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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 51/14 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 9 Abs. 1; LV, Art. 12 Abs. 1; LV, Art. 53 Abs. 1, Abs. 2
- VerfGGBbg, § 21, VerfGGBbg, § 45 Abs. 1
- StGB, § 123
- StPO, § 467 Abs. 1, Abs. 4
- JGG, § 47
Schlagworte: - Auslegung von Strafvorschriften,
- Prinzip der Unschuldsvermutung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 51/14 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 51/14




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

M,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt
R.,
 

 

wegen            des Beschlusses des Amtsgerichts Cottbus vom 14. Juli 2014 (Az.: 79 Ds 1814 Js 24613/12 (3/13)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. Juli 2015

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

 

A.

I.

Mit Beschluss vom 14. Juli 2014 stellte das Amtsgericht Cottbus eine gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Strafsache wegen Hausfriedensbruchs gemäß §§ 45, 47 Jugendgerichtsgesetz (JGG) auf Kosten der Staatskasse ohne Auslagenerstattung ein, da eine Ahndung entbehrlich sei. Der Beschwerdeführerin war vorgeworfen worden, sich am 8. Mai 2012 trotz eines ihr gegenüber erteilten Hausverbots widerrechtlich in den Geschäftsräumen der Firma R aufgehalten zu haben.

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts legte die Beschwerdeführerin am 27. Juli 2014 Beschwerde ein und machte geltend, eine Einstellung des Strafverfahrens habe nicht erfolgen dürfen, sie habe vielmehr freigesprochen werden müssen. Zur Begründung trug sie vor, eine Kassiererin der Firma R habe ihr zum Zeitpunkt des ihr vorgeworfenen Hausfriedensbruchs noch Waren verkauft, weshalb der Strafantrag wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam gewesen sei und somit für das Strafverfahren ein Verfahrenshindernis bestanden habe. Soweit das Amtsgericht in der mündlichen Verhandlung am 14. Juli 2014 angenommen habe, die Kassiererin sei nicht befugt gewesen, gegen den Willen des für die Ausübung des Hausrechts zuständigen Mitarbeiters der Firma R zu handeln, werde verkannt, dass das Hausrecht der juristischen Person zustehe und diese auch durch ihr Verkaufspersonal handele.

Das Landgericht Cottbus wies die Beschwerde mit Beschluss vom 12. Februar 2015 als unzulässig zurück und führte zur Begründung aus, die in § 47 Abs. 1 Nr. 1 JGG geregelte Einstellung des Verfahrens ohne Erteilung von Auflagen könne unter den Voraussetzungen des § 153 StPO erfolgen und ergehe gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO durch unanfechtbaren Beschluss. Eine hiergegen nach § 304 StPO gerichtete Beschwerde sei nur zulässig, wenn die Einstellung nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JGG mit einer in § 45 Abs. 3 Satz 1 JGG nicht zugelassenen erzieherischen Maßnahme verbunden werde, was vorliegend nicht der Fall sei. Wende der Angeklagte hingegen ein Verfahrenshindernis - das Fehlen eines Strafantrags - ein, sei eine Beschwerdemöglichkeit nicht gegeben. Eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung sei grundsätzlich unzulässig. Anderes gelte nur, wenn der Angeklagte seine Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens nur für den Fall der Erstattung seiner notwendigen Auslagen erteilt habe. Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht hätten die Angeklagte und ihr Verteidiger dem Vorschlag des Jugendrichters, das Verfahren ohne Auflagen einzustellen, aber vorbehaltlos und ohne Bedingung zugestimmt.

II.

Bereits zuvor, am 2. September 2014, hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der sie eine Verletzung des Grundsatzes nulla poene sine lege und ihres Freiheitsrechts aus Art. 9 Abs. 1, Art. 53 Abs. 1 Landesverfassung (LV) sowie ihrer Würde und ihres Achtungsanspruchs rügt. Zur Begründung trägt sie vor, die Firma R als Inhaberin des Hausrechts habe ihr Strafantragsrecht wegen des an sie, die Beschwerdeführerin, erfolgten Warenverkaufs verwirkt. Daher habe das Amtsgericht sie - gerade mit Blick auf die in einem Jugendstrafverfahren besonders wichtige Klarstellungsfunktion des Strafverfahrens - gemäß § 467 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) freisprechen und ihr die notwendigen Auslagen erstatten müssen, statt das Verfahren ohne Auslagenersatz einzustellen. Letzteres stelle nur einen „Freispruch zweiter Klasse“ dar. Die vom Landgericht angenommene Zustimmung zum Beschluss des Amtsgerichts sei nicht mehr als „gute Miene zum bösen Spiel“ gewesen, da eine weitere Verhandlung „keinen Sinn“ gemacht habe. Im Übrigen habe sie durchgängig einen Freispruch verlangt, von einem Auslagenersatz sei nie die Rede gewesen. Sofern das Protokoll der Hauptverhandlung etwas anderes wiedergebe, sei mindestens falsch beurkundet worden.

Die Erstattung der Auslagen sei schließlich auch in willkürlicher Weise unterblieben, da ein Ausnahmetatbestand i. S. d. § 467 Abs. 4 StPO in Ermangelung einer vorwerfbaren Straftat nicht vorliege. Es handele sich vielmehr um einen durchschnittlichen Fall des § 467 Abs. 1 StPO. Bezüglich der im Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde noch rechtshängigen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, der Beschluss des Amtsgerichts sei trotz der prinzipiellen Unanfechtbarkeit der Einstellung eines Strafverfahrens noch beschwerdefähig, da sie habe freigesprochen werden müssen.

III.

Die Akten des Ausgangsverfahrens sind beigezogen worden.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

Die Beschwerdeführerin hat die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung durch den angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts nicht in einer dem Begründungserfordernis nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügenden Weise dargelegt. Ihr Vortrag lässt eine mögliche Verletzung ihrer Grundrechte im Strafverfahren aus Art. 53 Abs. 1, Abs. 2 LV oder des Grundrechts auf Gleichheit vor dem Gesetz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür aus Art. 12 Abs. 1 LV nicht erkennen.

1. Art. 53 Abs. 1 LV schützt unter anderem vor einer Anwendung des Strafrechts durch die hierzu berufenen Gerichte, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht (für Art. 103 Abs. 2 GG vgl. BVerfGE 82, 236, 269 m. w. Nachw.; E 87, 209, 225; E 87, 399, 411; BVerfG-K NJW 2005, 2141), und zieht hiermit auch der Auslegung von Strafvorschriften eine verfassungsrechtliche Schranke. Mit diesen Grundgedanken des Art. 53 Abs. 1 LV setzt sich namentlich eine Verurteilung in Widerspruch, der eine objektiv unhaltbare und damit willkürliche Auslegung des materiellen Strafrechts zugrunde liegt (zu Art. 103 Abs. 2 GG vgl. BVerfG-K NJW 1995, 186 f; Pieroth, in: Jarass/ders., GG, 13. Aufl., Art. 103 Rn. 50). Hinweise für eine derartige, objektiv unrichtige und willkürliche Auslegung des § 123 StGB durch das Amtsgericht lassen sich dem Vortrag der Beschwerdeführerin nicht entnehmen. Sie führt hierzu einzig aus, das Amtsgericht habe wegen des ihrer Ansicht nach unwirksamen, da rechtsmissbräuchlich - im Sinn eines widersprüchlichen Verhaltens des Antragsberechtigten - gestellten Strafantrags zwingend das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses berücksichtigen müssen. Es bestehen aber sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht zumindest erhebliche Zweifel, ob ein Verfahrenshindernis vorlag. Daher kann keineswegs von einer willkürlichen Entscheidung des Amtsgerichtes ausgegangen werden.

a) Der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs ist gemäß § 123 Abs. 2 StGB als absolutes Antragsdelikt ausgestaltet, die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Von § 123 Abs. 1 StGB wird das individuelle Hausrecht als persönliches Rechtsgut geschützt (Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Aufl., § 123 Rn. 1 m. w. Nachw.). Hieraus folgt, dass die Befugnis zur Stellung des Strafantrags nach § 123 Abs. 2 StGB dem Inhaber des Hausrechts als dem Verletzten i. S. d. § 77 Abs. 1 StGB zusteht (BbgOLG NJW 2002, 693; Sternberg-Lieben, a. a. O., Rn. 38). Handelt es sich bei diesem - wie vorliegend bei der Firma R - um eine Offene Handelsgesellschaft (OHG), wird das Strafantragsrecht durch die vertretungsberechtigten Gesellschafter ausgeübt (Sternberg-Lieben/Bosch, a. a. O., § 77 Rn. 14; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 77 Rn. 2a), die dieses auf einen Vertreter übertragen können (Sternberg-Lieben/Bosch, a. a. O., § 77 Rn. 25 ff.). Der Strafantrag wurde ausweislich der Verfahrensakten durch den Marktmanager gestellt.

b) Das Amtsgericht musste auch nicht insoweit von einer Unwirksamkeit des Antrags wegen Rechtsmissbrauchs ausgehen, weil der Beschwerdeführerin durch Verkaufspersonal während ihres widerrechtlichen Aufenthaltes in den Geschäftsräumen noch Ware verkauft worden und sie nicht bereits von diesem des Hauses verwiesen worden war. Es ist zunächst schon fraglich, ob dem Antragsberechtigten in tatsächlicher Hinsicht ein widersprüchliches Verhalten zugerechnet werden könnte, da nicht ersichtlich ist, dass dem Verkaufspersonal das zu Lasten der Beschwerdeführerin ausgesprochene Hausverbot überhaupt bekannt war und es sich hierüber beim Verkauf der Waren willentlich und zurechenbar hinwegsetzte; Voraussetzung für die Annahme eines widersprüchlichen Verhaltens wäre jedoch eine derart willensgeleitete Entscheidung. Es kann weiter dahinstehen, ob, wie die Beschwerdeführerin unterstellt, üblicherweise davon ausgegangen werden kann, dass das in Supermärkten beschäftigte Verkaufspersonal zu einer Ausübung des Hausrechts i. S. d. § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB berechtigt ist. Nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin hat das Amtsgericht seiner Entscheidung die Annahme zugrunde gelegt, die Ausübung des Hausrechts sei nicht dem Verkaufspersonal, sondern einem anderen Mitarbeiter der Firma REWE übertragen gewesen, womit ein widersprüchliches Verhalten von vornherein ausscheidet. Ausweislich der Verfahrensakten ist die Beschwerdeführerin tatsächlich durch das Sicherheitspersonal des R-Marktes auf den Verstoß gegen das erteilte Hausverbot angesprochen worden.

c) Ohne dass dies abschließend zu entscheiden ist, dürfte schließlich für die Annahme eines widersprüchlichen Verhaltens die rechtliche Gleichgerichtetheit des jeweiligen, angeblich miteinander in Widerspruch stehenden Handelns vorauszusetzen sein, woran es vorliegend fehlt. Die Berechtigung aus § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist nicht zwingend mit der Befugnis zur Stellung des Strafantrags gleichzusetzen. Die Begründung von Vertretungsmacht für das Stellen von Strafanträgen setzt vielmehr voraus, dass der Inhaber des Hausrechts den Vertreter mit der Wahrnehmung seiner verletzten Interessen auch insoweit beauftragt. Vorliegend müsste also angenommen werden, dass das Verkaufspersonal bevollmächtigt worden war, auch Strafantrag zu stellen. Dass das Amtsgericht Anlass gehabt hätte, eine derart weit über die Ausübung des Hausrechts hinausweisende und letztlich realitätsferne Befugnisübertragung in Betracht zu ziehen, ist weder vorgetragen noch erkennbar. Ausweislich der Verfahrensakten ist der Strafantrag tatsächlich auch vom Manager des R-Marktes gestellt worden.

2. Der Vortrag der Beschwerdeführerin lässt weiterhin ebenfalls keinen Verstoß des Amtsgerichts Cottbus gegen das landesverfassungsrechtlich in Art. 53 Abs. 2 LV statuierte Prinzip der Unschuldsvermutung erkennen. Ein solcher liegt weder in der Einstellung des Verfahrens noch darin, dass die Einstellung ohne Auslagenerstattung erfolgte.

a) Dabei ist es zunächst unschädlich, dass die Beschwerdeführerin mit der Verfassungsbeschwerde ausdrücklich nur eine Verletzung der Art. 9 Abs. 1, 53 Abs. 1 LV rügt. Ihrem gesamten Vorbringen kann entnommen werden, dass sie zugleich einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 2 LV geltend macht. Ihre Beschwerdebegründung stellt wesentlich darauf ab, dass der Beschluss des Amtsgerichts gegen ihre Grundrechte im Strafverfahren verstoße. Es genügt, wenn sinngemäß zum Ausdruck gebracht wird, welches verfassungsrechtlich gewährleistete Recht für beeinträchtigt erachtet wird. Wird hierbei ein (gleichfalls) einschlägiger Grundrechtsartikel übersehen, so ist dies unschädlich (BVerfG-K NJW 2005, 2140, 2141).

b) Nach Art. 53 Abs. 2 LV ist jeder einer Straftat Beschuldigte oder Angeklagte solange als unschuldig anzusehen, bis er rechtskräftig verurteilt ist. Die Unschuldsvermutung schützt den Betroffenen vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches Verfahren zur Schuldfeststellung oder Strafbemessung vorausgegangen ist. Feststellungen zur Schuld zu treffen, Schuld auszusprechen und Strafe zuzumessen, ist den Gerichten erst erlaubt, wenn die Schuld des Angeklagten in dem mit rechtsstaatlichen Garantien ausgestatteten, bis zum Abschluss durchgeführten Verfahren nachgewiesen ist. Erst das vollständig durchgeführte Verfahren schafft die prozessual vorgesehenen Voraussetzungen dafür, Feststellungen zur Schuld zu treffen und die Unschuldsvermutung gegebenenfalls zu widerlegen (Beschluss vom 25. Oktober 2002 - VfGBbg 75/02 -).

aa) Durch die Einstellung eines strafrechtlichen Verfahrens nach § 47 Abs. 2 JGG entstehen dem Betroffenen keine Rechtsnachteile; er steht vielmehr weiter unter dem Schutz der Unschuldsvermutung (vgl. zum Bundesrecht BVerfG-K, Beschl. v. 6. September 2004 - 2 BvR 1280/04 -) und ist somit nicht beschwert (§ 45 Abs. 1  VerfGGBbg). Da das Strafverfahren der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches dient, kann seine Fortsetzung mit dem Ziel des Nachweises der Unschuld grundsätzlich nicht verlangt werden. Die mit dem Fortbestehen eines Tatverdachtes möglicherweise verbundenen faktischen Belastungen sind grundsätzlich hinzunehmen (BVerfG-K, Beschl. v. 6. April 1999 - 2 BvR 456/99 - m. w. Nachw.). Zwar ist auch hier in Ausnahmefällen ein verfassungsgerichtliches Eingreifen bei grobem prozessualen Unrecht möglich, vor allem, wenn eine fehlerhafte Rechtsanwendung nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden oder offensichtlich unhaltbaren Erwägungen beruht (BVerfG-K a. a. O.). Hierfür  liegen aber keine Anhaltspunkte vor. Die Einstellung des Verfahrens ist vielmehr bei einem unbestrittenen Tatvorwurf erfolgt.

bb) Bei einer Einstellung des Verfahrens verbietet es die Unschuldsvermutung schließlich nicht von vornherein, die Auslagen des Betroffenen bei diesem zu belassen und nicht der Staatskasse aufzuerlegen, denn eine derartige Entscheidung ist keine Strafe. Die Versagung des Auslagenersatzes hat keinen strafenden Sanktionscharakter und stellt weder ein die Strafe kennzeichnendes sozialethisches Unwerturteil noch die nachdrückliche Pflichtenmahnung eines Bußgeldes dar. Vielmehr lehnt es das Gericht nur ab, die notwendigen Auslagen zu Lasten der Allgemeinheit zu erstatten. Es verstößt daher nur dann gegen die Unschuldsvermutung, wenn Entscheidungen über Kosten, Auslagen oder Entschädigungsansprüche im Straf- oder Bußgeldverfahren mit Feststellungen zur Schuld begründet werden, obwohl das Verfahren nicht bis zur Schuldspruchreife gediehen war. Schuldfeststellungen in den Gründen eines das Verfahren einstellenden Beschlusses können deshalb grundsätzlich zur Feststellung eines selbständigen Grundrechtsverstoßes führen (zum Ganzen vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2002 - VfGBbg 75/02 - m. w. Nachw., LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, 185; Ernst, in: Lieber/Iwers/dies., Verfassung des Landes Brandenburg, 2012, Art. 53 Nr. 2). Ein derartiger Schuldvorwurf ist der Beschwerdeführerin durch das Amtsgericht nicht gemacht, der Beschluss ist schriftlich nicht näher begründet worden.

3. Für eine mögliche Verletzung des von ihr angeführten Grundrechts aus Art. 9 Abs. 1 LV neben Art. 53 LV hat die Beschwerdeführerin nichts vorgetragen. Hierfür ist auch nichts ersichtlich, da eine Verurteilung gerade nicht erfolgt ist und eine hierauf etwa basierende Freiheitsentziehung weder vollzogen wird noch zukünftig droht.

4. Der Beschluss ist auch nicht insoweit willkürlich, als die Auslagenerstattung nicht angeordnet wurde. Objektiv willkürlich ist eine Gerichtsentscheidung nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung des einfachen Rechts, sondern erst, wenn sie unter keinem recht­lichen Gesichtspunkt ver­tretbar ist (st. Rspr., vgl. Beschluss vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 61/12 -; Beschluss vom 17. September 1998 - VfGBbg 18/98 -, LVerfGE 9, 95, 100; zu Art. 3 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschl. v. 21. Nov­em­ber 2012 - 1 BvR 1711/09 -). Die Entscheidung muss ganz und gar unver­­­­­ständ­­lich und sachlich schlechthin unhaltbar erschei­nen, mit­­­hin das Recht in einer Weise falsch anwenden, dass jeder Aus­­­­­­­­­le­gungs- und Bewer­tungs­spiel­raum über­­schritten ist (Beschluss vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 61/12 -; Beschluss vom 15. März 2013 - VfGBbg 42/12 -, www.verfas­sungs­­­­­gericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschl. v. 15. Dezem­ber 2011 - 1 BvR 2490/10 -).

Die Entscheidung des Amtsgerichts, die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin nicht der Staatskasse aufzuerlegen, beruht auf § 467 Abs. 4 StPO. Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zulässt - hier nach § 47 JGG (vgl. Degener, in: SK-StPO, 4. Aufl., § 467 Rn. 33) -, so kann es davon absehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten aufzuerlegen. Hiermit wird von  § 467 Abs. 1 StPO, der eine zwingende Kostenpflicht der Staatskasse statuiert, abgewichen. § 467 Abs. 4 StPO eröffnet dem Gericht Ermessen (vgl. Degener, a. a. O., Rn. 34 ff). Die Entscheidung wäre, und zwar ungeachtet der verfassungsrechtlich relevanten Willkürgrenze, einfachrechtlich rechtswidrig, wenn das Gericht die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hätte oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte. Beides ist hier nicht der Fall, weil keine Umstände ersichtlich sind, die für eine Belastung der Staatskasse sprechen. Der in Rede stehende Tatvorwurf ist vielmehr unstrittig geblieben.

Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, ihre Zustimmung zur Verfahrenseinstellung ohne Auslagenersatz sei im Protokoll der Hauptverhandlung mindestens falsch protokolliert worden, bleibt der Vortrag unsubstantiiert. Dem Protokoll der Hauptverhandlung ist zu entnehmen, dass der Vorschlag des Gerichts, das Verfahren ohne Auflagen einzustellen, die Zustimmung sowohl der Angeklagten als auch ihres Verteidigers (sowie der Staatsanwaltschaft) fand. Ein Widerspruch hiergegen unterblieb. Zudem erging auch der Beschluss des Amtsgerichts vom 24. März 2014, durch den das Verfahren mit dem Ziel der endgültigen Einstellung vertagt worden war, ohne Auslagenerstattung; vor diesem Hintergrund hätte für die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin aller Anlass bestanden, der vorgeschlagenen Einstellung des Verfahrens ohne Auslagenerstattung im Termin der Hauptverhandlung gegebenenfalls ausdrücklich zu widersprechen.

 

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel Schmidt