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VerfGBbg, Beschluss vom 18. Januar 2019 - VfGBbg 40/18 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 1 Satz 2
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
- SGG, § 60
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Zurückweisung eines Befangenheitsantrags
- unzureichende Begründung der Verfassungsbeschwerde
- Verletzung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter nicht dargelegt
- Entscheidung durch Vertreter
- herablassende Wortwahl im Befangenheitsantrag
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 18. Januar 2019 - VfGBbg 40/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 40/18




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

J.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt L.,

wegen            Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Mai 2018
(S 30 SF 1129/17 AB)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 18. Januar 2019

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine Entscheidung des Sozialgerichts Cottbus über ein Ablehnungsgesuch im Verfahren zur Festsetzung ihrer erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten.

I.

Die Beschwerdeführerin prozessierte gegen das Jobcenter des Landkreises Oberspreewald-Lausitz (im Folgenden: Beklagter) vor dem Sozialgericht Cottbus. Das Verfahren (S 43 AS 466/14) endete durch einen Vergleich. Der Beklagte übernahm einen Teil der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Januar 2017 setzte die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts die der Beschwerdeführerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 377,98 Euro fest.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte die Beschwerdeführerin Erinnerung ein und lehnte zugleich den für die Erinnerung zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der „Richter“ sei in seine falsche Rechtsauffassung verbissen und sachlichen Argumenten nicht mehr zugänglich. Er unterschreibe richterliche Verfügungen blanko und überlasse die Begründung seiner „Scheinbeschlüsse“ den Schreibkräften, die wiederum auf vorbereitete Textbausteine zurückgriffen und sich inhaltlich nicht mit der Sache beschäftigten. Darum setzten sich die Beschlüsse auch überhaupt nicht mit den Argumenten aus den Erinnerungsschriftsätzen auseinander. Der „Richter“ sei mithin „stinkfaul“ und offensichtlich nicht bereit, sich mit dem Vorbringen überhaupt auseinanderzusetzen.

Das Ablehnungsgesuch wies das Sozialgericht mit Beschluss vom 17. Mai 2018 (S 30 SF 1129/17 AB) durch den Vertreter des Richters unter Wiedergabe der im Ablehnungsgesuch im Wesentlichen vorgetragenen Gründe als unbegründet zurück. Zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Erinnerungsverfahren habe sich der abgelehnte Richter noch gar nicht äußern können. Der Richter müsse auch nicht auf jede geäußerte Rechtsansicht eingehen, vor allem, wenn sie offensichtlich unerheblich sei. Soweit sich die Beschwerdeführerin offenbar gegen Entscheidungen in anderen Verfahren wende, begründeten die Äußerung einer Rechtsansicht durch den Richter und das Festhalten an dieser Rechtsauffassung grundsätzlich keine Besorgnis der Befangenheit. Die weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin lägen ersichtlich neben der Sache.

Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 5. Juni 2018 zugestellt. Eine Entscheidung über die Erinnerung (S 30 SF 1059/17 E) steht noch aus.

II.

Am 10. Juli 2018 hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss über das Ablehnungsgesuch erhoben.

Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs sei mit dem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV) unvereinbar. Das Sozialgericht habe bereits die vorgebrachten Ablehnungsgründe nicht zutreffend erfasst sowie die Bedeutung und Tragweite der verfassungsrechtlichen Garantie des Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV verkannt. Das Ablehnungsgesuch sei entgegen den etwas missverständlichen Ausführungen auch darauf gerichtet, dass der abgelehnte Richter ohne eigene Prüfung und Angabe von Gründen sämtliche Entscheidungen der Kostenbeamten unabhängig von ihrem Inhalt und den Ausführungen in der Erinnerungs-schrift bestätige. Mit diesem Ablehnungsgrund als Kern des Befangenheitsantrages habe sich das Sozialgericht nicht auseinander gesetzt.

III.

Das Sozialgericht Cottbus hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten wurden beigezogen.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung.

 

Notwendig ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die wesentlichen rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 20. Juli 2018 - VfGBbg 182/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Dies leistet die Beschwerdeschrift nicht.

1. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin lassen nicht erkennen, dass das Sozialgericht Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter verkannt haben könnte.

a. Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter, der sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergibt. Darüber hinaus garantiert Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie im Einzelfall vor einem Richter stehen, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berührt die prozessuale Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten. Eine „Entziehung“ des gesetzlichen Richters durch die Rechtsprechung kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden. Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV grundlegend verkennt. Dies kann nur anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. hierzu ausführlich Beschluss vom 15. September 2017 - VfGBbg 43/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

b. Nach diesem Maßstab hat die Beschwerdeführerin bereits keinen Sachverhalt dargelegt, welcher dem Schutzbereich des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter unterfällt.

Es werden nur solche Umstände vorgetragen, die zur Begründung einer Befangenheit des zuständigen Richters völlig ungeeignet sind. Anders als die Beschwerdeführerin vortragen lässt, hat das Sozialgericht das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach nicht fehlerhaft erfasst. Vielmehr trifft zu, was der Bevollmächtigte selbst ausführt, dass nämlich das Ablehnungsgesuch seinerseits missverständlich formuliert worden ist. Soweit mit der Beschwerdeschrift gerügt wird, die Ausführungen seien darauf bezogen, dass der über die Kosten entscheidende Richter letztlich gar keine eigene richterliche Tätigkeit ausübe, ist dies nicht mehr nachvollziehbar.

Eine im Einzelfall festgestellte willkürliche Übernahme einer Rechtsauffassung des Kostenbeamten durch den zuständigen Richter rechtfertigt nicht die Annahme einer grundsätzlichen Voreingenommenheit. Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn die Übernahme einer unvertretbaren Rechtsauffassung den Regelfall darstellt. Dafür gibt es vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte.

2. Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob das Sozialgericht wegen der unangemessenen, grob herablassenden Wortwahl der Beschwerdeführerin, die das Ablehnungsgesuch prägte, dieses als unzulässig hätte verwerfen können. Ein Ablehnungsgesuch, das sich in unqualifizierten Angriffen gegen den Richter erschöpft, kann als rechtsmissbräuchlich verworfen werden (vgl. hierzu VerfGH Bln., Beschluss vom 22. Januar 2016 - VerfGH 152/15 -, juris).

C.

Dieser Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel Schmidt