VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 44/15 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
|
entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 21; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 | |
Schlagworte: | Subsidiarität | |
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 44/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 44/15
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
Rechtsanwältin K.,
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S.,
wegen Urteil des Amtsgerichts Senftenberg vom 19. Mai 2014 (50b OWi 1411 Js-OWi 38989/13 (904/13)) und Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 20. Oktober 2014 ((2 B) 53 Ss-OWi 435/14 (225/14))
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 17. Juli 2015
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
A.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen ihre Verurteilung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit.
I.
Das Amtsgericht Senftenberg verurteilte die Beschwerdeführerin am 19. Mai 2014 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h (Tattag: 4. Juni 2013) zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 160,00 € und sprach ein einmonatiges Fahrverbot aus (50b OWi 1411 Js-OWi 38989/13 (904/13)). Die Beschwerdeführerin habe über ihren Verteidiger in der Hauptverhandlung die Fahrereigenschaft eingeräumt. Das festgesetzte Bußgeld entspreche dem Bußgeldkatalog. Die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung indiziere eine grobe Pflichtverletzung, sodass die Anordnung eines Fahrverbots geboten sei.
Die Beschwerdeführerin legte Rechtsbeschwerde ein, die das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 20. Oktober 2014 unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft als unzulässig verwarf ((2 B) 53 Ss-OWi 435/14 (225/14)). Die Begründung der Rechtsbeschwerde genüge nicht den formellen Anforderungen des § 344 Strafprozessordnung (StPO). Es sei unklar, welches Rechtsmittel begründet werden solle. Die Rechtsbeschwerdeschrift betreffe zwei an unterschiedlichen Tagen gegen unterschiedliche Betroffene ergangene Urteile des Amtsgerichts Senftenberg und beziehe sich in ihrer Begründung nur teilweise auf das die Beschwerdeführerin betreffende Urteil. Es sei nicht Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts, den für das hier in Rede stehende Verfahren relevanten Vortrag vom nicht relevanten Vorbringen zu trennen. Soweit in der Sache eine unklare Beschilderung am Tatort beanstandet werde, handele es sich zudem um einen unzulässigen Angriff auf die dem Tatrichter vorbehaltenen Feststellungen. Die Angriffe gegen die Beweiswürdigung bezögen sich auf Umstände, die sich aus dem angefochtenen Urteil nicht ergäben. Die den Inhalt der Sachrüge ausmachende schlüssige Behauptung, auf den im Urteil festgestellten Sachverhalt sei materielles Recht falsch angewendet worden, lasse sich dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht entnehmen. Weiter entspreche auch die Rüge der Ablehnung von Beweisanträgen nicht den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Dem Beschwerdevorbringen ließen sich weder der Inhalt der Beweisanträge noch die Gründe entnehmen, auf die das Ausgangsgericht deren Ablehnung gestützt habe. Die Beschwerdeführerin erhob Gegenvorstellung und Anhörungsrüge. Das Oberlandesgericht verwarf die Gegen-vorstellung mit Beschluss vom 12. Februar 2015 und wies gleichzeitig die Anhörungsrüge als unbegründet zurück.
II.
Die Beschwerdeführerin rügt mit der am 11. Mai 2015 erhobenen Verfassungsbe-schwerde die „Nichtgewährleistung des ordentlichen Rechtswegs, Willkür, Versagung des rechtlichen Gehörs, Nichtbefassung sowie Fortbildung des Rechts“. Die beim Amtsgericht Senftenberg tätige Person könne nicht gesetzlicher Richter sein, denn ihr fehle als „DDR-Jurist“ die für einen Richter erforderliche Qualifikation. Der Beschluss des Oberlandesgerichts sei willkürlich, denn er sei nicht begründet. Der Beschluss wiederhole lediglich wörtlich das Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft. Daraus ergebe sich nicht, dass sich das Oberlandesgericht mit dem Sachverhalt und den rechtlichen Erwägungen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt habe. Das Oberlandesgericht befasse sich nicht einmal ansatzweise mit den aufgeworfenen Rechtsfragen. Das Amtsgericht wiederum habe die nur für möglich gehaltene Fahrereigenschaft als ihr Einräumen interpretiert. Dies sei willkürlich. Auch sei der Beschwerdeführerin rechtliches Gehör versagt worden. Sie habe geltend gemacht, das Tempolimit sei aus im Einzelnen dargelegten Gründen unwirksam gewesen. Das habe das Amtsgericht übergangen. Es verstoße gegen Denkgesetze, fehlerhafte und missverständliche Straßenschilder dem Fahrer als Unrecht anzulasten. Auch sei das Gericht nicht auf die Frage der Hinweispflicht auf eine permanente Geschwindigkeitsmessstelle eingegangen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Bran-denburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.
Der Verfassungsbeschwerde steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Dieser verlangt vom Beschwerdeführer, vor Anrufung des Verfassungsgerichts über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende zu unternehmen, um eine etwaige Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beheben (Beschlüsse vom 25. Februar 2011 - VfGBbg 15/10 (8/10 EA) -; vom 27. Mai 2011 - VfGBbg 20/10 -; vom 6. Juli 2012 - VfGBbg 63/11 -, www.verfassungsgericht.bran-denburg.de). Dazu gehört es auch, ein Rechtsmittel oder sonstigen Rechtsbehelf in gehöriger Weise einzulegen (vgl. BVerfGE 91, 93, 107), mithin die dafür bestehenden gesetzlichen Fristen zu wahren, prozessualen Rüge- und Darlegungslasten zu genügen und sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des jeweiligen Verfahrensrechts Rechnung zu tragen. Genügt die Prozessführung vor den Fachgerichten diesen Anforderungen nicht, so ist die nachfolgend erhobene Verfassungsbeschwerde unzulässig (vgl. Beschlüsse vom 27. Mai 2011 - VfGBbg 20/10 -; vom 6. Juli 2012 - VfGBbg 63/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfGE 74, 102, 113f.; 96, 345, 372). Das ist hier der Fall.
Dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss des Oberlandesge-richts vom 20. Oktober 2014 ist unschwer zu entnehmen, dass die Prozessführung der Beschwerdeführerin den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt hat. Die Rechtsbeschwerde ist nämlich schon deshalb als unzulässig verworfen worden, weil der Prozessbevollmächtigte mit derselben Beschwerdeschrift zugleich ein Rechtsmittel in einem anderen Bußgeldverfahren eines anderen Betroffenen eingelegt und die Begründung der beiden Rechtsmittel miteinander vermengt hatte. Darüber hinaus genügte das Rechtsbeschwerdevorbringen nach dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses weder den Anforderungen an eine Sach- noch an eine Verfahrensrüge. Dass das Oberlandesgericht damit die Anforderungen an die Begründung einer Rechtsbeschwerde in verfassungswidriger Weise überspannt haben könnte, macht die Beschwerdeführerin selbst nicht geltend. Die von ihr allein gerügte Übernahme der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft ist nicht zu beanstanden. Es stellt keinen Begründungsmangel dar, dass sich das Oberlandesgericht die Stellungnahme zu Eigen gemacht hat. Es versteht sich von selbst, dass dies nach inhaltlicher Prüfung geschehen ist, zumal sich dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht einmal ansatzweise entnehmen lässt, ob und warum die vom Oberlandesgericht übernommene Argumentation unzutreffend gewesen sein könnte.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Lammer | Nitsche |
Partikel | Schmidt |