenadäquat) zu verteilen.
Er habe diese Pflicht auf den Sachverständigen V. übertragen und im Gesetzgebungsverfahren ausschließlich auf dessen Gutachten Bezug genommen und abgestellt, ohne sich hiermit inhaltlich auseinanderzusetzen. Diese unkritische Übernahme von Zuarbeiten externer Dritter sei mit Blick darauf verfassungswidrig, dass der Gesetzgeber einer gesteigerten Begründungspflicht unterliege, wenn er den Umfang der für den kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung stehenden Mittel und deren Verteilung auf die Kommunen festlege. Darüber hinaus orientiere sich das Gutachten im Zusammenhang mit der Überprüfung der Verbundquote einseitig an der – symmetrischen oder disparaten - Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Einnahmen des Landes und denen der Kommunen. Es fehle eine eingehende Analyse der kommunalen Aufgaben und des auf diesen beruhenden kommunalen Finanzbedarfs; diese Analyse könne das vom Sachverständigen in den Blick genommene tatsächliche Ausgabeverhalten der Kommunen, ermittelt auf der Grundlage statistischer Daten, nicht ersetzen.
2. Der Finanzbedarf der einzelnen Gemeinden könne nicht allein nach Maßgabe des einwohnerzentrierten Bedarfsansatzes (§ 8 Abs. 1, Abs. 2 BbgFAG) ermittelt werden. Der Gesetzgeber hätte prüfen müssen, ob der über diesen Ansatz errechnete Finanzbedarf die tatsächlichen Belastungen der Gemeinden aus ihrer Aufgabenerfüllung hinreichend präzise abbildet; auch hierfür hätte es einer aktuellen Aufgabenanalyse bedurft. Danach müsste der Hauptansatz für die kreisfreien Städte über 150 % betragen. Problematisch sei ferner, dass für alle kreisfreien Städte der Hauptansatz 150 % betrage, obwohl die einwohnerstärkste 80.000 Einwohner mehr habe als die einwohnerschwächste.
3. Der Vorwegabzug nach § 3 Abs. 2 BbgFAG sei systemfremd und verfassungswidrig; es gebe keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für ihn. Die Norm habe durch das Zweite Änderungsgesetz nicht aufrechterhalten werden dürfen. Wegen ihrer Unterfinanzierung infolge zu geringer Finanzausgleichsmasse und Mittelzuweisungen belaste sie der Vorwegabzug stärker als dies vor Erlass des genannten Gesetzes der Fall gewesen sei.
4. Wegen der Verfassungsverstöße im Zusammenhang mit der Überprüfung von Verbundquote, Hauptansatz und Vorwegabzug sei der Umfang der Finanzausgleichsmasse und der Zuweisungen, die sie als kreisfreie Städte erhielten, geringer als er ohne die Verfassungsverstöße gewesen wäre. Im Jahr 2011 hätten sie folgende Mittel aus dem Finanzausgleich erhalten: die Beschwerdeführerin zu 1) 61.461.775 €, die Beschwerdeführerin zu 2) 87.796.500,- € und die Beschwerdeführerin zu 3) 28.757.863 €. Diese Zuweisungen blieben deutlich hinter den tatsächlichen Ausgaben ihrer Aufgabenerfüllung bzw. dem hierfür erforderlichen Bedarf zurück. Dies ergebe sich aus der exemplarischen Betrachtung der Aufgabenbereiche „Straßenunterhaltung“, „Schulträgeraufgaben“, „Brandschutz“ und „Kindertagesstätten“ für die Jahre 2009 und 2011. Danach habe die Beschwerdeführerin zu 1) für die genannten Aufgabenbereiche einen (kumulierten) Finanzbedarf, der die ihr in den beiden Jahren insoweit zur Verfügung stehenden Mittel um 34.960.000,- € übersteige. Bei der Beschwerdeführerin zu 2) betrage dieses Defizit 30.790.000,- €, bei der Beschwerdeführerin zu 3) 17.270.000,- €.
Die Beschwerdeführerinnen beantragen
festzustellen, dass § 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 3 BbgFAG vom 29. Juni 2004 (GVBl I Nr. 12) in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2010(GVBl I Nr. 44) mit Art. 97 Abs. 1 und Abs. 2 LV unvereinbar und nichtig sind.
III.
1. Die Landesregierung hält die kommunale Verfassungsbeschwerde für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.
a. Die kommunale Verfassungsbeschwerde sei bereits mangels Beschwerdebefugnis insgesamt unzulässig. Die Beschwerdeführerinnen hätten nicht die Möglichkeit dargetan, in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt zu sein. Sie machten eine Beeinträchtigung ihrer Finanzhoheit in Gestalt des Anspruchs auf eine angemessene Finanzausstattung (Art. 97 Abs. 1 i. V. m. Art. 99 Satz 2 und 3 LV) geltend, hätten jedoch die für eine solche Feststellung erforderlichen konkreten Tatsachen nicht benannt. Die Ausführungen der Beschwerdeführerinnen zur Unterfinanzierung bestimmter Aufgabenbereiche ließen einen Rückschluss auf ihren Gesamthaushalt, ihr Vermögen bzw. Unvermögen zur Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben, den Umfang der Mittelverwendung für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben und – im Zusammenhang hiermit - die Ausschöpfung sämtlicher Einsparpotentiale nicht erkennen.
Darüber hinaus sei die kommunale Verfassungsbeschwerde nicht binnen der Jahresfrist des § 51 Abs. 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) erhoben worden, soweit sie sich gegen § 3 Abs. 1 und 2 BbgFAG in der Fassung des Zweiten Änderungsgesetzes richte. Die Verbundquote und der Vorwegabzug seien bereits zum 1. Januar 2005 (Verbundquote) bzw. zum 1. Januar 2006 (Vorwegabzug) festgelegt und durch das Zweite Änderungsgesetz nicht geändert worden.
b. Falls oder soweit die kommunale Verfassungsbeschwerde zulässig sein sollte, wäre sie unbegründet, weil das Zweite Änderungsgesetz das Selbstverwaltungsrecht in seiner Ausprägung als Finanzhoheit der Beschwerdeführerinnen nicht verletze.
Das Gesetz sei verfassungsgemäß zustandegekommen. Im Gesetzgebungsverfahren seien die kommunalen Spitzenverbände nach Art. 97 Abs. 4 LV rechtzeitig gehört worden und hätten ausreichend Gelegenheit gehabt, ihre Positionen zu dem Gesetzesvorhaben darzulegen und zu begründen. Der Gesetzgeber sei ferner seiner im Gesetzgebungsverfahren bestehenden Begründungs- und Darlegungspflicht nachgekommen, welche er als Kompensation für seinen weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum bei der Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs zu beachten habe. So habe er sich für die Frage der bedarfsgerechten Mittelverteilung und –zuweisung mit der Verteilung der Aufgaben und den mit diesen verbundenen Ausgaben zwischen Land und Kommunen auseinandergesetzt und dies in den Gesetzesmaterialien (Gesetzesbegründung und Protokolle der Sitzungen von Landtag und dessen Ausschüssen) transparent und nachvollziehbar dargelegt.
Das Gesetz sei auch materiell verfassungsgemäß. Eine Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerinnen auf eine angemessene Finanzausstattung bzw. finanzielle Mindestausstattung könne nicht festgestellt werden.
2. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg führt aus, dass die Beschwerdeführerinnen als kreisfreie Städte besonders von einer Unterfinanzierung betroffen seien, weil sie neben den gemeindlichen auch kreisliche Aufgaben sowie Aufgaben eines Oberzentrums zu erfüllen hätten. Insbesondere der signifikante Anstieg des Kostenaufwandes für die Kreisaufgabe Sozialhilfe (um 337 % von 2003 bis 2009) und Jugendhilfe (um 121 % von 2003 bis 2009) habe im Gesetzgebungsverfahren nicht die gebotene Würdigung erfahren. Darüber hinaus sei der Finanzbedarf aller Kommunen nicht hinlänglich ermittelt worden; auch die kreisangehörigen Gemeinden seien an der Finanzierung der Sozial- und Jugenhilfeausgaben mittelbar - über die Kreisumlage – beteiligt. Die Verbundquote nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgFAG hätte angehoben und der Vorwegabzug nach § 3 Abs. 2 BbgFAG beseitigt werden müssen; deren unveränderte Beibehaltung und die jährliche Verringerung der SoBEZ bedinge einen – dem Anstieg des Finanzbedarfs widersprechenden – Rückgang der Finanzzuweisungen an die Kommunen auf das Niveau des Jahres 1991.
3. Der Landkreistag Brandenburg weist ebenfalls darauf hin, dass in den vergangenen Jahren die Entwicklung der Finanzausgleichsmittel mit der exorbitanten Zunahme der kommunalen Kostenbelastung, insbesondere im Aufgabenbereich der sozialen Sicherung, nicht Schritt gehalten habe. Die Sozialausgaben hätten sich im Zeitraum 1999 bis 2009 etwa verdreifacht. Sie machten ca. 33 % der kommunalen Gesamtausgaben aus; die unmittelbare Ausgabenlast treffe die Landkreise zu ca. 84 %, die kreisfreien Städte zu ca. 16 %. Demgegenüber seien die Kreisschlüsselzuweisungen von 1999 bis 2011 nur um ca. 25 % gestiegen. Im Land Brandenburg bestehe insgesamt eine strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen. Das Gutachten aus September 2009 sei im Gesetzgebungsverfahren eine unzureichende Erkenntnisgrundlage gewesen, weil es eine tiefgreifende Analyse der kommunalen Einnahmen- und Ausgabesituation vermissen lasse. Auch habe der Sachverständige allein den Zeitraum 2005 bis 2008 betrachtet, ohne die krisenhafte Finanzentwicklung ab dem Jahr 2009 zu berücksichtigen, die etwa zu einer Verminderung der allgemeinen Schlüsselzuweisungen an die Landkreise von gut 15 % geführt habe. Verschärfend trete hinzu, dass der den Landkreisen und kreisfreien Städten zustehende Sonderlastenausgleich nach § 15 BbgFAG von jährlich 190.000.000,- € in den Jahren 2012 und 2013 um jeweils 55.000.000,- € geringer ausfalle. Das im Dezember 2010 in Auftrag gegebene Gutachten des Prof. J. habe den starken Belastungszuwachs bei den Kommunen und die Asymmetrie der Finanzmittelverteilung zwischen Land und Kommunen bestätigt. Der Sachverständige habe daher eine Erhöhung der Verbundquote um 1,427 % empfohlen, welche im Jahr 2011 zu einem Mehr an Mittelzuweisungen an die Kommunen im Umfang von 84.000.000,- € geführt hätte.
B.
Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdeführerinnen haben nicht ausreichend dargelegt, dass sie infolge zu geringer Bemessung von Finanzausgleichsmasse und Mittelzuweisungen aufgrund des Zweiten Änderungsgesetzes in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 97 Abs. 1 LV verletzt sein könnten (I.). Zudem steht der Grundsatz der Subsidiarität einer Sachentscheidung entgegen (II.).
I.
Die Beschwerdeführerinnen machen mit der kommunalen Verfassungsbeschwerde geltend, aus dem – durch das Zweite Änderungsgesetz ausgestalteten - kommunalen Finanzausgleich nicht die Mittelzuweisungen zu erhalten, die sie für die angemessene Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Als ursächlich hierfür betrachten sie eine verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügende Ermittlung des Finanzbedarfs aller Kommunen im Allgemeinen und der kreisfreien Städte im Besonderen, die ihren Ausdruck gefunden habe in einer unveränderten und damit zu niedrigen Verbundquote (§ 3 Abs. 1 BbgFAG), der Beibehaltung des Vorwegabzugs (§ 3 Abs. 2 BbgFAG) und einer unzureichenden Anhebung des Hauptansatzes für kreisfreie Städte (§ 8 Abs. 2 Satz 3 BbgFAG). Die Beschwerdeführerinnen sehen sich hierdurch in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt.
1.a. Das Institut der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 97 LV garantiert den Gemeinden und Gemeindeverbänden die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Der Einlösung dieser Garantie dienen der Grundsatz der Universalität des kommunalen Wirkungskreises (Allzuständigkeit der Kommunen für die in ihrem Gebiet anliegenden Aufgaben, Art. 97 Abs. 2 LV) sowie die die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung verbürgenden Hoheiten. Zu diesen zählt – neben der Organisations-, Planungs- und Personalhoheit – insbesondere die Finanzhoheit im Sinne einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft (Urteil vom 22. November 2007 – VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159, 188; Urteil vom 18. Dezember 1997 - VfGBbg 47/96 -, LVerfGE 7, 144, 155; BVerfGE 71, 25, 36). Um diese und damit eine sinnvolle Betätigung kommunaler Selbstverwaltung auch im Einzelfall zu gewährleisten, verschafft Art. 99 Satz 2 und 3 LV den Gemeinden und Gemeindeverbänden einen Anspruch auf eine angemessene (finanzielle Mindest-)Ausstattung, die ihnen die Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben und eines Minimums an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben ermöglicht (Urteil vom 22. November 2007, a. a. O., S. 188; Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237, 240 f). Damit gehören die in Erfüllung dieses Ausstattungsanspruchs erfolgenden Mittelzuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich zu den „Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung“, wie Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 Grundgesetz die Finanzhoheit beschreibt (Urteile vom 6. August 2013 – VfGBbg 53/11, 70/11, 71/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; Beschluss vom 18. Mai 2006 – VfGBbg 39/04 –, LVerfGE 17, 103, 113; Verfassungsgerichtshof Thüringen – ThürVerfGH -, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, LVerfGE 16, 593, 620 f).
b. Die Mittelzuweisungen werden aus der Finanzausgleichsmasse bestritten. Deren Umfang richtet sich maßgeblich nach der Verbundquote, also der Größe des den Kommunen – nach Art. 99 Satz 3 LV - zustehenden angemessenen Anteils an den Landessteuern und sonstigen Einnahmen des Landes (§ 3 Abs. 1 BbgFAG). Mit Blick darauf, dass Art. 99 Satz 2 und 3 LV insoweit keine näheren Vorgaben macht, bleibt dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum bei der Festlegung der Verbundquote. Er muss jedoch darauf achten, dass im Verhältnis von Land und Kommunen keine offensichtliche Disproportionalität zwischen der Verteilung der Finanzmittel und der Verteilung der Aufgaben herrscht oder eintritt (sog. Gebot der Verteilungssymmetrie) und hierfür die Aufgaben der Kommunen und des Landes überschlägig und möglichst realitätsgerecht gewichten; zudem muss er in regelmäßigen Abständen, mindestens alle drei Jahre, prüfen, ob die Verbundquote dem tatsächlichen Finanzbedarf der Kommunen noch gerecht wird (Urteile vom 22. November 2007, a. a. O., S. 192 und vom 16. September 1999, a. a. O., 243 f; § 3 Abs. 5 BbgFAG). Einen erheblichen Beurteilungsspielraum hat der Gesetzgeber ferner bei der durch Art. 99 Satz 2 und 3 LV gebotenen angemessenen (horizontalen) Verteilung der Finanzausgleichsmittel unter die Kommunen (Urteil vom 22. November 2007, a. a. O., S. 197); diese richtet sich u. a. nach dem für die Ermittlung des Finanzbedarfs der einzelnen Kommune maßgeblichen Hauptansatz (§ 8 Abs. 2 BbgFAG), der nach § 8 Abs. 2 Satz 3 für die kreisfreien Städte 150 % beträgt. Auch die Ausfüllung dieses Spielraums muss auf einer nachvollziehbaren und vertretbaren Einschätzung beruhen (Urteil vom 22. November 2007, a. a. O.), die der Gesetzgeber mindestens alle drei Jahre einer Prüfung zu unterziehen hat (Urteil vom 16. September 1999, a. a. O., S. 249; § 8 Abs. 5 BbgFAG).
2. Ausgehend von diesen Grundlagen haben die Beschwerdeführerinnen nicht die Möglichkeit aufgezeigt, wegen einer unzureichenden Finanzausstattung in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt zu sein.
a. Zur Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gehört nach dem Begründungserfordernis des § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg der Vortrag der Umstände, aus denen sich die Möglichkeit einer Verletzung in verfassungsmäßigen Rechten des Beschwerdeführers, mithin dessen Beschwerdebefugnis, ergibt (vgl. Beschluss vom 18. August 2005 – VfGBbg 41/05 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Für die Darlegung der Beschwerdebefugnis von Kommunen bezüglich einer Verletzung des Anspruchs auf eine angemessene (finanzielle Mindest-)Ausstattung aus Art. 97 Abs. 1, Art. 99 Satz 2 und 3 LV gilt nach der Rechtsprechung des Gerichts ein strenger Maßstab (vgl. etwa Beschluss vom 18. Mai 2006, a. a. O., S. 114). Allein das Vorbringen, der Gesetzgeber habe infolge (verfahrens-)fehlerhafter Überprüfung des kommunalen Finanzbedarfs nach Maßgabe des Gebots der Verteilungssymmetrie – unter Beibehaltung des Vorwegabzugs - die Verbundquote und den Hauptansatz zu niedrig festgesetzt, wird den danach bestehenden Begründungsanforderungen nicht gerecht. Das kommunale Verfassungsbeschwerdeverfahren folgt nicht den Regeln der abstrakten Normenkontrolle (Urteile vom 6. August 2013, a. a. O.; ThürVerfGH, Urteil vom 18. März 2010 – VerfGH 52/08 -, LVerfGE 21, 493, 499; zum Bundesrecht: BVerfGE 119, 331, 356), so dass allein schon eine etwaige Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 1, Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 3 BbgFAG dessen Erfolg nicht herbeizuführen vermag; auch kann eine Gemeinde nicht – gewissermaßen in Prozessstandschaft - die Rechte aller in ihrer Gesamtheit möglicherweise unterfinanzierten Kommunen als verletzt reklamieren (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 18. März 2010, a. a. O.). Notwendig ist vielmehr die Darlegung der beschwerdeführenden Kommune, dass sie selbst infolge verfassungswidriger Ausgestaltung des Finanzausgleichs über keine angemessene bzw. Mindest-Finanzausstattung verfügt, mithin in ihrem (eigenen) Selbstverwaltungsrecht beeinträchtigt ist. Hierfür muss sie ihre konkrete Haushaltslage aufzeigen und erläutern. Sie muss darlegen, über welche Finanzmittel sie verfügt, inwieweit sie diese zur Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben einsetzt und in welchem Umfang sie Mittel für die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben einsetzt (ThürVerfGH, Urteil vom 18. März 2010, a. a. O., S. 501), denn es obliegt der Gemeinde - wenn dies zur Finanzierung der Aufgabenerfüllung insgesamt erforderlich ist - ihren Aufwand für die Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben ggf. einzuschränken (Beschluss vom 18. Mai 2006, a. a. O.). Macht sie das Fehlen einer Mindestausstattung geltend, hat sie ferner darzutun, dass ihre finanzielle Situation und die Belastung mit Pflichtaufgaben ihr auch bei Ausschöpfung aller Einsparmöglichkeiten und Einnahmequellen keinerlei Spielraum für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben belässt (Urteil vom 22. November 2007, a. a. O., S. 186, 190; Beschluss vom 18. Mai 2006, a. a. O.).
b. Diesen Erfordernissen genügt der Vortrag der Beschwerdeführerinnen nicht. Sie legen nicht ihre gesamte Haushaltssituation umfassend dar, sondern beschränken sich auf (exemplarische) Ausführungen zu einem Ausschnitt ihrer Pflichtaufgaben sowie der für deren ordnungsgemäße Erfüllung anfallenden Kosten und der insoweit in ihrem Haushalt zur Verfügung stehenden bzw. gestellten (vermeintlich unzureichenden) Mittel, und zwar in den Bereichen Straßenunterhaltung, Schulträgeraufgaben, Brandschutz und Kindertagesstätten. Ein Überblick über die anderen Pflichtaufgaben und über den Bestand an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben und die Kosten, welche die Beschwerdeführerinnen für die Wahrnehmung dieser Aufgaben aufwenden, sowie Vortrag zu etwaigen Einsparpotentialen fehlen. Danach kann das Gericht von vornherein nicht beurteilen, ob die Beschwerdeführerinnen nicht die Ausgaben für andere Pflichtaufgaben sowie ihre Selbstverwaltungsaufgaben hätten reduzieren können, um die sachgerechte Erfüllung aller Pflichtaufgaben zu ermöglichen und zugleich in der Lage zu sein, sich in nennenswertem Umfang freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu widmen. Schließlich haben die Beschwerdeführerinnen nicht dargelegt, dass sie es im Jahr 2011 – dem ersten durch das Zweite Änderungesetz betroffenen Ausgleichsjahr - unternommen hätten, Leistungen aus dem Ausgleichsfonds nach § 16 BbgFAG zu erhalten und damit auch diese Einnahmequelle zu nutzen. Zwar ergibt sich aus dem Bescheid des Ministeriums des Inneren vom 20. Dezember 2010 (Teil der Anlage 7 zur Beschwerdeschrift) und der Übersicht auf Seite 22 des Schriftsatzes der Landesregierung vom 31. Mai 2012, dass die Beschwerdeführerin zu 2) im Jahre 2011 Sonderbedarfszuweisungen nach § 16 BbgFAG erhalten sollte und erhalten hat. Diese beruhten jedoch auf entsprechenden Anträgen aus dem Zeitraum November 2009 bis Juni 2010; der auf deren Grundlage mit dem Bescheid vom 20. Dezember 2010 bewilligte Betrag wurde lediglich teilweise im Jahr 2011 ausgezahlt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin zu 2) im Jahr 2011 Leistungen aus dem Ausgleichsfonds beantragt hat, was sie selbst auch nicht vorträgt. Dies spricht zudem dafür, dass die Beschwerdeführerinnen selbst im Jahr 2011 vom Vorhandensein zureichender Finanzmittel ausgegangen sind, denn die Sonderbedarfszuweisungen werden u. a. zur Sicherstellung der finanziellen Grundausstattung für die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben gewährt (§ 16 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BbgFAG; vgl. Beschluss vom 18. Mai 2006, a. a. O., S. 115).
II.
Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist ferner unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität verfassungsgerichtlichen Individualrechtsschutzes unzulässig. Zwar kann der Subsidiaritätsgrundsatz in Bezug auf kommunale Verfassungsbeschwerden nur eingeschränkte Geltung beanspruchen (vgl. zuletzt Urteile vom 6. August 2013, a. a. O.). Nach der Rechtsprechung des Gerichts kommt er aber jedenfalls dann zur Anwendung, wenn Kommunen eine Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts infolge unzulänglicher Finanzausstattung rügen. In diesen Fällen sind sie gehalten, gerade auf die Beseitigung derartiger Bedarfslagen zugeschnittene Zahlungen aus dem Ausgleichsfonds nach § 16 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BbgFAG zu beantragen, damit die Anrufung des Verfassungsgerichts entbehrlich wird (Beschluss vom 18. Mai 2006, a. a. O., S. 116; vgl. auch Urteil vom 22. November 2007, a. a. O., S. 187). Nach den vorstehenden Ausführungen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerinnen im Jahr 2011 keine Zuweisungen nach § 16 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BbgFAG beansprucht haben. Ein solches Vorgehen wäre auch nicht erkennbar ungeeignet gewesen, die finanzielle Situation der Beschwerdeführerinnen, wie diese sie darstellen, entscheidend oder zumindest wesentlich zu verbessern. Keine Beschwerdeführerin hat eine Unterfinanzierung vorgetragen, die es unmöglich gemacht hätte, ihr durch Leistungen aus dem – im Jahr 2011 mit 51.000.000 € gefüllten – Ausgleichsfonds über den Defizitausgleich hinaus auch noch Spielraum für die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben zu verschaffen.
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen, auch hinsichtlich § 22 Abs. 1 Alt. 2 VerfGGBbg. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Partikel | Schmidt |