VerfGBbg, Beschluss vom 18. August 2005 - VfGBbg 174/03 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1 | |
Schlagworte: | - kommunale Selbstverwaltung - Gemeindegebietsreform - Verhältnismäßigkeit |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 18. August 2005 - VfGBbg 174/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 174/03
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IM NAMEN DES VOLKES |
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In dem kommunalen
Verfassungsbeschwerdeverfahren der
Gemeinde Saalow, Beschwerdeführerin, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.,
hat das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg am 18. August 2005 b e s c h l o s s e n : Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen. G r ü n d e: A. Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem Amt Am Mellensee angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Auflösung durch Eingliederung in die neu gebildete amtsfreie Gemeinde Am Mellensee. I. 1. Die Beschwerdeführerin liegt im Norden des vormaligen Amtes Am Mellensee (Landkreis Teltow-Fläming) - einem Amt nach dem sog. Amtsmodell 1 mit Sitz der Amtsverwaltung im ca. 8 km südlich gelegenen Ortsteil Sperenberg (Landkreis Teltow-Fläming) - und grenzt südlich an die dem engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin zugehörige Gemeinde Glienick (vormals Amt Zossen) an. Das im äußeren Entwicklungsraum gelegene Amt bestand zum Zeitpunkt der gesetzlichen Neuregelung aufgrund mehrerer freiwilliger, zum 1. Februar 2002 wirksam gewordener Zusammenschlüsse anderer kleinerer Gemeinden mit der Gemeinde Am Mellensee neben der Beschwerdeführerin noch aus zwei weiteren amtsangehörigen Gemeinden (Am Mellensee mit 5.952 Einwohnern nach dem Zusammenschluß und Gadsdorf mit 173 Einwohnern). Das Gebiet der Beschwerdeführerin umfaßt drei räumlich voneinander getrennte Siedlungsbereiche, von denen einer unmittelbar an den Ortsteil Mellensee der Gemeinde Am Mellensee angrenzt. Ende 2001 lebten von den 6.997 Einwohnern des Amtgebietes 872 im Gebiet der Beschwerdeführerin. 2. Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern an die Beschwerdeführerin Unterlagen zu ihrer beabsichtigten Eingliederung in die neu zu bildende Gemeinde Am Mellensee mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Teltow-Fläming versandt. Für die Bürgeranhörung stand ein Monat zur Verfügung; sie sollte vor dem Ende der Gemeindeanhörung abgeschlossen sein. 3. Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. § 15 des Entwurfes zum Vierten Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Havelland, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming (4. GemGebRefGBbg) sah den Zusammenschluß der bisher dem Amt Am Mellensee zugehörigen Gemeinden zur neuen Gemeinde Am Mellensee vor. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 21. November 2002 eine Anhörung u.a. der Beschwerdeführerin zur beabsichtigten Neuregelung durch. Hierzu wurde deren ehrenamtlicher Bürgermeister geladen, welcher – nach Angaben der Beschwerdeführerin - die Anhörungsunterlagen 4 Wochen und 5 Tage vor dem Termin erhielt. Die Beschwerdeführerin kündigte eine schriftliche Stellungnahme an. Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. § 15 des 4. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl I S. 73), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. § 37 Satz 1 des 4. GemGebRefGBbg), lautet: § 15
II. Die Beschwerdeführerin hat am 16. Juni
2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht unter verschiedenen
Aspekten geltend, die Neugliederungsmaßnahme sei schon deshalb
verfassungswidrig, weil weder die Bevölkerung des unmittelbar betroffenen
Gebietes noch sie selbst (als Gemeinde) ordnungsgemäß angehört worden seien.
Beispielsweise unterschieden sich die Anhörungsunterlagen und der
Gesetzentwurf wesentlich. Die Anhörungsfehler seien „absolute
Nichtigkeitsgründe“. Auf Fragen der Kausalität komme es nicht an. Die Beschwerdeführerin beantragt zu erkennen:
III. Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die neu gebildete Gemeinde Am Mellensee hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. B. Die weitgehend zulässige kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. I. 1. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist
insofern unzulässig, als sie sich auch gegen die in § 15 Abs. 1 des 4.
GemGebRefGBbg geregelte Eingliederung der Gemeinde Gadsdorf in die neue
Gemeinde Am Mellensee und die in § 15 Abs. 2 Satz 1 des 4. GemGebRefGBbg
bestimmte Auflösung des bisherigen Amtes Am Mellensee richtet. Diesbezüglich
ist die Beschwerdeführerin nicht beschwerdebefugt. Eine amtsangehörige
Gemeinde kann nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichtes, die
entsprechend der (bloßen) verwaltungsmäßigen Hilfsfunktion des - wie immer
zustandegekommenen bisherigen - Amtes für jedwede spätere Änderung der
Amtszuordnung zu gelten hat, lediglich beanspruchen, daß ihr überhaupt eine
geeignete (Amts-)Verwaltung, nicht aber, daß sie ihr in der bisherigen Form
und in dem bisherigen Zuschnitt zur Verfügung steht (Beschluß vom 16. Mai
2002 - VfGBbg 57/01 -, LKV 2002, 515 sowie Urteil vom 29. August 2002 -
VfGBbg 34/01 -, LKV 2002, 573, 574). Soweit sich die kommunale
Verfassungsbeschwerde einer amtsangehörigen Gemeinde als begründet erweist
und sie (folglich) als amtsangehörige Gemeinde fortbesteht, hat das Land
dafür zu sorgen, daß ihr eine Verwaltung – durch Zuordnung zu einem Amt oder
Bildung eines neuen Amtes, notfalls auch unter Wiederbelebung der früheren
Amtsmodelle 2 oder 3 - zur Verfügung steht. Je nach Art der dann getroffenen
Regelung, die also gegebenenfalls abzuwarten bleibt, mag Anlaß für eine
darauf bezogene gerichtliche Überprüfung bestehen. Festhalten an dem einmal
gefundenen Zuschnitt der Amtsverwaltung kann die einzelne Gemeinde das Land
aber grundsätzlich nicht. Auch soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die
Zuordnung der Gemeinde Gadsdorf wendet, sind Gesichtspunkte für eine
Beschwer nicht ersichtlich. II. Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür ebenfalls nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt. 1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit von der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin in einer Vielzahl von Verfahren kommunaler Verfassungsbeschwerden im wesentlichen gleichlautend vorgebrachten Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg (vgl. u.a. Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203) Bezug genommen. Auch die von der Beschwerdeführerin in Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung vorgebrachten Einwände im Schriftsatz vom 24. Februar 2004 geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 24. Juni 2004 - VfGBbg 162/03 -, zuletzt ausführlich: Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 118/03 -). 2. Auch materiell ist die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die neue Gemeinde Am Mellensee mit der Landesverfassung vereinbar. a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann. Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]; SächsVerfGH, Urteile vom 18. Juni 1999 - Vf. 51-VIII-98 - LVerfGE 10, 375, 394 [Markkleeberg] und vom 5. November 1999 - Vf. 133-VII-98 -, UA S. 13; ThürVerfGH LVerfGE 5, 391, 427 f. [Jena]). Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –, UA S. 20, LKV 2002, 573, 575; ständige Rechtspr., zuletzt Beschluß vom 22. April 2004 – VfGBbg 182/03 – UA S. 16). Unter mehreren offensichtlich gleich gut geeigneten Lösungen muß der Gesetzgeber allerdings diejenige auswählen, die für die betroffene Gemeinde weniger belastend ist und in ihre Rechtssphäre weniger intensiv eingreift (VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, UA S. 31 f; StGH BW, Urteil vom 14. Februar 1975 - GR 11/74 -, NJW 1975, 1205, 1212). b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Am Mellensee Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen: aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt. Die örtlichen Verhältnisse und wesentlichen Strukturdaten der Beschwerdeführerin sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (vgl. „Neugliederungssachverhalt“: LT-Drucksache 3/4883, S. 267 ff.). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin handelt es sich nicht um „bedeutungslose Mittelungen..., denen ein Mangel an Arbeitssorgfalt und Seriosität attestiert werden kann“, sondern um eine durch Tatsachen untermauerte Zustandsbeschreibung. So wurde festgestellt, daß sich auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin eine Arztpraxis sowie eine Pflege- und Betreuungseinrichtung des Deutschen Roten Kreuzes befinden und eine Feuerwehr unterhalten wird. Es sind drei landwirtschaftliche Kleinunternehmen ansässig. Es besteht eine Kindertagesstätte, deren Trägerschaft dem Amt übertragen worden ist. Die Grundschüler besuchen die Schule im Ortsteil Mellensee. In der Gesamtschule Sperenberg werden auch Schüler der Beschwerdeführerin unterrichtet. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in
gebotener Weise auch die Gesamtsituation im Bereich des Amtes Am Mellensee
in den Blick genommen (LT-Drucksache 3/4883, S. 266 f.). So hat er
festgestellt, daß das Amt aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zum engeren
Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin einen vergleichsweise geringen
Bevölkerungsrückgang und eine leicht überdurchschnittliche
Bevölkerungsdichte aufweist. Es gibt im Amt keinen Zentralort. Der Ortsteil
Sperenberg der Gemeinde Am Mellensee fungiert als ländlicher Versorgungsort,
zu dessen Einzugsbereich die Beschwerdeführerin gehört und der über zwei
Straßen (K 7227 und K 7228) erreichbar ist. Dort befinden sich eine
Grundschule, eine Schule der Sekundarstufe I, eine Sporthalle, eine
Jugendfreizeiteinrichtung, eine Kindertagesstätte, eine Bücherei, zwei
Zweigstellen von Kreditinstituten, mehrere Arztpraxen und eine Apotheke. Die
öffentlichen und privaten Einrichtungen werden auch von den Bewohnern der
Beschwerdeführerin genutzt. Drei Unternehmen haben sich in einem zu
Sperenberg gehörenden Gewerbegebiet angesiedelt. An Schultagen verkehrt ein
Linienbus. Einige Einwohner der Beschwerdeführerin sind in Sportvereinen der
Gemeinde Am Mellensee organisiert. Durch das Gebiet der Beschwerdeführerin
führt die Landstraße L 79, welche außerorts in nördlicher Richtung Anschluß
an die Bundesstraße B 246 bietet und in östlicher Richtung an die Gemeinde
Am Mellensee. bb) Der Gesetzgeber gliedert aus Gründen
des öffentlichen Wohls im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV die Beschwerdeführerin
neu. Nachvollziehbar beruft sich der Gesetzgeber darauf, daß die
Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die nunmehr amtsfreie Gemeinde Am
Mellensee einer Stärkung der Verwaltungskraft der Kommunen dient. Zwar wäre
die Erhaltung des Amtes als örtliche Verwaltungseinheit im äußeren
Entwicklungsraum und wegen des Fehlens eines Zentralortes auch nach dem vom
Gesetzgeber selbst gewählten Reformleitbild grundsätzlich möglich (vgl.
Leitbild unter I. 2. a) bb)und b); LT-Drucksache 3/4883, S. 19 f.). Auch
spricht die Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin nicht gegen ihren Erhalt
als selbständige Gemeinde. Allerdings weist die amtsangehörige Gemeinde
Gadsdorf eine kleinere als die im Leitbild für amtsangehörige Gemeinden
festgelegte Mindesteinwohnerzahl von 500 (vgl. I. 2. b) cc); LT-Drucksache
3/4883, S. 20) auf, so daß bei deren alleiniger Nichteingliederung das Amt
aus lediglich zwei amtsangehörigen Gemeinden bestehen würde. Ein solcher
Zustand entspräche aber nicht dem Leitbild, nach dem das Amt aus mindestens
3 amtsangehörigen Gemeinden besteht (I. 2. b) aa); LT-Drucksache 3/4883, S.
20). Ämter, die aus zwei amtsangehörigen Gemeinden bestehen, sind –
gleichfalls nach dem Leitbild unter I. 2. b) aa) - nur als Übergangslösung
in der Freiwilligkeitsphase bis zur gesetzlichen Neuordnung zulässig. cc) Zur Erreichung dieser Reformziele ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die neugebildete Gemeinde Am Mellensee nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Straffung der Verwaltungseffizienz und einer Bereinigung der Kleinamtsstruktur durch die Zusammenführung der Beschwerdeführerin mit der Gemeinde Am Mellensee eindeutig verfehlt würde dd) Die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die neue Gemeinde Am Mellensee ist nicht unverhältnismäßig. (1) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des
öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden
Gemeinde sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH
BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW
1975, 1205, 1211). Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die
Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu
vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die
Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und
Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine
Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus
Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der
Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte
Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem
angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], a.a.O.). ff) Der Gesetzgeber mußte im Bereich Am
Mellensee nicht deshalb das Amt erhalten, weil er andernorts im äußeren
Entwicklungsraum entsprechend verfahren war. Die Neugliederung verstößt in
dieser Hinsicht nicht gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit.
Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung der Verfassungsgerichte,
daß der Gesetzgeber bei der Umsetzung einer Gemeindegebietsreform sein
„System“ nicht ohne hinreichende Begründung verlassen darf (vgl. etwa
Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 27. November 1978 - 2 BvR 165/75 -,
BVerfGE 50, 50, 51 „Raum Hannover“; ThürVerfGH, Urt. vom 18. Dezember 1996 -
VerfGH 2/95 -, LVerfGE 5, 391, 422; BayVerfGH, Entsch. vom 20. April 1978 -
Vf.6-VII-78 -, BayVBl 1978, 497, 503; hinsichtlich Kreisgebietsreform
bereits das erkennende Gericht, Urteil vom 14. Juli 1994 – VfGBbg 4/93 –
LVerfGE 2, 125, 142; vgl. auch Dreier, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar,
Bd. 2, 1998, Art. 28 Rn. 122; Tettinger, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Das
Bonner Grundgesetz Band 2, Art. 28 Rn. 233). Im wesentlichen vergleichbare
Neugliederungen müssen gleich behandelt werden. Regelungen, die ohne
hinreichende Begründung das zugrundeliegende System verlassen, verstoßen
gegen das öffentliche Wohl. Dies ist hier nicht geschehen. C. Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt.
VerfGGBbg. Der Beschluß ist unanfechtbar. |
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Prof. Dr. Dombert | Prof. Dr. Harms-Ziegler |
Havemann | Dr. Jegutidse |
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