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VerfGBbg, Beschluss vom 18. August 2005 - VfGBbg 245/03 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1
Schlagworte: - kommunale Selbstverwaltung
- Gemeindegebietsreform
- Verhältnismäßigkeit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. August 2005 - VfGBbg 245/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 245/03



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

Gemeinde Wolfshain,
vertreten durch das Amt Döbern-Land,
dieses vertreten durch den Amtsdirektor,
Forster Straße 8,
03159 Döbern,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte T., S. & Partner,

wegen: kommunale Neugliederung;
hier: Eingliederung der Gemeinde Wolfshain (Amt Döbern-Land) in die amtsangehörige Gemeinde Tschernitz

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Prof. Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Prof. Dr. Schröder und Prof. Dr. Will

am 18. August 2005

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem Amt Döbern-Land angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Eingliederung in die weiterhin amtsangehörige Gemeinde Tschernitz.

I.

1. Die Beschwerdeführerin, eine Gemeinde im äußeren Entwicklungsraum des Landes Brandenburg, gehörte zum nach dem sog. Modell 1 gebildeten Amt Döbern-Land. Die Beschwerdeführerin wird von West nach Ost von den im selben Amt liegenden Gemeinden Reuthen, Felixsee, der Stadt Döbern und der Gemeinde Tschernitz umgeben. Im Süden grenzt die Beschwerdeführerin an den Freistaat Sachsen. In den Jahren 2001 bis 2003 schlossen sich jeweils mehrere kleinere Gemeinden der benachbarten Ämter Hornow/Simmersdorf und Döbern-Land vertraglich zusammen. Danach gehörten noch sieben Gemeinden dem Amt Döbern-Land an, darunter als größte die Stadt Döbern mit ca. 4.050 Einwohnern sowie zwei Gemeinden unter 500 Einwohner (Reuthen mit knapp 300 und die Beschwerdeführerin mit ca. 420 Einwohnern). Die Nachbargemeinde Tschernitz hatte 1.360 Einwohner. Die Gemeinde Tschernitz und die Beschwerdeführerin betreiben ein gemeindeübergreifendes Gewerbegebiet, auf dem sich u.a. ein großer Betrieb der Elektronikbranche (Samsung Corning Deutschland GmbH) mit 600 Mitarbeitern und weiteren 300 Beschäftigten in Zulieferbetrieben niedergelassen hat.

Im Oktober 2000 sprach sich die Gemeindevertretung der Beschwerdeführerin für eine Eingliederung in die westlich der Gemeinde Reuthen gelegene Stadt Spremberg aus. Dem stimmten über 80 % der abstimmungsberechtigten Bürger der Beschwerdeführerin in einem Bürgerentscheid im Oktober 2001 zu. Ein Eingliederungsvertrag mit der Stadt Spremberg kam mangels Zustimmung des Innenministeriums nicht zustande. Nachdem zum 31. Dezember 2002 vier Gemeinden des Amtes Hornow/Simmersdorf (Graustein, Groß Luja, Lieskau und Türkendorf) vertraglich in die Stadt Spremberg eingegliedert wurden, löste sich dieses Amt im Jahr 2003 auf. Die verbliebenen drei Gemeinden dieses früheren Amtes mit 3.700 Einwohnern gliederten sich in das Amt Döbern-Land ein. Das größer gewordene Amt Döbern-Land hatte nunmehr ca. 14.500 Einwohner (Stand: 2001).

2. Ende April/Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Spree-Neiße versandt. Für die Anhörung der Bürger stand ein Monat zur Verfügung. Die Anhörung sollte vor dem Ende der Gemeindeanhörung abgeschlossen sein. Die Gemeindevertretung der Gemeinde Tschernitz strebte einen Zusammenschluß mit der Stadt Döbern zu einer amtsfreien Gemeinde an und sprach sich mit Beschluß vom 11. Juli 2002 für eine Eingliederung der Beschwerdeführerin aus, sofern diese freiwillig geschehe.

3. Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. Art. 1 § 29 des Entwurfs zum sechsten dieser Gesetze, zugleich § 29 des Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree, Spree-Neiße (6. GemGebRefGBbg) sah u.a. vor, die Beschwerdeführerin in die weiterhin amtsangehörige Gemeinde Tschernitz einzugliedern. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. Für den 23. Januar 2003 erging eine Einladung zur Anhörung der Beschwerdeführerin an den ehrenamtlichen Bürgermeister, der gegenüber dem Ausschuß den Gesetzentwurf ablehnte. Falls die Beschwerdeführerin nicht nach Spremberg eingegliedert werde, sei es ihr Wille, daß sie mit der Stadt Döbern sowie den Gemeinden Tschernitz und gegebenenfalls Reuthen zu einer amtsfreien Gemeinde zusammengeschlossen werde.

Die Gesetze wurden sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. § 29 des 6. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl. I S. 93), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. Art. 6 des Artikelgesetzes), lautet:

§ 29

Verwaltungseinheit Amt Döbern-Land

(1) Die Gemeinde Reuthen des Amtes Döbern-Land wird in die Gemeinde Felixsee des Amtes Döbern-Land eingegliedert.

(2) Die Gemeinde Wolfshain des Amtes Döbern-Land wird in die Gemeinde Tschernitz des Amtes Döbern-Land eingegliedert.

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 15. Oktober 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, ihre Eingliederung in die Gemeinde Tschernitz sei schon deshalb verfassungswidrig, weil diese Gemeinde und deren Bevölkerung nicht ordnungsgemäß angehört worden seien. Gründe des öffentlichen Wohls für die Eingliederung gebe es nicht. Das zugrundegelegte Leitbild sei sachwidrig. Dem Erhalt der Amtsstruktur sei einseitig der Vorrang vor dem Gemeindenerhalt eingeräumt worden. Das verfassungsmäßige Leitbild müsse aber stets die „Einheitsgemeinde“ sein. Das Amt Döbern-Land werde mit seinen acht Gemeinden ein „administrativer Moloch“ mit einer bürgerfernen Verwaltung werden. Der Gesetzgeber habe bereits die tatsächlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin nicht ausreichend ermittelt. Insbesondere sei die Beschwerdeführerin nicht mehr an die zentrale Kläranlage in Döbern gebunden, sondern verwirkliche ein eigenes Abwasserbeseitigungskonzept. Auch die Abwägung sei fehlerhaft. Dem Ergebnis der Bürgeranhörung und den Neugliederungsbemühungen der Beschwerdeführerin in der Freiwilligkeitsphase sei nicht das gebührende Gewicht beigemessen worden. Durch eine Zusammenlegung mit der höher verschuldeten Gemeinde Tschernitz werde die Beschwerdeführerin alle finanziellen Freiräume verlieren. Für ihr Gemeindegebiet habe die Beschwerdeführerin einen genehmigten Flächennutzungsplan und zwei Bebauungsplangebiete. Auf die Gemeinde Tschernitz sei sie insoweit nicht angewiesen. Es gebe aufgrund vielfältiger Einrichtungen und Angebote stärkere Verflechtungsbeziehungen zum ca. 13 km entfernten Mittelzentrum Spremberg als zur Gemeinde Tschernitz und zur Stadt Döbern, zumal die Beschwerdeführerin dem früheren Kreis Spremberg angehört habe und die Stadt Döbern dem früheren Kreis Forst. Die Beschwerdeführerin könne jedenfalls dann nach Spremberg eingegliedert werden, wenn der südliche Teil („Horlitza“) der Nachbargemeinde Reuthen abgetrennt und ebenfalls nach Spremberg eingegliedert werde. Dann gebe es auch kein Kragenamt. Sie wolle nicht daraus einen Nachteil erleiden, daß die Nachbargemeinde Reuthen nicht bereit sei, sich mit ihr - nach Spremberg oder Döbern - einzugliedern.

Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:

§ 29 Abs. 2 des Sechsten Gemeindegebietsreformgesetzes Brandenburg verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 97 Abs. 1 und Art. 98 Verfassung des Landes Brandenburg und ist nichtig.

III.

Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Gemeinde Tschernitz hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

B.


Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. 

I.

Sie ist gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend.

II.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt.

1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Insoweit wird zunächst im Hinblick auf die in einer Vielzahl von Verfahren im wesentlichen gleichlautend vorgebrachten Einwände auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes (vgl. u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203, und zuletzt ausführlich Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 118/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de) Bezug genommen.

Soweit die Beschwerdeführerin die Bürgeranhörung in der Nachbargemeinde Tschernitz beanstandet, weil dort kein Bürgerentscheid durchgeführt wurde, greift der Einwand nicht durch. Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV gebietet, daß vor einer Änderung des Gemeindegebietes die Bevölkerung der unmittelbar betroffenen Gebiete gehört wird. Einen förmlichen Bürgerentscheid verlangt die Verfassung insoweit nicht. Die öffentlich bekanntgemachte Auslegung des werktäglich zu den Dienstzeiten zugänglichen Gesetzentwurfs und zugehöriger Materialien in der Zeit vom 03. Juni bis 05. Juli 2002 für u.a. die Beschwerdeführerin und die Gemeinde Tschernitz in den Diensträumen der Amtsverwaltung in Döbern sowie in der Kreisverwaltung, verbunden mit der Gelegenheit für die Bürger, schriftlich - wenn gewünscht detailliert und differenziert - Stellung zu nehmen, genügte den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

Auch eine persönliche Anhörung des Bürgermeisters der Gemeinde Tschernitz vor dem Innenausschuß war von Verfassungs wegen nicht geboten. Der Gemeinde ist durch den Innenausschuß in hinreichendem Maße Gelegenheit gegeben worden, zum Gesetzentwurf schriftlich Stellung zu nehmen. Die den jeweiligen Einzelfall - etwa besonders umfangreiche bzw. vielgestaltige Problemlagen wie bei der Landeshauptstadt Potsdam - nicht außer Acht lassende Differenzierung des Gesetzgebers, grundsätzlich nur die nach Ansicht des Gesetzgebers aufzulösenden Gemeinden, vertreten durch einen Sprecher, vor dem Innenausschuß mündlich anzuhören, ansonsten allen Gemeinden eine schriftliche Anhörung zu gewähren, ist nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der kommunalen Gleichbehandlung liegt nicht vor. Die verschiedene Verfahrensgestaltung ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt, indem sie sich am Grad der Betroffenheit im Recht auf kommunale Selbstverwaltung orientierte.

2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tschernitz bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung.

a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe festlegen kann.

Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u.a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]).

Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –, [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573, 574; ständige Rechtspr., u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -, a.a.O.)

b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen:

aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt. Die örtlichen Verhältnisse und wesentlichen Strukturdaten der Beschwerdeführerin, der Nachbargemeinden wie auch der bisherigen Ämter sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. sog. Neugliederungssachverhalt in LT-Drucksache 3/5021, S. 453 ff.). Insbesondere erfaßte der Gesetzgeber die Einwohnerzahlen, Entfernungsverhältnisse und Verkehrsverbindungen im Amt Döbern-Land und darüber hinaus. Die Stadt Döbern wird als ein Grundzentrum angesehen. Dort befinden sich neben der Amts- und Stadtverwaltung eine Gesamtschule, eine betreute Jugendeinrichtung, ein Alten- und Pflegeheim, weitere soziale Dienste, Sportanlagen und vielfältige Einkaufs- und Dienstleistungseinrichtungen. Grundschulen gibt es in den amtsangehörigen Gemeinden Neiße-Malxetal (Ortsteil Groß Kölzig), Felixsee (Ortsteil Friedrichshain) und Tschernitz. Die Beschwerdeführerin verfügt über eine Kindertagesstätte. Besonderes Augenmerk hat der Gesetzgeber darauf gerichtet, daß die Gemeinde Tschernitz und die Beschwerdeführerin ein gemeindeübergreifendes Gewerbegebiet betreiben, auf dem sich u.a. ein großer Betrieb der Elektronikbranche (Samsung Corning Deutschland GmbH) mit 600 Mitarbeitern und weiteren 300 Beschäftigten in Zulieferbetrieben niedergelassen hat. Beide Gemeinden stellten hierfür eigenständige Bebauungspläne auf.

Es kommt nicht darauf an, ob der Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt hat. Etwa wie verbunden die Gemeinden im Detail jetzt sind, ist bei der Prognose zur Gemeindegebietsneugliederung von untergeordneter Bedeutung. Ins Gewicht fällt vielmehr, ob er die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten und es möglich ist, daß die Neugliederung bei Zugrundelegung des abweichenden Sachverhalts anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, UA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht geltend gemacht. Darauf, daß die Beschwerdeführerin nicht mehr die zentrale Kläranlage in Döbern nutzt, sondern ein eigenes Abwasserbeseitigungskonzept verfolgt, kam es dem Gesetzgeber nicht entscheidungstragend an. Die Sachverhaltsergänzungen der Beschwerdeführerin zu ihrer Finanzlage hat der Gesetzgeber bereits nach der Anhörung im Innenausschuß in seine Abwägung einbezogen (s. Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 29 des 6. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550, S. 3).

bb) Der Gesetzgeber gliedert aus Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV die Beschwerdeführerin neu. Die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tschernitz überwindet die bisherige Kleingliedrigkeit der Kommunen und erstrebt eine Stärkung ihrer Verwaltungskraft. Nachvollziehbar beruft der Gesetzgeber sich darauf, daß Ämter nicht weniger als 5.000 und amtsangehörige Gemeinden regelmäßig nicht weniger als 500 Einwohner haben sollen, auch sollten Ämter - vom Ausnahmefall eines Ämterzusammenschlusses abgesehen - aus nicht mehr als sechs Gemeinden bestehen (LT-Drucksache 3/5021, Leitbild 2 b) aa), bb) und cc). Eine diesem Leitbild widersprechende Ausgangssituation hat der Gesetzgeber vorgefunden.

(1)  Daß eine Stärkung der Verwaltungskraft, die Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen, ein Grund des öffentlichen Wohls ist, der eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermag, hat das Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zu dem Unterfall der Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 -). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen.

(2) Ein Neugliederungsbedarf ergab sich bereits aus der geringen Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin von nur ca. 420 Einwohnern. Soweit der Gesetzgeber seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin die Mindesteinwohnerzahl von 500 Einwohnern unterschreite (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 461, 464 und ebda. sein Leitbild unter 2. b) cc), S. 25), ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Die Landesverfassung steht der Einschätzung, daß sich aus einer geringen Einwohnerzahl der Gemeinde typisierend Rückschlüsse auf die (verminderte) Leistungsfähigkeit der Gemeinde ergeben, nicht entgegen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002, a.a.O.). Der Gesetzgeber war nicht gehalten, die bisherige Leistungskraft der Beschwerdeführerin als alleiniges und zwingendes Indiz für ihre künftige Leistungsfähigkeit zu werten.

(3) Auch die Begrenzung auf eine Höchstzahl von sechs einem einzelnen Amt angehörenden Gemeinden - wobei eine größere Anzahl ausnahmsweise als Folge eines Ämterzusammenschlusses zulässig sein soll - (2. b) aa) Sätze 3 und 4 des Leitbildes) ist ein dem öffentlichen Wohl dienendes Neugliederungsziel. Selbst nach einer Reihe vertraglicher Gemeindenzusammenschlüsse wies allein das Amt Döbern-Land vor der gesetzlichen Neugliederung sieben Gemeinden aus, darunter nur noch die Beschwerdeführerin und die Gemeinde Reuthen mit weniger als 500 Einwohnern. Die Eingliederung der dem Amt Hornow/Simmersdorf bislang angehörenden Gemeinden in das Amt Döbern-Land erhöhte nach dessen Auflösung die Zahl der dem - größer gewordenen - Amt Döbern-Land angehörigen Gemeinden zunächst weiter.

Dabei ist die Eingliederung der bisher dem Amt Hornow/Simmersdorf angehörenden Gemeinden mit ihren ca. 3.700 Einwohnern in das - in ihrer Nachbarschaft einzig verbleibende - Amt Döbern-Land ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht verfassungsrechtlich unbedenklichen Leitbildbestimmungen. Die Anzahl der Verwaltungseinheiten wurde reduziert. Die Vorgabe einer Mindestgröße für das Amt als Verwaltungseinheit im Leitbild (2. b) bb)) des Gesetzgebers ist ein dem öffentlichen Wohl dienendes Neugliederungsziel. Eine leistungsfähige Verwaltung setzt eine gewisse Einwohnerzahl voraus, die ein Mindestmaß an finanzieller Leistungskraft sicherstellt. Erst ab einer bestimmten Größe der Verwaltung ist es möglich, daß das hauptamtliche Personal spezialisierte Tätigkeitsbereiche erhält und die Behörde zeitgemäß ausgestattet wird. Dementsprechend sind auch in anderen Bundesländern bei Gemeindegebietsreformen je nach Bevölkerungsdichte und Siedlungsstruktur Mindestgrößen für die einzelne Verwaltungseinheit zugrunde gelegt worden. So wurde z.B. in Nordrhein-Westfalen für ländliche Orte eine Größe von 8.000, in Niedersachsen von 5.000, in Rheinland-Pfalz von 7.500 und in Schleswig-Holstein von 5.000 Einwohnern angestrebt (vgl. von Unruh/Thieme/Scheuner, Die Grundlagen der kommunalen Gebietsreform, 1981, S. 110). Auch in Bayern ist seinerzeit bei der Gemeindegebietsreform nicht nur der Richtwert von 5.000 Einwohnern pro Verwaltungseinheit (Einheitsgemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft), sondern auch ein Richtwert von 1.000 Einwohnern für die einzelne Mitgliedsgemeinde einer Verwaltungsgemeinschaft zugrunde gelegt worden. Derartige Vorgaben sind verfassungsgerichtlich jeweils unbeanstandet geblieben (siehe etwa VerfGH Sachsen, Urteil vom 18. November 1999 – Vf. 174-VIII-98 -; StGH Bad.-Württ., DVBl 1975, 385, 391; vgl. auch BayVGH, BayVBl 1979, 146, 148). Auch im Schrifttum werden Vorgaben nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen (s. etwa Hoppe/Stüer, DVBl 1992, S. 641, 652: Bildung von Verwaltungsgemeinschaften/Ämterverwaltungen mit „numerischen Vorgaben insbesondere für akzeptable Mindestzahlen von Einwohnern“), wenngleich zu der exakten zahlenmäßigen Fixierung der Mindestgröße unterschiedliche Auffassungen bestehen mögen. Wenn der Gesetzgeber sich in seinem Leitbild auf den hier in Rede stehenden Richtwert von 5.000 Einwohnern festgelegt hat, dann sind seine diesbezüglichen Wertungen und Erwägungen nicht offensichtlich fehlerhaft oder widerlegbar (so bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O. sowie u.a. Beschluß vom 26. Februar 2004 - VfGBbg 150/03 -, S. 17 f. des Entscheidungsabdrucks). Es ist daher leitbildgerecht, daß sich das diesen Richtwert deutlich unterschreitende Amt Hornow/Simmersdorf auflöste und die verbliebenen Gemeinden zum Nachbaramt Döbern-Land wechselten. Der Gesetzgeber brauchte weder diese Entwicklung noch die vertragliche Eingliederung einzelner kleiner Gemeinden des Amtes Hornow/Simmersdorf in die Stadt Spremberg zu unterbinden. Dies macht auch die Beschwerdeführerin nicht geltend.

Allerdings steigerte die Eingliederung der Gemeinden des früheren Amtes Hornow-Simmersdorf das Bedürfnis, leitbildgerecht die Zahl der amtsangehörigen Gemeinden möglichst zu reduzieren. In dieser Situation war der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert, - ebenso wie die Gemeinde Reuthen - gerade auch die Beschwerdeführerin in eine größere Einheit einzugemeinden. Die Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfs sind nachvollziehbar. Der Gesetzentwurf nennt beispielhaft, daß Amtszuschnitte mit einer größeren Anzahl von Gemeinden eine Vielzahl und große Verschiedenheit der von einem Amt wahrzunehmenden Verwaltungsaufgaben bedingten, z.B. die Betreuung und Beratung der Vertretungskörperschaften und ihrer Ausschüsse, Vorbereitung von Satzungs- und Beschlußvorlagen sowie von Wahlen und Abstimmungen, gemeindescharfe Berechnung von Haushaltsdaten, Steuern, Beiträgen und Gebühren und daß Verrechnungen zwischen den amtsangehörigen Gemeinden etwa für Kindertagesstätten, Schulen oder einen gemeinsam genutzten Bauhof des Amtes einen erheblichen Verwaltungsaufwand erforderten (LT-Drucksache 3/5021, S. 42 f.). Im Blick auf den darin liegenden Vorteil für die Bürger und (ggf. neugegliederten) Gemeinden des Amtes ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber eine gestraffte und vereinfachte Amtsstruktur anstrebte, um die Leistungsfähigkeit des Amtes zu erhöhen. Diesem Ziel folgte er gerade auch beim Zusammenschluß des Amtes Döbern-Land mit dem klein gewordenen Amt Hornow/Simmersdorf. Zugleich hat er entsprechend Satz 4 des Leitbildes 2. b) aa) unter Annahme einer hohen Differenz von Ausgangs- und Zielgröße der Gemeindenanzahl Sorge für eine möglichst schonende Vereinigung getragen, indem schließlich nicht sechs, sondern ausnahmsweise acht Gemeinden mit mehr als 500 Einwohnern das Amt bilden.

cc)  Zur Erreichung dieser Reformziele - zur Stärkung der Verwaltungskraft, Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen durch Überwindung ausgeprägter Kleingliedrigkeit - im Bereich der bisherigen Ämter Döbern-Land und Hornow/Simmersdorf einen nicht unerheblichen Beitrag zu leisten, ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tschernitz  nicht offensichtlich ungeeignet.

dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tschernitz ist nicht unverhältnismäßig.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für ihren Fortbestand sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Dies ist hier - nach der vertretbaren Wertung des Gesetzgebers - der Fall. Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls können der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.).

Der Gesetzgeber hat die Vor- und Nachteile seines Neugliederungsvorhabens hier in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt.

Angesichts der geringen Größe der Beschwerdeführerin von nur ca. 420 Einwohnern ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer Eingliederung in eine größere Verwaltungseinheit ausging. Für ihren Fortbestand als eigenständige (amtsangehörige) Gemeinde sind keine Besonderheiten im oben genannten Sinne geltend gemacht worden oder ersichtlich. Daß die Beschwerdeführerin einerseits über eine Rücklage in Höhe von 1,1 Mio. Euro verfügte, genügt nicht, zumal sie andererseits mit ca. 1.500 Euro pro Einwohner erheblich verschuldet und stark von Schlüsselzuweisungen abhängig ist.

Es ist angesichts der unmittelbaren Nachbarschaft und Verbundenheit der Beschwerdeführerin mit der Gemeinde Tschernitz verfassungsrechtlich unbedenklich, daß der Gesetzgeber gerade ihren Zusammenschluß bestimmt hat. Es ist nicht fehlsam, wenn der Gesetzgeber für seine Neugliederungsentscheidung insbesondere davon ausgeht, daß die Beschwerdeführerin und die Gemeinde Tschernitz aufgrund des gemeindeübergreifenden Gewerbegebietes und Industriestandortes enge Verbindungen unterhalten. Darauf, daß die Beschwerdeführerin ihre eigenen Planungen auch ohne Kooperation mit der Gemeinde Tschernitz betreiben kann, kommt es nicht an. Eine Verbesserung für beide bisherigen Gemeinden durch einheitliche Verwaltung des gemeinsamen Wirtschaftsraums durfte sich der Gesetzgeber zum Ziel der Eingemeindung setzen. Die Gemeindevertretung der Gemeinde Tschernitz hatte zudem bereits seit 2002 wiederholt ihre Bereitschaft bekundet, die Beschwerdeführerin aufzunehmen, wenngleich mit dem Wunsch verbunden, daß die Eingliederung freiwillig zustande komme.

Eine vorzugswürdige leitbildgerechte Alternative ist nicht gegeben. Der Gesetzgeber hat eine Eingliederung in die Stadt Spremberg, die mit ihrem östlichen Ausläufer in Gestalt der Ortsteile Lieskau und Graustein bis an die westliche Nachbargemeinde Reuthen der Beschwerdeführerin heranreicht ebenso erwogen wie einen Zusammenschluß mit den Gemeinden Tschernitz, Reuthen und der Stadt Döbern zu einer amtsfreien Stadt. Beides durfte er ablehnen. Die besondere Ausstrahlungswirkung der Stadt Spremberg als Mittelzentrum für ein sehr weites Umland einschließlich der Beschwerdeführerin mußte der Gesetzgeber nicht als entscheidend für die Neugliederung der Beschwerdeführerin ansehen, zumal insoweit keine Stadt-Umland-Probleme festzustellen waren. Den schmalen östlichen „Zipfel“ des Spremberger Stadtgebiets noch mehr zu verlängern, indem - unter Vermeidung einer auch von der Beschwerdeführerin nicht als Alternative gesehenen Exklave - nächstfolgend die Gemeinde Reuthen, bzw. zumindest ihr Siedlungsgebiet „Horlitza“, und daraufhin die Beschwerdeführerin nach Spremberg eingemeindet würden, brauchte der Gesetzgeber nicht als vorzugswürdig anzusehen. Er durfte unter Berücksichtigung mehrerer in den letzten Jahren freiwillig geschehener Eingliederungen nach Spremberg (Schwarze Pumpe, Sellessen, Groß Luja, Türkendorf, Graustein, Lieskau) sowie des Einwohnerzuwachses infolge der bergbaubedingten Umsiedlung der Einwohner der aufgelösten Gemeinde Haidemühl davon ausgehen, daß die Stadt einer weiteren Stärkung durch Eingliederungen nicht bedürfe und die Grenzen einer maßvollen Neugliederung überschritten würden. Dies um so mehr, als das Amt Döbern-Land mit der Ausgliederung der mit kürzestem Weg dem Zentrum des Amtes in der Stadt Döbern benachbarten Beschwerdeführerin einen für die Lebensfähigkeit dieses Gebietes erheblichen wirtschaftlichen Schwerpunkt verlieren würde. Mit der Bildung der amtsfreien Gemeinde nach der Vorstellung der Beschwerdeführerin wäre eine Zentralort-Umland-Problematik geschaffen worden, weil die verbleibenden Gemeinden der beiden früheren Ämter diese amtsfreie Gemeinde in Gestalt eines sogenannten „Kragenamtes“ weitgehend umschlossen hätten. Solche Problemlagen zu beseitigen - und auch nicht erst neu zu schaffen -, ist ein nicht zu beanstandendes und vom Landesverfassungsgericht wiederholt gebilligtes Ziel und Leitbild (Ziffer 2. c) Sätze 1 bis 4) der kommunalen Neugliederung (vgl. insbesondere zum „Kragenamt“: Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O.; Beschluß vom 09. Dezember 2004 - VfGBbg 22/03 - [Beutel]).

Es ist auch nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber ein - durch Zusammenschluß vergrößertes - Amt fortbestehen ließ und nicht aus zumindest einem Teil der amtsangehörigen Gemeinden einschließlich der Beschwerdeführerin eine amtsfreie Gemeinde geschaffen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes kann eine Gemeinde lediglich beanspruchen, daß ihr überhaupt eine geeignete (Amts-)Verwaltung, nicht aber daß sie in der bisherigen Form zur Verfügung steht (Beschluß vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 57/01 -, LKV 2002, 515 sowie Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, LKV 2002, 573, 574). Der Gesetzgeber konnte sich jedenfalls im äußeren Entwicklungsraum jenseits einer Stadt-Umland-Problematik für die Beibehaltung der Amtsstruktur entscheiden. Dafür daß die Verwaltung des um drei Gemeinden vergrößerten Amtes Döbern-Land zur Erfüllung der gegenwärtigen und absehbar künftig anstehenden kommunalen Aufgaben auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin nicht (mehr) geeignet sei, ist nichts ersichtlich. Vielmehr gibt es im Land Brandenburg, gerade in der Folge von Ämterzusammenschlüssen, vergleichbare bzw. flächenmäßig sogar größere funktionierende Ämter mit zudem weniger Einwohnern bzw. geringerer Wirtschaftskraft und ebenfalls acht amtsangehörigen Gemeinden (Ämter Lieberose/Oberspreewald und Peitz).

ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen.

Insbesondere war der Gesetzgeber nicht durch die finanziellen Folgen an einer Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Tschernitz gehindert. Für die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Von dieser Erwägung hat sich der Gesetzgeber bei der Ausübung seines Ermessens leiten lassen. Die Annahme des Gesetzgebers, daß die verschuldete Beschwerdeführerin - auch wenn die Finanzlage naturgemäß veränderlich ist - als Kleinstgemeinde wirtschaftlich gefährdet ist, aber durch den Gemeindezusammenschluß selbst mit der gegenwärtig höher verschuldeten und zugleich durch Betriebsansiedelungen prosperierenden größeren Gemeinde Tschernitz auf Dauer eine strukturelle Stärkung erfährt, ist beanstandungsfrei. Der Gesetzgeber wäre allerdings gehindert, eine Gemeinde zu bilden, deren Finanzausstattung evident unzureichend sein wird und in der für eine gemeindliche Selbstverwaltung auf Dauer kein Raum mehr ist. Eine derartige Gemeinde führte lediglich ein „Scheindasein“ (BVerfGE 1, 167, 175; vgl. auch Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 16. September 1998 - VfGBbg 28/98 -, LVerfGE 10, 237, 242). So liegen die Dinge aber bei der Beschwerdeführerin nicht. Sie erwartet nicht, daß die vergrößerte Gemeinde zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft überhaupt nicht mehr in der Lage wäre. Sofern sich die Beschwerdeführerin sorgt, künftig würden die vorhandenen Mittel nicht sinnvoll und gerecht auf das Gesamtgebiet verteilt, bestehen Anhaltspunkte für ein solches Verhalten der Gemeinde Tschernitz nicht. Kommunalpolitische Aufgaben, wie sie es auch in jeder anderen aus Ortsteilen bestehenden Gemeinde gibt, lassen sich zudem, wie zahlreiche Beispiele zeigen, auch bei einer gewissen mehrpoligen Gemeindestruktur mit Geschick so lösen, daß einzelne Ortsteile sich nicht dauernd ausgeschlossen fühlen.

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die aus der Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin und der weiteren Gemeinden des vergrößerten Amtsgebiets resultierenden Stellungnahmen und Ergebnisse von Bürgerbefragungen und -entscheiden (vgl. LT-Drucksache 3/5021, S. 447 ff.) zur beabsichtigten Neugliederung lagen im Landtag vor und sind damit in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber aber nicht gebunden. Das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er nicht dem Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin gefolgt ist, sondern - in Übereinstimmung mit dem Willen der Mehrzahl der Gemeinden beider Ämter und ihrer Einwohner zur Bildung eines größeren Amtes - den für die Eingliederung in die Gemeinde Tschernitz sprechenden Umständen mit dem Ziel, einerseits eine möglichst bürgernahe Selbstverwaltung der Gemeinden in einem Amt des äußeren Entwicklungsraums zu erhalten, zu diesem Zweck andererseits die Struktur des Amtes zu straffen und zu vereinfachen sowie seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen, das höhere Gewicht beigemessen hat.

C.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt. VerfGGBbg.
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dawin
   
Prof. Dr. Dombert Prof. Dr. Harms-Ziegler
   
Havemann Dr. Jegutidse
 
Prof. Dr. Schröder Prof. Dr. Will