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VerfGBbg, Beschluss vom 17. November 2017 - VfGBbg 54/16 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 41 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 3
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Begründung
- Eigentum
- Willkür
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. November 2017 - VfGBbg 54/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 54/16




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

Dr. B.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt
Dr. B.,

 

wegen            Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 9. August 2016 (11 T 38/16)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. November 2017

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

 

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Entscheidung des Landgerichts Potsdam in einer vollstreckungsrechtlichen Angelegenheit.

 

I.

Mit Urteil vom 13. November 2014 - 25 C 273/15 - verurteilte das Amtsgericht Potsdam den Wasser und Abwasserzweckverband „D. T.“ (nachfolgend: Beklagter) auf Antrag des Beschwerdeführers zur Zahlung von 750,00 Euro nebst Zinsen auf einen Teilbetrag von 250,00 Euro ab dem 1. Januar 2009, 1. Januar 2010 und 1. Oktober 2011. Dem Beschwerdeführer stehe ein Anspruch auf Zahlung des Betrages aus § 812 BGB zu, da der Beklagte das Grundstück des Beschwerdeführers für eine Frisch- und Abwasserleitung sowie für Hausanschlüsse genutzt habe. Aufgrund eines Abänderungsbeschlusses des Amtsgerichts vom 9. Juni 2015 wurde der Tenor aufgrund einer offensichtlichen Unrichtigkeit insoweit berichtigt, dass statt eines Zins-beginns ab dem 1. Oktober 2011 der entsprechende Betrag bereits ab dem 1. Januar 2011 zu verzinsen sei.

 

Mit weiterem Urteil vom 23. Juni 2015 - 24 C 514/13 - verurteilte das Amtsgericht Potsdam den Beklagten zur Zahlung von 672,00 Euro nebst Zinsen auf einen Teilbetrag von 224,00 Euro ab dem 1. Januar 2012, 1. Januar 2013 und 1. Januar 2014. Im Juli 2015 beantragte der Beschwerdeführer die Berichtigung des Tatbestandes nach § 320 ZPO sowie eine Urteilergänzung nach § 321 ZPO um die Zulassung der Berufung, hilfsweise einer Abhilfe im Wege der Gehörsrüge. Mit Beschluss vom 20. August 2015 berichtigte das Amtsgericht Potsdam den Urteilstatbestand auf Seite 3 der Entscheidung um folgenden Wortlaut:

 

„Ausgehend von einem Nutzungswert von 0,40 Euro pro Quadratmeter stünden dem Kläger daher ab 2011 jährlich 224,00 Euro an Nutzungsentgelt zu“.

 

Den darüber hinausgehenden Berichtigungsantrag lehnte das Amtsgericht ab, da keine Unrichtigkeit des Tatbestandes vorliege. Insoweit handele es sich um keinen Sachantrag, sondern eine bloße Anregung. Eine Berufungszulassung im Wege der Berichtigung sei nur zulässig, wenn das Erstgericht die Berufung habe zulassen wollen, dies jedoch irrtümlich unterblieben sei und das Versehen nach außen hervorgetreten und selbst für Dritte deutlich sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Mit Beschluss vom gleichen Tage wies das Amtsgericht auch die Anhörungsrüge als unbegründet zurück. Nach dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 10. Juli 2014 sei ein Klageanspruch von 700,00 Euro für die Jahre 2011 bis 2013 abzudecken gewesen, so dass ein Ausspruch für das Jahr 2014 nicht beantragt gewesen sei und auch nicht habe erfolgen dürfen.

 

Im August 2015 teilte der Beklagte mit, dass die ausgeurteilte Nutzungsentschädigung in Höhe von 224,00 Euro „für die Jahre 2012, 2013 und 2014“ nebst Zinsen ab dem 1. Januar 2012, 1. Januar 2013 und 1. Januar 2014 an den Beschwerdeführer am 20. August 2015 überwiesen worden sei. Auch sei die Nutzungsentschädigung in Höhe von 224,00 Euro für das Jahr 2015 überwiesen worden. Am 21. August 2015 gingen auf dem Konto des Beschwerdeführers insgesamt 981,39 Euro ein.

 

Einige Wochen darauf, mit Schreiben vom 21. September 2015, teilte der Beklagte mit, dass am 6. März 2015 ein Betrag in Höhe von 750,00 Euro nebst Zinsen ab dem 1. Januar 2009, 1. Januar 2010 und 1. Januar 2011 überwiesen worden sei. Nachgeforderte Zinsen für die Jahre 2009, 2010 und 2011 in Höhe von 10,39 Euro seien am 19. Juni 2015 überwiesen worden.

 

Im September 2015 beantragte der Beschwerdeführer die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 23. Juni 2015 nebst Ergänzungsbeschluss wegen einer Hauptforderung für das Jahr 2011 in Höhe von 224,00 Euro, Zinsen von 38,76 Euro und Anwaltskosten in Höhe von 19,28 Euro. Für das Jahr 2011 seien keine Zahlungen durch den Schuldner geleistet worden.

 

Mit Schreiben vom 25. November 2015 lehnte der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung ab. Der Forderungsberechnung im Urteil des Amtsgerichts vom 23. Juni 2015 sei zu entnehmen, dass die Beklagte zur Zahlung von 672,00 Euro nebst Zinsen verurteilt worden sei. Es seien insgesamt 981,39 Euro darauf gezahlt worden. Der Berichtigungsbeschluss habe darüber hinaus keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Er könne auch nicht zur Auslegung des vollstreckbaren Titels herangezogen werden.

 

Die dagegen einlegte Erinnerung wies das Amtsgericht Potsdam mit Beschluss vom 30. Dezember 2015 als unbegründet zurück. Der Anspruch des Beschwerdeführers sei erfüllt gewesen. Maßgebend für die Anrechnung der vom Schuldner geleisteten Zahlungen sei nach § 366 Abs. 1 BGB dessen Leistungsbestimmung. Aus dem Überweisungsträger und dem Anwaltsschreiben ergebe sich, dass die Forderung aus dem Verfahren 24 C 514 /13 getilgt werden solle. Aus dem Verwendungszweck „Nutzungsentschädigung zzgl. Zinsen für die Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015“ ergebe sich nicht anderes, denn weder aus dem Tenor noch den Entscheidungsgründen des Urteils zum Aktenzeichen 24 C 514/13 ließe sich entnehmen, dass in dem tenorierten Zahlungsbetrag von 672,00 Euro das Nutzungsentgelt für 2011 enthalten sei. Mit dem Berichtigungsbeschluss sei lediglich das klägerische Vorbringen korrigiert worden, insofern handele es sich aber um eine bloße Wiedergabe der klägerischen Rechtsauffassung. Zur Zusammensetzung des austenorierten Zahlungsanspruches verhielten sich die Entscheidungsgründe nicht, es sei somit insgesamt Nutzungsentgelt für die Jahre 2012, 2013 und 2014 zugesprochen worden.

 

Der dagegen einlegten sofortigen Beschwerde half das Amtsgericht mit Beschluss vom 20. Januar 2016 nicht ab und führte ergänzend aus, es könne dahinstehen, ob der Beklagte hinsichtlich der Zuordnung für die Jahre 2012 bis 2014 möglicherweise einem Irrtum unterlegen sei und ob durch das Urteil vom 23. Juni 2015 Nutzungsentschädigung für die Jahre 2011 bis 2013 (und nicht für 2012 bis 2014) zugesprochen worden sei, denn der Beklagte habe eindeutig die bereits titulierte Forderung erfüllen wollen. Weitere Ansprüche für das Jahr 2014 seien im Erkenntnisverfahren zu klären.

 

Das Landgericht wies die sofortige Beschwerde mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 9. August 2016 als unbegründet zurück. Der Gerichtsvollzieher habe die Zwangsvollstreckung zu Recht abgelehnt. Der im Urteil vom 23. Juni 2015 titulierte Anspruch sei aus den vom Amtsgericht zutreffend dargestellten Gründen erfüllt. Der Schuldner habe mit seiner Tilgungsbestimmung klar zum Ausdruck gebracht, dass er die titulierte Hauptforderung nebst Zinsen aus dem Urteil des Amtsgerichts vom 23. Juni 2015 - 24 C 514/13 - habe tilgen wollen. Der überwiesene Betrag übersteige auch die titulierte Hauptforderung nebst Zinsen. Die zunächst aufgrund der fehlenden Bezeichnung der streitgegenständlichen Nutzungsjahre bestehenden Missverständnisse führten nicht dazu, dass der Gläubiger weiter aus dem Urteil vollstrecken könne, denn es sei darin nicht ein Betrag von 896,00 Euro für fünf Jahre, sondern ein Betrag von 672,00 Euro für vier Jahre ausgeurteilt worden. Das Amtsgericht habe auf das andere Verfahren - 25 C 273/12 - verwiesen, in dem es um den Zeitraum bis 2010 gegangen sei. Demzufolge sei in dem Verfahren 24 C 514/13 der Zeitraum ab 2011 bis 2014 streitgegenständlich gewesen. Das Nutzungsentgelt für 2011 sei deshalb in dem tenorierten und unstreitig auch bezahlten Betrag von 672,00 Euro enthalten gewesen.

 

II.

Am 6. Oktober 2016 hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung des Willkürverbots und seines Grundrechts auf Eigentum. Das Landgericht habe fälschlicherweise angenommen, dass Zahlungen durch den Schuldner auch für das Jahr 2011 geleistet worden seien. Die Beschlussbegründung lasse auf eine willkürliche Verkennung von Tatsachen schließen. Nicht einmal der Schuldner habe Zahlungen für 2011 behauptet. Die im Verfahren vorgelegten Urkunden bewiesen, dass das Landgericht von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei. Es müsse angenommen werden, dass weder der Überweisungsträger noch das Anwaltsschreiben tatsächlich gelesen worden seien. In beiden sei vom Jahr 2011 nicht die Rede. Die Gedanken- und Rechenwege des Landgerichts seien nicht nachvollziehbar. Der Vollstreckungstitel stelle Eigentum des Beschwerdeführers dar, nur durch Aufhebung des Beschlusses könne eine Enteignung verhindert werden.

 

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde war zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

Maßgeblich ist, welche grundrechtliche Gewährleistung mit der Beschwerdeschrift der Sache nach ersichtlich als verletzt gerügt wird (vgl. Beschlüsse vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 21/13 -, vom 29. August 2014 - VfGBbg 1/14 -; und vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 41/15 -; www.verfassungsgericht.bran­denburg.de). Das ist vorliegend die spezielle Gewährleistung der Rechtsschutzgleichheit in seiner Ausprägung als Willkürverbot in Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde genügt jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen.

 

Nach den maßgeblichen Bestimmungen des § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg ist eine Begründung notwendig, die schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Sie muss somit umfassend und aus sich heraus verständlich sein. Mit der Begründung müssen neben einem substantiierten Vortrag des entscheidungserheblichen Sachverhalts die wesentlichen rechtlichen Erwägungen unter Berücksichtigung einschlägiger verfassungsrechtlicher Rechtsprechung dargelegt werden, um dem Gericht eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Begehren zu ermöglichen. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert (vgl. Beschlüsse vom 17. Juni 2016 - VfGBbg 95/15 - und vom 19. Mai 2017 - VfGBbg 9/17 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de, jeweils m. w. Nachw.). Dies leistet die Beschwerdeschrift nicht.

 

Gemessen daran ist auch nach dem Vortrag des Beschwerdeführers eine Verletzung des Willkürverbots unter keinem Gesichtspunkt erkennbar. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts gegen das Willkürverbot, sondern erst, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen u. a. dann vor, wenn sich ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Schrifttum geklärten Rechtslage setzt oder das Gericht den Inhalt einer Norm krass missdeutet, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 24. März 2017 - VfGBbg 37/16 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. Nachw.).

 

Einen solchen Fall hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Soweit der Beschwerdeführer meint, die Feststellungen des Landgerichts zur Tilgungsbestimmung des Beklagten seien falsch, so geht er nicht darauf ein, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, die vom Beklagten gewählte Formulierung der Tilgungsbestimmung könne auch auf einem Missverständnis über die von dem Urteil erfassten Nutzungsjahre beruhen. Anders als der Beschwerdeführer meint, hat das Landgericht diese Tilgungsbestimmung jedoch nicht gänzlich ausgeblendet, sondern ihr vor dem Hintergrund des vom Beklagten in Bezug genommenen Aktenzeichens des amtsgerichtlichen Verfahrens nicht entscheidende Bedeutung zugemessen. Stattdessen ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es für die Auslegung der Tilgungsbestimmung im Wesentlichen darauf ankam, dass der Beklagte die Forderung tilgen wollte, die von dem ausdrücklich benannten Urteil erfasst ist. Dies ist vertretbar. Dass damit die Grenze der vertretbaren Rechtsausführungen überschritten worden ist, hat der Beschwerdeführer nicht schlüssig dargelegt. Selbst wenn man zugrunde legt, dass das Landgericht seiner Entscheidung möglicherweise zu Unrecht einen tenorierten Anspruch für vier Jahre zugrunde gelegt hat, obwohl durch die jeweiligen Teilbeträge rechnerisch nur drei Jahre abgedeckt werden können, hat der Beschwerdeführer gleichwohl nicht dargelegt, weshalb sich eine vom Landgericht für das Jahr 2011 angenommene Tilgung außerhalb des rechtlichen vertretbaren Rahmens bewegen soll, soweit maßgeblich auf die Tilgungsbestimmung abgestellt worden ist. Ohne Verstoß gegen die Landesverfassung hat daher das Amtsgericht ausgeführt, dass Unklarheiten in Bezug auf die Forderung für das Jahr 2014 jedenfalls nicht im Vollstreckungsverfahren auszuräumen sind.

 

Dementsprechend ist auch eine Verletzung des Rechts auf Eigentum (Art. 41 Abs. 1 LV) nicht ersichtlich.

 

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel Schmidt