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VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 1998 - VfGBbg 30/98 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 22 Abs. 1; LV, Art. 22 Abs. 5 Satz 3
- KWahlG, § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2
- LKrO; § 69 Abs. 1; LKrO, § 70 Abs. 2; LKrO, § 61 Abs. 2 Satz 2;
  LKrO, § 65 Abs. 1; LKrO, § 2 Abs. 1 Satz 2; LKrO, § 32 Abs. 2
- GO, § 28; GO, § 28 Abs. 6
Schlagworte: - Wahlrecht
- Beschwerdebefugnis
- Beschwerdefrist
- Ineligibilität
- Inkompatibilität
- Gleichheitsgrundsatz
amtlicher Leitsatz:
Fundstellen: - DÖV 1998, 1055
- DVBl 1998, 1359 (nur LS)
- LVerfGE 9, 111
- NJ 1998, 647
- Mitt StGB 1998, 379
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. September 1998 - VfGBbg 30/98 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 30/98



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

L.,

Beschwerdeführer,

gegen § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes vom 22. April 1993 - KWahlG - (GVBl. I S. 110) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 30. März 1998 (GVBl. I S. 54)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Dombert,
Dr. Knippel, Prof. Dr. Mitzner, Prof. Dr. Schöneburg, Weisberg-Schwarz und Prof. Dr. Will

am 17. September 1998

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Der Beschwerdeführer ist hauptamtlicher Bürgermeister einer kreisangehörigen Stadt und Amtsdirektor des Amtes, dem die Stadt angehört. Mit der am 4. August 1998 erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet er sich gegen die Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG, der zufolge leitende Beamte und Angestellte der Gemeinden und Ämter nicht der Vertretung ihres Landkreises angehören dürfen.

I.

Das Brandenburgische Kommunalwahlgesetz - KWahlG - enthält in § 12 Regelungen über die Unvereinbarkeit zwischen öffentlichem Amt und der Mitgliedschaft in kommunalen Vertretungskörperschaften. Die ursprüngliche Fassung des Gesetzes vom 22. April 1993 sah u.a. vor, daß Beamte und Angestellte einer Gemeinde oder eines Amtes nicht Mitglied der Vertretung des Landkreises sein können. Eine Ausnahme galt nur für Beamte und Angestellte von öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde oder des Amtes (§ 12 Abs. 1 Ziffer 5 KWahlG a.F.).

Mit Änderungsgesetz vom 30. März 1998, in Kraft getreten am 2. April 1998, hat der Gesetzgeber die bisherigen Unvereinbarkeitsregelungen modifiziert. Die Neuregelung des § 12 KWahlG unterscheidet zwischen Bestimmungen, die für alle Beamten und Angestellten einer Körperschaft gelten (Abs. 1) und solchen, die nur (noch) für leitende Beamte und leitende Angestellte gelten (Abs. 2). Während die anderen Beamten und Angestellten der Gemeinden und Ämter der Vertretung des Landkreises angehören können, bleibt dies leitenden Beamten und Angestellten verwehrt. Die hier angegriffene Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG lautet:

§ 12
Unvereinbarkeit (Inkompatibilität)

(1) ...
(2) Leitende Beamte oder leitende Angestellte, die im Dienst einer der in den Nummern 1 bis 5 genannten Körperschaft stehen, können in den folgenden Fällen nicht zugleich einer Vertretung angehören:

1. ...
2. Stehen sie im Dienst einer Gemeinde oder eines Amtes, so können sie nicht zugleich der Vertretung des Landkreises angehören, dem die Gemeinde oder das Amt angehört.
...

Wird ein Bewerber gewählt, dessen Amt nach § 12 KWahlG unvereinbar mit der Ausübung des Mandats ist, kann er die Wahl zufolge § 51 Abs. 2 Satz 1 KWahlG nur annehmen, wenn er nachweist, die zur Beendigung des Dienstverhältnisses erforderliche Erklärung abgegeben zu haben. Weist er dies vor Ablauf der Frist zur Annahme der Wahl nicht nach, so gilt die Wahl gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 KWahlG als abgelehnt. Der Sitz in der Vertretung geht in diesem Fall auf die erste Ersatzperson des jeweiligen Wahlvorschlages über (§ 60 Abs. 3 Satz 1 KWahlG).

II.

Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffene Regelung faktisch von der Wählbarkeit für den Kreistag bei den am 27. September 1998 stattfindenden Kommunalwahlen im Lande Brandenburg ausgeschlossen. § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG verletze den Grundsatz der Wahlgleichheit und verstoße damit gegen Art. 12 und 22 der Landesverfassung (LV). Es gebe keinen Grund für eine Unvereinbarkeitsregelung in den Fällen, in denen Amt und Mandat auf verschiedenen Ebenen angesiedelt seien. Die Gefahr einer Interessenskollision sei hier äußerst gering. Im Verhältnis zwischen Kreis und kreisangehöriger Gemeinde bzw. Amt erfordere insbesondere die vom Kreis wahrzunehmende Kommunalaufsicht keine personelle Trennung, weil diese Aufgabe vom Landrat und nicht vom Kreistag wahrgenommen werde. Es sei außerdem sachwidrig, die Wählbarkeit hauptamtlicher Bürgermeister zu beschränken, während ehrenamtliche Bürgermeister ebenso wie andere Beamte oder Angestellte in den Kreistag gewählt werden könnten. Gleiches gelte für Angestellte einer Gesellschaft, an der der Landkreis beteiligt sei und die trotz ihrer Weisungsgebundenheit dem Kreistag angehören dürften. Selbst Gemeindevertreter, die mit größeren Entscheidungskompetenzen ausgestattet seien als der hauptamtliche Bürgermeister, seien in den Kreistag wählbar. In der Gesamtschau stelle sich die angegriffene Regelung als willkürliche Beschränkung der Wählbarkeit dar.

III.

Die Landesregierung hat zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Sie sei mangels Beschwerdebefugnis bereits unzulässig. Die angegriffene Inkompatibilitätsregelung betreffe den Beschwerdeführer nicht unmittelbar und gegenwärtig. Die Vorschrift greife ihm gegenüber erst, wenn er in den Kreistag gewählt werde und sodann vor Ablauf der Frist zur Annahme der Wahl nicht die zur Beendigung des Dienstverhältnisses erforderliche Erklärung abgebe. Jedenfalls sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die angegriffene Vorschrift sei durch Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV gedeckt, wonach durch Gesetz u.a. geregelt werden könne, daß Beamte nicht zugleich Mitglied in kommunalen Vertretungskörperschaften seien könnten. § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG diene der Vermeidung von Interessenskollisionen, die auch im Verhältnis der leitenden Beamten und Angestellten der Ämter und Gemeinden gegenüber dem Kreistag bestünden. Zwar übe der Landrat die Kommunalaufsicht über die kreisangehörigen Ämter und Gemeinden aus. Der Kreistag sei jedoch Dienstvorgesetzter des Landrats und habe auch im übrigen nach der Landkreisordnung die Möglichkeit, auf dessen Amtsführung einzuwirken. Weiter entscheide der Kreistag über die Kreisumlage und im Rahmen seiner Ausgleichsaufgaben über die Vergabe investiver Mittel. Es bestehe deshalb die Gefahr einer Interessenskollision, wenn leitende Beamte und Angestellte der Ämter und Gemeinden zugleich Mitglied des Kreistags seien. Darin liege keine sachwidrige Ungleichbehandlung gegenüber ehrenamtlichen Bürgermeistern. Deren Gemeinden stünden wegen der dazwischen tretenden Ebene der Ämter nicht in gleicher Weise dem Kreis gegenüber wie Gemeinden mit hauptamtlichen Bürgermeistern. Die Möglichkeit einer Interessenskollision sei hier deutlich geringer. Auch gegenüber den nichtleitenden Angestellten von Gesellschaften, an denen der Kreis beteiligt sei, werde der Beschwerdeführer nicht sachwidrig ungleich behandelt. Eventuelle Interessenskollisionen seien bei dieser Personengruppe überschaubar und könnten im Einzelfall über die Mitwirkungsverbote der Landkreisordnung geregelt werden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig (dazu I.). Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg (dazu II.).

I.

1. Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt im Sinne von Art. 6 Abs. 2 LV, § 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg). Er rügt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl (Art. 22 Abs. 3 LV) und sieht sein Wählbarkeitsrecht nach Art. 22 Abs. 1 LV verletzt. Dieses Recht zählt zu den “Grundrechten” im Sinne des Art. 6 Abs. 2 LV. Es kann mit der Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein das Wahlrecht regelndes Gesetz geltend gemacht werden, wenn der Beschwerdeführer von dem Gesetz selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist (vgl. BVerfGE 58, 177, 188 m.w.N.). So liegt es hier.

Der Beschwerdeführer kann als leitender Beamter seiner Stadt und des Amtes aufgrund der Unvereinbarkeitsregelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG eine Wahl in die Vertretung des Landkreises, um die er sich bewerben will, nicht annehmen, es sei denn, er würde zugleich seine dienstliche Tätigkeit aufgeben. Die angegriffene Regelung greift damit “unmittelbar” in die Rechtsposition des Beschwerdeführers ein, ohne daß es noch eines weiteren Vollzugsaktes der Verwaltung bedarf. Nach § 51 Abs. 2 Satz 2 KWahlG gilt die Wahl als abgelehnt, wenn der Bewerber nicht innerhalb der Frist zur Annahme der Wahl dem Wahlleiter nachweist, daß er die zur Beendigung des Dienstverhältnisses erforderliche Erklärung abgegeben hat. Die nachfolgende Zuweisung der Sitze an die einzelnen Bewerber und die Feststellungen der Wahlprüfungsorgane sind keine Vollzugsakte der Verwaltung im vorgenannten Sinne, sondern geben lediglich das bereits aufgrund der gesetzlichen Regelung feststehende Wahlergebnis wieder. Sie sind rein deklaratorischer Natur (BVerfG in st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 48, 64, 79 f.; 58, 177, 189 f. m.w.N.; vgl. auch LVerfG Sachsen-Anhalt, LVerfGE 2, 345, 359 f.; VerfGH Berlin, LVerfGE 4, 34, 37 f.).

Der Beschwerdeführer ist durch § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG des weiteren “gegenwärtig” betroffen. Die angegriffene Regelung beinhaltet für ihn nicht nur die Möglichkeit einer Betroffenheit in unbestimmter Zukunft, sondern führt bereits jetzt zu einer aktuellen Beeinträchtigung (vgl. - die “Gegenwärtigkeit” der Beeinträchtigung in diesen Fällen annehmend - BVerfGE 18, 172, 180; 38, 326, 335 f; 48, 64, 79 f.; 57, 43, 55). Auch unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten kann der Beschwerdeführer nicht darauf verwiesen werden abzuwarten, bis er im Falle seiner Wahl vor die - sodann binnen einer Woche zu treffende (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 KWahlG) - Entscheidung zwischen Amt und Mandat gestellt ist.

2. Die Jahresfrist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde (§ 47 Abs. 3 VerfGGBbg) ist gewahrt. Daß der Beschwerdeführer als hauptamtlicher Bürgermeister und Amtsdirektor schon nach der ursprünglichen Fassung des § 12 KWahlG der Vertretung des Landkreises nicht angehören konnte, wirkt sich nicht aus. Eine solche isolierte Betrachtung der Neuregelung würde der Situation nicht gerecht. Zwar wird eine bereits bestehende Beschwer nicht dadurch erneut angreifbar, daß der Gesetzgeber sie gelegentlich der Änderung anderer Bestimmungen desselben Gesetzes erneut in seinen Willen aufgenommen hat (vgl. etwa BVerfGE 11, 255, 260; 56, 363, 379 f.). Begründet die Gesetzesänderung jedoch eine neue Beschwer, wird die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde erneut in Lauf gesetzt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 1994 - VfGBbg 9/93 -, LVerfGE 2, 93, 99; BVerfGE 17, 364, 369; 23, 229, 237; 80, 137, 149). So liegt es hier.

Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit, den der Beschwerdeführer verletzt sieht, schützt auch das passive Wahlrecht vor jeglichen sachwidrigen Beschränkungen, die sich auch daraus ergeben können, daß im Rahmen von Inkompatibilitätsvorschriften öffentliche Bedienstete unterschiedlich behandelt werden. Der Beschwerdeführer macht der Sache nach geltend, daß der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 12 KWahlG den Kreis der mit kommunalen Mandaten unvereinbaren Ämter willkürlich gezogen und dadurch den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit verletzt habe. Der Beschwerdeführer hält sich u.a. mit den nichtleitenden Bediensteten für vergleichbar und beansprucht eine gleiche Behandlung. Diese Rügemöglichkeit ist erst durch die Neufassung des Gesetzes eröffnet worden. Darin tritt eine “neue” Beschwer zutage (vgl. hierzu etwa BVerfGE 26, 100, 109).

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet. § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG schränkt zwar den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und das (passive) Wahlrecht aus Art. 22 Abs. 1 LV ein (dazu 1.). Diese Einschränkung ist jedoch durch Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV gedeckt (dazu 2.).

1. Zufolge Art. 22 Abs. 1 LV hat jeder Bürger nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres das Recht, zum Landtag und zu den kommunalen Vertretungskörperschaften zu wählen und in diese gewählt zu werden. Dabei gelten die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 22 Abs. 3 Satz 1 LV, wonach Wahlen und Abstimmungen allgemein, unmittelbar, gleich, frei und geheim sind. Diese Verfassungsnormen beziehen sich nicht nur auf den Wahlakt als solchen, sondern erfassen die Wählbarkeit im weiteren Sinne. Ein Wahlbewerber muß nicht nur die Möglichkeit haben, ein Mandat zu erwerben, sondern auch, das Mandat tatsächlich auszuüben (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 25. Januar 1996 - VfGBbg 13/95 -, LVerfGE 4, 85, 91 f.). Das passive Wahlrecht nach Art. 22 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 LV wird deshalb durch alle einfachgesetzlichen Vorschriften beeinträchtigt, die die Wählbarkeit beschränken. Hierzu zählt die angegriffene Regelung, die die Mandatsausübung von dem Verzicht auf das Amt abhängig macht.

2. Die Beeinträchtigung des passiven Wahlrechts durch § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG findet ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung in Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV. Danach kann der Landesgesetzgeber vorsehen, daß Beamte, Angestellte des öffentlichen Dienstes und Richter nicht zugleich Mitglied im Landtag oder in kommunalen Vertretungskörperschaften seien können. Der Gesetzgeber hat von dieser Ermächtigung mit der angegriffenen Regelung in verfassungskonformer Weise Gebrauch gemacht. Sie enthält eine zulässige Inkompatibilitätsregelung (dazu a.), dient in sachlich zu vertretender Weise der Vermeidung von Interessenskollisionen (dazu b.) und ist in sich widerspruchsfrei (dazu c.).

a. Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV ermächtigt den Landesgesetzgeber nur zu Unvereinbarkeitsregelungen, nicht dagegen zu einem Ausschluß öffentlicher Bediensteter von Wahlen (Ineligibilität). Letzteres wäre schon kraft Bundesrecht - auch bezogen auf Kommunalwahlen (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz - GG -) - unzulässig. Art. 137 Abs. 1 GG enthält zugleich das Verbot einer über Inkompatibilitätsregelungen hinausgehenden Beschränkung der Wählbarkeit in Anknüpfung an ein Dienstverhältnis (BVerfGE 12, 73, 77; 38, 326, 336 ff.; 57, 43, 66 f. m.w.N.). Landesrecht kann diese Grenzen der Einschränkbarkeit der Wählbarkeit nicht erweitern (Art. 2 Abs. 5 Satz 1 LV, Art. 31 GG).

Die angegriffene Norm hält sich in diesem Rahmen. Die von ihr erfaßten Personen werden nicht von der Wählbarkeit ausgeschlossen. Sie können sich zur Wahl stellen von ihr erfaßte Personen werden nicht von der Wählbarkeit ausgeschlossen. Sie können sich zur Wahl stellen und gewählt werden. Sie sind - wie dargestellt - freilich verpflichtet, sich im Falle der Wahl zwischen Amt und Mandat zu entscheiden. Unbeschadet der faktischen Einengung dieses Entscheidungsspielraums durch berufliche und wirtschaftliche Zwänge, die in den meisten Fällen dem Ausscheiden aus dem bisherigen Dienstverhältnis entgegenstehen werden, beinhaltet die angegriffene Vorschrift damit lediglich eine Inkompatibilität (vgl. zu einer vergleichbaren Regelung der Niedersächsischen Gemeindeordnung BVerfGE, 58, 177, 192 f. m.w.N.).

b. Angesichts der faktischen Schwierigkeiten, die sich ggfls. für den Gewählten aus dem Zwang zur Aufgabe des bisherigen (hauptberuflichen) Dienstverhältnisses ergeben, ist allerdings nicht zu verkennen, daß § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG in den praktischen Auswirkungen einem Ausschluß der Wählbarkeit in die Vertretung des Landkreises nahekommt. Eine Regelung wie § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG bedarf deshalb mit Blick auf die große Bedeutung der Wahl- und Wählbarkeitsgleichheit für das demokratische Staatswesen trotz der Ermächtigung in Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV eines rechtfertigenden Grundes, der dem Sinn der Ermächtigung Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 12, 73, 77; 38, 326, 339). Sie will das Gemeinwesen vor Interessenskollisionen bewahren helfen, wie sie bei einer Personalunion von Amt und Mandat drohen. Beschränkungen der Wählbarkeit sind deshalb nur gerechtfertigt, wenn sie erforderlich und geeignet sind, Interessenskollisionen wirksam zu begegnen (vgl. BVerfGE 48, 64, 90; 57, 43, 67; 58, 177, 193, LVerfG Sachsen-Anhalt, LVerfGE 2, 345, 365; Magiera in Sachs , Grundgesetzkommentar, 1996, Art. 137 Rn. 10). Dies ist hier der Fall.

aa. Zwischen dem Amt als leitender Beamter einer Gemeinde oder eines Amtes und der Wahrnehmung eines Mandats in der Vertretung des Kreises ergeben sich unbeschadet dessen, daß sich Amt und Mandat auf verschiedenen Ebenen gegenüberstehen, in mannigfacher Weise Interessenskollisionen (vgl. zum Verhältnis Gemeinde - Kreis BVerfGE 12, 73, 78 f.; 58, 177, 193 ff.). Der Kreis und seine Gemeinden bzw. Ämter bilden eine Gemeinschaft, die nicht nur territorial, sondern auch nach Zweckbestimmung und Funktion eng verbunden und verflochten ist (BVerfGE 23, 353, 368). Die rechtlichen und tatsächlichen Interessen der verschiedenen Selbstverwaltungsebenen greifen auf vielfältige Weise ineinander und können je nach Fallgestaltung in unterschiedliche Richtungen weisen.

Interessenskollisionen ergeben sich bereits im Bereich der Kommunalaufsicht, der Sonderaufsicht und der Fachaufsicht des Kreises gegenüber den kreisangehörigen Ämtern und Gemeinden. Zwar obliegt diese Aufsicht nicht dem Kreistag, sondern dem Landrat als allgemeine untere Landesbehörde (§ 69 Abs. 1 LKrO), welcher insoweit der Dienstaufsicht des Ministerium des Innern untersteht und nur den übergeordneten staatlichen Behörden verantwortlich ist (§ 70 Abs. 2 LKrO). Dies allein schließt die Möglichkeit von Interessenskollisionen aber nicht aus. Der Landrat ist in seiner Amtsführung auf das Vertrauen des Kreistages angewiesen, der ihn gemäß § 51 Abs. 1 LKrO wählt und unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 LKrO wieder abberufen kann. Außerhalb des Aufsichtsbereichs untersteht der Landrat der Dienstaufsicht des Kreistags (§ 61 Abs. 2 Satz 2 LKrO). Die sich aus alledem ergebenden Einflußmöglichkeiten des Kreistags reichen ggfls. bis in den Bereich der Aufsichtstätigkeit hinein.

Vor allem aber können sich Interessenskollisionen zwischen kommunalem Amt und Kreistagsmandat im Bereich der Selbstverwaltungsaufgaben ergeben, die vom Kreistag wahrzunehmen sind bzw. deren Erledigung durch den Landrat vom Kreistag zu kontrollieren ist. Zum Beispiel obliegt dem Kreistag zufolge § 65 Abs. 1 LKrO die Festsetzung der von den kreisangehörigen Gemeinden zur Deckung des Finanzbedarfs des Landkreises zu leistenden Kreisumlage, wobei außer über einen Umlagesatz auch über mögliche Mehr- oder Minderbelastungen einzelner Landkreisteile zu befinden ist (vgl. § 65 Abs. 3 LKrO). Es liegt auf der Hand, daß bei solchen Entscheidungen das Interesse des Kreises an einer hinreichenden eigenen Finanzausstattung und einem angemessenen kreisinternen Lastenausgleich den Interessen der einzelnen Gemeinde zuwiderlaufen kann. Ein leitender Beamter oder Angestellter einer kreisangehörigen Gemeinde, der als Kreistagsmitglied über die Gestaltung der Kreisumlage mitzuentscheiden hätte, sähe sich diesem Interessenskonflikt ausgesetzt (vgl. BVerfGE 12, 73, 78 ff.)

Entsprechendes gilt allgemein für die dem Kreis obliegenden Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 LKrO fördert er die kreisangehörigen Gemeinden und Ämter in der Erfüllung ihrer Aufgaben, ergänzt durch sein Wirken die Selbstverwaltung der Gemeinden und Ämter und trägt zu einem gerechten Ausgleich zwischen den Gemeinden und Ämtern bei. Bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Maße er in diesem Sinne tätig wird, muß der Kreis neben den Bedürfnissen der einzelnen Gemeinden und Ämter notwendigerweise seine eigenen Bedürfnisse und die Gesamtsituation im Kreisgebiet berücksichtigen. Ein leitender Beamter oder Angestellter einer kreisangehörigen Gemeinde oder eines Amtes, der als Kreistagsmitglied an solchen Entscheidungsprozessen beteiligt wäre, könnte geneigt sein, im Interesse der “eigenen” Kommune die Bedürfnisse des Kreises und anderer Kommunen hintanzusetzen.

bb. Angesichts der vielfältigen möglichen Interessenskonflikte zwischen der gemeindlichen und der kreislichen Ebene erscheint § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG sachlich gerechtfertigt. Zwar ist ein Kreistagsmitglied schon nach § 28 Gemeindeordnung - GO - i.V.m. § 32 Abs. 2 LKrO unter bestimmten Voraussetzungen von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen, insbesondere dann, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit ihm selbst oder einer vom ihm vertretenen juristischen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Diese Regelung ist jedoch unbehelflich und reicht zur Vermeidung von Interessenskonflikten nicht aus. Zum einen wäre womöglich in einer Vielzahl von Fällen - über die im Zweifelsfall jeweils der Kreistag zu entscheiden hätte - zweifelhaft, ob das Kreistagsmitglied an der Mitwirkung gehindert ist und andernfalls die Gefahr einer Unwirksamkeit des Kreistagsbeschlusses besteht (vgl. § 28 Abs. 6 GO). Hierdurch könnte die Wahrnehmung des Kreistagsmandats, ggfls. auch die Arbeit des Kreistags selbst, Schaden nehmen. Zum anderen ergeben sich unerwünschte Interessenskollisionen zwischen Amt und Mandat auch außerhalb des Bereichs von “unmittelbaren” Vor- und Nachteilen für den Mandatsträger selbst oder eine von ihm vertretene juristische Person. So kann im Bereich der Ausgleichs- und Ergänzungsaufgaben die Entscheidung des Kreises über Hilfestellungen für eine bestimmte Gemeinde je nach Fallgestaltung zugleich eine - wenn auch vielleicht nur mittelbare - Benachteiligung einer anderen Gemeinde bedeuten, sei es, daß dadurch die kreislichen Mittel für die mögliche Unterstützung anderer Gemeinden gemindert oder gar verbraucht werden oder daß etwa Standortvorteile geschaffen werden, die sich ungünstig für die Nachbargemeinden auswirken. Mehr oder weniger verdeckte Interessenskonflikte dieser Art ließen sich über Mitwirkungsverbote nicht befriedigend lösen. Zur Vorbeugung gegen Interessenskollisionen konnte der Gesetzgeber deshalb eine generelle Unvereinbarkeitsregelung bestimmen (vgl. - in ähnlichem Zusammenhang - BVerfGE 12, 73, 79 f.; 58, 177, 193 ff.; vgl. auch - vor dem Hintergrund weitergreifender Befangenheitsregelungen - BVerfGE 18, 172, 185 f.).

c. Macht der Gesetzgeber von der Ermächtigung des Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV Gebrauch, weil die Gefahr von Interessenskonflikten dies - wie hier - rechtfertigt (s.o.), so beruhen die sich hieraus ergebenden Unterschiede in der Wählbarkeit öffentlicher Bediensteter einerseits und anderer Bürger andererseits unmittelbar auf der Verfassung (vgl. BVerfGE 48, 64, 89 f.). Der hohe Stellenwert der Wahlrechtsgleichheit verlangt allerdings, daß der Gesetzgeber innerhalb der von der Verfassungsnorm erfaßten Personengruppen keine sachwidrigen Differenzierungen vornimmt (BVerfGE 48, 64, 89 f.; 18, 172, 184). Auch dem genügt § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG.

aa. Der Landesgesetzgeber konnte die Unvereinbarkeitsregelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 KWahlG auf leitende Beamte und Angestellte i.S. des § 12 Abs. 2 Satz 2 KWahlG (hauptamtliche Beamte auf Zeit, Amtsleiter und Inhaber vergleichbarer Ämter sowie ihre Vertreter) begrenzen. Nachgeordnete Bedienstete der kreisangehörigen Ämter und Gemeinden sind im Kreistag in ungleich geringerem Maße Interessenskollisionen ausgesetzt als leitende Beamte und Angestellte, denen das Geschick der Kommune anvertraut ist und deren Verantwortungsbereich durch Entscheidungen des Kreistages, die sich auf die amtsangehörigen Ämter und Gemeinden auswirken, unmittelbar berührt wird. Die Unterscheidung erscheint deshalb sachlich vertretbar. Jedenfalls ist die Gesetz gewordene Regelung geeignet, die Gefahr von Interessenskollisionen zu verringern und damit nicht sachwidrig. Wie der Wortlaut des Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV (“kann”) zeigt, muß der Gesetzgeber die Ermächtigung nicht ausschöpfen (vgl. zu Art. 137 Abs. 1 GG BVerfGE 38, 326, 340).

bb. Es stellt sich auch nicht als ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar, daß ehrenamtliche Bürgermeister der kreisangehörigen Gemeinden dem Kreistag angehören dürfen. Dies folgt schon daraus, daß Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV ehrenamtliche Bürgermeister nicht erfaßt. Die Ehrenbeamten zählen nicht zu den Beamten i.S. des Art. 137 Abs. 1 (BVerfGE 18, 172, 184 f.; kritisch hierzu Stober, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 137 Abs. 1, Rn. 287, 317 ff.). Da der Landesgesetzgeber den Ermächtigungsrahmen des Art. 137 Abs. 1 GG zwar unter-, aber nicht überschreiten darf (s.o.), bezieht sich auch Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV nicht auf Ehrenbeamte. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit schützt den Beschwerdeführer nur vor sachwidrigen Differenzierungen innerhalb des von Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV erfaßten Personenkreises.

cc. Aus dem nämlichen Grund kann der Beschwerdeführer auch nichts daraus herleiten, daß nichtleitende Angestellte einer vom Kreis beherrschten Gesellschaft dem Kreistag angehören dürfen. Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV erfaßt auch diesen Personenkreis nicht. Der Verfassungsgesetzgeber ist bei der Ermächtigungsnorm ausweislich der Gesetzesmaterialien unter Hinweis auf die einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 137 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 38, 326, 339; 48, 64, 85 ff.) davon ausgegangen, daß zu den “Angestellten des öffentlichen Dienstes” i.S. der Verfassungsnorm bei Bediensteten privater Gesellschaften mit mehrheitlicher Beteiligung einer Kommune nur die leitenden Angestellten zählen (vgl. Begründung zum Änderungsantrag vom 28. Januar 1997, S. 3, Anlage zu LT-Drs. 2/3752). Demgemäß hat der Gesetzgeber die Unvereinbarkeitsregelungen auf diesen Personenkreis begrenzt (vgl. § 12 Abs. 3 KWahlG).

cc. Gegenüber Gemeinderatsmitgliedern, die nicht an einer Mitgliedschaft im Kreistag gehindert sind, wird der Beschwerdeführer ebenfalls nicht sachwidrig ungleich behandelt. Auch dieser Personenkreis fällt nicht unter Art. 22 Abs. 5 Satz 3 LV und scheidet deshalb in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang als Vergleichsgruppe aus. Unbeschadet dessen bezweckt die den Beschwerdeführer betreffende Inkompatibilitätsvorschrift speziell die personale Trennung zwischen Exekutivamt und Mitgliedschaft in einer Kommunalvertretung. Es soll der Gefahr begegnet werden, daß die Exekutive an ihrer eigenen Kontrolle beteiligt ist. Diese Gefahr besteht bei einem Doppelmandat - ungeachtet der Frage, ob es aus anderen Gründen untersagt werden könnte (vgl. etwa BVerfGE 42, 312, 327) - nicht.

III.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (VfGBbg 30/98 EA), mit dem der Beschwerdeführer eine Aussetzung der angegriffenen Inkompatibilitätsregelung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erreichen wollte.

Dr. Macke Dr. Dombert
Dr. Knippel Prof. Dr. Mitzner
Prof. Dr. Schöneburg Weisberg-Schwarz
Prof. Dr. Will