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VerfGBbg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV; Art. 99 Satz 2; LV, Art. 99 Satz 3
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2
- BbgFAG, § 3 Abs. 2 und 3; BbgFAG, § 8 Abs. 2; BbgFAG, § 16
Schlagworte: - kommunale Selbstverwaltung
- Finanzhoheit
- Finanzausstattung
- Ausgleichsfonds
- Begründungserfordernis
- Subsidiarität
Fundstellen: - LKV 12/2013, S. 554 ff.
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - VfGBbg 68/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 68/11




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfahren der kommunalen Verfassungsbeschwerde

 

1. Stadt Brandenburg an der Havel,
vertreten durch die Oberbürgermeisterin,
Altstädtischer Markt 10,
14470 Brandenburg an der Havel,

 

2. Stadt Cottbus,
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Neumarkt 5,
03046 Cottbus,

 

3. Stadt Frankfurt (Oder),
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Marktplatz 1,
15230 Frankfurt (Oder),

 

                     Beschwer­deführerinnen zu 1) – 3),

 

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwälte D.,

                            

 

wegen § 3 Abs. 1, Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 3 des Branden- ­bur­gi­schen Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung des    Zweiten Geset­­­zes zur Änderung des Bran­denburgischen Fin-   anzaus­gleichs­ge­­setzes vom 20. Dezember 2010 (GVBl I Nr.   44)

 

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

 

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dre­sen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

 

am 18. Oktober 2013

 

 

b e s c h l o s s e n:

 

 

Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

 

G r ü n d e :

 

A.

Gegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde sind § 3   Abs. 1, Abs. 2 und § 8 Abs. 2 Satz 3 des Brandenburgischen Fin­­­anz­­aus­­­­gleichgesetzes (BbgFAG) in der Fassung des Zweiten Geset­zes zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichs­ge­­set­zes vom 20. Dezember 2010 (GVBl I Nr. 44). Diese Bestim­mun­­gen regeln die Mittelzuweisungen, die kreis­­­­­­­freie Städte aus dem kom­munalen Finanzausgleich erhalten. Die Beschwer­de­füh­re­rin­nen sind kreisfreie Städte und beanstan­den, die Zuweisungen seien nicht ausreichend, um die kommunalen Aufgaben erfüllen zu kön­nen.

 

I.

Die Gemeinden und Gemeindeverbände (Landkreise) des Landes erhal­­­­ten zur Erfüllung ihrer Aufgaben, soweit ihre eigenen Ein­­­nahmen (Gebühren, Beiträge, Steuern – ins­be­son­­­­dere Gewerbe- und Grundsteuer sowie Anteil an der Einkom­men- und Umsatzs­teuer nach Art. 106 Abs. 5 und 5a Grundgesetz -, Kreis­­umlage) nicht auskömmlich sind, im Rahmen des kom­mu­na­len Fin­anz­­aus­gleichs Mittelzuweisungen nach dem Bran­­den­bur­gi­schen Fin­­anz­­aus­­­­gleichs­gesetz (vgl. Art. 99 Satz 2 der Lan­de­s­ver­­­fas­sung – LV -). Die für diese Zuweisungen zur Verfügung ste­­­­­hende Fin­anz­­­aus­gleichs­masse nach § 1 Abs. 4 BbgFAG (im Zeit­­­­raum 2010 bis 2012 jährlich zwischen ca. 1.750.000.000 € und 1.900.000.000 €) besteht ganz über­­­­­­­­wie­gend aus einem Anteil an den Steuereinnahmen und son­­st­i­­­gen Ein­nahmen des Lan­des (sog. Ver­­bundmasse, § 1 Abs. 2 Satz 1 BbgFAG); dies ent­spricht   Art. 99 Satz 3 LV, wonach im Rahmen des Fin­anz­­aus­gleichs die Gemein­­­den und Gemein­de­verbände an den Steu­er­­ein­nah­­­­men des Lan­des ange­mes­­sen zu beteiligen sind (vgl. auch Art. 106 Abs. 7 Grund­­­ge­setz).

 

Der Umfang der Verbundmasse (sog. Verbundquote) ist in § 3 Abs. 1 und 2 BbgFAG gere­­­­­gelt. Sie beträgt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgFAG 20 % der Lan­­­des­­steuern, der dem Land verblei­ben­den Ein­­­­nahmen an der Ein­­­­­­­kommen- und Kör­per­schaft­steuer sowie der Umsat­­­­zsteuer ohne den auf Leistungen nach § 17 BbgFAG ent­fal­len­­­den Anteil und der sonstigen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgFAG auf­­geführten Ein­nah­­­­men (insbesondere Mit­tel aus dem Län­der­fin­anz­­­ausgleich und aus Bun­des­ergänzungs­zu­wei­sungen nach den §§ 4 - 10, 11 Abs. 2 Finanzaus­gleichs­ge­setz) sowie nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BbgFAG 40 % der dem Land zufließenden Son­der­be­darfs-Bun­des­er­­gä­­n­zungs­zuweisungen (SoBEZ) gemäß § 11 Abs. 3 Fin­anz­aus­gleich­­­sge­setz. Die SoBEZ dienen dem Ausgleich tei­lungs­be­ding­ter Sonderlasten aus dem starken infrastrukturellen Nach­hol­be­darf im Beitrittsgebiet. Sie wer­den nach der bis­he­ri­gen gesetz­­lichen Regelung noch bis zum Jahre 2019 an die neuen Bun­­desländer und das Land Berlin gezahlt und ver­rin­gern sich jähr­lich, für das Land Brandenburg im Umfang von ca. 100.000.000 € p. a. Im Jahre 2011 betrugen die genannten SoBEZ an das Land Brandenburg 1.150.061.000 €. Die Ver­bund­quote ist seit Inkrafttreten des Bran­­­­­denburgischen Fin­anz­aus­gleichs­ge­set­zes am 1. Januar 2005 unver­­­­­­ändert geblieben. Der Anteil der Ver­­bundmasse nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgFAG wird nach § 3 Abs. 2 BbgFAG um einen bestimm­­­ten Betrag gemindert (sog. Vor­weg­ab­zug). Diese Bestim­mung wurde durch Art. 1 Nr. 1, Art. 4 des Geset­zes zur Besei­tigung des struk­tu­rel­len Ungleich­ge­wichts im Haus­halt vom 24. Mai 2005 (GVBl I S. 196, 197) zum 1. Januar 2006 ein­ge­führt und legte den Umfang der Min­de­rung auf 50.000.000 € fest. Mit Inkrafttreten des Drit­­ten Gesetz zur Ände­­rung des Bran­­denburgischen Fin­anz­aus­gleichs­­ge­set­zes vom 18. Dezember 2012 (GVBl I Nr. 43) am 1. Janu­ar 2013 wurde § 3 Abs. 2 BbgFAG geändert. Danach beträgt die Vor­weg­abzug für die Aus­­­gleichs­jahre 2013, 2014 und 2015 nur noch 30.000.000 € (2013), 20.000.000 € (2014) und 10.000.000 € (2015).

 

§ 3 Abs. 5 Satz 1 BbgFAG sieht vor, dass nach dem Jahr 2007 die Ver­bundquote gemäß § 3 Abs. 1 BbgFAG im Hinblick auf die pro­­­­­por­­tionale Verteilung der Fin­anz­­mittel und der Auf­ga­ben­wahr­­­­neh­mung im Verhältnis von Land und Kommunen alle drei Jahre über­­prüft und bei Bedarf ange­passt wir­d; in diesem Rhyth­­­­mus erfolgt auch die Überprüfung des Vorwegabzugs, § 3 Abs. 3 BbgFAG.

 

Die Finanzausgleichsmasse wird – nach Entnahme eines Betrages von 17.000.000,00 € für die Förderung kommunaler Theater und Orchester gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BbgFAG - den Kommunen als all­­­­ge­mei­ne (§ 6 BbgFAG) und investive (§ 13 BbgFAG) Schlüs­­sel­zu­­­weisungen, als Sonderlastenausgleich (§§ 14, 15 BbgFAG) und als zu beantragende Leistungen aus dem Ausgleichsfonds (§ 16 BbgFAG) zuge­teilt. Soweit die Ausgleichsmasse nicht nach § 13 - 16 BbgFAG ver­­wendet wird, wird sie gemäß § 5 Abs. 2 BbgFAG in Form all­ge­­meiner Schlüs­selzuweisungen wie folgt auf die Kom­­­­­­mu­nen verteilt: 67,8 % für kreisangehörige Gemeinden und kreis­­freie Städte für Gemeindeaufgaben, 28 % für Landkreise und 4,2 % für kreis­­freie Städte für die Erfüllung von Kreis­auf­­­gaben.

 

Für die Schlüsselzuweisungsberechtigung von Kommunen nach § 6 Abs. 1, Abs. 3, § 13 BbgFAG ist entscheidend, ob und in wel­chem Umfang ihr Finanz­be­darf ihre Fin­anz­kraft übersteigt; dies gilt nicht für die all­­­­gemeinen Schlüs­­­sel­zuweisungen an kreis­freie Städte für Kreis­­aufgaben, die nach § 6 Abs. 2 BbgFAG allein von der Ein­woh­­­nerzahl abhängig sind. Die Finanzkraft wird durch die Steuer­kraft­­messzahl (§ 9 BbgFAG) bzw. – bei den Land­­­­kreisen – durch die Umlage­kraft­­messzahl (§ 12 BbgFAG) dar­ge­­stellt, der Finanzbedarf, der die durchschnittliche Auf­ga­ben­­­­­belastung einer Kommune zum Ausdruck bringt, durch die Bedarfs­­­­­­­messzahl (§ 7 BbgFAG für die Gemeinden; § 10 BbgFAG  für die Landkreise). Maß­geb­lich für die Ermittlung der gemeind­­­li­chen Bedarfsmesszahl ist der an der Einwohnerzahl orien­­tierte Bedarfs­­­­­­an­satz (§ 7 Abs. 1 BbgFAG), der mit dem – für alle Gemein­den identischen – Grundbetrag nach § 7 Abs. 2 BbgFAG mul­­­ti­pliziert wird. Der Bedarfsansatz wird nach § 8 Abs. 1 BbgFAG durch die Ver­viel­fältigung der Einwohnerzahl mit dem nach Ein­woh­ner­zah­len gestaffelten Haupt­an­satz gemäß § 8 Abs. 2 BbgFAG gebildet. Der Hauptansatz liegt zwischen 100 % für Gemeinden bis zu 2.500 Einwohnern und 130 % für Gemeinden mit 55.000 Ein­woh­nern, für kreisfreie Städte beträgt er nach  § 8 Abs. 2 Satz 3 BbgFAG seit dem 1. Januar 2011 150 % (zuvor 145 %). Diese - auch „Einwohnerveredelung“ genannte – Dif­fe­ren­­zie­rung des Haupt­an­sat­zes nach der Ein­woh­ner­­zahl beruht auf der Über­­legung, dass eine größere Ein­woh­ner­­­schaft mit einer über­­pro­portional höhe­ren Aufgabenbelastung ver­­bunden sein dürfte. Nach § 8 Abs. 3 BbgFAG wird die Haupt­an­satz­staf­­fel nach § 8 Abs. 2 BbgFAG für das Jahr 2010 und sodann alle drei Jahre überprüft und bei Bedarf angepasst. Durch die all­ge­mei­nen Schlüs­sel­zu­weisungen wird der Unterschiedsbetrag zwischen Bedarfs­­­messzahl und Steuerkraftmesszahl (bzw. Umlagekraft­mess­zahl) zu 75 % bei den Gemeinden und zu 90 % bei den Land­krei­sen ausgeglichen (§ 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BbgFAG).

 

Die turnusmäßige Überprüfung von Verbundquote, Vorwegabzug und Haupt­an­satz­staf­fel (§ 3 Abs. 5, Abs. 3, § 8 Abs. 3 BbgFAG) erfolgte zuletzt im Zusammenhang mit dem Erlass des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bran­den­bur­gischen Finanzausgleichs­ge­set­zes vom 20. Dezember 2010 (GVBl I Nr. 44 – Zweites Ände­rungs­­gesetz). In diesem Rahmen holte die Landesregierung ein – von Sep­tem­ber 2009 datierendes - Gut­ach­­ten des Sachver­stän­di­gen V. zur Analyse der Ent­wick­lung des Landeshaushalts und der kommunalen Haushalte im Zeitraum 2005 bis 2008 ein. Auf dem Zweiten Änderungsgesetz beruht die Erhöhung des Haupt­an­sat­­zes für kreisfreie Städte von 145 % auf 150 %. Auf­grund einer Ent­schließung des Land­ta­ges vom 16. Dezember 2010 (Ds 5/2566-B) beauftragte die La­n­de­­s­­re­gie­rung die Prof. J. und L. mit der Erstel­­­lung zweier finanz­wis­sen­schaft­licher Gut­ach­ten zur Fort­schreibung des kommunalen Fin­anz­ausgleichs; ins­besondere soll­ten die Aufgaben und Kosten ana­­­lysiert wer­den, die den Kom­mu­nen aufgrund landes- und bun­des­­­gesetzlicher Rege­lungen im Bereich der Sozial- und Jugend­hilfe erwachsen. Die Gut­ach­ten liegen seit März 2012 vor­.

 

Die von den Beschwerdeführerinnnen angegriffenen Vorschriften lauten:

 

§ 3 Verbundmasse

 

(1)    Die Verbundmasse eines Ausgleichsjahres beträgt:

 

1. 20 vom Hundert der dem Land verbleibenden Einnah­men an der Einkommensteuer, der Umsatzsteuer ohne den auf § 17 entfallenden Anteil, der Landes­steu­ern, des Landesanteils an der Gewerbesteuerum­lage sowie der Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich nach den §§ 4 bis 10 des Finanzausgleichsgesetzes, der Bundesergänzungszuweisungen nach § 11 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes und der Einnahmen nach dem Gesetz zur Regelung der finanziellen Kom­pen­­­sation zugunsten der Länder infolge der Über­tra­­­gung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeug­steuer auf den Bund vom 29. Mai 2009 (BGBl. I S. 1170) in der jeweils geltenden Fassung.

 

2. 40 vom Hundert der dem Land zufließenden Son­der­be­darfs-Ergänzungszuweisungen nach § 11 Abs. 3 des Fin­­­­­­anz­ausgleichsgesetzes.

 

(2)  Der Anteil der Verbundmasse nach Absatz 1 Nummer 1 wird im Ausgleichsjahr 2013 um einen Betrag von  50.000.000 Euro gemin­dert.

 

in der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung

 

(2)  Der Anteil der Verbundmasse nach Absatz 1 Nummer 1 wird im Ausgleichsjahr 2013 um 30.000.000 Euro, 2014 um 20.000.000 Euro und 2015 um 10.000.000 Euro gemin­dert

 

 

(3) – (5) …

 

§ 8 Bedarfsansatz für die Gemeinden

 

(1)  …

 

(2)  Der Hauptansatz beträgt bei Gemeinden

 

bis zu 2500 Einwohnern      100 vom Hundert,

          mit   7500 Einwohnern       105 vom Hundert,

mit   15000 Einwohnern      112 vom Hundert,

mit   35000 Einwohnern      120 vom Hundert,

mit   45000 Einwohnern      125 vom Hundert,

mit  55.000 Einwohnern      135 vom Hundert.

 

 

Für kreis­freie Städte beträgt der Ansatz 150 vom Hundert.

 

II.

Die Beschwerdeführerinnen haben am 19. Dezember 2011 kommunale Ver­­­fassungsbeschwerde erhoben. Die Stadt Potsdam, die eben­falls kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben hatte, hat diese am 3. Februar 2012 zurückgenommmen. Die Beschwerde­füh­re­rin­nen sind der Auffassung, die nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 3 BbgFAG vorgenommene Bestim­mung von Finanzausgleichsmasse und Umfang der Mit­tel­zuweisungen an sie missachte ver­fas­sungs­­recht­­­­­­­­­liche Vorgaben. Die Finanz­aus­gleich­s­­masse und die Schlüs­sel­­­­­­­­­­zuweisungen seien nicht aus­rei­ch­end, den Finanz­be­darf zu decken, der sich aus ihren Aufgaben ergebe; infolgedessen könn­­­­­­­­­ten sie diese Aufgaben nicht sach­ge­recht wahrnehmen. Die ange­­­­­­­­­griffenen Bestimmungen ver­let­zten daher ihr Selbst­ver­wal­tungs­­­­recht aus Art. 97 Abs. 1 LV, das auch einen gegen das Land gerichteten Anspruch auf eine zurei­ch­ende Fin­anz­­­aus­stat­tung umfasse.

 

1. Der Gesetzgeber habe im Rahmen der turnusmäßigen Über­prü­fung von Verbundquote und Hauptansatz seine – bereits in   Art. 99 Satz 2 LV angelegte - Pflicht verletzt, den Aufgaben­be­­stand der Kom­mu­nen und die sich hieraus für sie ergebenden fin­­an­ziel­­­len Bela­st­ungen zu ermitteln, um auf die­ser Grundlage – durch Bemes­sung der Verbundquote - die vorhan­de­nen Finanz­mit­­tel auf Land und Kom­munen angemessen (= aufgabenadäquat) zu ver­­­­­­­­tei­len.

 

Er habe diese Pflicht auf den Sachverständigen V. über­tra­gen und im Gesetzgebungsverfahren ausschließlich auf dessen Gut­­­ach­­ten Bezug genommen und abgestellt, ohne sich hiermit inhalt­­­­­­­lich auseinanderzusetzen. Diese unkritische Über­nahme von Zuarbei­ten externer Dritter sei mit Blick darauf ver­­fas­sungs­­­w­idrig, dass der Gesetzgeber einer gesteigerten Begrün­­­­dungs­­­­pflicht unterliege, wenn er den Umfang der für den kom­­­mu­na­­­­len Finanz­aus­gleich zur Verfügung stehenden Mittel und deren Ver­­­­teilung auf die Kommunen festlege. Darüber hinaus orien­­­tiere sich das Gutachten im Zusammenhang mit der Über­prü­fung der Verbundquote einseitig an der – symmetrischen oder dis­­pa­ra­­ten - Entwicklung des Verhältnis­ses zwischen den Ein­nah­men des Landes und denen der Kommunen. Es fehle eine ein­ge­hende Ana­­­­lyse der kommunalen Aufgaben und des auf die­sen beru­hen­­den kom­­­­­­munalen Finanzbedarfs; diese Analyse könne das vom Sach­­­ver­stän­­­­­­digen in den Blick genommene tatsächliche Aus­ga­­­be­­ver­­­­hal­ten der Kom­mu­nen, ermittelt auf der Grundlage sta­ti­st­i­scher Daten, nicht erset­zen.

 

2. Der Finanzbedarf der einzelnen Gemeinden könne nicht allein nach Maßgabe des einwohnerzentrierten Bedarfs­­­­ansatzes (§ 8 Abs. 1, Abs. 2 BbgFAG) ermittelt wer­den. Der Gesetzgeber hätte prü­­­fen müssen, ob der über diesen Ansatz errechnete Finanz­be­darf die tatsächlichen Belastungen der Gemeinden aus ihrer Auf­­­­­­­­­­gabenerfüllung hinreichend präzise abbildet; auch hierfür hätte es einer aktuellen Aufgabenanalyse bedurft. Danach müsste der Hauptansatz für die kreisfreien Städte über 150 % betra­­­­gen. Problematisch sei ferner, dass für alle kreisfreien Städte der Hauptansatz 150 % betrage, obwohl die ein­woh­ner­stärkste 80.000 Einwohner mehr habe als die einwohner­schwächste.

 

3. Der Vorwegabzug nach § 3 Abs. 2 BbgFAG sei systemfremd und ver­­­fassungswidrig; es gebe keine verfassungsrechtliche Recht­fer­­­­tigung für ihn. Die Norm habe durch das Zweite Ände­rungs­ge­setz nicht auf­rechterhalten werden dürfen. Wegen ihrer Unter­fin­­anzierung infolge zu geringer Fin­anz­aus­gleichs­mas­se und Mit­­telzuweisungen belaste sie der Vorwegabzug stär­ker als dies vor Erlass des genannten Gesetzes der Fall gewe­sen sei.

 

4. Wegen der Verfassungsverstöße im Zusammenhang mit der Über­prü­­­fung von Verbundquote, Hauptansatz und Vorwegabzug sei der Umfang der Finanzausgleichsmasse und der Zuweisungen, die sie als kreisfreie Städte erhielten, geringer als er ohne die Ver­fas­­­­­sungsverstöße gewesen wäre. Im Jahr 2011 hätten sie fol­gende Mittel aus dem Finanzausgleich erhalten: die Beschwer­de­füh­­rerin zu 1) 61.461.775 €, die Beschwer­deführerin zu 2) 87.796.500,- € und die Beschwerdeführerin zu 3) 28.757.863 €. Diese Zuweisungen blieben deut­lich hinter den tat­sächlichen Aus­­gaben ihrer Auf­ga­ben­er­fül­­­lung bzw. dem hier­für erfor­der­li­chen Bedarf zurück. Dies ergebe sich aus der exem­plarischen Betrach­­tung der Aufgabenbereiche „Stra­ßenun­ter­hal­tung“, „Schul­­trägeraufgaben“, „Brandschutz“ und „Kin­der­ta­ges­stätten“ für die Jahre 2009 und 2011. Danach habe die Beschwer­de­füh­re­rin zu 1) für die genannten Auf­ga­ben­be­­reiche einen (kumu­lier­ten) Fin­anzbedarf, der die ihr in den beiden Jahren insoweit zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mittel um 34.960.000,- € über­­steige. Bei der Beschwer­­­­de­füh­rerin zu 2) betrage dieses Defi­zit 30.790.000,- €, bei der Beschwer­de­füh­re­rin zu 3) 17.270.000,- €.

 

Die Beschwerdeführerinnen beantragen

 

festzustellen, dass § 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 3 BbgFAG vom 29. Juni 2004 (GVBl I Nr. 12) in der Fas­sung des Gesetzes vom 20. Dezember 2010(GVBl I Nr. 44) mit Art. 97 Abs. 1 und Abs. 2 LV unvereinbar und nich­tig sind.

 

III.

1. Die Landesregierung hält die kommunale Verfassungs­be­schwerde für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.

 

a. Die kommunale Verfassungsbeschwerde sei bereits mangels Beschwer­­debefugnis insgesamt unzulässig. Die Beschwerdeführe­rin­­­nen hät­ten nicht die Möglichkeit dargetan, in ihrem Selbst­ver­­­­wal­­­tungs­recht verletzt zu sein. Sie machten eine Beein­träch­­­­ti­gung ihrer Finanzhoheit in Gestalt des Anspruchs auf eine ange­­­messene Finanzausstattung (Art. 97 Abs. 1 i. V. m. Art. 99 Satz 2 und 3 LV) geltend, hätten jedoch die für eine sol­­che Feststellung erforderlichen konkreten Tatsachen nicht benannt. Die Ausführungen der Beschwerdeführerinnen zur Unter­fi­­n­­­­­an­zie­rung bestimmter Auf­ga­ben­bereiche ließen einen Rück­schluss auf ihren Gesamthaushalt, ihr Vermögen bzw. Unvermögen zur Erfül­lung ihrer Pflicht­aufgaben, den Umfang der Mit­tel­ver­wen­­dung für frei­wil­lige Selbstverwaltungsaufgaben und – im Zus­am­­­­men­hang hiermit - die Ausschöpfung sämtlicher Ein­spar­po­ten­­­tiale nicht erkennen.  

 

Darüber hinaus sei die kommunale Verfassungsbeschwerde nicht bin­­nen der Jahresfrist des § 51 Abs. 2 Verfassungsge­richts­­­­ge­setz Brandenburg (VerfGGBbg) erhoben worden, soweit sie sich gegen § 3 Abs. 1 und 2 BbgFAG in der Fassung des Zwei­­­­­ten Ände­rungs­­gesetzes richte. Die Verbundquote und der Vorwegabzug seien bereits zum 1. Januar 2005 (Verbund­quote) bzw. zum     1. Janu­ar 2006 (Vorwegabzug) fest­ge­legt und durch das Zweite Ände­rungsgesetz nicht geändert wor­den.

 

b. Falls oder soweit die kommunale Verfassungsbeschwerde zuläs­­­­­­sig sein sollte, wäre sie unbegründet, weil das Zweite Ände­­rungsgesetz das Selbstverwaltungsrecht in sei­ner Aus­prä­gung als Finanzhoheit der Beschwer­deführerinnen nicht ver­letze.

 

Das Gesetz sei verfassungsgemäß zustandegekommen. Im Gesetz­­­­ge­bungs­­verfahren seien die kommunalen Spit­zen­ver­bände nach   Art. 97 Abs. 4 LV rechtzeitig gehört worden und hätten aus­­­­rei­ch­end Gele­genheit gehabt, ihre Positionen zu dem Geset­zes­­vor­ha­ben dar­­zulegen und zu begründen. Der Gesetzgeber sei fer­­ner seiner im Geset­z­gebungsverfahren bestehenden Begründungs- und Dar­­le­gungs­pflicht nachgekommen, welche er als Kompensation für seinen wei­ten Ein­­schät­zungs- und Beurteilungsspiel­raum bei der Aus­­ge­stal­­tung des kommunalen Fin­anz­­ausgleichs zu beachten habe. So habe er sich für die Frage der bedarfsgerechten Mit­tel­­­verteilung und –zu­wei­sung mit der Ver­­­teilung der Aufgaben und den mit diesen ver­­­­bun­denen Aus­ga­ben zwischen Land und Kom­mu­­nen aus­ein­an­der­ge­setzt und dies in den Gesetzesmaterialien (Geset­­zesbegründung und Pro­to­kolle der Sit­zungen von Landtag und dessen Aus­schüs­sen) transparent und nach­vollziehbar dar­ge­legt.

 

Das Gesetz sei auch materiell verfassungsgemäß. Eine Ver­let­zung des Anspruchs der Beschwer­de­füh­re­rin­nen auf eine ange­mes­sene Fin­anz­ausstattung bzw. fin­an­­z­­­ielle Mindestausstattung könne nicht fest­ge­stellt werden.

 

2. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg führt aus, dass die Beschwerdeführerinnen als kreisfreie Städte besonders von einer Unterfinanzierung betroffen seien, weil sie neben den gemeind­­­­lichen auch kreisliche Aufgaben sowie Aufgaben eines Ober­­­zentrums zu erfül­len hätten. Insbesondere der signifikante Anstieg des Kostenaufwandes für die Kreisaufgabe Sozialhilfe (um 337 % von 2003 bis 2009) und Jugend­­hilfe (um 121 % von 2003 bis 2009) habe im Gesetzgebungsverfahren nicht die gebo­te­ne Wür­digung erfahren. Darüber hinaus sei der Finanzbedarf aller Kom­­­­munen nicht hinlänglich ermittelt worden; auch die kreis­­­angehörigen Gemeinden seien an der Finanzierung der Sozial- und Jugenhilfeausgaben mittelbar - über die Kreis­um­lage – beteiligt. Die Ver­bund­quote nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgFAG hätte angehoben und der Vor­weg­ab­zug nach § 3 Abs. 2 BbgFAG beseitigt werden müssen; de­ren unver­änderte Bei­be­hal­­tung und die jährliche Verringerung der SoBEZ bedinge einen – dem Anstieg des Finanzbedarfs wider­­spre­­ch­en­den – Rück­gang der Fin­­­­anz­­zuweisungen an die Kom­mu­nen auf das Niveau des Jahres 1991.

 

3. Der Landkreistag Brandenburg weist ebenfalls darauf hin, dass in den ver­­gangenen Jahren die Entwicklung der Fin­anz­aus­gleichs­­­­mit­­­tel mit der exorbitanten Zunahme der kommunalen Kost­en­­be­la­st­­ung, insbesondere im Aufgabenbereich der sozialen Siche­rung, nicht Schritt gehalten habe. Die Sozialausgaben hät­ten sich im Zeitraum 1999 bis 2009 etwa verdreifacht. Sie mach­ten ca. 33 % der kommunalen Gesamtausgaben aus; die unmit­telbare Aus­ga­­ben­last treffe die Landkreise zu ca. 84 %, die kreisfreien Städte zu ca. 16 %. Demgegenüber seien die Kreis­schlüsselzuweisungen von 1999 bis 2011 nur um ca. 25 % gestie­gen. Im Land Bran­den­burg bestehe ins­gesamt eine strukturelle Unter­­fin­an­zie­rung der Kom­­­munen. Das Gutachten aus Sep­tember 2009 sei im Gesetz­ge­bungs­­verfahren eine unzu­rei­chende Erkennt­nis­­grund­­lage gewesen, weil es eine tief­greifende Ana­lyse der kom­­mu­­nalen Einnahmen- und Ausga­be­si­tu­ation ver­mis­sen lasse. Auch habe der Sach­ver­stän­dige allein den Zeitraum 2005 bis 2008 betrachtet, ohne die kri­sen­hafte Fin­anz­ent­wick­lung ab dem Jahr 2009 zu berück­­sich­tigen, die etwa zu einer Ver­­minderung der allge­mei­nen Schlüs­­­sel­zu­we­i­sun­gen an die Land­kreise von gut 15 % geführt habe. Verschärfend trete hinzu, dass der den Land­­krei­sen und kreis­freien Städten zustehende Son­­der­­la­st­en­aus­gleich nach § 15 BbgFAG von jährlich 190.000.000,- € in den Jahren 2012 und 2013 um jeweils 55.000.000,- € geringer aus­falle. Das im Dez­em­ber 2010 in Auf­trag gegebene Gutachten des Prof. J. habe den star­­ken Belastungszuwachs bei den Kommunen und die Asym­metrie der Finanzmittelverteilung zwi­schen Land und Kom­munen bestä­tigt. Der Sachverständige habe daher eine Erhöhung der Ver­bund­­­­quote um 1,427 % empfohlen, welche im Jahr 2011 zu einem Mehr an Mittelzuweisungen an die Kom­munen im Umfang von 84.000.000,- € geführt hätte.

 

B.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwer­­deführerinnen haben nicht ausreichend dar­ge­­legt, dass sie infolge zu geringer Bemessung von Fin­anz­­aus­gleichs­masse und Mittelzuweisungen aufgrund des Zweiten Änderungsgesetzes in ihrem Selbst­ver­­waltungsrecht aus Art. 97 Abs. 1 LV verletzt sein könn­ten (I.). Zudem steht der Grundsatz der Sub­­­sidiarität einer Sachentscheidung entgegen (II.).

 

I.

Die Beschwerdeführerinnen machen mit der kommunalen Ver­fas­sungs­beschwerde geltend, aus dem – durch das Zweite Ände­rungs­ge­­setz aus­ge­stal­­teten - kommunalen Finanzausgleich nicht die Mit­­­­­­tel­zu­wei­sun­­­­gen zu erhalten, die sie für die angemessene Erfül­­­­lung ihrer Aufgaben benötigen. Als ursächlich hierfür betrach­­­ten sie eine verfassungsrechtlichen Anfor­de­run­gen nicht genü­gende Ermittlung des Finanzbedarfs aller Kom­mu­nen im All­ge­meinen und der kreisfreien Städte im Besonderen, die ihren Aus­­­druck gefun­den habe in einer unveränderten und damit zu nie­­d­rigen Ver­­bundquote (§ 3 Abs. 1 BbgFAG), der Beibehaltung des Vor­weg­ab­zugs (§ 3 Abs. 2 BbgFAG) und einer unzureichenden Anhe­­­­­­­bung des Hauptansatzes für kreisfreie Städte (§ 8 Abs. 2 Satz 3 BbgFAG). Die Beschwerdeführerinnen sehen sich hierdurch in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt.

 

1.a. Das Institut der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 97 LV ga­ran­tiert den Gemein­den und Gemeindeverbänden die eigen­ver­­­ant­­­­wort­liche Wahrnehmung der Ange­le­ge­n­hei­­ten der örtlichen Gemein­­schaft. Der Einlösung die­ser Garan­tie dienen der Grund­satz der Universalität des kommunalen Wirkungskreises (All­zu­stän­­­digkeit der Kommunen für die in ihrem Gebiet anlie­gen­den Au­f­­ga­ben, Art. 97 Abs. 2 LV) sowie die die Eigen­ver­­ant­­wort­­lich­­­keit der Aufgabenerfüllung verbürgenden Hohei­ten. Zu die­sen zählt – neben der Organisations-, Planungs- und Per­so­nal­ho­­­heit – insbesondere die Finanzhoheit im Sinne einer eigen­ver­­­­­antwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft (Urteil vom 22. November 2007 – VfGBbg 75/05 -, LVerfGE 18, 159, 188; Urteil vom 18. Dezember 1997 - VfGBbg 47/96 -, LVerfGE 7, 144, 155; BVerfGE 71, 25, 36). Um diese und damit eine sinnvolle Betä­­­­­tigung kommunaler Selbst­ver­wal­tung auch im Einzelfall zu gewähr­­­­­­leisten, verschafft Art. 99 Satz 2 und 3 LV den Gemein­den und Gemeindeverbänden einen Anspruch auf eine angemessene (fin­­­­anzielle Mindest-)Aus­stat­tung, die ihnen die Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben und eines Minimums an freiwilligen Selbs­­­t­­­­verwaltungsaufgaben ermöglicht (Urteil vom 22. Nov­em­ber 2007, a. a. O., S. 188; Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237, 240 f). Damit gehören die in Erfül­lung die­­ses Ausstattungsanspruchs erfolgen­den Mit­tel­zu­wei­sun­gen aus dem kommunalen Finanz­aus­gleich zu den „Grundlagen der fin­­­­an­ziel­­­len Eigen­ver­ant­wor­tung“, wie Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halb­­­­­satz 1 Grundgesetz die Fin­­­anz­hoheit beschreibt (Urteile vom 6. August 2013 – VfGBbg 53/11, 70/11, 71/11 -, www.verfas­sungs­gericht.brandenburg.de; Beschluss vom 18. Mai 2006 – VfGBbg 39/04 –, LVerfGE 17, 103, 113; Ver­fa­­s­­­­sungsgerichtshof Thü­­rin­gen – ThürVerfGH -, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, LVerfGE 16, 593, 620 f).

 

b. Die Mit­tel­zu­wei­sun­­gen werden aus der Finanzausgleichsmasse bestrit­­­ten. Deren Umfang richtet sich maßgeblich nach der Ver­bund­­­quote, also der Größe des den Kommunen – nach Art. 99 Satz 3 LV - zustehenden angemessenen Anteils an den Lan­des­steuern und son­­st­igen Ein­­­­nah­men des Landes (§ 3 Abs. 1 BbgFAG). Mit Blick darauf, dass Art. 99 Satz 2 und 3 LV insoweit keine nähe­­­­­ren Vor­­­­­­ga­ben macht, bleibt dem Gesetzgeber ein weiter Ermes­­­­­­sens­spiel­­­­raum bei der Festlegung der Verbund­quote. Er muss jedoch darauf achten, dass im Verhältnis von Land und Kom­­­­munen keine offen­­­­sichtliche Disproportionalität zwi­schen der Verteilung der Finanzmittel und der Verteilung der Auf­ga­ben herrscht oder ein­­tritt (sog. Gebot der Ver­tei­lungs­sym­me­trie) und hierfür die Auf­ga­ben der Kommunen und des Lan­des über­schlägig und mög­lichst rea­li­­tätsgerecht gewichten; zudem muss er in regel­mä­ßi­gen Abstän­den, mindestens alle drei Jahre, prü­fen, ob die Ver­­­bund­­­­quote dem tatsächlichen Finanz­be­darf der Kom­munen noch gerecht wird (Urteile vom 22. November 2007, a. a. O., S. 192 und vom 16. September 1999, a. a. O., 243 f; § 3 Abs. 5 BbgFAG). Einen erheb­li­chen Beurteilungs­spiel­­raum hat der Gesetz­­­­­geber ferner bei der durch Art. 99 Satz 2 und 3 LV gebo­te­­­­nen angemessenen (hori­zon­ta­len) Ver­tei­lung der Finanz­aus­­­gleichs­­­­mittel unter die Kom­munen (Urteil vom 22. November 2007, a. a. O., S. 197); diese richtet sich u. a. nach dem für die Ermittlung des Finanz­be­darfs der einzelnen Kom­­mune maß­geb­li­­­chen Haupt­ansatz (§ 8 Abs. 2 BbgFAG), der nach § 8 Abs. 2 Satz 3 für die kreisfreien Städte 150 % beträgt. Auch die Aus­­fül­lung die­ses Spielraums muss auf einer nach­voll­zieh­baren und ver­­­­tret­baren Einschätzung beruhen (Urteil vom 22. November 2007, a. a. O.), die der Gesetz­geber mindestens alle drei Jahre einer Prüfung zu unter­zie­hen hat (Urteil vom 16. Sep­tem­ber 1999, a. a. O., S. 249; § 8 Abs. 5 BbgFAG).

 

2. Ausgehend von diesen Grundlagen haben die Beschwer­de­füh­re­rin­­nen nicht die Möglichkeit aufgezeigt, wegen einer unzu­rei­chen­­den Finanzausstattung in ihrem Selbstverwaltungsrecht ver­letzt zu sein.

 

a. Zur Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gehört nach dem Begründungserfordernis des § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg der Vortrag der Umstände, aus denen sich die Möglichkeit einer Ver­­letzung in verfassungsmäßigen Rechten des Beschwer­de­füh­rers, mithin dessen Beschwerdebefugnis, ergibt (vgl. Beschluss vom 18. August 2005 – VfGBbg 41/05 -, www.verfas­sungs­gericht.brandenburg.de). Für die Darlegung der Beschwer­de­­­­­­­be­fug­nis von Kommunen bezüg­lich einer Ver­letzung des Anspruchs auf eine angemessene (fin­an­zielle Mindest-)Aus­stat­tung aus Art. 97 Abs. 1, Art. 99 Satz 2 und 3 LV gilt nach der Recht­­­spr­echung des Gerichts ein stren­ger Maßstab (vgl. etwa Beschluss vom 18. Mai 2006, a. a. O., S. 114). Allein das Vor­brin­­­­gen, der Gesetzgeber habe infolge (ver­­fah­­­­­­rens-)feh­ler­haf­ter Überprüfung des kommunalen Fin­anz­be­darfs nach Maß­gabe des Gebots der Verteilungssymmetrie – unter Bei­be­hal­tung des Vor­weg­abzugs - die Ver­bund­quote und den Haupt­­­an­satz zu niedrig fest­­­­­­gesetzt, wird den danach bestehenden Begründungsan­for­de­run­gen nicht gerecht. Das kom­munale Ver­­fassungsbeschwer­de­ver­fah­ren folgt nicht den Regeln der abstrak­­ten Normenkontrolle (Urteile vom 6. August 2013, a. a. O.; ThürVerfGH, Urteil vom 18. März 2010 – VerfGH 52/08 -, LVerfGE 21, 493, 499; zum Bun­des­­recht: BVerfGE 119, 331, 356), so dass allein schon eine etwa­ige Verfas­sungswidrigkeit von § 3 Abs. 1, Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 3 BbgFAG dessen Erfolg nicht herbeizuführen vermag; auch kann eine Gemeinde nicht – gewissermaßen in Pro­­zess­­stand­schaft - die Rechte aller in ihrer Gesamtheit möglicherweise unter­f­in­an­­­­zier­­ten Kom­­­munen als ver­letzt rekla­mieren (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 18. März 2010, a. a. O.). Not­wen­dig ist viel­mehr die Darlegung der beschwer­de­füh­ren­den Kommune, dass sie selbst infolge ver­fas­­sungswidriger Aus­ge­stal­­tung des Fin­anz­aus­gleichs über keine ange­­­messene bzw. Mindest-Fin­anz­aus­­­stat­tung verfügt, mit­hin in ihrem (eigenen) Selbst­­­ver­wal­tungs­­recht beeinträch­tigt ist. Hier­­für muss sie ihre konkrete Haus­­­­halts­lage auf­zei­gen und erläutern. Sie muss darlegen, über welche Fin­anz­­­­mittel sie verfügt, inwie­weit sie diese zur Erfül­­lung ihrer Pflicht­­­­­au­f­­gaben einsetzt und in wel­chem Umfang sie Mit­­­tel für die Wahr­­nehmung frei­wil­li­ger Selbst­­verwal­tungs­auf­­­ga­­­­ben ein­setzt (ThürVerfGH, Urteil vom 18. März 2010, a. a. O., S. 501), denn es obliegt der Gemeinde - wenn dies zur Fin­an­zierung der Auf­ga­­ben­erfüllung ins­­­­­­­ge­samt erfor­­derlich ist - ihren Auf­wand für die Wahr­nehmung frei­­­­­williger Aufgaben ggf. ein­zu­schrän­­ken (Beschluss vom 18. Mai 2006, a. a. O.). Macht sie das Fehlen einer Min­dest­aus­stat­­­tung gel­­­tend, hat sie fer­ner darzutun, dass ihre fin­an­zielle Situ­­a­tion und die Bela­st­ung mit Pflicht­auf­gaben ihr auch bei Aus­­schöpfung aller Ein­spar­­mög­­lichkeiten und Ein­nah­­me­quel­­len kei­ner­­lei Spielraum für frei­­­willige Selbst­­­ver­wal­tungs­auf­­­gaben belässt (Urteil vom 22. Nov­em­ber 2007, a. a. O., S. 186, 190; Beschluss vom 18. Mai 2006, a. a. O.).

 

b. Diesen Erfordernissen genügt der Vortrag der Beschwer­­de­füh­re­­­­­rinnen nicht. Sie legen nicht ihre gesamte Haushalts­si­tu­a­tion umfassend dar, sondern beschränken sich auf (exempla­ri­sche) Aus­füh­run­­gen zu einem Aus­­­schnitt ihrer Pflicht­aufgaben sowie der ­für deren ordnungsgemäße Erfüllung anfallenden Kosten und der inso­­­­weit in ihrem Haus­halt zur Ver­­fü­gung ste­hen­­den bzw. gestell­­­­ten (vermeintlich unzureichenden) Mittel, und zwar in den Bereichen Straßenunterhaltung, Schulträgerauf­ga­ben, Brandschutz und Kindertagesstätten. Ein Über­blick über die anderen Pflichtaufgaben und über den Bestand an freiwil­li­gen Selbst­ver­wal­tungs­auf­gaben und die Kosten, welche die Beschwer­deführerinnen für die Wahr­neh­mung die­ser Aufgaben auf­wen­den, sowie Vortrag zu etwa­i­gen Ein­spar­­­po­­tentialen fehlen. Danach kann das Gericht von vorn­herein nicht beur­­­teilen, ob die Beschwerdeführerinnen nicht die Aus­ga­­­ben für andere Pflicht­­­­­­­­­­aufgaben sowie ihre Selbstverwal­tungs­auf­­­­­ga­­ben hät­ten redu­­­­­zieren können, um die sachgerechte Erfül­lung aller Pflicht­­­­aufgaben zu ermöglichen und zugleich in der Lage zu sein, sich in nennens­wer­tem Umfang freiwilligen Selbst­­­­­­ver­wal­­­­tungs­­­­aufgaben zu widmen. Schließlich haben die Beschwer­­­de­füh­­­re­­­rinnen nicht dargelegt, dass sie es im Jahr 2011 – dem ersten durch das Zweite Änderungesetz betroffenen Aus­­­gleichs­jahr - unternommen hätten, Lei­­st­un­gen aus dem Aus­gleichs­­­fonds nach § 16 BbgFAG zu erhal­ten und damit auch diese Ein­­­­nah­me­quelle zu nutzen. Zwar ergibt sich aus dem Bescheid des Mini­­­­­­­steriums des Inneren vom 20. Dez­­em­ber 2010 (Teil der Anlage 7 zur Beschwerdeschrift) und der Übersicht auf Seite 22 des Schriftsatzes der Lan­des­re­gie­rung vom 31. Mai 2012, dass die Beschwerdeführerin zu 2) im Jahre 2011 Sonder­be­darfs­zuwei­sun­­­gen nach § 16 BbgFAG erhalten sollte und erhalten hat. Diese beruhten jedoch auf ent­spre­chen­­den Anträgen aus dem Zeit­­­­­raum November 2009 bis Juni 2010; der auf deren Grundlage mit dem Bescheid vom 20. Dezember 2010 bewilligte Betrag wurde ledig­­­­­lich teilweise im Jahr 2011 ausgezahlt. Es gibt keine Anhalts­punkte dafür, dass die Beschwerdeführerin zu 2) im Jahr 2011 Lei­­st­un­gen aus dem Aus­gleichs­fonds bean­­tragt hat, was sie selbst auch nicht vorträgt. Dies spricht zudem dafür, dass die Beschwer­de­füh­­­rerinnen selbst im Jahr 2011 vom Vorhandensein zu­­­­rei­­­­­chender Fin­anz­mittel ausgegangen sind, denn die Son­­der­be­darfs­­­zuweisungen werden u. a. zur Sicher­stel­lung der fin­an­ziel­­­len Grund­aus­­stat­tung für die Wahrnehmung frei­­­­williger Selbst­­­­ver­wal­tungs­­auf­gaben gewährt (§ 16 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BbgFAG; vgl. Beschluss vom 18. Mai 2006, a. a. O., S. 115).

 

II.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist ferner unter dem Gesichts­­punkt der Subsidiarität verfassungsgerichtlichen Indi­vi­­­­dualrechtsschutzes unzulässig. Zwar kann der Sub­si­di­ari­täts­grund­­satz in Bezug auf kommunale Verfassungsbeschwerden nur ein­­ge­schränkte Geltung beanspruchen (vgl. zuletzt Urteile vom 6. Au­­gust 2013, a. a. O.). Nach der Rechtsprechung des Gerichts kommt er aber jeden­falls dann zur Anwendung, wenn Kom­­­munen eine Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts infolge unzu­­­länglicher Finanz­aus­stattung rügen. In diesen Fällen sind sie gehalten, gerade auf die Beseitigung derartiger Bedarfs­la­gen zugeschnittene Zah­lun­gen aus dem Ausgleichsfonds nach § 16 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BbgFAG zu beantragen, damit die Anrufung des Ver­fas­sungs­ge­richts entbehrlich wird (Beschluss vom 18. Mai 2006, a. a. O., S. 116; vgl. auch Urteil vom 22. November 2007, a. a. O., S. 187). Nach den vorstehenden Ausführungen ist davon auszugehen, dass die Beschwer­de­füh­re­rin­nen im Jahr 2011 keine Zuweisungen nach § 16 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BbgFAG bean­sprucht haben. Ein solches Vorgehen wäre auch nicht erkenn­­­­bar unge­eig­net gewesen, die finanzielle Situation der Beschwer­de­füh­re­rin­nen, wie diese sie darstellen, entscheidend oder zumindest wesent­­lich zu verbessern. Keine Beschwerde­füh­re­rin hat eine Unter­­­fin­an­zie­­­­­rung vorgetragen, die es unmöglich gemacht hätte, ihr durch Lei­­­stungen aus dem – im Jahr 2011 mit 51.000.000 € gefüll­­ten – Aus­gleichs­­­­fonds über den Defi­zit­aus­­gleich hinaus auch noch Spiel­raum für die Wahrnehmung frei­wil­liger Selbst­ver­­­wal­tungs­auf­ga­ben zu verschaffen.

 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen, auch hinsichtlich § 22 Abs. 1 Alt. 2 VerfGGBbg. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Partikel Schmidt