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VerfGBbg, Beschluss vom 18. September 2020 - VfGBbg 15/20 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 8; LV, Art. 12 Abs. 1
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2
Schlagworte: - Corona
- Mindestabstand
- Schule
- Präsenzpflicht
- Fernunterricht
- Gesundheit
- Risikogruppe
- Vorabentscheidung
- Rechtsweg
- Rechtswegerschöpfung
- Verfassungsbeschwerde unzulässig
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. September 2020 - VfGBbg 15/20 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 15/20 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 71/20
VfGBbg 15/20 EA

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

B.,

Beschwerdeführer,

wegen

Präsenzpflicht und Abstandsregeln im Schulbetrieb; Rundschreiben 13/20 des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport vom 19. Juni 2020 (Abl. MBJS/20, [Nr. 22], S. 220)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 18. September 2020

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Dr. Lammer, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer ist Schüler in Brandenburg. Er wendet sich gegen den Regelschulbetrieb nach den Sommerferien 2020, welcher in einem Rundschreiben des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) vom 19. Juni 2020 angekündigt worden war. Unter anderem entfalle der verpflichtende Mindestabstand zwischen Schülern. Von der Präsenzpflicht befreit würden nur Schülerinnen und Schüler, für welche ein ärztliches Attest bestätige, dass sie oder eine in ihrem Haushalt lebende Person einer Risikogruppe zugehörig seien, sofern die Erziehungsberechtigten sich für ein Fernbleiben vom Präsenzschulbesuch entschieden.

Der Beschwerdeführer macht mit seiner am 15. September 2020 bei Gericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde geltend, die Wiederaufnahme des Schulbetriebs verletze das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 8 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) sowie den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 12 Abs. 1 LV. Der Rechtsweg sei nicht zu erschöpfen, da die Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung für alle Schülerinnen und Schüler des Landes sei und schwere gesundheitliche Nachteile für bestimmte Grundrechtsträger eintreten könnten. Die Verfassungsbeschwerde sei fristgerecht erhoben, weil seit der Bekanntgabe des Schreibens weniger als zwei vollständige Monate vergangen seien.

Trotz derzeit relativ niedriger Infektionszahlen sei davon auszugehen, dass sich im Schulbetrieb Schüler mit dem Coronavirus ansteckten, schon wegen der gleichzeitigen Anwesenheit vieler Personen über mehrere Stunden auf relativ engem Raum. Eine Infektion könne auch bei nicht der Risikogruppe zugehörigen Personen schwer oder tödlich verlaufen; eine Ungleichbehandlung der beiden Gruppen entgegen Art. 12 Abs. 1 LV sei nicht allein dadurch gerechtfertigt, dass das Risiko eines schweren Erkrankungsverlaufs bei der einen Gruppe höher sei. Fernunterricht stelle eine mildere Alternative zu der Präsenzverpflichtung in Schulen dar. Die Landesregierung sei in Wahrnehmung der staatlichen Schutzpflicht dazu verpflichtet, allen Schülern die Möglichkeit zu eröffnen, statt der Präsenz in der Schule auch von zu Hause aus am Unterricht teilzunehmen.

Der Beschwerdeführer beantragt, auch im Wege einstweiliger Anordnung,

das MBJS Brandenburg bis zur Zulassung eines Gegenmittels oder Impfstoffes mit hinreichender Wirksamkeit zu verpflichten,
1. die Pflicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht, außer für Prüfungen, Klausuren und Klassenarbeiten, auszusetzen und unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe die Entscheidung hierüber den Schülern bzw. deren Eltern zu überlassen;
2. für der Schule fernbleibende Schüler verpflichtenden Fernunterricht anzubieten, sowie
3. die Abstandsregelungen für alle Schulangehörigen wieder in Kraft zu setzen.

Die Landesregierung hat von der Einleitung des Verfahrens Kenntnis erhalten.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1, § 50 Abs. 1 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg nicht erschöpft, § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg. Zwar kann das Verfassungsgericht im Ausnahmefall über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs erhobene Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist, § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg. Diese Entscheidung steht jedoch im Ermessen des Gerichts (Beschluss vom 17. April 2020 ‌‑ VfGBbg 87/19 -, Rn. 21, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Das Verfassungsgericht hat keine Anhaltspunkte dafür, dass effektiver Rechtsschutz im verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Verfahren nicht erreicht werden kann.

C.

Mit der Verwerfung der Verfassungsbeschwerde erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Becker

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Dr. Lammer

Sokoll

Dr. Strauß