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VerfGBbg, Beschluss vom 18. März 2011 - VfGBbg 56/10 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 27 Abs. 2; 52 Abs. 3 2. Alt.
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2
- FamFG, § 78 Abs. 2
Schlagworte: - Prozesskostenhilfe
- Subsidiarität
- Beschwerdegegenstand
- Anhörungsrüge
- Beiordnung eines Rechtsanwaltes
- Sachverständigengutachten
- Amtsermittlung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. März 2011 - VfGBbg 56/10 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 56/10




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

   A.,

 

 

Beschwerdeführer,

 

 

Verfahrensbevollmächtigter:  Rechtsanwalt R.,

 

 

 

   G.,

 

 

                                 Äußerungsberechtigte,

 

 

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt M.

 

gegen die Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12. August 2010 und vom 23. September 2010 – 10 UF 109/10 -

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Möller, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

am 18. März 2011

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

1.  Die Verfassungsbeschwerde wird teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen.

 

2. Dem Beschwerdeführer wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. gewährt.

 

3. Der Äußerungsberechtigten wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M.  gewährt.

 

 

 

G r ü n d e :

 

A.

I.

Der Beschwerdeführer ist der Vater des am 19. Juli 2007 nichtehelich geborenen O. Bis zur Trennung der Eltern im Oktober 2008 lebte das Kind zusammen mit seiner etwa acht Jahre älteren Halbschwester im gemeinsamen Haushalt und wurde von beiden Eltern betreut. Die elterliche Sorge obliegt der Mutter. Etwa drei Monate nach der Geburt erkrankte die Mutter an einer manischen Depression, wegen der sie unter Betreuung  gestellt und – zunächst für einen Zeitraum von 2 Monaten - stationär behandelt wurde. Nach der Trennung blieb das Kind bei der Mutter, während der Beschwerdeführer zunächst über die Kindereinrichtung Kontakt zu seinem Sohn hielt. Wegen eines weiteren Krankenhausaufenthaltes der Mutter nahm der Beschwerdeführer das Kind am 2. Dezember 2008 zunächst für etwa einen Monat zu sich. Als etwa eine Woche nach ihrer Entlassung eine erneute akute stationäre Aufnahme erforderlich wurde, nahm der Beschwerdeführer das Kind wiederum auf. Mit Beschluss vom 25. März 2009 wurde er befristet für ein Jahr zum Ergänzungspfleger seines Sohnes bestellt; gleichzeitig wurde ihm das Personen- sowie das Vermögenssorgerecht übertragen. Nach der Entlassung der Mutter aus der stationären Behandlung im April 2009 verblieb das Kind zunächst beim Beschwerdeführer, die Eltern einigten sich auf eine Umgangsregelung für die Mutter. Nach Ablauf der auf ein Jahr befristeten Pflegschaft führte der Beschwerdeführer das Kind nicht zur Mutter zurück, woraufhin diese das Kind nach einem Umgangswochenende am 15. Mai 2010 bei sich behielt. Heute lebt O. zusammen mit seiner Halbschwester bei seiner Mutter.

 

Bereits im Februar 2010 hatte der Beschwerdeführer beantragt, ihm das Sorgerecht zu übertragen. Den Antrag wies das Amtsgericht Fürstenwalde mit Beschluss vom 19. Juni 2010 ab. Eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Beschwerdeführer setze einen Entzug der elterlichen Sorge der Mutter voraus, die dafür erforderlichen Voraussetzungen des § 1666 BGB seien jedoch nicht erfüllt, nachdem die Mutter ihre gesundheitlichen Probleme überwunden habe.

 

Die dagegen gerichtet Beschwerde wies das Brandenburgische Oberlandes­gericht mit Be­schluss vom 12. August 2010 zurück, nachdem es dem Beschwerdeführer im Termin Verfahrenskostenhilfe bewilligt hatte, ohne jedoch einen Rechtsanwalt beizuordnen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 (1 BvR 420/09) habe der Beschwerdeführer zwar die Möglichkeit, die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter gerichtlich überprüfen zu lassen. Ein Wechsel des Sorgerechts zum nichtehelichen Vater setze allerdings voraus, dass, was hier der Fall sei, eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht komme und dass zu erwarten sei, dass dies dem Kindeswohl am Besten entspreche. Die Anhörung der Eltern, des Kindes, der Verfahrensbeiständin sowie des Jugendamtes des Landkreises O. habe allerdings ergeben, dass es dem Kindeswohl entspräche, das Sorgerecht der Mutter beizubehalten. Zwar seien beide Eltern gleichermaßen erziehungsfähig und bindungstolerant, die vom Beschwerdeführer insoweit im Hinblick auf die Mutter erhobenen Einwände seien nach der Anhörung sowie den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen widerlegt. Auch der Kontinuitätsgedanke wirke sich nicht maßgeblich aus, weil das Kind bei beiden Eltern gelebt und mit beiden regelmäßig Kontakt gepflegt habe. Ein Wille des Kindes selbst sei nicht feststellbar. Allerdings sei der Mutter infolge der Bindung O.s an seine im gemeinsamen Haushalt lebende Halbschwester, zu der er ein gutes Verhältnis habe, der Vorrang einzuräumen.

 

Die gegen diesen Beschluss erhobene Anhörungsrüge wies das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 23. September 2010, dem Beschwerdeführer zugestellt am 28. September 2010, zurück.

 

II.

Am Montag, dem 29. November 2010, hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er sieht sich durch die Entscheidungen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in seinem Elternrecht aus Art. 27 Abs. 2 sowie in seinem Recht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) verletzt. Das Gericht habe mit der Anwendung des § 1671 BGB den falschen Sorgerechtsmaßstab gewählt. Es habe unrichtigerweise kein Sachverständigengutachten zu der Bindung des Kindes an seinen Vater, die Erziehungsfähigkeit der Mutter sowie die Bindung zwischen den Geschwistern eingeholt und damit keine zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung geschaffen. Weder das Gericht noch die Verfahrensbeiständin verfügten über kinderpsychologische Sachkunde. Letztere habe zudem das Verhältnis der Mutter zu dem Kind nur einmal beobachtet, dies lasse Rückschlüsse auf die inneren Bindungsverhältnisse oder eine angstbesetzte Beziehung zur Mutter nicht zu. In ihrer schriftlichen Stellungnahme habe sie außerdem fälschlicherweise darauf abgestellt, ob das Kindeswohl bei der Mutter gefährdet sei, statt zu prüfen, ob die Unterbringung bei dem Vater oder der Mutter dem Kindeswohl am besten entspreche. Auch der Vertreter des Jugendamtes sei zu einer solchen Aussage nicht kompetent, zumal er noch nicht einmal behauptet habe, sich einen unmittelbaren und aktuellen Eindruck von der Beziehung des Kindes zur Mutter verschafft zu haben. Die Beziehung des Kindes zum Vater sei nicht aktuell bewertet worden. Aus diesem Grund sei die deutlich engere Beziehung des Kindes zum Vater nicht festgestellt worden. Auch die Wünsche und Tendenzen des Kindes hätten bei der Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden müssen. Schließlich habe das Oberlandesgericht die Eigenmächtigkeit der Mutter, das Kind nach dem Besuchswochenende vom 14. bis 16. Mai 2010 nicht wieder zum Beschwerdeführer zurückzubringen, nicht angemessen bewertet.

 

Der Beschwerdeführer rügt weiterhin eine Verletzung des Anspruches auf ein faires Verfahren, effektiven Rechtsschutz, rechtliches Gehör und Gleichbehandlung mit Bemittelten und der Kindesmutter, weil ihm das Brandenburgische Oberlandesgericht keinen Anwalt beigeordnet habe.

 

Der Beschwerdeführer beantragt, ihm für das Verfassungsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. aus B. zu bewilligen.

 

 

                            III.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht sowie die Äußerungsberechtigte haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

 

Die Äußerungsberechtigte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei zurückzuweisen. Die Entscheidung des Oberlandesgericht sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es habe die Tragweite des Elternrechts des Beschwerdeführer nicht verkannt. Beide Eltern und das Kind seien angehört worden. Das Gericht habe sich ausführlich mit deren Vortrag und Argumenten auseinandergesetzt. Die Aufklärungsrüge des Beschwerdeführers betreffe materielles Recht. Der Ansatz des Oberlandesgerichts zu prüfen, ob Gründe für eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater sprächen, sei nicht zu beanstanden. Die Frage, wer Hauptbezugsperson für das Kind war, sei im  Verfahren streitig gewesen.

 

Sie beantragt, ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. aus F. zu bewilligen.

 

 

IV.

Die Akten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts – Az: 10 UF 109/10, 10 UF 110/10 und 10 UF 103/09 – sind beigezogen worden. 

 

 

B.

 

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, im übrigen unbegründet.

 

I.

1.a) Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. September 2010 wendet. Dieser ist mit der Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar, weil er keine eigenständige Beschwer schafft. Im Anhörungs­rügeverfahren ist rechtliches Gehör nicht versagt worden. Durch den Beschluss besteht allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fort, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterblieben ist. Der Beschwerdeführer kann deshalb im Verfassungsbeschwerdeverfahren ausschließlich die Ausgangsentscheidung angreifen und auf die seiner Ansicht nach fortbestehenden Grundrechtsverletzungen hin überprüfen lassen (Beschluss vom 15. April 2010 – VfGBbg 5/10 –,www.verfassungs­ge­richt.­­­­bran­den­burg.­de).

 

b) Die Verfassungsbeschwerde ist darüber hinaus unzulässig, soweit der Beschwerdeführer durch die unterlassene Beiordnung eines Rechtsanwaltes seine Rechte auf ein faires Verfahren, effektiven Rechtsschutz, rechtliches Gehör und rechtliche Gleichbehandlung verletzt sieht. Insoweit hat der Beschwerdeführer dem Gebot der Subsidiarität des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht Rechnung getragen. Das in § 45 Abs. 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) verankerte Prinzip der Subsidiarität verlangt von einem Beschwerdeführer, dass dieser - über eine bloße Rechtswegerschöpfung im bereits durchgeführten Verfahren hinaus - alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern; vor Anrufung des Verfassungsgerichts muss er alle ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ergreifen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 17. September 2009 – VfGBbg 22/08 -, www.verfassungs-gericht.­branden­burg.­de). Die­sen Anforderungen ist der Beschwerdeführer nicht in vollem Umfang gerecht geworden. Denn er hat dem Brandenburgischen Oberlandesgericht keinen ihm beizuordnenden Rechtsanwalt benannt. Nach § 78 Abs. 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ordnet das Gericht einem Beteiligen auf seinen Antrag in Verfahren ohne Anwaltszwang einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt seiner Wahl bei. Nach Absatz 5 kommt eine Auswahl durch den Vorsitzenden des Gerichts erst in Betracht, wenn der Beteiligte keinen zur Vertretung bereiten Anwalt findet; dies ist gegenüber dem Gericht nachzuweisen (Zimmermann, in: Keidel, Familienverfahren, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Kommentar, 16. Auflage 2009, § 78 RZ 24). Der Beschwerdeführer war sich ausweislich seines Antrages auch bewusst, noch einen Prozessbevollmächtigten benennen zu müssen. Wollte oder konnte er eine entsprechende Vollmacht erst erteilen, nachdem das Gericht über seinen Antrag auf Prozess­kostenhilfe entschieden hatte, hätte er dies dem Gericht gegenüber zum Ausdruck bringen und die vom Gericht angeforderten fehlenden Unterlagen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht erst im Termin der mündlichen Verhandlung vorlegen dürfen. Alternativ hätte er nach Verkündung des Prozesskostenhilfebeschlusses zu Beginn der Sitzung am 10. August 2010 seinen Beiordnungsantrag wiederholen bzw. konkretisieren müssen.

 

 

2.Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.

 

a) Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Mit der am Montag, dem 29. November 2010 beim Verfassungsgericht eingegangenen Beschwerdeschrift ist die Zwei-Monatsfrist des § 47 Abs. 1 VerfGGBbg seit Zustellung des Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. September 2010 am 28. September 2010 gewahrt, § 13 VerfGGBbg, § 57 Verwaltungsgerichtsordnung, § 222 Abs. 1, 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

 

b) Der Beschwerdeführer ist auch beschwerdebefugt, insbesondere ist eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 27 Abs. 2 LV und Art. 52 Abs. 3 2. Alt. LV nicht von vornherein ausgeschlossen. Der sachliche Schutzbereich des Art. 27 Abs. 2 LV erfasst die Sorge der Eltern für das körperliche Wohl des Kindes und seine seelische und geistige Entwicklung (vgl. dazu Iwers, in Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Kommentar, Stand: 2. Lfg. Februar 2009, Art. 27 Ziff. 3). Beschränkungen dieses Elternrechts durch gerichtliche Umgangs- und Sorgerechtsregelungen können Eingriffe in das Grundrecht darstellen.

 

Der in Art. 52 Abs. 3 2. Alternative LV garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt ein Recht des Betroffenen, vor Erlass einer Entscheidung über die verfahrensrelevanten Vorgänge und den gesamten Tatsachenstoff des Prozesses informiert zu werden, das Recht, sich zu diesen zu äußern sowie ein Recht auf angemessene Berücksichtigung der Äußerung bei der Entscheidungsfindung. Auch wenn in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt, schließt dies eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht von vornherein aus (BVerfGE 79, 51, 62).

 

c) Auch der fachgerichtliche Rechtsweg ist erschöpft. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in seiner Beschwerdeentscheidung vom 12. August 2010 die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist für die im FamFG geregelten Verfahren nicht vorgesehen (Meyer-Holz, in: Keidel, a.a.O, § 70 Rz 4). Der Beschwerdeführer hat das Anhörungsrügeverfahren nach § 44 FamFG durchgeführt.

 

d) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht auch nicht entgegen, dass mit ihr die Verletzung von Landesgrund­­rechten im Rahmen eines bundesrechtlich geordneten Verfahrens gerügt wird. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen (vgl. zuletzt: Beschluss vom 16. Dezember 2010 – VfGBbg 18/10 –, www.verfassungs­gericht.­branden­burg.­de) sind erfüllt: Ein Bundesgericht war mit dem Antrag auf Abänderung des Sorgerechts nicht befasst. Eine Rechtsschutzalternative zu der Ver­fassungsbeschwerde steht nicht zur Verfügung. Die als verletzt gerügten landes­ver­fas­sungsrechtlich verbürgten Rechte auf Erziehung der Kinder, Menschenwürde, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht auf ein faires Verfahren vor Gericht sowie das Recht auf rechtliches Gehör gewährleistet das Grundgesetz inhaltsgleich. Die Anwendung der Vorschriften des Grundgesetzes führte zum selben Ergebnis.

 

 

II.

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie jedoch unbegründet. Der angegriffene Beschluss des Bran­denburgischen Oberlandesgerichts vom 12. August 2010 hält einer verfassungsgerichtlichen Prüfung stand.

 

Grund­sätzlich unterliegt die Nachprüfung einer Gerichtsentscheidung durch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg engen Grenzen. Dieses übt keine umfassende Kontrolle der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts aus. Die Gestaltung des Verfahrens, die Fest­stellung und Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen sind Sache der Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht daher weitgehend entzogen. Das Verfassungsgericht überprüft nur, ob der Entscheidung eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot zugrunde liegt, wobei die Intensität der Prüfung davon abhängt, in welchem Maße von der Entscheidung Grundrechte beeinträchtigt werden (vgl. Beschluss vom 25. Februar 2011 – VfGBbg 15/10 - , demnächst: www.­ver­fas­sungs­­gericht.­bran­den­burg.de).

1. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 27 LV.

Das den Eltern gemäß Art. 27 Abs. 2 LV, inhaltsgleich mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl. Das Kindeswohl ist zugleich die oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung. Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus, erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten (Beschluss vom 22. November 2007 – VfGBbg 37/06 – www.verfassungsgericht.­brandenburg. de). Für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf es einer gesetzlichen Regelung. Dabei hat der Staat aufgrund seines ihm durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 27 Abs. 2 LV auferlegten Wächteramtes sicherzustellen, dass sich auch in diesem Fall die Wahrnehmung des Elternrechts und der Elternverantwortung am Kindeswohl ausrichten (Beschluss vom 25. Februar 2011 – VfGBbg 15/10, a.a.O.).

Nach diesen Maßgaben ist die angegriffene Entscheidung mit Art. 27 Abs. 2 LV vereinbar.

a) Das Elternrecht des Beschwerdeführers aus Art. 27 Abs. 2 LV ist zunächst nicht dadurch verletzt, dass das Brandenburgische Oberlandesgericht den falschen Sorgerechtsmaßstab angewandt hätte. Dieses hatte in Anlehnung an die Regelung in § 1671 BGB eine Übertragung des Sorgerechts auf den Beschwerdeführer davon abhängig gemacht, dass eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht komme und zu erwarten sei, dass die Übertragung auf den Beschwerdeführer dem Kindeswohl am besten entspreche. Damit folgte es den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das in seiner Ent­schei­dung vom 21. Juli 2010 (1 BvR 420/09 - NJW 2010, 3008) für die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung § 1671 BGB als Maßstab für eine Übertragung des Sorgerechts auf nichteheliche Väter für anwendbar erklärt hat. Die besondere Interessenlage des Beschwerdeführers und seines Sohnes gebietet keine Anwendung eines anderen Maßstabes. Der Beschwerdeführer vertritt insoweit die Auffassung, er sei die Hauptbezugsperson für seinen Sohn gewesen. Deshalb habe in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. September 2008 – 1 BvR 1426/07 - (FamRZ 2007, 1797) die Sorgerechtsentscheidung davon abhängig gemacht werden müssen, ob es triftige Gründe für den Wechsel des Sohnes von ihm zur Mutter gegeben habe. Dieser Entscheidung lag allerdings ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde: Während dort um das Aufenthaltsbestimmungsrecht gestritten wurde und die Kinder zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits drei Jahre bei einem der Elternteile gelebt hatten, wurde vom hiesigen Beschwerdeführer eine Abänderung des Sorgerechts beantragt, wobei maßgeblich streitig war, welcher der Elternteile Hauptbezugsperson des Sohnes war. Die Prüfung dieses Sachverhalts am Maßstab von § 1671 BGB ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht insbesondere nicht auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung des Elternrechts des Beschwerdeführers. 

 

b) Das Elternrecht des Beschwerdeführers aus Art. 27 Abs. 2 LV ist auch nicht dadurch verletzt, dass das Brandenburgische Oberlandesgericht das beantragte Sachverständigengutachten nicht eingeholt hat. Der Grundrechtsschutz beeinflusst zwar weitgehend die Gestaltung und Anwendung des Verfahrensrechts; das gerichtliche Verfahren muss deshalb in seiner Ausgestaltung geeignet und angemessen sein, der Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen wirkungsvoll zu dienen (BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 1 BvR 3189/09 –, FamRZ 2010, 1622, 1623). In Kindschaftssachen muss es insbesondere geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (Beschluss vom 15. Januar 2009 – VfGBbg 52/07 -, www.verfassungs­gericht.­brandenburg.de).

 

Auch unter Berücksichtigung dieser Anforderungen hat das Brandenburgische Oberlandesgericht seine Feststellungen auf der Grundlage eines in verfassungsrechtlicher Hinsicht beanstandungsfreien Verfahrens getroffen.

 

Fachgerichte sind nicht verfassungsrechtlich gehalten, stets ein Sachverständigengutachten einzuholen. In dem vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Familienverfahren (§ 26 FamFG) muss es dem erkennenden Gericht überlassen bleiben, welchen Weg es im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für geeignet hält, um zu den für seine Entscheidung notwendigen Erkenntnissen zu gelangen. Sieht es von der Beiziehung eines Sachverständigen ab, muss es allerdings anderweitig über eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage verfügen (BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2007 – 1 BvR 2697/07 –, EuGRZ 2008, 79). Das Fachgericht wird eine Konkordanz der Grundrechtspositionen von Eltern und Kind nämlich nur erreichen können, wenn es sich mit den Besonderheiten des Einzelfalls auseinandersetzt, die Interessen der Eltern sowie deren Einstellung und Persönlichkeit würdigt und auf die Belange des Kindes eingeht (BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 1 BvR 3189/09 -, a.a.O).

 

Danach war die Einholung eines Sachverständigengutachtens hier nicht von Verfassungs wegen geboten. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat die Eltern und das Kind angehört, es hat Stellungnahmen der Verfahrensbeiständin und des Jugendamts eingeholt und sich diese – teilweise - in der Sitzung erläutern lassen. Es hat auf der Grundlage dieser Informationen die Erziehungseignung der Eltern und die Bindung des Kindes bewertet und hat in die Abwägung auch die Einwände des Beschwerdeführers eingestellt. Es ist dabei auch den Bedenken des Beschwerdeführers im Hinblick auf die psychische Erkrankung der Kindesmutter nachgegangen; insoweit hat es die beiden von der Kindesmutter vorgelegten Arztberichte vom 20. Juni und 23. Juli 2010 sowie den Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 29. Juli 2010, durch den die Betreuung aufgehoben worden ist, als ausreichend angesehen, um von einer stabilen Situation der Mutter auszugehen. Es hat sich darüber hinaus mit der Behauptung des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, die Beziehung des Kindes zur Mutter sei angsterfüllt, und diese nach eigener Anschauung des Kindes sowie den Stellungnahmen der Verfahrensbeiständin und des Jugendamtes als nicht bestätigt angesehen. Auch das eigenmächtige Verhalten der Mutter, das Kind nach einem Umgangswochenende nicht zum Beschwerdeführer zurück zu bringen, hat das Gericht ausführlich gewürdigt und in die Abwägung zusätzlich die Tatsache eingestellt, dass das Kind zugleich die gewohnte Umgebung bei der Tagesmutter und die ihm dort vertrauten Freunde verlassen musste. Im Hinblick auf den Kontinuitätsgrundsatz hat das Brandenburgische Oberlandesgericht eine Vielzahl von Informationen abgewogen, es hat insbesondere die Leistung des Beschwerdeführers gewürdigt, sich bei Erkrankungen der Kindesmutter spontan auch für längere Zeiträume um das Kind zu kümmern. Es hat allerdings auch die wechselseitigen regelmäßigen und teils umfangreichen Kontakte zwischen Mutter und Kind im Rahmen des Umgangs in die Abwägung eingestellt und ist – aus verfassungsrechtlicher Sicht - beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich ein Vorzug eines Elternteils im Hinblick auf den Kontinuitätsgedanken nicht ergebe.

 

Es ist auch nichts dagegen zu erinnern, dass die vom Brandenburgischen Oberlandesgericht als maßgeblich eingeschätzte Bindung des Kindes an seine Halbschwester, die letztlich – wegen der vom Oberlandesgericht prinzipiell konstatierten gleichen Eignung beider Elternteile – den Ausschlag für den Verbleib des Sorgerechts bei der Mutter gab, nicht sachverständig begutachtet worden ist. Das Brandenburgische Oberlandesgericht stützte sich für die Beurteilung auf die Darstellung der Verfahrensbeiständin, die das Verhalten des Kindes zu seiner Halbschwester bei Gelegenheit zweier Besuche im Haushalt der Mutter, die im Abstand von einem halben Jahr im Februar und im August 2010 stattfanden, beobachten konnte. Dass das Brandenburgische Oberlandesgericht hieraus Rückschlüsse auf eine Beziehung der Kinder untereinander zog, die bei einem Aufenthalt O.s beim Vater nicht gefördert werden könnte, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Im Hinblick auf das homogene Bild, das sich dem Oberlandesgericht bei Würdigung aller Erkenntnisquellen darbot, ist verfassungsrechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass es auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet hat. Auch wenn es eigene kinderpsychologische Sachkunde nicht offengelegt hat und eine entsprechende Ausbildung der Verfahrensbei­ständin nicht aktenkundig ist, konnte es die ihm zur Verfügung stehenden Informationen als ausreichende Entscheidungsgrundlage bewerten, ohne die Grundrechte des Beschwerdeführers zu verletzen. Nachdem die vom Beschwerdeführer konkret gegen die Kindesmutter erhobenen Vorwürfe ausgeräumt bzw. endgültig nicht bestätigt waren, wiesen alle Informationen widerspruchsfrei auf eine Eignung beider Eltern in gleichem Maße hin.

 

Dass die Verfahrensbeiständin am Ende ihres Berichts vom 6. August 2010 Schlussfolgerungen in Bezug auf eine fehlende Kindeswohlgefährdung bei der Mutter zieht und damit nicht die nach § 1671 BGB maßgeblichen Kriterien zugrunde legt, ist unschädlich, weil nicht sie, sondern das Gericht zur Entscheidung berufen ist und dieses die von der Verfahrensbeiständin vorab geschilderten tatsächlichen Verhältnisses seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Soweit der Beschwerdeführer moniert, das Jugendamt habe die Situation des Kindes nicht nochmals geprüft, ist zu berücksichtigen, dass zwischen der Anhörung des Jugendamtvertreters vor dem Amtsgericht am 18. Juni 2010 und dem Bericht vom 9. August 2010, welcher der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zugrunde liegt, weniger als zwei Monate liegen. Auch dass im Vorfeld der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts die Situation des Kindes beim Vater nicht nochmals untersucht worden ist, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, nachdem die Situation bei der Mutter durch die Verfahrensbeiständin und das Jugendamt als beanstandungsfrei geschildert wurde und das Gericht in seiner Entscheidung davon ausging, dass dies beim Vater ebenso sein werde. Konkrete Anhaltspunkt für eine engere Bindung des Kindes an den Beschwerdeführer bestanden nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Informationen nicht und werden auch von ihm nicht vorgetragen, so dass das Oberlandesgericht von Verfassungs wegen auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichten durfte.

 

 

2. Aus dem Vorstehenden ergibt sich auch, dass eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 52 Abs. 3 2. Alt. LV nicht gegeben ist.

 

Der in Art. 52 Abs. 3 2. Alt. LV garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt – wie bereits erwähnt - ein Recht des Betroffenen, vor Erlass einer Entscheidung über die verfahrensrelevanten Vorgänge und den gesamten Tatsachenstoff des Prozesses informiert zu werden, das Recht, sich zu diesen zu äußern sowie ein Recht auf angemessene Berücksichtigung der Äußerung bei der Entscheidungsfindung. Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Entscheidung, wie sich aus den unter 1. dargestellten einzelfallbezogenen und nachvollziehbaren Überlegungen und Abwägungen des Oberlandesgerichts im Beschluss vom 12. August 2010 ergibt.

 

 

C.

Im Hinblick auf die streiterheblichen verfassungsrechtlichen Rechtsfragen ist sowohl dem Beschwerdeführer gem. § 48VerfGGBbg, § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) als auch der Äußerungsberechtigten gem. § 48 VerfGGBbg analog, § 114 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

 

 

D.

Die Entscheidung ist einstimmig ergangen. Sie ist unanfechtbar.

Postier Dielitz
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Möller
   
Nitsche Partikel
   
Schmidt