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VerfGBbg, Beschluss vom 18. September 2003 - VfGBbg 139/03 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 47 Abs. 2
- EGBGB, Art. 232 § 4 Abs. 1
- SchuldRAnpG, § 23
Schlagworte: - Zivilrecht, materielles
- Wiedereinsetzung
- Begründungserfordernis
- Fristversäumung
- Beschwerdefrist
- Willkür
- Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts
- Prüfungsmaßstab
Fundstellen: - ZOV 2003, 378
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. September 2003 - VfGBbg 139/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 139/03



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

1. R. P.,

2. H.-W. P.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt R.,

gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. März 2003

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Prof. Dr. Dombert,
Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse und Dr. Knippel

am 18. September 2003

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. März 2003, durch das sie unter Abänderung einer gegenläufigen amtsgerichtlichen Entscheidung verurteilt wurden, ein von ihnen als Wochenendhaus-Aufstellplatz genutztes Grundstück an die Gemeinde S. herauszugeben und das darauf errichtete Wochenendhaus mit Flachdach samt gepflasterter Terrasse, Zuwegungen und Einfriedungen zu entfernen.

I.

Das Wochenendhaus haben die Beschwerdeführer von den Eltern des Beschwerdeführers zu 2. erworben. Im Vorfeld hatten sich die Beschwerdeführer um den Eintritt in den zwischen den Eltern des Beschwerdeführers zu 2. und der Gemeinde S. bestehenden Pachtvertrags bemüht. Nach Angaben der Beschwerdeführer habe die zuständige Sachbearbeiterin mündlich mitgeteilt, daß die Gemeinde mit dem Eintritt in den bestehenden Pachtvertrag einverstanden sei. Ein entsprechender schriftlicher Antrag der Beschwerdeführer vom 09. November 1993 konnte nicht bearbeitet werden, da der ursprüngliche Pachtvertrag nicht mehr auffindbar war. Unter dem 10. Dezember 1993 wurde ein Pachtvertrag zwischen den Beschwerdeführern und der Gemeinde S. geschlossen. Mit Schreiben vom 11. Oktober 1994 erhöhte die Gemeinde das Nutzungsentgelt unter Hinweis auf die Nutzungsentgeltverordnung. Mit Schreiben vom 14. Juli 1998 kündigte sie das Pachtverhältnis zum 31. Oktober 1998. Unter dem 03. Juni 1999 erhob eine Verwaltungsgesellschaft als Vertreterin der Gemeinde Räumungsklage gegen die Beschwerdeführer vor dem Amtsgericht.

Das Amtsgericht wies am 01. November 1999 die Klage unter Berufung auf die Rechtsprechung des Landgerichts Frankfurt (Oder) in vergleichbaren Fällen als unzulässig ab, da der Klageantrag zu unbestimmt sei. Die hiergegen durch die Kläger des Ausgangsverfahrens eingelegte Berufung hatte vollumfänglich Erfolg. Das Landgericht hielt den Klageantrag für hinreichend bestimmt und die Kündigung des Pachtvertrages für rechtswirksam. Insbesondere könnten die Beschwerdeführer sich nicht auf Kündigungsschutzvorschriften berufen, da der Pachtvertrag nach dem 02. Oktober 1990 geschlossen worden und keine Fortführung des ursprünglichen Pachtvertrags anzunehmen sei. Das Urteil des Landgerichts ging den Beschwerdeführern am 02. April 2003 zu.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist per Fax ohne Anlagen am 02. Juni 2003 und urschriftlich mit Anlagen am 04. Juni 2003 bei Gericht eingegangen. Auf - dem Verfahrensbevollmächtigten am 30. Juni 2003 zugegangen - Hinweis des Gerichts, daß sich die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde aus der Beschwerdeschrift allein nicht beurteilen lasse und die Beschwerdeschrift mit den Anlagen nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangen sei, beantragte der Verfahrensbevollmächtigte mit bei Gericht am 14. Juli 2003 eingegangenem Schriftsatz unter Verweis auf einen Fehler seiner Büroangestellten - der ihr trotz hinreichender Anleitung und Überwachung unterlaufen sei - Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.

Die Beschwerdeführer rügen sinngemäß die Verletzung des Willkürverbotes und der freien Entfaltung der Persönlichkeit durch das landgerichtliche Urteil. Das Landgericht sei willkürlich von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewichen, daß die Grundstücke genau - nach Katasterbezeichnung und mittels beglaubigtem Lageplan - zu bezeichnen seien. Zudem habe sich das Gericht selbst widersprochen. In der Zulässigkeitsprüfung habe das Gericht das Nutzungsentgelterhöhungsverlangen als rechtswirksam angesehen. Andererseits sei das Gericht für die Frage, ob auf das Pachtverhältnis das Schuldrechtsanpassungsgesetz anzuwenden sei, von der Unwirksamkeit des Nutzungsentgelterhöhungsverlangens ausgegangen. Schließlich sei das einfache Recht fehlerhaft angewendet und gegen einhellige Rechtsprechung verstoßen worden.

III.

Der Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder) hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

Eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführer (vgl. § 47 Abs. 2 des Verfassungsgerichtsgesetzes Brandenburg - VerfGGBbg -) erübrigt sich, weil die Verfassungsbeschwerde jedenfalls aus anderen Gründen unzulässig ist. Die Beschwerdebefugnis ist zu verneinen. Eine Verletzung der Beschwerdeführer in von der Landesverfassung gewährleisteten Grundrechten ist offensichtlich nicht gegeben.

I.

1. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot liegt ersichtlich nicht vor. Willkürlich ist eine Entscheidung erst dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist und sich deshalb der Schluß aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, vgl. etwa Beschlüsse vom 17. September 1992 - VfGBbg 18/92 -, LVerfGE 9, 95, 100; vom 16. April 1998 - VfGBbg 1/98 -, LVerfGE 8, 82, 86 f. und vom 20. Januar 1997 - VfGBbg 45/96 -, NJ 1997, 307 m.w.N.; für die entsprechende Rechtslage nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz: BVerfGE 80, 48, 51). Die Entscheidung muß ganz und gar unverständlich erscheinen und das Recht in einer Weise falsch anwenden, die jeden Auslegungs- und Bewertungsspielraum überschreitet (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 20. Dezember 2001 - VfGBbg 50/01 - und vom 14. August 1996 - VfGBbg 23/95 -, LVerfGE 5, 67, 72, m.w.N.). Ein derartiger Fall liegt nicht vor.

Das Landgericht hat sich nachvollziehbar auf den Standpunkt gestellt, daß die Beschwerdeführer unter dem 10. Dezember 1993 einen (ganz) neuen Pachtvertrag mit der Gemeinde S. geschlossen haben und nicht in den vormals bestehenden Pachtvertrag eingetreten sind. Dann aber kommt weder die Anwendung von § 23 des Schuldrechtsanpassungsgesetzes (vgl. dessen § 3) noch von Art. 232 § 4 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (vgl. auch dessen § 1) in Betracht. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Landgericht in der Frage des Nutzungsentgelterhöhungsverlangens auch nicht widersprüchlich argumentiert. Auf Seite 3 des Urteilsabdrucks wird lediglich für den Wert des Beschwerdegegenstandes (Berufungssumme nach § 511a Abs. 1 der Zivilprozeßordnung alter Fassung) von dem durch die Beschwerdeführer tatsächlich gezahlten Pachtzins ausgegangen, ohne die Rechtsgültigkeit des Erhöhungsverlangens vom 11. Oktober 1994 zu hinterfragen. Demgegenüber kam es für die Entscheidung des Landgerichts in der Sache darauf an, ob - und dabei handelt es sich um etwas anderes als um die Frage der Gültigkeit des Nutzungsentgelterhöhungsverlangens - in dem Pachtvertrag vom 10. Dezember 1993 oder den nachfolgenden Schreiben der Gemeinde S. eine (konkludente) Vertragsübernahme des früheren Pachtvertrags zu sehen sei und - für den Fall - besondere Kündigungsschutzvorschriften anwendbar seien. Von Verfassungs wegen ist es nicht zu beanstanden, daß das Landgericht von der Bezugnahme auf die Nutzungsentgeltverordnung in dem Erhöhungsverlangen vom 11. Oktober 1994 nicht auf die Anwendbarkeit der Kündigungsschutzvorschriften geschlossen hat. Eine derartige Bewertung dieses Schreibens ist durchaus vertretbar und jedenfalls nicht willkürlich.

Für den Fall, daß das Landgericht aus Anlaß des hier zugrundeliegenden Falles seine bisherige Rechtsprechung geändert hat, ist auch das von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Ein Gericht kann nicht gehindert sein, seine Rechtsprechung zu überprüfen und ggfls. zu anderen Ergebnissen zu kommen.

2. Schon angesichts der Vertretbarkeit der Entscheidung des Landgerichts ist auch für die Annahme einer Verletzung des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 10 Verfassung des Landes Brandenburg) durch diese Entscheidung von vornherein kein Raum.

II.

Soweit sich die Beschwerdeführer im übrigen kritisch mit dem Urteil des Landgerichts auseinandersetzen, ist darauf hinzuweisen, daß es nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichtes ist, die Entscheidungen der Fachgerichte nach Art eines Rechtsmittelgerichtes zu überprüfen und sich gleichsam an die Stelle des Fachgerichts zu setzen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 19. Juni 2003 - VfGBbg 113/02 -; vom 18. April 2002 – VfGBbg 7/02 - sowie vom 17. September 1998 - VfGBbg 18/98 -, LVerfGE 9, 95, 101 f.). Prüfungsmaßstab vor dem Landesverfassungsgericht ist allein die Landesverfassung. Sie ist hier nicht verletzt.
  

Dr. Macke Prof. Dr. Dombert
   
Prof. Dr. Harms-Ziegler Havemann
   
Dr. Jegutidse Dr. Knippel