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VerfGBbg, Beschluss vom 18. Mai 2018 - VfGBbg 91/17 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 51 Abs. 1 Satz 2
- VerfGGBbg, § 47 Abs. 1 Satz 1
- ZPO, § 45 Abs. 1
- SGG, § 60 Abs. 1
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- gesetzlicher Richter
- Ablehnungsgesuch
- Rechtsschutzbedürfnis
- Beschwerdefrist
- Anhörungsrüge
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. Mai 2018 - VfGBbg 91/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 91/17




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

W.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt L.,

 

wegen            Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 29. August 2016 (S 30 SF 978/16 AB)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 18. Mai 2018

durch die Verfassungsrichter Dielitz, Dr. Becker, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

Gründe:

 

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Cottbus über ein Ablehnungsgesuch in einem Verfahren zur Festsetzung ihrer erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten.

 

I.

Die Beschwerdeführerin führte gegen das Jobcenter Oberspreewald-Lausitz (im Folgenden: Beklagter) eine Untätigkeitsklage (S 42 AS 1191/15). Nachdem die Beschwerdeführerin am 14. September 2015 in einem Termin vor dem Sozialgericht den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt und einen Antrag auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten gestellt hatte, schloss sich der Beklagte der Erledigungserklärung an und erklärte sich bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu erstatten. Mit Schreiben vom 15. September 2015 beantragte die Klägerin die Erstattung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 266,80 Euro. Der Beklagte nahm dazu in der Weise Stellung, dass er nur die Erstattung von 85,70 Euro für angemessen hielt.

 

Mit Beschluss vom 24. Februar 2016 setzte die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts die der Beschwerdeführerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 183,28 Euro fest. Der Beklagte legte hiergegen Erinnerung ein. Die Gebühr sei nach alter Rechtslage festzusetzen, eine Terminsgebühr sei nicht angefallen. Auch die Beschwerdeführerin legte gegen den Beschluss des Sozialgerichts am 24. März 2016 Erinnerung ein und lehnte zugleich den für die Erinnerungsentscheidung zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Hierzu machte sie geltend, dass der Richter vom Beklagten im Rahmen einer gewerblichen Nebentätigkeit für sog. Inhouse-Seminare zum Gebührenrecht bezahlt werde. Er sei somit nicht in der Lage, in Kostensachen unvoreingenommen zu entscheiden, weil er damit rechnen müsse, bei Entscheidungen gegen die Behörde von dieser keine Aufträge mehr zu erhalten.

 

Mit dem hier angegriffenen Beschluss des abgelehnten Richters vom 29. August 2016 (S 30 SF 978/16 AB) verwarf das Sozialgericht Cottbus das Ablehnungsgesuch als unzulässig, denn es sei rechtsmissbräuchlich. Das Gesuch stelle auf Ablehnungsgründe ab, die wiederholt Gegenstand von Befangenheitsverfahren gewesen seien und bereits mehrfach durch verschiedene Kammern als unzureichender Grund für die Besorgnis einer Befangenheit eingestuft worden seien. Die Wiederholung gleicher Befangenheitsgründe, deren Unbeachtlichkeit bereits mehrfach festgestellt worden sei, werde nicht mehr vom Rechtsschutzbedürfnis gedeckt. Aufgrund der offensichtlichen Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs dürfe der abgelehnte Richter hierüber selbst entscheiden.

 

Mit Beschluss vom 6. Oktober 2017 änderte das Sozialgericht den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin ab und setzte die Gebühren auf 85,68 Euro fest. Dieser Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 1. November 2017 zugestellt. Über die dagegen erhobene Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin vom 8. November 2017 ist noch nicht entschieden.

 

II.

Mit der am 26. Oktober 2017 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwer­deführerin eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) und Art. 52 Abs. 1 und 4 LV.

 

Der Beschluss über die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs sei mit Art. 52 Abs. 1 LV unvereinbar. Denn über das Gesuch sei willkürlich und entgegen den einschlägi­gen verfahrensrechtlichen Vorschriften durch den abgelehnten Richter selbst ent­schieden worden. Eine offensichtliche Unzulässigkeit eines Befangenheitsgesuches lasse sich nicht mit dem bloßen Verweis auf nicht näher bezeichnete Entscheidun­gen anderer Kammern des Sozialgerichts begründen. Das Gericht habe bei einem Befangenheitsantrag stets die Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Damit sei ein Verweis auf andere Entscheidungen, die nicht sie - die Beschwerdeführerin - beträ­fen, nicht zu vereinbaren. Eine Abweichung vom ausdrücklich geregelten Grundsatz, dass die Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zu erfolgen habe, könne allenfalls in krassen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Daran fehle es hier ersichtlich.

 

III.

Das Sozialgericht Cottbus erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verfahrensakten S 42 AS 1191/121, S 30 SF 978/16 AB und S 30 SF 857/16 E wurden beigezogen.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu verwerfen.

 

Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass für die Aufhebung des angegriffenen Hoheitsaktes ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, das noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichts gegeben sein muss. Es muss daher festgestellt werden können, dass ein Beschwerdeführer bei einer obsiegenden Entscheidung einen Rechtsvorteil erlangt (Beschluss vom 15. Dezember 2017 - VfGBbg 7/17 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Zwar kann ein solches Interesse nicht allein im Hinblick darauf verneint werden, dass die angegriffene Entscheidung in einem der Sachentscheidung vorangehenden Zwischenverfahren ergangen ist. Eine Verfassungsbeschwerde gegen Zwischenentscheidungen ist zwar grundsätzlich ausgeschlossen, weil Verfassungsverstöße mit der Anfechtung der Endentscheidung gerügt werden können. Der Grund für den Ausschluss fehlt allerdings, wenn bereits die Zwischenentscheidung zu einem bleibenden rechtlichen Nachteil für den Betroffenen führt, der später nicht oder jedenfalls nicht vollständig behoben werden kann. Entscheidungen der Fachgerichte über Ablehnungsgesuche können zu solchen bleibenden rechtlichen Nachteilen führen und daher als Zwischenentscheidungen selbständig angreifbar sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie Bindungswirkung für das weitere Verfahren - hier das Verfahren über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin - entfalten, über eine wesentliche Rechtsfrage abschließend befinden und in weiteren Instanzen nicht mehr nachgeprüft und korrigiert werden können (vgl. BVerfGE 24, 56, 60 f; BVerfG NJW-RR 2007, 409, 410; BVerfGK 15, 18, 20).

 

Einer selbstständigen Anfechtbarkeit des Ablehnungsbeschlusses steht jedoch vorliegend entgegen, dass der Beschluss des Sozialgerichts über die Erinnerung vom 6. Oktober 2017 nicht innerhalb der am 2. Januar 2018 endenden Frist des § 47 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen und damit endgültig bestandskräftig wurde. Die Beschwerdeführerin kann damit keinen materiellen Rechtsvorteil mehr erreichen, weshalb kein Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde gegen die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs mehr besteht. Auch die gegen den Beschluss über die Erinnerung erhobene Anhörungsrüge vom 8.  November 2017 ist nicht geeignet, die Frist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde offen zu halten. Sie ist offensichtlich unzulässig und gehört deshalb nicht zum Rechtsweg (vgl. Beschluss vom 16. August 2013 - VfGBbg 24/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG NJW 2014, 991, 992; BVerfGK 11, 203, 205 f). Mit ihr trägt die Beschwerdeführerin keinen Sachverhalt vor, der dem Schutzbereich des Anspruchs auf rechtliches Gehör unterfällt. Sie bemängelt einzig, dem angegriffenen Beschluss fehle es an einer Begründung, obwohl das Sozialgericht ausdrücklich auf § 136 Abs. 3 SGG Bezug genommen und sich die Begründung des angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschlusses zu eigen gemacht hatte. Die Anhörungsrüge dient jedoch nicht dazu, das Gericht unabhängig vom Vorliegen eines Gehörsverstoßes zu einer wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe zu veranlassen.

 

Die Beschwerdeführerin hat den Beschluss des Sozialgerichts vom 6. Oktober 2017 auch nicht zum Gegenstand ihrer Verfassungsbeschwerde gemacht, so dass eine andere Sicht der Dinge gerechtfertigt wäre. Zwar ist der Beschwerdeschrift zu entnehmen, auch die Entscheidung des Sozialgerichts über die Erinnerung verstoße gegen das Willkürverbot. Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin den Beschluss über die Erinnerung weder ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben und - anders als den Ablehnungsbeschluss - auch nicht mit dem am 23. November 2017 bei Gericht eingegangen Schriftsatz in Ablichtung vorgelegt. Darüber hinaus konnten sich die Ausführungen zu einem Verstoß gegen das Willkürverbot auf den Beschluss des Sozialgerichts vom 6. Oktober 2017 auch nicht beziehen, denn dieser war der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Abfassung der Beschwerdeschrift nicht bekannt, worauf der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin selbst hinweist („Über die Erinnerung bezüglich der Kosten hat das Sozialgericht Cottbus noch nicht beschlossen“).

 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Dielitz Dr. Becker
   
Dresen Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Partikel
   
Schmidt