Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 18. September 2003 - VfGBbg 230/03 EA -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV, Art. 98
- VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 32 Abs. 7
- BRAGO, § 113 Abs. 2 Satz 3
Schlagworte: - kommunale Selbstverwaltung
- Gemeindegebietsreform
- Gegenstandswert
- Auslagenerstattung
Fundstellen:
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. September 2003 - VfGBbg 230/03 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 230/03 EA



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfahren über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung

Gemeinde Hindenberg,
vertreten durch das Amt Lindow (Mark),
dieses vertreten durch den Amtsdirektor,
Straße des Friedens 20,
16835 Lindow (Mark),

Antragstellerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.,

betrifft: kommunale Neugliederung;
hier: Antrag der Gemeinde Hindenberg (Amt Lindow [Mark]) auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Prof. Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse und Dr. Knippel

am 18. September 2003

b e s c h l o s s e n :

1. Für die Zeit bis zur Entscheidung über die kommunale Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin wird angeordnet:

a) Das Land Brandenburg und die Stadt Lindow (Mark) werden verpflichtet, keine aufschiebbaren Entscheidungen oder Maßnahmen zu treffen, die der Antragstellerin im Fall ihres Obsiegens in der Hauptsache die Wiederherstellung ihrer Selbständigkeit unzumutbar erschweren oder ihr nicht wiedergutzumachende Nachteile einbringen würden; insbesondere darf über bisher der Antragstellerin gehörendes Grundvermögen oder solches ihrer Eigengesellschaften nicht verfügt werden. Maßnahmen oder Entscheidungen mit Zustimmung des Ortsbeirates bzw. des Ortsbürgermeisters bleiben zulässig.

b) Der Stadt Lindow (Mark) wird aufgegeben, bei Aufstellung und Abwicklung des Haushaltes alle Vorgänge, die die Antragstellerin betreffen, zu kennzeichnen, soweit dies vom Aufwand her vertretbar ist.

2. Das Land Brandenburg hat der Antragstellerin die im einstweiligen Anordnungsverfahren entstehenden notwendigen Auslagen nach einem Gegenstandswert von 4.000,00 € zu erstatten.

G r ü n d e :

I.

Die Antragstellerin, eine amtsangehörige Gemeinde, wehrt sich mit einer kommunalen Verfassungsbeschwerde (VfGBbg 222/03) gegen ihre Auflösung durch die in § 20 des Fünften Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark (5. GemGebRefGBbg) vom 24. März 2003 (GVBl I S. 82) vorgesehene Eingliederung in die Stadt Lindow (Mark). Die Vorschrift tritt zufolge § 48 Satz 1 des 5. GemGebRefGBbg am Tage der nächsten landesweiten Kommunalwahlen in Kraft. Als Wahltag ist der 26. Oktober 2003 festgesetzt. Mit ihrem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung greift die Antragstellerin außerdem die zufolge § 48 Satz 2 des 5. GemGebRefGBbg am Tage nach der Verkündung in Kraft getretenen Vorschriften zu den Folgen der Gemeindegebietsreform (§§ 32 bis 41 des 5. GemGebRefGBbg) und Regelungen zu den Kommunalwahlen 2003 (§§ 42 bis 45 des 5. GemGebRefGBbg) an.

Die Antragstellerin beantragt,

bezüglich der §§ 20, 32 bis 45, 48 des 5. Gemeindegebietsreformgesetzes Brandenburg durch einstweilige Anordnung Wohlverhaltensgebote zu erteilen und Schutzanordnungen bis zu dem Zeitpunkt zu treffen, zu dem das Verfassungsgericht über die Kommunalverfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren entschieden hat.

Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Stadt Lindow (Mark) hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg.

Nach § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg - VerfGGBbg - kann das Landesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Hiernach hält es das Verfassungsgericht für veranlaßt, Vorkehrungen zu treffen, daß bis zu der Entscheidung über die kommunale Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin keine aufschiebbaren Entscheidungen oder Maßnahmen getroffen werden, die der Antragstellerin im Fall ihres Obsiegens in der Hauptsache die Wiederherstellung ihrer Selbständigkeit unzumutbar erschweren oder ihr nicht wiedergutzumachende Nachteile einbringen würden. Dem dient die einstweilige Anordnung zu Ziffer 2 a) der Entscheidungsformel (ebenso BVerfGE 91, 70, 72; ThürVerfGH LVerfGE 6, 373, 380; SächsVerfGH LKV 2000, 23, 25; VerfGH NW OVGE 30, 278, 279; s. auch Brinktrine/Unnerstall, LKV 2000, 330, 334 ff.). Sie hält das Land sowie die Stadt Lindow (Mark) für die Zeit bis zur Entscheidung der Hauptsache, um „unumkehrbare Verhältnisse“ zu vermeiden, zur Zurückhaltung gegenüber den Belangen der für ihre Selbständigkeit eintretenden Antragstellerin an. Als – nicht abschließendes – Beispiel hat das Gericht hervorgehoben, daß nicht über Grundvermögen der Antragstellerin und etwaiger Eigengesellschaften verfügt werden darf. Dies soll freilich Entscheidungen und Maßnahmen aller Art nicht im Wege stehen, die im wohlverstandenen Interesse der Antragstellerin liegen. Solche erfordern jedoch nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtes die Zustimmung des Ortsbeirates bzw., wo ein solcher nicht gebildet wird, des Ortsbürgermeisters.

Darüber hinaus gibt das Landesverfassungsgericht aus Gründen der Transparenz der Stadt Lindow (Mark) auf, bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei Aufstellung und Abwicklung des Haushaltes alle Vorgänge, die die Antragstellerin betreffen, zu kennzeichnen, soweit dies vom Aufwand her vertretbar ist (ebenso BVerfGE 91, 70, 73; ThürVerfGH LVerfGE 6, 373, 380; VerfGH NW OVGE 30, 278, 279).

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg und § 113 Abs. 2 Satz 3 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung. Der Gegenstandswert für das Verfahren der einstweiligen Anordnung war hier entsprechend dem von vornherein begrenzten Rechtsschutzziel auf 4000 € festzusetzen.
  

Dr. Macke Prof. Dr. Dombert
   
Prof. Dr. Harms-Ziegler Havemann
   
Dr. Jegutidse Dr. Knippel