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VerfGBbg, Beschluss vom 18. April 2002 - VfGBbg 35/01 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 13 Abs. 1; VerfGGBbg, § 32 Abs. 7 Satz 2
- VwGO, § 92 Abs.3
Schlagworte: - Auslagenerstattung
- Pilotverfahren
nichtamtlicher Leitsatz: Ist zum Zeitpunkt der Einlegung einer (Kommunal-) Verfassungsbeschwerde bekannt oder erkennbar, daß gegen eine gesetzliche Regelung bereits anderweitig Verfassungsbeschwerde eingelegt worden ist, ist nach Erledigung der Hauptsache durch eine stattgebende "Pilotentscheidung" grundsätzlich auch dann nicht die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers anzuordnen, wenn die "Pilotentscheidung" ergibt, daß auch die erledigte Verfassungsbeschwerde Erfolg gehabt hätte.
Fundstellen: - LVerfGE 13, 151 (nur LS)
- LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, 96
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. April 2002 - VfGBbg 35/01 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 35/01



IM NAMEN DES VOLKES

B E S C H L U S S

In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

der Gemeinde Wilhelmshorst,
vertreten durch den Bürgermeister,
Potsdamer Straße 33, 14552 Michendorf,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.,

gegen Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Lande Brandenburg vom 13. März 2001 (GVBl. I S. 30)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Schröder

am 18. April 2002

b e s c h l o s s e n :

1. Das Verfahren wird eingestellt.

2. Auslagen werden nicht erstattet.

G r ü n d e :

1. Das Verfahren ist entsprechend § 13 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg), § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung einzustellen, nachdem die Beschwerdeführerin die Verfassungsbeschwerde für in der Hauptsache erledigt erklärt hat.

2. Soweit die Beschwerdeführerin zugleich sinngemäß beantragt hat, die Erstattung der notwendigen Auslagen anzuordnen, war dem nicht zu entsprechen. Gemäß § 32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg, der nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts für Kommunalverfassungsbeschwerden entsprechend gilt, kann das Verfassungsgericht auch dann, wenn – etwa, wie hier, im Falle der Erledigung der Hauptsache - keine der (Kommunal-)Verfassungs-beschwerde stattgebende Entscheidung ergeht, volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen. Diese Entscheidung ist nach Billigkeitsgesichtspunkten zu treffen (vgl. allgemein - zur entsprechenden Rechtslage nach § 34a Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfG NJW 2001, 216). Für die hier zugrundeliegende Konstellation greift das erkennende Gericht auf die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung vom 19. November 1991 – 1 BvR 1425/90 – (BVerfGE 85, 117, 122 ff.) entwickelten Grundsätze zurück. Danach ist, wenn das Verfassungsgericht bei einer Vielzahl von Verfassungsbeschwerden gegen ein Gesetz repräsentative Fälle auswählt („Pilotverfahren“), für die Frage der Auslagenerstattung in den anderen (gleichgelagerten) Verfahren einerseits das öffentliche Interesse zu berücksichtigen, die Allgemeinheit nicht mit Auslagen für Verfassungsbeschwerden zu belasten, die sich letztlich als unnötig erweisen. Andererseits darf der Beschwerdeführer in seinem Recht zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde unter Geltung der gesetzlichen Auslagenregelung nicht unzumutbar eingeschränkt werden. Unter dem letztgenannten Gesichtspunkt wird man davon ausgehen müssen, daß jeder Betroffene Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz einlegen kann, ohne abwarten zu müssen, ob ein anderer Verfassungsbeschwerde einlegt. Andernfalls würde, da die Wartepflicht alle Betroffenen träfe, die Verfassungsbeschwerde von keinem der Betroffenen ohne unbilliges Kostenrisiko erhoben werden können. Ist jedoch für den Betroffenen erkennbar, daß gegen das Gesetz bereits Verfassungsbeschwerde eingelegt ist, die zur Überprüfung durch das Verfassungsgericht führen wird, kann er nicht mehr ohne weiteres davon ausgehen, daß seine Verfassungsbeschwerde zur Klärung der verfassungsrechtlichen Lage noch erforderlich ist. Legt er gleichwohl ebenfalls Verfassungsbeschwerde ein, ist es grundsätzlich gerechtfertigt, daß er seine Auslagen auch dann nicht erstattet erhält, wenn die Pilotentscheidung ergibt, daß auch seine Verfassungsbeschwerde Erfolg gehabt hätte (BVerfG, a.a.O., S. 125).

Daran gemessen ist hier eine Auslagenerstattung nicht anzuordnen. Bereits Anfang Juli 2001 ist von einer anderen Gemeinde, und zwar vertreten durch die nämliche Verfahrensbevollmächtigte wie im Falle der Beschwerdeführerin, Verfassungsbeschwerde gegen die hier verfahrensgegenständliche gesetzliche Regelung erhoben worden. Hierüber ist zudem in der Presse berichtet worden (vgl. etwa Märkische Allgemeine Zeitung vom 5. Juli 2001, S. 7). Unter diesen Umständen durfte die Beschwerdeführerin besonnenerweise nicht mehr davon ausgehen, daß es einer weiteren Verfassungsbeschwerde in derselben Angelegenheit bedürfe. Der Fall der Beschwerdeführerin weist auch nicht etwa verfassungsrechtlich relevante Besonderheiten auf. Auch werden keine zusätzlichen rechtlichen Gesichtspunkte geltend gemacht. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde ist nahezu identisch mit derjenigen in der zuvor von derselben Verfahrensbevollmächtigten für eine andere Gemeinde erhobenen kommunalen Verfassungsbeschwerde.

Dr. MackeDr. Dombert
Prof. Dr. Harms-Ziegler Havemann
Dr. Jegutidse Dr. Knippel
Prof. Dr. Schröder