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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 46/15 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20; VerfGGBbg, § 46
- StrRehaG, § 15; StrRehaG, § 10 Abs. 2
Schlagworte: Begründungserfordernis
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 46/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 46/15




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

O.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt E.,

 

wegen            Beschlüsse des Landgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2014 (BRH 27/14) und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12. März 2015 (2 Ws (Reha) 2/15)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. Juli 2015

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

 

 

 

 

 

Gründe:

 

A.

 

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Wiederaufnahmeentscheidung im Zusammenhang mit seiner strafrechtlichen Rehabilitierung.

 

I.

 

Der Beschwerdeführer, der bereits wegen einer von Januar bis Juni 1960 erlittenen Inhaftierung im Zusammenhang mit der versuchten Flucht aus der DDR rehabilitiert worden ist, beantragte 2008 zudem die Rehabilitierung wegen einer von Anfang Juni bis Anfang August 1959 erlittenen Untersuchungshaft, die gleichfalls im Zusammenhang mit einem Versuch der „Republikflucht“ gestanden habe. Das Landgericht Potsdam und das Brandenburgisches Oberlandesgericht wiesen den Rehabilitierungsantrag zurück. Eine Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Im Februar 2014 betrieb der Beschwerdeführer beim Landgericht die Wiederaufnahme des Verfahrens und benannte einen früheren Arbeitskollegen als Zeugen. Dieser hatte in einer schriftlichen Erklärung die Angaben des Beschwerdeführers zu einer Inhaftierung im Jahr 1959 bestätigt und die Bereitschaft zu einer Aussage vor Gericht bekundet. Das Landgericht wies den Wiederaufnahmeantrag und den Antrag auf Rehabilitierung nach Vernehmung des Zeugen mit Beschluss vom 8. Dezember 2014 zurück (BRH 27/14). Die Angaben des Zeugen seien so ungenau gewesen, dass sie eine Inhaftierung 1959 nicht belegten. Zudem habe der Zeuge angegeben, die nicht von ihm formulierte schriftliche Erklärung nur unterschrieben zu haben, ohne sich aber an die darin angegebenen Umstände selbst erinnern zu können. Das Oberlandesgericht verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 12. März 2015 als unbegründet (2 Ws (Reha) 2/15). Das Ergebnis der Vernehmung des neuen Zeugen gebe keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung der im rechtskräftigen ersten Beschluss vorgenommenen Würdigung. Die Angaben des Zeugen seien unergiebig und wenig konkret gewesen. Insofern sei die vom Beschwerdeführer behauptete Inhaftierung nach wie vor nicht als überwiegend wahrscheinlich anzusehen.

 

 

II.

 

Der Beschwerdeführer hat am 12. Mai 2015 Verfassungsbeschwerde erhoben und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er rügt einen Verstoß gegen Art. 52 Landesverfassung (LV). Im Rehabilitierungsverfahren könne nicht das gleiche Beweismaß wie im Strafverfahren gelten. Es sei nicht grundrechtskonform, wenn der Beschwerdeführer lückenlos seine Inhaftierung nachweisen müsse. Die Gerichte hätten Unklarheiten, die sich letztlich aus dem langen Zeitablauf ergäben, als Indiz für die nicht genügende Substantiierung des Vortrags des Beschwerdeführers gewertet. Aus dem strafrechtlichen Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ müsse man im Rehabilitierungsverfahren jedoch ableiten, dass der Sachverhalt im Zweifel so zu deuten sei, dass dem Beschwerdeführer Glauben geschenkt werde. Es könne nicht zu dessen Nachteil sein, dass die DDR-Behörden über seine Inhaftierung 1959 keine Unterlagen aufbewahrt hätten. 

 

B.

 

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Bran-denburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

1. Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht dem Begründungserfordernis aus § 46, § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg. Nach diesen Vorschriften ist es Sache des Beschwerdeführers, dem Gericht substantiiert und schlüssig einen Sachverhalt zu unterbreiten, der zu dem behaupteten Grundrechtsverstoß führen kann. Es ist im Einzelnen substantiiert darzulegen, welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme nicht genügt und inwieweit dadurch das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (Beschluss vom 21. November 2014 - VfGBbg 15/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Werden gerichtliche Entscheidungen angegriffen, muss sich der Beschwerdeführer auch mit deren Gründen auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 85, 36, 52; 101, 331, 345; 105, 252, 264). Liegt zu der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage bereits verfassungsgerichtliche Rechtsprechung vor, der die angegriffenen Gerichtsentscheidungen folgen, muss zudem der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben begründet werden (vgl. BVerfGE 130, 1, 21 m. w. Nachw.). Dem genügt das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht. Dies gilt selbst dann, wenn man zu seinen Gunsten annimmt, er wolle eine Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 10 iVm Art. 2 Abs. 1 LV; dazu Beschluss vom 19. November 2009 - VfGBbg 17/09 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de) geltend machen.

 

Der Beschwerdeführer geht auf die sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Februar 2000 - 2 BvR 1601/94 -, juris; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. September 2014 - 2 BvR 2782/10 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 18. Dezember 2014 - 2 BvR 2063/11-, juris) ergebenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Praxis der Rehabilitierungsgerichte nicht ein. Nach dieser Rechtsprechung entscheidet das Rehabilitierungsgericht nach Erschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten in freier Beweiswürdigung, wobei nach § 10 Abs. 2 Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) bereits die Glaubhaftmachung, mithin eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, genügt. Die Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen geht danach zu Lasten des jeweiligen Antragstellers. Die Rehabilitierungsgerichte sind von Verfassungs wegen nicht gehalten, im Zweifel für den Antragsteller zu entscheiden. Der Grundsatz in dubio pro reo gilt nicht. Wenn der Beschwerdeführer diese seiner Auffassung zur Anwendbarkeit des Zweifelssatzes zuwiderlaufende Ansicht des Bundesverfassungsgerichts für korrekturbedürftig hält, hätte er sich mit der vorzitierten Rechtsprechung auseinandersetzen müssen. Eine entsprechende Auseinandersetzung findet in der Verfassungsbeschwerde nicht statt.

 

Aber auch sonst fehlt eine substantiierte Darlegung, dass die angefochtenen Beschlüsse des Land- und Oberlandesgerichts die vorgenannten Maßstäbe in verfassungswidriger Weise verkannt hätten. Der Beschwerdeführer setzt sich nicht näher mit dem Inhalt der von ihm beanstandeten Beschlüsse auseinander. Er übergeht bereits, dass die Beschlüsse im Wiederaufnahmeverfahren ergangen sind und die Prüfung daher auf den geltend gemachten Wiederaufnahmegrund (§ 15 StrRehaG iVm § 359 Nr. 5 Strafprozessordnung) beschränkt war. Dass die Fachgerichte dabei die von ihnen als unergiebig behandelte Aussage des persönlich angehörten neuen Zeugen unrichtig gewürdigt haben könnten, macht er selbst nicht geltend.

 

2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen, denn seine Verfassungsbeschwerde bot keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. Beschluss vom 20. September 2013 - VfGBbg 33/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel Schmidt